Wir dokumentieren aus einem vierseitigen Flugblatt; die im zweiten Teil des Flugblatts abgedruckte Erklärung von Hanna ist bereits im Angehörigen Info Nr. 171 veröffentlicht.
Wir haben auf einem Plakat für die Freiheit von Hanna Krabbe, Gefangene aus der RAF seit 1975, und die Freiheit aller politischen Gefangenen die Forderung unkommentiert gelassen, weil es für uns um die Richtigkeit darum keiner Begründung bedarf.
Wir ergänzen hier aber:
Hanna muß sofort und bedingungslos aus dem Knast.
Hanna hat im Juli 1995 die weiter hinten dokumentierte Erklärung (1) zu ihre speziellen Situation und der aller Gefangener aus der RAF abgegeben und parallel einen Antrag auf Freilassung gestellt. Am 30.11. wird nun ihre Anhörung sein, und das heißt, in der nächsten Zeit wird entschieden, ob Hanna rauskommt oder ob sie weiter im Knast bleiben muß. Wir sagen, daß wir ihre bedingungslose Freilassung wollen, weil wir sie in ihrer Haltung unterstützen, sich nicht in einem "Bereuungsverfahren" von ihrer politischen Identität und ihrem Kampf zu distanzieren, die Sonderhaftbedingungen zu bestreiten oder sich in irgendeiner Weise vor ihren Richtern zu rechtfertigen.
Was ist die Geschichte von Hanna, was waren die Ziele der Aktion, wegen der sie im Knast ist, was ist der politische Hintergrund, vor dem diese Aktion stattfand?
Hannas politischer Widerstand begann im SPK (Sozialistisches Patienten Kollektiv) konkret zu werden. Das SPK war Anfang 1970 an der Universität Heidelberg entstanden. Es war der Versuch einer radikalen Anti-Psychiatrie. Krankheit wurde als innere Rebellion gegen die zerstörerischen kapitalistischen Verhältnisse definiert, und folglich war eine Veränderung nur möglich, in dem diese Rebellion nach außen gewendet wurden.
"Aus der Krankheit eine Waffe machen", war der Kampf um neue Bewußtseinsprozesse und Verhältnisse der Menschen miteinander.
Im SPK wurde dies durch die Auflösung vom hierarchischen Arzt-Patient-Verhältnis versucht, durch Patientenselbstorganisation, in der der Patient Subjekt seiner Geschichte wurde. Im Sommer 1971 wurde das SPK verboten und kriminalisiert.
Zur selben Zeit (seit 1970) hatte sich die RAF organisiert. Bei ihren Aktionen ging es darum, hier in den Metropolen eine revolutionäre Guerilla aufzubauen, darin eine Front mit den Befreiungskämpfen im Trikont zu sein und wirkungsvoll gegen den Vietnam-Krieg zu intervenieren.
Hanna entscheidet sich, in der RAF zu kämpfen.
Am 13.9.74 beginnt ein mehrmonatiger Hungerstreik von 35 Gefangenen aus der RAF. Der Hungerstreik ist der kollektive Widerstand der Gefangenen gegen Isolation, Tote Trakte, gegen die ganze programmierte Folter. Der Kampf der Gefangenen gegen Isolationshaft und Sondermaßnahmen macht klar: Der Staat will die Gefangenen politisch vernichten und den radikalen Widerstand einschüchtern.
Am 9.11.74 verhungert Holger Meins. Der Kampf um das Leben der politischen Gefangenen brennt unter den Nägeln.
Am 27.2.75 werden 5 Gefangene durch die Lorenz-Entführung der "Bewegung 2. Juni" ausgetauscht und ausgeflogen.
Am 24.4.75 besetzt das Kommando Holger Meins der RAF die BRD-Botschaft in Stockholm. Die Aktion hat das Ziel, alle kämpfenden politischen Gefangenen, insgesamt 26, zu befreien. Es geht aber auch darum, nach den Verhaftungen Anfang 1974 und der Zerschlagung der gesamten Infrastruktur der RAF für die Kontinuität von Guerilla zu kämpfen.
Bei diesem Kommando waren Hanna Krabbe, Bernd Rössner, Ulrich Wessel, Siegfried Hausner, Karl-Heinz Dellwo, Lutz Taufer.
Das Kommando Holger Meins wurde in einer gemeinsamen schwedisch-deutschen Polizeiaktion überfallen. Ulrich Wessel wurde bei diesem Angriff getötet, Siegfried Hausner wurde schwerverletzt in die BRD ausgeliefert und starb eine Woche später durch medizinische Nichtversorgung im Stammheimer Knast.
Bernd Rössner wurde durch extremste Haftbedingungen krank und mußte 1994 wegen Haftunfähigkeit aufgrund öffentlichen Drucks begnadigt werden. Karl-Heinz Dellwo und Lutz Taufer kamen im Frühjahr 1995 frei. Hanna ist die letzte aus dem Kommando, die noch im Lübecker Knast gefangen ist.
Von den Gefangenen, die durch die Botschaftsbesetzung befreit werden sollten, sind in den folgenden Jahren 6 Gefangene in den Knästen zu Tode gekommen. Das sind Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan Carl Raspe, Ingrid Schubert und Sigurd Debus.
Hanna Krabbe, wie auch die anderen Gefangenen aus der RAF, wurde den brutalsten Haftbedingungen unterworfen. Sie hat im Kollektiv der RAF-Gefangenen in den fast 21 Jahren Haft alle Maßnahmen - Isolation, sensorische Deprivation, Kontaktsperre, Kleingruppenisolation - durchlebt und durchkämpft. Sie war in den letzten 14 Jahren in einer Kleingruppe in Lübeck isoliert, und nachdem vor knapp einem Jahr endlich auch Irmgard Möller und Christine Kuby aus dem Knast kamen, ist sie jetzt als Gefangenen aus der RAF dort allein. Nachdem sie zuerst mit wenigen Frauen erneut in eine abgesonderte Abteilung verlegt wurde, ist diese seit Anfang Oktober 1995 Teil des allgemeinen verkleinerten Frauentrakts.
Hanna muß jetzt unbedingt raus.
Wir wollen hier nicht weiter auf die Anhörung eingehen - diese Prozeduren kennen wir zur Genüge und wissen, daß darin nicht die Entscheidung fällt, ob ein/e Gefangene/r freikommt oder nicht.
Allerdings spiegelt sich darin das staatliche Interesse und momentane politische Kräfteverhältnis.
Für uns geht es darum, die Gefangenen darin zu unterstützen, an ihrer Identität, ihrer Geschichte und deren Berechtigung festzuhalten - auch und grade nach der Zäsur 1992 (Zurückstellung des bewaffneten Kampfes zugunsten einer Neubestimmung kämpfender Politik).
Jeder radikale Widerstand ist mit der Gewaltmaschine des Staates konfrontiert. Wir erleben das z.B. in den Angriffen des deutschen Staates gegenüber dem Befreiungskampf des kurdischen Volkes, aber auch an der faktischen Abschaffung des Asylrechts, den Abschiebeknästen und den Angriffen gegen Antifaschisten.
Staatliche Gewalt manifestiert sich aber nicht nur in den Knästen und gegen organisierten Widerstand, sondern auch in solchen Absichten, wie sie z.B. in der Bioethik-Konvention (Genforschung, Reproduktionsmedizin) deutlich werden. Es handelt sich dabei um staatlich geplante Ausgrenzung von Menschen nach Kosten-Nutzen-Kriterien. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern das Interesse an Verwertung, Kontrolle und Manipulation.
In unseren linken Zusammenhängen soll die Diskussion um neue Perspektiven erstickt und Widerstand in seinen Anfängen blockiert werden. Seit fast 6 Monaten sind 4 Gefangene wegen der linken Zeitung RADIKAL im Knast und einer in Beugehaft. Alle haben Isolations- und Sonderhaftbedingungen. Bundesweit fanden massive Durchsuchungen statt, dort, wo der Staat militante linke Diskussion und Organisierung vermutet.
Wie weit sie gehen können, hängt auch von uns ab. Zur Zeit sind wir noch nicht mit neuer Stärke aus der Erschütterung hervorgegangen. Ein Problem, das uns blockiert, ist, daß wir nicht an der Geschichte revolutionärer Kämpfe hier ansetzen.
Es gelingt uns nur selten, die Etappen und Teilbereichskämpfe miteinander zu verbinden und uns auf gemachte Erfahrungen zu beziehen. Indem wir keine Kontinuität entwickeln, nicht an Erkämpftes anknüpfen, leuchten unsere Kämpfe auf und vergehen wie Sternschnuppen.
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte, gerade auch die kritische, würde, wenn das allgemeine Praxis wäre, ein qualitativer Sprung für uns sein.Wir wollen, daß die Menschen, die für diese Kontinuität gekämpft haben, in unserer Mitte sind.
Laßt uns den Kampf um die Freiheit aller politischen Gefangenen verstärken, weil er uns stärkt.
Samstag, 2.12.95 Demo in Lübeck, 11.00 Uhr Klingenberg zum
Knast -
Freiheitfür die Radikal-Gefangenen und Hanna Krabbe
Samstag, 16.12.95 Bundesweite Demo in Hamburg, 12.30 Uhr Moorweide
Dienstag, 28.11.95 Radio: Offener Kanal Lübeck, 98,8 MHz, 17.00 Uhr
"Hanna muß raus"
Montag, 11.12.95 Radio: Offener Kanal Hamburg, 96,0 MHz, 20.00 Uhr Ra- dio St. Paula: "Hanna muß raus"
Es ist notwendig, daß wir zu monika haas einige tatsachen klarstellen.
seit jahren läuft gegen monika haas eine dauerkampagne von staatsschutz und medien, zuerst mit dem ziel, sie unter druck zu setzen, und als das nicht klappt, weil sie sich dagegen wehrt, kommt der hammer mit der justiz: haft und anklage wegen beteiligung an der lufthansa-entführung ´77 und beihilfe zur schleyer-aktion.
wir alle waren 1977 in der raf, und wir kennen monikas geschichte. es ist nicht nur rein faktisch völlig absurd, was da gegen sie inszeniert wird, ihr leben wird zerstört, weil noch ein schauprozeß zu "mogadischu" her muß, auf teufel komm raus. es gibt keinen anderen grund für diesen prozeß, und wenn sie niemanden haben, den sie aburteilen können, dann wird eben jemand zur "schlüsselfigur" aufgebaut.
genau das wird hier versucht.
noch etwas gehört dazu und hat eine bestimmte funktion in dieser kampagne. sie ist vollgestopft mit einem wust von gerüchten in den medien, allen voran der spiegel. monika war gleichzeitig bnd-maulwurf, mossad-spitzel, cia-agentin, stasi-im und "schlüsselfigur des internationalen terrorismus", bei der alle fäden zusammenliefen.
ob das noch einen funken glaubwürdigkeit oder auch nur logik hat, ist egal, hauptsache, es erfüllt seinen zweck: verwirrung stiften und solidarität verhindern.
wir haben die wirkung von diesem überschnappenden dreck auch unterschätzt, und wir haben gezögert, selbst etwas zu sagen, weil monika dann augenblicklich mit der gegenwelle konfrontiert ist, dann heißt die nächste schlagzeile "schützenhilfe von den hardlinern" oder ähnlich und wird gegen sie gedreht.
aber in der situation, die jetzt da ist, ist das kein punkt mehr, das wichtigste ist, daß die fakten klarwerden.
wir machen es chronologisch.
zusammenhang mit der raf.
nach der stockholm-aktion wurde ein gemeinsames training zur neuausbildung durchgeführt in einem palästinensischen camp. monika kam damals noch aus der legalität dazu und hat sich während der ausbildung entschlossen, einen palästinensischen genossen zu heiraten und dort zu bleiben. es war auch ihre entscheidung für einen anderen politischen bzw. persönlichen zusammenhang.
nach der trennung haben wir keinen kontakt mehr zu monika gehalten. nur einzelne von uns haben sie ab und zu gesehen, in großen zeitlichen abständen, wenn sich das ergab. wir haben dann über ihre situation geredet, über die kinder, nichts politisches. die raf, aktionen oder die beziehungen von organisation zu organisation waren kein thema.
verhaftung in kenia.
was wir über monikas verhaftung in nairobi wissen, wissen wir von palästinensischen genossen aus der führung der organisation, kurz gesagt, hat monika vor allem glück gehabt. die kenianische polizei hat sie gehen lassen, weil ihr hauptinteresse war, über monika an eine bestimmte palästinensische genossin heranzukommen, die sie in eine falle locken sollte. monika ist darauf zum schein eingegangen, weil sie darin die einzige möglichkeit sah, aus kenia wieder rauszukommen. sie hatten ihr gedroht, sie verschwinden zu lassen. es war hart, aber mit viel glück ist sie mit ihrer geschichte durchgerutscht und konnte ausreisen.
es geht hier weder darum, monikas verhalten zu rechtfertigen, noch darum, es abzulehnen. wir stellen nur fest, was gewesen ist und was nicht.
tatsache ist, daß sie niemanden verraten und niemanden verkauft hat, nicht in kenia und nicht danach.
nach monikas rückkehr haben die genossen die ganze sache in allen einzelheiten mit ihr geklärt. wir haben keinen zweifel, daß es eine gründliche klärung war. es ist auch nicht wahr, daß an der basis danach noch weiter irgendein verdacht geschwelt hätte, monika sei in wirklichkeit ein spitzel, vom mossad angeworben usw. alle wußten, daß die kenia-verhaftung geklärt war.
soweit zum "mossad-verdacht".
monika selbst hat sich nach dieser erfahrung in kenia aus jedem aktiven zusammenhang zurückgezogen. für sie war es die endgültige erkenntnis, daß der bewaffnete kampf oder seine unterstützung nicht ihr weg ist.
das war anfang ´76, anderthalb jahre vor der schleyer-aktion und der lufthansaentführung.
monika hat danach in aden gelebt. zusammen mit ihrem mann und den kindern, nicht versteckt, sondern offen, in einem haus, das im gleichen viertel lag wie mehreren botschaften, auch westliche. kein abgeschirmter palast, sondern ein mehrfamilienhaus mit jemenitischen familien. oft genug sind die westdeutschen dort herumstrichen. sie hat sich überall offen bewegt, ihr ältester sohn ist in aden in die schule gegangen, sie war bekannt.
seitdem sind viele jahre vergangen. aden ist weit weg, heute ist es zerstört, geplündert und von den mullahs beherrscht. da ist es leicht, eine ganz andere wirklichkeit zu suggerieren und so lange zu wiederholen, bis die echte keine chance mehr hat.
rückkehr in die brd.
1980 hat monika sich entschieden, in die brd zurückzukehren mit den kindern. wir haben das erst später erfahren, und wir waren entsetzt. es war klar, daß sie mit ihrer geschichte, dazu verheiratet mit einem pflp-kader, für den staatsschutz so interessant war, daß sie sie hier nicht in ruhe leben lassen würden.
wahrscheinlich war für monika aber einfach nur ihre eigene situation ausschlaggebend: daß sie nie bewaffnet gekämpft hatte, seit jahren aus jedem politischen zusammenhang raus war und nachweisbar nur noch auf ihre familie bezogen gelebt hatte. das war ihre "sicherheit" gegenüber dem Staatsschutz, die realität, auf der sie hier bestehen konnte.
in den presseberichten taucht immer wieder als unerklärlicher punkt auf, daß monika nicht gleich bei ihrer rückkehr verhaftet wurde. es gab keinen haftbefehl gegen sie. warum? weil dem staatsschutz das alles bekannt war, sie wußten, wie sie in aden gelebt hatte.
ist das wirklich so schwer, sich vorzustellen? die ganze anklage funktioniert nur durch die zeitliche verschiebung von 15 jahren &endash; hätten sie damals versucht, monika mit ihren 3 kleinen kindern der öffentlichkeit als "internationale schlüsselfigur" zu präsentieren, es wäre total durchsichtig gewesen und sofort klar, daß das erfunden ist.
es gab nichts gegen monika, und sie haben sie sicher auch gern in die brd zurückkommen lassen. sie konnten davon ausgehen, daß sie wegen der kinder weiter in verbindung mit ihrem mann bleiben wird, sie konnten sie jetzt komplett überwachen, abhören, beobachten, wen sie kennt, und außerdem noch direkten druck auf sie machen.
das fing auch bald an.
im juni 81 wird monika von einem mann angesprochen, der ihr sagt, er könnte ihre geplante reise zu ihrem mann verhindern. einen tag später liegt ein drohbrief vor der wohnungstür. er spielt auf eine beteiligung an der lh-entführung an &endash; "wir erinnern an unseren gemeinsamen aufenthalt in palma" außerdem enthält er andeutungen über kenia und die aufforderung, informationen über brigitte zu liefern.
monikas anwalt gibt den brief an die polizei. von dort kam er auch: in dem brief werden details genannt, zb. namen von pässen, von denen der staatsschutz annimmt, sie seien bei der lh-aktion verwendet worden. niemand außer dem staatsschutz selbst kann diese namen kennen.
es bleibt nicht der einzige versuch, monika angst einzujagen, um sie zur zusammenarbeit zu pressen.
der nächste drohbrief kommt nach der verhaftung von heidi und brigitte im november 82. diesmal wird er an die frankfurter rundschau geschickt. der brief behauptet, monika sei schuld an der verhaftung der beiden, sie hätte die beiden verraten. deswegen würde sie jetzt entweder von der raf oder von den palästinensern umgebracht werden.
es ist das gleiche muster wie bei der ersten drohung, monika soll in angst versetzt werden, nur diesmal noch ein zahn draufgelegt: sie soll glauben, um ihr leben fürchten zu müssen und daß wir es sind und die palästinensischen genossen, die sie bedrohen.
dieser zweite drohbrief ist auch nie veröffentlicht worden, sie haben ihn anscheinend gleich wieder unter verschluß genommen. er war ja auch nur als "internes" druckmittel gedacht.
um den druck noch zu verstärken, durchsucht die bundesanwaltschaft monikas wohnung in frankfurt, weil angeblich der verdacht besteht, heidi und brigitte hätten dort geschlafen. natürlich hatte niemand von uns mehr kontakt zu monika, nachdem sie in der brd war. und natürlich wußte der staatsschutz, daß es gar keinen verrat bei der verhaftung gegeben hatte. tiere hatten das depot aufgewühlt, sowas ist öfters passiert. in offenbach war der platz nicht gut, deswegen wurde er entdeckt.
wir haben das schon damals klargestellt: nur wir kannten dieses depot. sämtliche verrats-stories, die bis heute in die welt gesetzt wurden (zuletzt sollte es die stasi gewesen sein), sind vollständig erfunden.
wir sind auf diesen zeitabschnitt so ausführlich eingegangen, weil er wichtig ist, um das, was heute gegen monika aufgefahren wird, richtig zu sehen. die manipulation von anfang an wird deutlich, die absichten und die mittel. und es wird auch deutlich, wogegen monika die ganzen jahre ihre lebensentscheidung behauptet hat, ohne sich einschüchtern und umbiegen zu lassen.
zwei jahre später findet in madrid ein anschlag auf ihren mann statt. er wird schwer verletzt und ist gelähmt. wer es auch war, der mossad oder ein anderer dienst &endash; die versuche, monika hier zur informantin zu pressen, um an ihren mann und seine organisation ranzukommen, zeigen, daß es ein gemeinsames interesse war.
die jetzige kampagne.
sie fängt an mit unserer kronzeugenriege, mit der verhaftung der ehemaligen von uns 1990, die in der ddr gelebt hatten. nicht weil sie irgendetwas gegen monika hätten aussagen können, sie kennen sie gar nicht. aber die tatsache, daß der staatschutz auf einmal einen ganzen haufen leute zur hand hat, die bereit sind, den kronzeugenhandel zu machen, öffnet nun alle schleusen. im siegesrausch nach der wende wollen sie jetzt auch den politischen aufbruch hier, mit dem die geschichte der raf verbunden ist, ein für allemal justiziell versenken.
das kronzeugeninstrument soll es bringen &endash; eine demonstration von neuen aburteilungen, nach der dann alles "bewältigt" ist. alles, das heißt: jeder angriff auf die brd. sie forcieren die auslieferung von carlos und johannes weinrich, und sie wollen die lufthansa-entführung 77 vor einem deutschen staatsschutzsenat haben. aber drei kommandomitglieder sind tot, die einzige überlebende ist in somalia verurteilt worden. sie haben niemand, den sie anklagen können.
so beginnt die kampagne gegen monika.
ende 91/anfang 92 konzentrieren sich die medien, gefüttert mit staatsschutz-"enthüllungen", auf sie. neuentdeckte stasi-akten sollen jetzt ihre beteiligung an der lh-aktion beweisen.
weil das nichts weiter als eine behauptung ist, wird sie angereichert mit einem wirrwarr von gerüchten, bis kaum jemand noch durchsteigen kann. wieder soll monika das depot von 82 verraten haben. außerdem wird sie jetzt mit der verhaftung von sieglinde 1980 in paris in verbindung gebracht. sie war beim mossad, beim bnd. sie war alles.
im märz 92 wird monika verhaftet, im mai wieder freigelassen. begründung: die stasi-akten allein reichen für einen haftbefehl nicht aus.
das ist auch kein wunder, es stehen nämlich auch nur vermutungen, gerüchte und geschichten über sie drin, erkennbar zusammengeschustert. die bedeutung dieser akten ist so hochgepustet worden, weil sei immer im zusammenhang mit uns genannt werden, es soll sich vermitteln. in wirklichkeit sei das unsere information und unser bnd-verdacht gegen monika.
das ist quatsch. der bnd-verdacht und ohnehin, und generell haben wir in gesprächen immer eine restriktive linie eingehalten, was informationen angeht. dem mfs gegenüber wie in allen anderen kontakten. auch solchen, die uns nahestanden. das haben wir oft genug gesagt.
zwei punkte sind es, die die stasi-akten gegen monika hergeben sollten: eine beteiligung an der lh-aktion und daß sie in aden für den bnd gearbeitet haben könnte.
zur lh: niemand aus der raf kennt die operativen und logistischen details der aktion. das schließt auch ein, daß wir nicht wissen, wer an ihr beteiligt war konkret. es kann also überhaupt niemand von uns darüber informationen weitergeben. das ist die wahrheit, egal ob boock versucht, daran herumzudrehen, um nochmal ein scherflein für sich rauszuschlagen.
und es ist selbstverständlich, daß wir das nicht wissen, es geht hier um eine palästinensische aktion. die palästinenser kannten auch keine details über unsere aktionen, keine organisation hat sich so verhalten.
zum zweiten punkt, dem bnd-verdacht. richtig ist, daß es beim mfs diesen verdacht gegeben hat. wobei "verdacht" schon zu hoch gegriffen ist, sie haben geschichten erzählt, nichts reales. es hat uns auch nicht betroffen, unsere sicherheit ist nicht berührt worden, und es war ein palästinensisches problem. deshalb haben wir beim mfs bei dem thema gemauert und es abgelehnt, uns darauf einzulassen. daß inge viett dem mfs selber auch geschichten erzählt hat, ändert daran nichts. es bleiben geschichten.
monika hat auch nichts mit sieglindes verhaftung zu tun. und um diesen punkt abzuschließen: der ganze geheimdienstnebel, der heute von den medien um monika inszeniert wird, ist ein ablenkungsmanöver, ein sehr gezieltes. hinter zig gerüchten und widersprüchlichem zeug soll ihr tatsächliches leben immer mehr verschwinden, immer weniger gewicht haben. denn das ist das größte hindernis für eine aburteilung &endash; monikas lebensrealität aus diesen jetzt fast zwanzig jahren. die evidenz dieser realität muß zugeschmiert werden, damit sie ihre geplante abrechnung mit mogadischu durchbringen, egal mit welchen mitteln.
die bundesanwaltschaft steht also 1992, nach der aufhebung des haftbefehls, mit leeren händen da. daß das trotzdem nicht ihr letzter versuch war, zeigt sich schon daran, daß die medienkampagne gegen monika weiter in gang gehalten wird. ein paar monate später beginnt der spiegel die neue runde: monika, die "queen of aden" &endash; waffentransport, schlüsselfigur, alles von vorne. in thrillertechnik wird die öffentlichkeit auf monikas erneute verhaftung vorbereitet.
diesmal will die baw auf nummer sicher gehen. im oktober 94 veranlassen sie die verhaftung von souhaila andrawes in norwegen. souhaila andrawes ist die einzige überlebende des kommandos martyr halimeh, seit einigen jahren lebt sie mit ihrer familie in oslo.
bei den ersten vernehmungen erklärt souhaila andrawes, nichts über den waffentransport zu wissen. monika wird von ihr überhaupt nicht erwähnt. aber die drohung mit der auslieferung nach deutschland, der trennung von der familie, wirkt. einige tage später stimmt sie dem kronzeugenangebot der bundesanwälte zu und sagt nun aus, monika 1977 in mallorca gesehen zu haben. das reicht für einen neuen haftbefehl gegen monika und die jetzige anklage.
es kann nicht angehen, daß die staatsschutzjustiz in alle zukunft mit ihrem kronzeugeninstrument einfach so durchkommt und jedes politisch gewünschte urteil produzieren kann. die kritische öffentlichkeit, die es noch vor der installierung des kronzeugengesetzes gab und die ein solches gesetz jahrelang verhindert hat, hat seitdem die sprache verloren. nach jedem neuen kronzeugenurteil wird allenfalls ein vages mißbehagen artikuliert. der reflex, der vorherrscht, ist: schlucken und runterspülen. warum? weil es jetzt legal ist? jeder prozeß zeigt um ein paar stufen greller: das kronzeugeninstrument ist eine sache, die sie nicht mehr hergeben wollen, weil sie damit alles machen können.
jetzt soll es gegen monika durchlaufen. nochmal zu den fakten: anfang 76 entscheidet sich monika für ein leben mit familie, außerhalb politischer und bewaffneter zusammenhänge. sie trifft diese entscheidung auch aus der knasterfahrung, die sie davor in kenia gemacht hat. im juli 77 wird ihr zweites kind geboren. und kurz darauf, während das baby schwer krank ist, soll sie ihre lebensentscheidung umgeworfen und plötzlich bei einer aktion wie der lufthansa-entführung mitgemacht haben, waffen nach westeuropa transportiert haben, wo sie gleich am flughafen hätte hochgehen und für lange jahre in den knast kommen können?
und später geht sie mit ihren kindern ausgerechnet hierher zurück, um seitdem auf ihre verhaftung zu warten?
auch zwanzig kronzeugenaussagen könnten das nicht glaubwürdig machen. man braucht da auch kein "insiderwissen", es genügt der gesunde menschenverstand.
monika haas muß raus! alle, die noch nicht aufgegeben haben, selbst zu denken, fordern wir auf, sie zu unterstützen und sich für ihre freilassung einzusetzen.
rolf heissler, sieglinde hofmann, christian klar, brigitte mohnhaupt, heidi schulz, rolf-clemens wagner
Ein Interview mit Monika Haas
Wann beginnt Ihr Prozeß, Frau Haas?
Ursprünglich war auf Mitte November terminiert. Jetzt heißt es, 18. Januar - ich vermute, das hat mit der Kronzeugenregelung zu tun. Die läuft zum 31. Dezember 1995 aus, und man will wohl erst die Verlängerung in der Tasche haben.
Am Fall Haas ließe sich demonstrieren, wie gut sie funktioniert. Schließlich sagt Souhaila Andrawes, der wegen der "Landshut"-Entführung der Prozeß gemacht werden soll, vor allem deshalb als Kronzeugin gegen Sie aus, weil man ihr dafür eine mildere Strafe in Aussicht gestellt hat.
An meinem Fall läßt sich zeigen, wie die Anklagebehörde die Not eines Menschen für ihre Zwecke ausnutzt und wie Frau Andrawes zu Falschaussagen genötigt wurde. Hintergrund der Kronzeugenprozesse der letzten Jahre gegen RAF-Gefangene ist ein Verfassungsgerichtsurteil. Vor diesem Urteil war es Praxis, bei Anträgen von zu "lebenslänglich" Verurteilten auf "vorzeitige Haftentlassung" nachträglich die "besondere Schwere der Schuld" festzustellen, um den Antrag abzulehnen. Mit Hilfe der sogenannten DDR-Aussteiger der RAF, die sich der Justiz als Kronzeugen andienten, wurde die "Schwere der Schuld" in den neuen Urteilen festgeschrieben, um Entlassungen einen Riegel vorzuschieben. Bei Frau Mohnhaupt braucht die Bundesanwaltschaft dafür einen Kronzeugen. Für diese Rolle war ich vorgesehen, denn Brigitte Mohnhaupt kann nur noch wegen der "Landshut"-Entführung angeklagt werden.
Sie wollen damit sagen, daß die Bundesanwaltschaft Souhaila Andrawes angeklagt hat, damit sie als Kronzeugin gegen Monika Haas aussagt, und daß sie Monika Haas anklagt, damit die wiederum gegen Brigitte Mohnhaupt aussagt?
Nun, die Reihenfolge ist anders. Ich bin 1992 mit einem immensen Vorwurf konfrontiert worden. Man hoffte, daß ich so reagiere wie die DDR-Aussteiger der RAF, die genau wie ich aus einem bürgerlichen Leben geholt worden sind. Dadurch, daß ich anders mit meiner Geschichte umgehe, hat sich während dieser Konfrontation eine Eigendynamik entwickelt. Ich habe mich nicht einschüchtern lassen, und deshalb wird Frau Andrawes gebraucht.
Sie werden verdächtigt, daß Sie RAF-Mitglied waren oder der Roten Armee Fraktion zumindest nahestanden (M. H. nickt). 1975 tauchen Sie im Jemen unter. Sie heiraten Zaki Helou, damals im Jemen ein hoher Funktionär der palästinensischen Gruppe PFLP-Special Command, mit dem Sie bis 1982 in Aden leben. Er ist der Vater Ihrer beiden jüngsten Kinder. In Nairobi sind Sie 1976 in die Vorbereitungen eines Anschlages verwickelt. 1977 sollen Sie die Waffen für die Entführung der "Landshut" nach Mallorca gebracht haben. Eine lupenreine Terroristen-Karriere ...
Tatsache ist, daß die Zeit in Aden meine bürgerlichste und unpolitischste Lebensphase war.
Warum werden Sie dann von den Medien als "eine der geheimnisvollsten Gestalten aus der europäischen Terrorismus-Szene" geschildert?
Nicht von den Medien, sondern hauptsächlich vom "Spiegel" und "Spiegel-TV". Im "Spiegel" wurden haarsträubende Dinge über mich behauptet. Deshalb klagte ich auf Unterlassung, Widerruf und Schmerzensgeld. Die Reaktion kam von Stefan Aust (damals "Spiegel-TV"-, heute "Spiegel"-Chefredakteur; Red. "Die Woche"), der meinem Anwalt drohte: "Entweder Ihre Mandantin zieht die Anzeige zurück, oder ich werde noch ganz andere Dinge über sie veröffentlichen." Ich habe die Anzeige nicht zurückgezogen, denn die Behauptungen waren zu ungeheuerlich. Das Resultat war eine Kampagne, die sich fast ausschließlich auf die manipulierten Vorwürfe der Stasi im sogenannten "Operativvorgang Wolf" gegen mich stützt. Diese Akte wurde mit dem Ziel angelegt, den "Beweis" zu erbringen, ich sei eine Mitarbeiterin westlicher Geheimdienste.
Was hat Sie ursprünglich in die Nähe zum bewaffneten Kampf gebracht?
Mein Engagement im Komitee für die politischen Gefangenen aus der RAF Anfang der 70er Jahre. Diese legale Arbeit war starkem Druck ausgesetzt. Mitglieder des Komitees wurden kriminalisiert und mit Strafverfolgung bedroht. Diese Form staatlicher "Aufmerksamkeit" wirkte ungeheuer identitätsstiftend. Ich habe 1975 die Bundesrepublik aufgrund der "Winterreise" verlassen. Das war eine dieser Fahndungsaktionen, die genau dem von mir beschriebenen Zweck diente. Wenn man da bei Hausdurchsuchungen nicht angetroffen wurde, landete man in Null Komma Nichts auf einem Fahndungsplakat ...
Sie kamen auf ein Fahndungsplakat, weil Sie nicht zu Hause waren?
Nein, damals noch nicht. Dazu kam noch die Aktion in Stockholm, bei der auch die Freilassung von Werner Hoppe gefordert wurde - den hatte ich wiederholt im Gefängnis besucht. Ich bekam Besuchsverbot, und das Ganze spitzte sich so zu, daß ich mir sagte: Ich geh' jetzt erst mal weg und laß' sich das hier beruhigen.
Sie lernten schießen.
Nun, ich war kurz in diesem Ausbildungslager, habe auch - wenn man so will - schießen gelernt, aber ich hatte keine militärische Ausbildung.
Was ist der Unterschied?
Unter einer militärischen Ausbildung stelle ich mir mehr vor, als mit einer Pistole zu versuchen, ein paar Büchsen zu treffen.
Sie lernten also schießen, weil die Polizei nach Ihnen suchte.
Es ist sehr schwer, in ein paar Worten die Atmosphäre der damaligen Zeit wiederzugeben. Weltweit gab es Befreiungs- und Widerstandsbewegungen. Die Situation war politisch stark im Umbruch, und die Auseinandersetzungen sind sehr militant geführt worden. Wer sich wie wir mit den Sicherheitsbehörden und der Justiz auseinandersetzte, machte schnell die Erfahrung, daß sie in der Tradition des Volksgerichtshofes agierten. Für mich ging es damals in erster Linie um ein "Nie wieder - wehret den Anfängen".
Sie flogen im Januar 1976 nach Nairobi, um einem Kommando, das eine Aktion vorbereitete, einen Brief zu überbringen, Sie wurden von kenianischer Polizei festgenommen und verhört, Angehörige des Mossad waren dabei, in den Zellen nebenan wurden die anderen gefoltert, Ihnen gelang es, als einzige zu entkommen. Wie kamen Sie da raus?
Es ist richtig, daß ich beauftragt wurde, einen Brief nach Nairobi zu bringen, um ihn an einer bestimmten Adresse abzugeben. Es trifft auch zu, daß ich dabei bereits am Flughafen von der kenianischen Polizei verhaftet wurde, da - wie sich später herausstellte - die fünf Personen, die sich vor mir in Nairobi aufhielten, bereits verhaftet waren. Falsch ist jedoch Ihre Aussage, Angehörige des Mossad seien bei Verhören dabeigewesen. ich hatte zu keinem Zeitpunkt Kontakt mit dem israelischen Geheimdienst. Drei Tage und Nächte wurde ich von kenianischen Polizisten verhört und gequält. Es war zwar meine Einschätzung, daß der Mossad im Hintergrund die Anweisungen gab, aber selbstverständlich wußte ich nicht, ab welchem Zeitpunkt dies geschah. Den Kenianern waren jedenfalls einige Dinge bekannt. Dazu gehörte, daß zuvor bei den bereits verhafteten Personen eine weitere Person gewesen sein soll. Auf diese arabische Frau waren sie außerordentlich scharf.
Wie hieß diese Frau?
Das weiß ich nicht mehr. Fakt war, daß die kenianischen Behörden sehr schnell begriffen, daß ich nur eine Funktion am Rande hatte und wirklich nichts wußte. Ihr Hauptinteresse galt dieser Frau. Mir wurde gesagt: "Okay, du hast nur eine Chance, hier lebend rauszukommen, nämlich indem du jetzt zurückfliegst, wo du hergekommen bist, und dieser Frau sagst, daß die Leute darauf bestehen, daß sie selbst kommt."
Und da stimmten Sie zu?
Ich sah keine andere Möglichkeit, da wieder herauszukommen. Ich habe in diesen Tagen nur aus dem Bauch heraus reagiert, denn ich hatte eine Todesangst. Deshalb waren sich die Kenianer auch so sicher, daß ich tun werde, was sie wollten, nämlich die arabische Frau in eine Falle locken. Sie haben mir auch sehr eindringlich versichert, daß sie mich kriegen und umbringen werden, wenn ich nicht gehorche - egal, wo ich mich verstecke. Ich wurde dann losgeschickt, über Daressalam. Von dort bin ich in das Land zurückgeflogen, aus dem ich gekommen war - es war übrigens nicht Aden.
Welches Land war das?
Ich habe kein Interesse, jetzt nach 20 Jahren zu sagen: "Damals hat dieser oder jener Staat die Palästinenser unterstützt." Es war jedenfalls ein anderes afrikanisches Land. Dort traf ich aber niemanden mehr an. Bis ich dann einen Flug nach Aden bekam, hat es noch ein paar Tage gedauert; alles in allem war ich ungefähr zehn Tage unterwegs.
Der Ablauf weckte den Verdacht, Sie seien vom Mossad umgedreht worden. Der "Spiegel" leitet daraus die Vermutung ab, Israel habe durch Sie im Vorfeld von Terroraktionen erfahren können, also auch von der "Landshut"-Entführung. was auch erklären könnte, warum Sie 1982 nach Deutschland zurückkehren und bis 1992 unbehelligt in Frankfurt leben konnten. Sie werden außerdem immer wieder in Zusammenhang mit Stasi oder Verfassungsschutz gebracht. Wie erklären Sie sich das?
Wenn ich mir das schlüssig erklären könnte, hätte ich heute ein Problem weniger. Nach meiner Rückkehr aus Nairobi bin ich bei manchen auf großes Mißtrauen gestoßen, weil man sich nicht sicher sein konnte, daß meine Schilderung stimmt. Es war ja auch folgendes denkbar: Ich bin in Nairobi angekommen, verhaftet worden und habe dann die anderen verraten. Dieses Mißtrauen hat sich fast zwei Jahre gehalten, bis man an die Leute herangekommen war, die nach Israel verschleppt worden waren, und sie fragen konnte, wann sie festgenommen worden sind. Allerdings haben sich in dieser Zeit der Verdacht und die dadurch entstandenen Gerüchte verselbständigt. Deshalb existieren sie heute immer noch.
Hatte der Vorfall in Nairobi für Sie bei den Palästinensern Konsequenzen?
Die Konsequenz habe ich selber gezogen. Ich bin bei dieser Geschichte an meine persönlichen Grenzen gestoßen. Dieser Form des Kampfes war ich nicht gewachsen.
Die Kenianer hatten Ihnen Angst eingejagt?
Das habe ich offen zugegeben: "Eine Situation wie in Nairobi stehe ich nicht noch mal durch." Mein Ausstieg war damals nicht politisch begründet - es war einfach Angst.
Es ist also nichts dran an dem Vorwurf, Sie hätten mit einem Geheimdienst zusammengearbeitet?
Ich habe noch nie mit einem westlichen oder östlichen Geheimdienst zusammengearbeitet. Diese Unterstellungen basieren wahrscheinlich auf recht banalen Hintergründen. Wenn ich jetzt bei Interviews von ehemaligen Stasi-Offizieren höre, wie sie betonen, "ich sei bestplaziert gewesen", dann wird mir ansatzweise klar, wie ich in deren Denkweise hineinpasse. Für die Stasi galt meine Position als ideal. Außerdem entspreche ich offenbar in mehrfacher Hinsicht Klischeevorstellungen, z.B. der von der blonden, europäischen Frau, der ein arabischer Mann hoffnungslos verfällt.
Waren Sie schon einmal auf Mallorca?
Nein.
Nicht einmal im Urlaub?
Noch nie.
Hier der Kern der Aussage Ihrer Hauptbelastungszeugin Souhaila Andrawes: Am 7. Oktober 1977 übergab Monika Haas in einem Hotelzimmer auf Mallorca in einem Kinderwagen drei Bonbondosen mit Pistolen und Handgranaten sowie einen in einem Kofferradio versteckten Zündmechanismus an die Entführer der "Landshut": Hat sie sich das aus den Fingern gesogen?
Frau Andrawes mußte sich nichts aus den Fingern saugen. Sie hat aus den Angaben, die ihr von der Bundesanwaltschaft vorgegeben wurden, eine Geschichte konstruiert. Ursprünglich hat sie nur angegeben, daß sie mich aus dem Jemen kennt, weil sie dort einmal kurz zu einer Ausbildung war, und mich nie außerhalb des Jemens getroffen hat. Alle anderen Details, die sie später erwähnt hat, wurden ihr während der Vernehmung vorgehalten.
Sie will sich auch daran erinnern, daß in dem Kinderwagen, in dem Sie die Waffen überbracht haben sollen, ein drei Monate altes, blondes Kind lag. Ihre Tochter wurde am 17. Juli 1977 geboren, war also im Oktober drei Monate alt.
Auch dies wurde ihr vorher eröffnet, also auch die Tatsache, daß meine Tochter damals drei Monate war. Aber noch etwas zu dem blonden Kind: Mit ein wenig Nachdenken hätte sie richtig erraten können, daß sich in einer binationalen Ehe eher der dunkle Partner durchsetzt. Aber sie hat auf blond getippt. Eine Antwort, die nicht paßt, weil meine Tochter seit ihrer Geburt dunkelbraunes Haar hat.
Wo waren Sie in der Zeit, als laut Anklage die Waffen nach Mallorca geschmuggelt wurden?
1976 habe ich die Entscheidung getroffen, den bewaffneten Kampf nicht zu führen und auch nicht zu unterstützen. Das wird auch dadurch dokumentiert, daß ich meinen Sohn nach Aden geholt habe und weitere Kinder wollte. Ich hatte mich für die Familie entschieden. 1977 war hier in der Bundesrepublik ein traumatisches Jahr - für mich war es das nicht. Ich lebte quasi am Ende der Welt und mußte mich in Aden unter völlig unbekannten Bedingungen erst einmal orientieren. Ich war schwanger, und im Sommer 1977 habe ich meine Tochter geboren. Als erstes wurde ich nach der Geburt selbst krank. Nachdem es mir wieder besser ging, bekamen wir endlich eine eigene Wohnung, wir mußten umziehen, und es gab sehr viel zu organisieren. Danach erkrankte meine Tochter sehr schwer, sie ist mir beinahe an einer schweren Diarrhöe gestorben. Anfang Oktober 1977 bangte ich um ihr Leben und hatte wirklich große eigene Probleme ... Von dem, was 1977 in Deutschland passierte, habe ich erst sehr viel später die Dimensionen erfahren.
Es waren aber doch andere RAF-Mitglieder in Aden ...
Zu dieser Zeit - da bin ich mir sicher - waren keine Deutschen da. Wenn jemand in Aden war, mit dem ich keinen Kontakt haben sollte, dann war für mich das "Office" tabu ... Wir wollten nicht noch einmal in die Situation kommen, daß gesagt wird: "Das kann nur sie verraten haben."
Was muß man sich unter "Office" vorstellen?
Das war ein Haus, wo Leute, die kurzzeitig nach Aden kamen, untergebracht wurden.
Die Bundesanwaltschaft will Sie, wie Sie sagen, als Kronzeugin gewinnen. Worüber sollen Sie aussagen?
Auf Mallorca waren außer den vier Leuten, die die "Landshut" entführt haben, laut Akten noch mindestens sechs Personen, zwei Frauen und vier Männer. Welche Funktion die hatten, konnte nicht ermittelt werden, aber man hat mich gefragt, wer das war. Die andere Frage galt dem Verbindungsglied zwischen dem Kommando Siegfried Hausner, das die Schleyer-Entführung gemacht hat, und den Entführern der Lufthansa-Maschine. Das sind alles Dinge, die ich nicht weiß und auch nicht beantworten kann.
Für Sie kommt die Kronzeugenregelung also ohnehin nicht in Frage.
Ich könnte es natürlich so machen wie Frau Andrawes und Gewünschtes liefern, auch wenn es nicht stimmt. Aber ich werde mich nicht in dieser Art und Weise von der Bundesanwaltschaft mißbrauchen lassen.
(Aus: Die Woche, 17.11.95)
Nachdem der Generalstaatsanwalt von Mecklenburg-Vorpommern die Beschwerde der Familie Grams gegen die Einstellung der Ermittlungen wegen des Todesschusses in Bad Kleinen zurückgewiesen hat, haben wir heute im Auftrag der Eltern von Wolfgang Grams beim Oberlandesgericht Rostock einen Klageerzwingungsantra gestellt. Die Eltern von Wolfgang Grams wollen sich mit der staatlich verordneten Selbstmordversion über ihren Sohn nicht abspeisen lassen. Sie halten an dem Vorwurf fest, daß ihr Sohn anläßlich des GSG-9-Einsatzes am 27.6.1993 in Bad Kleinen ermordet worden ist.
Durch den Klageerzwingungsantrag wird erstmals ein ordentliches Gericht mit der Sache befaßt. Bisher hatte die Staatsanwaltschaft unter erheblichem politischen Druck aus Bonn entgegen den offen zutage liegenden Tatsachen daran festgehalten, daß Wolfgang Grams sich selbst erschossen hat, ohne dafür auch nur einen einzigen Zeugen aufbieten zu können.
Demgegenüber haben drei Zeugen die tödlichen Schüsse auf den wehrlos im Gleis liegenden Wolfgang Grams bekundet: die Kioskverkäuferin, ein Angehöriger der am Einsatzort tätigen Polizeikräfte ("Spiegel-Zeuge") und ein Rentner aus Bremen.
Zahlreiche Zeugen haben unter Eid einen Geschehensablauf bekundet, nach dem ausgeschlossen werden muß, daß sich Wolfgang Grams unbemerkt erschossen hat.
Schließlich ist durch renommierte Gerichtsmediziner die Behauptung der Staatsanwaltschaft widerlegt, daß eine Fremdbeibringung des Kopfschusses sicher ausgeschlossen werden kann und daß ein Selbstmord zwingend anzunehmen ist.
Die auch von der Staatsanwaltschaft eingeräumten zahlreichen eidlichen Falschaussagen der beteiligten GSG-9-Beamten sind vor dem Hintergrund der objektiven Befunden nicht anders zu erklären, als daß die tatsächlichen Geschehnisse verschleiert werden sollen.
Zu den Verfolgungsmaßnahmen zählt auch, daß wichtige Spuren von den Polizeibehörden systematisch zerstört worden sind: Noch vor der Obduktion wurden auf Veranlassung des BKA die Hände von Wolfgang Grams gereinigt, die Tatwaffe wurde erstmals nach acht Tagen auf Fingerabdrücke untersucht, nachdem sie zuvor beim BKA beschossen und auf biologische Spuren untersucht worden war. Die blutbespritzte Jacke des hauptverdächtigen GSG-9-Beamten verschwand auf wundersame Weise im Institut für Rechtsmedizin in Zürich. Sogar der Generalstaatsanwalt von Mecklenburg-Vorpommern kam nicht umhin, in diesem Zusammenhang von "Spurenvernichtung" zu sprechen.
Als alarmierend werten wir die Tatsache, daß wir am Montag, dem 6.11.1995, feststellen mußten, daß das Büro von Rechtsanwalt Andreas Groß, in dem wir zuletzt an dem Klageerzwingungsantrag gearbeitet haben, vom Staatsschutz mit Videokamera, Fotoapparat, Richtmikrophonen und Telefonabhörmaßnahmen umfassend ausspioniert worden ist. Als ein Kamerateam des Hessischen Rundfunks diese Machenschaften dokumentieren wollte, wurden wir Zeugen des überstürzten Abtransportes der Überwachungseinrichtungen.
Es muß davon ausgegangen werden, daß die an den Vorgängen in Bad Kleinen unmittelbar beteiligten Staatsschutzbehörden sich mit dem Lauschangriff seit längerem Kenntnis über das gegen sie von uns ermittelte Beweismaterial und unser weiteres Vorgehen in dieser Sache verschafft haben.
Vom OLG Rostock ist nicht mehr und nicht weniger zu erwarten, als daß es die Staatsanwaltschaft Schwerin zur Anklageerhebung anweist, um die Vorgänge in Bad Kleinen vor einem ordentlichen Gericht klären zu lassen.
Andreas Groß, Wiesbaden, Rechtsanwalt
Thomas Kieseritzky, Frankfurt a.M., Rechtsanwalt
(Presseerklärung vom 10.11.95)
Presseerklärung zu den 13.6.-Verfahren
Am 13. November 1995 befinden sich unsere Mandanten Andreas Ehresmann, Werner Konnerth, Ralf Milbrandt und Rainer Paddenberg seit fünf Monaten in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, sich an der Herausgabe der seit 1976 erscheinenden Zeitschrift radikal beteiligt zu haben, was nicht nur als Billigung von bzw. Aufforderung und Anleitung zu Straftaten, Werbung für terroristische Vereinigungen sowie Umsatzsteuerhinterziehung gewertet wird, sondern auch als Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung im Sinne des 129 StGB: Dies stellt gegenüber bisherigen Verfahren eine zusätzliche Kriminalisierung der Zeitschrift radikal dar.
Seit Beginn des Verfahrens wird jede Verteidigung faktisch unmöglich gemacht, da der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof uns nach wie vor mit fadenscheinigen Begründungen weitestgehend Akteneinsicht verweigert. Wesentliche Grundlage des Ermittlungsverfahrens sind die Aufzeichnungen eines mit Mikrosendern belauschten Treffens im September 1993. Die Ergebnisse dieses - nach geltendem Strafprozeßrecht unzulässigen - Lauschangriffs sollen nach den Vorstellungen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof als "Zufallsfunde präventiv-polizeilicher Maßnahmen" Eingang in das Strafverfahren finden. Wir halten diesen Versuch zur Umgehung geltenden Strafprozeßrechts für verfassungswidrig. Unabhängig von dieser und weiteren Rechtsfragen erscheint uns der Vollzug der Untersuchungshaft völlig unverhältnismäßig. Offensichtlich hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs jeden Maßstab verloren, wenn er wegen des Vorwurfs der Herausgabe einer Zeitschrift extreme Haftbedingungen anordnet, beispielsweise die völlige Isolation unserer Mandanten in den Haftanstalten und die Durchführung der alle zwei Wochen gestatteten Besuche nur hinter einer Trennscheibe. Wir werden weiterhin mit allen rechtlichen Möglichkeiten um eine Aufhebung der Haftbefehle bemüht sein und erwarten das Ergebnis der nächsten mündlichen Haftprüfung am 13. November 1995.
Rechtsanwälte: Ursula Erhardt, Gabriele Heinekke, Thomas Klein, Christoph Kliesing, Berlin, Hamburg und Osnabrück am 9.11.1995
Rainer in Bielefeld befand sich vom 17.10. bis 11.11. im Hungerstreik für bessere Haftbedingungen.. Seine Forderungen waren und sind: Aufhebung der Isolation, d.h. Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen und gemeinsamer Hofgang mit anderen Gefangenen.
Aufruf zur Demonstration am 16.2.95 in Hamburg
Trotz Repression den eigenen Widerstand entwickeln
Mitte Dezember sitzen Andreas, Reiner, Ralf und Werner seit sechs Monaten im Knast, weil sie an der Herstellung der Zeitung RADIKAL beteiligt gewesen sein sollen. Wir finden es wichtig, zu diesem Termin eine kraftvolle, möglichst große Demonstration zu machen, um Druck auf den Haftprüfungstermin auszuüben. Wir wollen aber auch die Themen auf die Straße bringen, über die von uns in der RADIKAL diskutiert und gestritten wurde. Die Zeitung ist ein Forum für Diskussionen der unterschiedlichsten Widerstandsbewegungen und Inhalte: Feminismus, Internationalismus, Anti-Faschismus, Stadtteilkämpfe, Anti- AKW, Sozialrevolutionäre, Kriegsdienstverweigerer ... Wir wollen zeigen, daá wir uns diese Diskussion nicht verbieten lassen. (...)
Der Staatsschutzangriff vom 13.6. richtet sich gegen autonome, feministische und antiimperialistische Gruppen, die für - auch militante - Organisierung in einer revolutionären Perspektive stehen. Die Situation in der Linken ist angesichts dieser Lage geprägt vom Rückzug ins Private, vom weitgehenden Verzicht auf die revolutionäre Perspektive. Trotzdem gibt es überall Gruppen und Projekte, die versuchen, diesem Zerfallsprojekt etwas entgegenzusetzen und mit ihren Mitteln Widerstand zu leisten. Solange es dieses imperialistisch-patriarchale System gibt, gibt es die Notwendigkeit und den Wunsch auf Umwälzung aller herrschenden Verhältnisse und die Erkämpfung einer befreiten Gesellschaft.
Es geht jetzt darum, den Angriff zusammen zurückzuschlagen und nach vorne zu blicken.
Wir wollen mit dieser DEMO gemeinsam unsere Vielfalt auf die Straße tragen. Dies muß massiv aus all den Spektren des linksradikalen Widerstandes unterstützt und durchgeführt werden. Deshalb ist wichtig, daß viele Strukturen/Gruppen die Demo mit eigenen Aufrufen und einer eigenen Mobilisierung mitgestalten. Auf der Demo soll Platz für die Darstellung der eigenen Kämpfe und Ansätze sein. Wir wollen nicht nur gegen die Repression demonstrieren, sondern unsere Theorie und Praxis, die auch mit den Verfahren kriminalisiert werden soll, auf die Straáe tragen.
Wir fordern:
Freilassung der Radikal- Gefangenen und aller anderen politischen Gefangenen!
Aufhebung der Haftbefehle und Einstellung aller Verfahren!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste!
Weg mit 129, 129a !
Keine Aussage bei Bullen, Staatsanwälten und Richtern!
Weg mit der Beugehaft!
Wir grüßen die Gesuchten !
Am 28.10.1995 wurde Christel Fröhlich-Padula in Rom verhaftet. Christel war mit spezieller Genehmigung des italienischen Innenministeriums nach Rom gereist, um dort ihren inhaftierten Ehemann Sandro Padula zu besuchen.
Sie wurde um 13.30 Uhr an einer U-Bahnstation von mehreren Männern in Zivil festgenommen, die ihr später eröffneten, daß gegen sie ein internationaler Haftbefehl der französischen Behörden vorläge. Den Zeitpunkt der Festnahme datierten sie auf 14.30 Uhr; der Haftbefehl lag erst gegen 14.53 Uhr bei den italienischen Behörden vor. Begründung des Haftbefehls ist ein Sprengstoffanschlag aus dem Jahr 1982 in Paris, Rue Marboeuf, der gegen eine arabische Wochenzeitung gerichtet war (zu diesem Anschlag hat nie eine Organisation die Verantwortung übernommen).
Der erste Verhörversuch dazu fand bereits 1982 durch einen französischen Richter statt. Zu diesem Zeitpunkt war Christel wegen Sprengstoffbesitzes in Italien inhaftiert. Nach ihrer Haftentlassung 1988 kehrte Christel nach Hannover zurück. Die Ermittlungen wurden - mal offen, mal verdeckt - weitergeführt. Die Beweislage war und ist so dünn, daß es hier in der BRD nie zu einer Anklage gereicht hat.
Die Presse hat über all die Jahre ihren Teil dazu beigetragen, das Bild von Christel als "Top-Terroristin" aufzubauen. Besonders hervorgetan hat sich dabei der Lokalreporter der HAZ (Hannoversche Allgemeine Zeitung - Red.) Michael Sasse. Er, der offensichtlich gute Verbindungen zu Staatsschutz- Geheimdienstbehörden hat, arbeitet dabei mit gezielten Lügen. Seit Jahren wiederholt er z.B. wissentlich die gleiche Lüge, daß Christel bei ihrer Verhaftung 1982 einen falschen Paß auf den Namen Städelheim dabei hatte. Auf diesen Namen war der Wagen gemietet worden, mit dem der Anschlag in Paris ausgeführt wurde. Weiterhin behauptet Sasse trotz besseren Wissens, daß Christel hier in Hannover seit 1989 unter anderem Namen gelebt hätte. Aber Lügen werden auch nicht dadurch wahr, daß sie ständig wiederholt werden.
Mit der jetzigen Verhaftung von Christel wird das fortgesetzt, woran unterschiedliche Behörden sich seit 13 Jahren zu schaffen machen: ihrer habhaft zu werden.
Dies wurde nur möglich durch die Zusammenarbeit der deutschen, italienischen und französischen Behörden. Da Christel, als Deutsche, von der BRD nicht ausgeliefert werden kann, ist es völlig offensichtlich, daß die Genehmigung der Einreise nur dem Zwecke ihrer Verhaftung diente.
Machen wir uns nichts vor, das Verfolgungsinteresse der Ermittlungsbehörden war immer schon grenzenlos. Trotzdem bleibt es dabei: Solidarität ist unsere Stärke!
Wir fordern:
- die Aufhebung der Isolation
- keine Auslieferung nach Frankreich
- Christels sofortige Freilassung
Solidaritätsgruppe zu Christel Fröhlich, c/o annabee Buchladen, Gerberstr. 6, 30169 Hannover (13.11.95)
Seit über zehn Monaten sitzt der spanische Staatsangehörige Benjamin Ramos Vega in Berlin-Moabit in Isolationshaft, weil der spanische Nationale Gerichtshof seine Auslieferung wegen "Unterstützung der ETA" fordert. Er soll für die baskische Befreiungsorganisation zwei Wohnungen in Barcelona angemietet haben. Die Anklagen gegen Benjamin Ramos Vega geht auf Aussagen zurück, die unter Folter zustandegekommen sind. Das Berliner Kammergericht hat deshalb entschieden, nur dann der Auslieferung zuzustimmen, wenn die spanischen Behörden bis zum 10. Dezember 95 eine Garantie für die Einhaltung der Menschenrechte abgeben. Unterdessen hat der Leitende Gefängnisarzt in einem Gutachten kritisiert, daß "die hochrestriktiven Sicherheitsauflagen in Haft" und "die Angst vor Auslieferung" für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des HIV-infizierten Benjamin Ramos Vega verantwortlich sind. Am 9.11.95 konnten wir mit Benjamin Ramos Vega in der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Moabit ein 45minütiges Interview machen.
Seit über zehn Monaten bis Du jetzt hier in Moabit inhaftiert. Wie geht es dir?
Gut. Wenn es ein Trost sein kann: Die Schließer hier beleidigen mich nicht und mißhandeln mich nicht. Aber ich denke, daß die Sicherheitsmaßnahmen, die sie gegen mich anwenden, sehr extrem sind. Ich bin isoliert. Ich will es euch so erklären: Hier im Knast sind fast 2000 Gefangene ..., und die Maßnahmen, die sie gegen mich anwenden, betreffen insgesamt höchstens sieben Gefangene. Höchstens! Ich weiß, daß vier von den sieben in irgendeiner Form politisch sind ... Außerdem finde ich den Hofgang in einem ummauerten Hof, der für mich nur eine weitere Zelle bedeutet, weil er geschlossen und klein ist, sehr bedrückend. Auch das wird ... höchstens bei sieben Leuten gemacht, weil mehr als sieben Durchgänge gibt es nicht.
Warum bist du Teil des Kollektivs der baskischen politischen Gefangenen geworden? Du bist doch von deiner Herkunft her kein Baske!
... Wenn du dich mit Euskadi solidarisch zeigst und Unterstützung dafür leistet, wird das kriminalisiert. Deswegen begreife ich meine Kriminalisierung als Teil dessen, was gegen Eiskadi, gegen die Opposition dort läuft. Sieh mal, ... ich habe die baskischen und die katalanischen Gefangenen besucht und ihnen geschrieben. Also, in Teneriffa - das ist eine Kolonie, eine afrikanische Insel, die aber zu Spanien gehört - gibt es einige Gefangene, die unter sehr schlechten Bedingungen leben. Die wissen, daß ich im Knast bin. Viele wissen, daß ich hier wegen meiner Unterstützung und Solidarität für Euskadi kriminalisiert werden. Ich bekomme Post von diesen baskischen Gefangenen, und sie behandeln mich als Genossen. Sie sind jetzt im Hungerstreik, weil sie fordern, daß zumindest ihre grundlegenden Rechte respektiert werden. So ist das Kollektiv. Wenn du wegen deiner Solidarität kriminalisiert wirst, nehmen die baskischen Gefangenen dich auf und unterstützen dich.
Du bist in Katalonien aufgewachsen und hast dich dort an der linken Unabhängigkeitsbewegung beteiligt. Wie hast du dich politisiert?
... Wenn du aus einer LandarbeiterInnenfamilie kommst und unter der Repression leidest, was machst du dann? Ich habe mir nur die Realität bewußt gemacht, und dann ist es normal, daß du Widerstand leistest. Nicht alle, die unter der Repression leiden, ziehen daraus eine Konsequenz. Gut, ich habe das gemacht. Die Ungerechtigkeit ist da, um bekämpft zu werden! Es gibt keinen Mittelweg ...
1977 warst du auf einer Demonstration zum katalanischen Unabhängigkeitstag, auf der ein Junge erschossen wurde.
Ich war vierzehn und trug eine rote Fahne. Ich war damals in der Schule, und dort wurde mir klar, daß wir KatalanInnen ein Volk sind mit einer eigenen Sprache ... In dieser Zeit herrschte eine Umbruchstimmung, alles war "erlaubt" ... Auf der Demonstration hörte ich dann Schüsse, und ein Junge, der in meiner Nähe ging, starb. Die Schuldigen wurden niemals gefunden. Er hieß Gustavo. Das ist mir sehr nahegegangen, auch wenn ich ihn nicht gekannt habe. Die Tatsache, daß er aus denselben Gründen da war wie ich, reichte mir, Deswegen nennen mich die Leute Gustavo. Sogar die spanischen Polizisten, die mich hier verhaftet haben, nannten mich Gustavo, als sie mich verhören wollten.
Eine Kritik von Teilen der deutschen Linken am Konzept der nationalen Befreiung ist, daß die soziale Emanzipation der Orientierung auf die Unabhängigkeit untergeordnet wird. Wie siehst du das?
... In Euskadi gibt es seit 35 Jahren den bewaffneten Kampf. Bevor Franco starb ..., wurde kritisiert, daß die ETA sozialistisch sei. Sie wollte Unabhängigkeit und Sozialismus! Die baskische ArbeiterInnenbewegung, und das ist der kämpferischste Sektor, ist Teil der baskischen Unabhängigkeitsbewegung ... Im September gedachte man des 20. Jahrestages der Ermordung von Txiki (1) ... Also, Txiki schrieb in einem Brief, er kämpfe für die Freiheit aller Völker im spanischen Staat, bis der Sozialismus erreicht sei. Die Unabhängigkeitsbewegung will kein bestimmtes politisches Modell durchsetzen - was eingefordert wird, ist das internationale Recht der Völker auf Selbstbestimmung und die Respektierung dieses Rechts. Und wenn einmal eine Garantie dafür besteht und wenn einmal das Territorium Euskadis wiedervereinigt ist, dann sollen alle Parteien und Bewegungen Euskadis diskutieren, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Es wird immer das Volk sein, das entscheidet, das Volk wird befragt werden ...
Du hast vorhin gesagt, daß du dir sowohl mit katalanischen als auch baskischen politischen Gefangenen geschrieben und sie besucht hast. Vielleicht kannst du erzählen, unter welchen Bedingungen sie in den Gefängnissen leben, damit Leute hier besser verstehen, was dich erwartet, wenn du ausgeliefert wirst.
Also, auf der Ebene der Strafen, von den Jahren her, ist es so, daß es schon für kleine, unbedeutende Delikte viele, viele Jahre Knast gibt. Es gibt kein lebenslänglich, aber es gibt Leute, die haben 50, 100, 200 Jahre. Das Kollektiv der katalanischen Gefangenen (2) ist ziemlich klein, aber das der baskischen Gefangenen zählt mehr als tausend Personen, wenn man die Totalverweigerer mitzählt, also bei drei Millionen EinwohnerInnen tausend politische Gefangene.
Von ihren Bedingungen her sind sie einem permanenten, konstanten Druck unterworfen, ihre Ideen und politischen Überzeugungen zu verraten und mit dem System zusammenzuarbeiten ...
1987 wurden die baskischen Gefangenen in Knäste des gesamten spanischen Staatsgebietes außerhalb Euskadis verteilt, sie entfernten sie aus ihrem kulturellen Umfeld. In den Knästen sind sie mit den verschiedensten Formen von Repression konfrontiert. Du kannst ganz isoliert werden, oder sie machen dir kleine Zugeständnisse, um sie dir gleich wieder wegzunehmen, um dich langsam zu zerstören. Was auch sehr schlimm ist, ist, daß die ganze Repression nicht nur auf die Gefangenen selbst abzielt, sondern auch die Familien trifft! Für Besuche müssen sie lange Fahrzeiten von Tausenden von Kilometern in Kauf nehmen. Bis auf die Kanarischen Inseln, das sind 3000 Kilometer ... Du machst also die Reise, und dann triffst du deinen Sohn, deinen Genossen, deinen Bruder, den Gefangenen nicht, weil sie sie in einen anderen Knast verlegt haben. Und was oft passiert, ist, daß die Polizei die Gefangenen bei den Verlegungen schlägt ... Abgesehen davon, daß sie deine politischen Überzeugungen zerstören wollen, wollen sie auch deine Gesundheit kaputtmachen. Es sind schon Gefangene im Knast krank geworden und gestorben ... Ich kann euch den ganz aktuellen Fall von Pilar Ferreira (3) erzählen, einer baskischen Gefangenen ... Sie operierten sie und haben sie danach im Knast, mit Tropf und allem, mit Handschellen ans Bett gefesselt.
Die Praxis der Verteilung der baskischen Gefangenen ist illegal, wird aber von allen politischen Parteien geduldet. Nach acht Jahren kann man heute sehen, daß sie nicht gewirkt hat. Man kann die Zahl der Gefangenen an dieser Hand abzählen, die aufgegeben haben; die wegen der Repression ... entschieden haben, zu sagen, daß der Kampf für die Freiheit von Euskadi nicht gerecht ist, daß die Selbstbestimmung Unsinn ist, daß es ja schon eine Demokratie gibt. Die das in einem öffentlichen Diskurs vertreten, um eine Verringerung ihrer Strafe zu erreichen, das sind wirklich ganz wenige.
Kürzlich hat das Berliner Kammergericht entschieden, deine Auslieferung von Bedingungen abhängig zu machen, die die spanischen Behörden erfüllen müssen. Und zwar, daß keine unter Folter erpreßten Aussagen in deinem Verfahren verwendet werden, daß du nicht in Isolationshaft kommst und daß du eine angemessene medizinische Versorgung erhältst.
Ich finde es sehr positiv, daß der Richter den Schriftsatz der Verteidigung zur Kenntnis genommen hat. Das ist das einzig Positive, das ich daran sehe,. Daß er sich jetzt unter dem Druck der politischen Seite entscheiden wird, mich auszuliefern ... klar! Es ist logisch, daß in politischen Fragen die Politiker entscheiden und nicht die Richter ... Im spanischen Staat gibt es ein Sondergericht, um die baskische Opposition abzuurteilen. Es heißt Audienca Nacional. Wenn ein Gefangener nach fünf Tagen Isolationshaft dem Gericht vorgeführt wird und sie ihn geschlagen und gefoltert haben, schert sich der Richter nicht darum. Einige wurden sogar mit offenen Wunden und Narben vorgeführt. Darum finde ich positiv, daß meine Meinung zumindest angehört wird ... Ich werde die Hoffnung aufrechterhalten bis zum Termin, an dem sie entscheiden werden, ob sie mich ausliefern.
Wenn es, was ich nicht hoffe, eine Entscheidung für meine Auslieferung geben wird, ist es sehr klar, daß ich mich dem mit allen Mitteln widersetzen werden.
Wir wünschen dir alles Gute!
Das Interview wurde von zwei PolizistInnen des LKA und mehreren Schließern überwacht. Wir durften mit Benjamin Ramos nur Deutsch sprechen; unser Gespräch wurde dann von einer Dolmetscherin, die das LKA bestellt hatte, zu großen Teilen sinnentstellend übersetzt. Die Kosten für die Überwachung und die Übersetzung sollen wir gemäß dem Beschluß des Kammergerichts selbst tragen.
Das Interview wurde von uns selbst übersetzt und gekürzt.
(Solidaritätskomitee)
Anmerkungen:
(1) Txiki - aus Südspanien stammendes ETA-Mitglied, der kurz vor Ende der Franco-Diktatur am 27.12.75 zusammen mit vier anderen linken Militanten unter Franco hingerichtet wurde.
(2) Das katalanische Gefangenenkollektiv besteht derzeit aus acht Gefangenen.
(3) Pilar Ferreiro ist wie Benjamin als Katalanin wegen "Unterstützung der ETA" inhaftiert.
Presseerklärung
Das Berliner Kammergericht will Benjamin Ramos Vega ausliefern, wenn Spanien die Einhaltung der Menschenrechte zusichert
Seit nun fast zehn Monaten sitzt Benjamin Ramos Vega in Berlin-Moabit in Isolationshaft, da der spanische Nationale Gerichtshof seine Auslieferung fordert. Ihm wird vorgeworfen, für die baskische Befreiungsorganisatioan ETA zwei Wohnungen in Barcelona angemietet zu haben. Diese Vorwürfe basieren einzig und allein auf durch Folter erpreßte Aussagen. In der BRD liegt nichts gegen Benjamin Ramos Vega vor. Seine Inhaftierung beruht ausschließlich auf dem Auslieferungsbegehren des spanischen Staates.
Am 13.10.95 erkannte das Kammergericht Berlin in einem Beschluß an, daß Benjamin Ramos Vega nach seiner Auslieferung die Gefahr droht, gefoltert zu werden. Das Gericht unter Vorsitz des Richters Dr. Werner Nöldeke kam nicht umhin, Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen zur Kenntnis zu nehmen, die die systematische Folterpraxis in Spanien belegen. Das ist ein Erfolg der Verteidigung und des Drucks der Öffentlichkeit.
Man könnte jetzt auf die Idee kommen, daß ein politischer Flüchtling natürlich nicht an einen Staat ausgeliefert wird, von dem ihm Folter droht. Trotzdem will das Kammergericht Benjamin Ramos Vega auf jeden Fall ausliefern. Allerdings möchte es nicht die Konsequenzen tragen und kam daher auf die originelle Idee, die spanischen Behörden um ein Papier zu bitten, auf dem geschrieben steht, daß Benjamin Ramos Vega kein Haar gekrümmt wird. Der Verfolgerstaat soll garantieren, daß Benjamin Ramos Vega in Spanien nicht in Isolationshaft genommen wird, keine durch Folter erpreßten Aussagen in seinem Verfahren verwendet werden und ihm, da er HIV-positiv ist, eine angemessene medizinische Versorgung gewährleistet wird. Der spanische Staat hat bis zum 10. Dezember Zeit, diese Zusicherung abzugeben.
Der Beschluß hat in Spanien zu empörten Reaktionen von staatlichen Stellen und der Presse geführt. Der Innen- und Justizminister Juan Alberto Belloch forderte, daß Deutschland seine Gesetzgebung ändern müsse, wenn diese die Auslieferung von Terroristen verhindere. Es wurde weiterhin eine offizielle Protestnote der spanischen Regierung angekündigt, und die Staatsanwaltschaft beim Nationalen Gerichtshof drohte, die zwanzig anhängigen deutschen Auslieferungsbegehren abzulehnen. Gefangene als austauschbare Ware, die je nach politischer Konjunktur und Interesse als außenpolitisches Druckmittel eingesetzt werden!
Die Folter in Spaniens Polizeirevieren und Knästen wird seit Jahren durch Berichte von amnesty international und der UNO-Menschenrechtskommission belegt, die sogar das Kammergericht dazu bewegten, öffentlich in seinem Beschluß darauf Bezug zu nehmen. Daß es daraus ableitet, die Zusicherung eines Folterstaates, die Menschenrechte einzuhalten, sei ein Schutz für politische Gefangene und die Auslieferungshindernisse würden dadurch beseitigt, ist absurd. Solche Zusicherungen sind nicht mehr als bloße Lippenbekenntnisse. Deutschen Gerichten genügten schon lapidare Absichtserklärungen der Diktaturen im Sudan und der Türkei, um Oppositionelle auszuliefern. Mit einem banalen Papier kann sich jede Diktatur ihre politischen Flüchtlinge von einem deutschen Gericht zurückkaufen. Die alleinige Funktion solcher ,Garantien' ist es, reibungslos ausliefern zu können, ohne sich die demokratisch weiße Weste zu beschmutzen. Eine Hand wäscht die andere!
Spanien kann bestenfalls eine wertlose Zusicherung der Einhaltung der geforderten Garantien abgeben. Für die BRD würde dies jedoch eine Freikarte für die zukünftige Abschiebung weiterer politischer Gefangener an Spanien bedeuten.
Wir lehnen die Forderung nach einer solchen Zusicherung des spanischen Staates als unglaubwürdig und zynisch ab und fordern statt dessen, daß Benjamin Ramos Vega nicht ausgeliefert, sondern sofort freigelassen wird!
Der Zynismus geht aber noch weiter: Während das Kammergericht erreichen will, daß Benjamin Ramos Vega in Spanien nicht in Isolationshaft genommen wird, verlängert es im gleichen Beschluß seine Isolationshaft hier. Das paßt zu Dr. Nöldeke: Anfang der 80er Jahre machte er sich einen Namen mit Vorschlägen, wie Hungerstreiks politischer Gefangener beendet werden können: Mit der Begründung, die Gesundheit der hungerstreikenden Gefangenen schützen zu wollen, schlug er vor, daß man ihnen ,möglichst bald nach Beginn des Streiks das Trinkwasser entzieht' (siehe Junge Welt vom 22.9.95). Genausowenig wie die Sonderhaftbedingungen aufgehoben wurden, wird Benjamin Ramos Vega in Moabit eine angemessene medizinische Versorgung seiner HIV-Infektion gewährt, die gleichwohl von Spanien garantiert werden soll. Benjamin erhält im Knast nicht einmal die Medikamente ausgehändigt, die er in Freiheit eingenommen hat. Von adäquater medizinischer Behandlung keine Spur!
(...)
Wir fordern, daß Benjamin Ramos Vega sofort freigelassen wird!
Keine Auslieferung an den Folterstaat Spanien!
Protestieren Sie beim Kammergericht Berlin: Dr. Werner Nöldeke, 4. Strafsenat, Witzlebenstr. 4, 14057 Berlin, Tel. (030) 21092967, Fax (030) 32092266
Berlin, 10.11.95, Solidaritätskomitee Benjamin Ramos Vega, Rote Hilfe Berlin, Für eine linke Strömung (FelS), B 259 - antifaschistische Jugendgruppe
Frankfurt
Im Prozeß gegen Birgit finden die nächsten Termine statt am:
5.12., 12.12., 19.12., 21.12, jeweils 9.30 Uhr
im Gerichtsgebäude E, Saal II, Hamelsgasse 1 in Frankfurt
Düsseldorf
Am 5. Dezember 1995 beginnt vor dem Düsseldorfer Amtsgericht der zweite Prozeß gegen die BesetzerInnen der Kaiserswerther Straße 290. Zwei der insgesamt 21 Angeklagten wird neben "Sachbeschädigung" und "Hausfriedensbruch" auch "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" und "gefährliche Körperverletzung" vorgeworfen. Für den Fall, daß die Staatsanwaltschaft die Anklage durchsetzen kann und es zur Verurteilung kommt, droht den beiden entweder Bewährung oder Knast. Die Härte, mit der gegen die BesetzerInnen vorgegangen wird, zeigt, daß es um mehr geht als um eine Hausbesetzung: Hier wird die gesamte linke Szene dieser Stadt angegriffen.
Am 4. Februar 1995 besetzten 21 Menschen eines von vier Häusern der britischen Rheinarmee auf der Kaiserswerther Straße. Die Häuser standen seit über einem Jahr leer und befanden sich im Besitz des Landes NRW. (Insgesamt stehen in Düsseldorf 70 Wohnungen der ehemaligen Rheinarmee leer, die alle dem Land gehören.) Ziel der BesetzerInnen war es, in allen vier Häusern ein selbstverwaltetes Wohn- und Kulturprojekt einzurichten. Mit dem gleichen Konzept hatten sich verschiedene Gruppen und Initiativen, besonders die Initiative Kaiserswerther Straße, monatelang um Verhandlungen mit der Stadt Düsseldorf und dem Land bemüht. Die Verantwortlichen zeigten keinerlei Gesprächsbereitschaft, Sie wollten die Häuser für 10 Millionen Mark an einen privaten Investor verkaufen, der sie hätte abreißen lassen.
Anstatt sich auf eine politische Lösung einzulassen, wie sie von den BesetzerInnen immer wieder eingefordert wurde, reagierten Stadt und Land auf ihre Weise auf die Besetzung. Nach nur sieben Stunden stürmte ein paramilitärisches Sondereinsatzkommando der Polizei das Haus und prügelte alles nieder, was ihm in die Quere kam. Mehrere der BesetzerInnen wurden so brutal geschlagen und getreten, daß sie im Krankenhaus behandelt werden mußten (ein Mittelhandknochenbruch, eine Platzwunde am Kopf und mehrere schwere Prellungen). Alle BesetzerInnen wurden festgenommen und auf dem Präsidium erkennungsdienstlich mißhandelt.
Gegen alle 21 wurde Anklage wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung erhoben. Darüber hinaus wurden zwei BesetzerInnen willkürlich herausgegriffen, um an ihnen ein Exempel zu statuieren. Ihnen wird "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" und "gefährliche Körperverletzung" vorgeworfen - einer der SEKler hatte seine Rambo-Qualitäten überschätzt und sich bei einem Sprung durch eine geschlossene Balkontür eine Schnittwunde zugezogen. Kommt die Anklage der Staatsanwaltschaft durch, droht den beiden Bewährung oder Knast.
Am 1. Mai 1995 wurde das Haus Kaiserswerther Str. 290 ein zweites Mal besetzt, um der Forderung nach Zur-Verfügung-Stellung der Häuser für ein selbstverwaltetes Wohn- und Kulturprojekt nochmals Nachdruck zu verleihen. Leider wurde das Haus nach wenigen Minuten von ca. 30 bis 40 B. geräumt, die nicht davor zurückschreckten, mit CS-Gas zu schießen. Diesmal lautet der Vorwurf gegen die 14 BesetzerInnen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Widerstand.
Mit diesem Vorgehen machen die B. und die Staatsanwaltschaft deutlich, um was es ihnen geht: Der brutale SEK-Einsatz, die Anzahl der Verfahren und die zu erwartenden Strafen wegen "gefährlicher Körperverletzung" und "Widerstand" sollen abschreckend auf alle die Menschen wirken, die in dieser Stadt gegen die herrschenden Verhältnisse Widerstand leisten. Daß es sich um einen gezielten Angriff auf organisierte linke Zusammenhänge handelt, zeigt sich nicht zuletzt in der Rolle, die der Staatsschutz hierbei spielt. Einsatzleiter und verantwortlich für den SEK-Einsatz am 4.2. war ausgerechnet Detlef Nöllenburg, damaliger Staatsschutzchef in Düsseldorf, der schon länger auf eine günstige Gelegenheit gewartet hat, um zuzuschlagen.
Wir brauchen Eure Unterstützung!
Kommt alle zum Prozeß!
(Vier BesetzerInnen wurden bereits am 29.9. wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu je 50 Tagessätzen a 20 Mark verurteilt!)
Er findet statt am 5.12., 12.12. und 19.12. jeweils um 9 Uhr vor dem Amtsgericht Düsseldorf, Raum K1. Treffpunkt ist der Haupteingang desGerichts an der Mühlenstraße.
Kommt zur Demonstration am 9. Dezember (Infos über Büro für ständige Einmischung (0211)358996
oder helft mit Spenden (die BesetzerInnen rechnen insgesamt mit Kosten von ca. 80.000 Mark).
Die Kontaktadresse lautet: Initiative Kaiserswerther Straße, c/0 AStA der FH Düsseldorf, Georg-Glock-Str. 15, 40474 Ddorf.
Spenden: Rechtshilfekonto, Stichwort Hausbesetzung, Kt.-Nr. 63.007.678, Sparkasse Ddorf, BLZ 400.501.10
Solidarität ist eine Waffe
Demo am 2.12.95 in Kassel
Seit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 ist es für Flüchtlinge und MigrantInnen fast unmöglich, in der BRD aufgenommen zu werden; meist an den Grenzen bzw. am Frankfurter Flughafen werden sie von BGSlern festgehalten und abgeschoben. Den wenigen, die ins Land gelangen und denjenigen, die schon vor '93 im Land waren, wird mit rassistischen Sondergesetzen, wie z.B. mit dem Asylbewerberleistungsgesetz, das Leben hier schwergemacht, sie werden rigoros und zügig abgelehnt und abgeschoben. Um zu verhindern, daß die Betroffenen sich ihrer Abschiebung widersetzen, z.B. vorher "untertauchen", werden sie ihrer Freiheit beraubt und z.T. in normalen Knästen als auch in extra dafür eingerichteten Abschiebeknästen gefangengehalten.
Gegen die willkürlich verhängte Inhaftierung, gegen rassistische Behandlung und körperliche Mißhandlungen usw. wehren sich Flüchtlinge und MigrantInnen auf verschiedene Weise. Ihre Widerstandsformen reichen vom eigenmächtig verlängerten Hofgang, kollektiver Verweigerung des Essens, Hungerstreiks und Zellenzerstörung bis zu Knastaufständen, wie z.B. in Büren, Berlin und Kassel. Diesen Widerstand wollen wir mit der Demonstration unterstützen. Kassel steht exemplarisch für den Umgang mit MigrantInnen und Flüchtlingen in der BRD. Die Stadt- und Landkreisverwaltung sowie die ansässigen Gerichte und Vollzugsanstalten sind wie andernorts Teil der von einem erheblichen Teil der Bevölkerung geduldeten und befürworteten Ausgrenzungs-, Diskriminierungs- und Abschiebemaschinerie. Der Aufstand von Abschiebehäftlingen in der JVA "ELWE" im Juli '94 hat die Verzweiflung der angeblich unerwünschten Flüchtlinge verdeutlicht. Am 14.07.94 revoltierte eine große Zahl von Abschiebehäftlingen im Untersuchungs- und Abschiebeknast "ELWE". Sie nahmen einen Schließer als Geisel und forderten die freie Ausreise nach Frankreich, später die Verlegung in eine andere JVA. Am frühen Morgen des nächsten Tages stürmte die GSG 9 den "Fluchtbus" und schlug den Aufstand nieder. 26 Aufständische wurden anschließend ins Polizeipräsidium und in die JVA Wehlheiden gebracht. Hier wurden die meisten von ihnen erheblich mißhandelt. So mußten sie z.B. durch ein Spalier von 10-20 Beamten gehen und wurden während dieses "Gassenlaufs" und auf dem Weg in die Zellen schwer geschlagen und getreten, so daß einige der Mißhandelten dauerhafte Hör- und Sehschäden davontrugen. Inzwischen sind die Prozesse gegen die Aufständischen abgeschlossen, die vor dem Jugendschöffengericht und der 1. und 6. Strafkammer des Landgerichts Kassel geführt wurden. Ein Prozeß wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt, in allen anderen Prozessen wurden Haftstrafen zwischen 1,5 und 5,5 Jahren ausgesprochen. In zwei Fällen ging der zuständige Richter weit über das Strafmaß der Staatsanwaltschaft hinaus.
Die Prozesse wurden in Kassel kaum wahrgenommen. Die Abschiebehaft und ihre Praxis in Kassel, 23 Stunden Einschluß am Tag, mangelhafte Verpflegung, fehlende Kontaktmöglichkeiten zu Bekannten und Verwandten, vielfach nicht gewährleisteter Rechtsbeistand usw., wurde öffentlich kaum in Frage gestellt und diskutiert; die Ermittlungen gegen die mißhandelnden JVA-Beamten wurden von der Staatsanwaltschaft und der JVA-Leitung verschleppt und sind inzwischen in Vergessenheit geraten. Mit der Demonstration wollen wir diesen kollektiven Gedächtnisschwund lautstark abbauen und die algerischen Flüchtlinge unterstützen.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Ausbeutung und Zerstörung der Lebensgrundlagen in großen Teilen der Welt, von denen die Wirtschaft der Metropolen, allen voran die USA, Japan und die EG profitieren, gibt es weltweit immer mehr Flüchtlinge und MigrantInnen, die vor Kriegen und Bürgerkriegen, sexueller, rassistischer, politischer und religiöser Verfolgung fliehen oder wegen großer Armut und wirtschaftlicher Not ihr Land verlassen. Diese und andere Motive sind im Einzelfall nicht zu trennen. Die Menschen, die sich auf den Weg nach Westeuropa oder sonstwohin machen, haben ein Recht darauf, auch dorthin zu kommen und zu bleiben, weil sie es wollen. Dafür wollen wir mit dieser Demonstration ein Zeichen setzen - gegen die Verantwortlichen von Diskriminierungs-, Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik und auch gegen diejenigen, welche diesen staatlichen Rassismus unterstützen, hinnehmen oder wegschauen.
Weg mit den Abschiebeknästen und den rassistischen Sondergesetzen!
Freiheit für die Meuterer aus der "ELWE"!
Aufklärung der Mißhandlungen und Entlassung der Beteiligten!
Für das Recht der Flüchtlinge und MigrantInnen, hierher zu kommen und zu bleiben!
ErstunterzeichnerInnen:
Kassel: AStA der Gh Kassel; Autonomes Zentrum BAZILLE; Redaktion BRÜCHE; FANTIFA, Gruppe Autonomer Männer (GRAM); Iranischer Flüchtlingsrat; K.R.A.W.U.M. e.L; Libertäres Radioforum; StudentInnengruppe Kurdistan; Göttingen: Antirassismus-Plenum; Fachschaftsräte-Vollversammlung der Uni; AStA der Uni; Basisgruppe Geschichte; Basisgruppe Germanistik; Fachschaftsrat Historische Philosophie; SUMPF. Weitere Gruppen: Antirassistische Initiative (ARI), Berlin; AG3F, Hanau; ARAK, Hannover; AK Antirassismus, Hannover; BIGAM, Marburg.
Hannover
Rund 40 kurdische Flüchtlinge sind seit Mittwoch, den 08.11.1995, ab 12 Uhr auf dem FAUST-Gelände (Hannover) aus Protest gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge im unbefristeten Hungerstreik.
Die KurdInnen gehören zwei großen Familien an, die sich seit 5 bzw. 7 Jahren im Bundesgebiet aufhalten und in der Türkei massiven Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren. Der folgende Aufruf, den wir hier abdrucken, ist, verbunden mit einer Unterschriftenliste, im Buchladen Rote Straße zu bekommen. Aufgrund der Dringlichkeit der Sache ist allerdings Eile geboten!
Wir sind nach Deutschland geflohen, weil wir in der Türkei politisch verfolgt wurden. Wir haben die Zusammenarbeit mit dem türkische Staat verweigert und uns gegen die Aufforderung der Sicherheitskräfte gewehrt, als sog. "Dorfschützer" gegen unser eigenes Volk zu kämpfen. Aus diesem Grund sind wir zu "Staatsfeinden" erklärt und mehrfach festgenommen und mißhandelt worden. Dennoch wurden unsere Asylanträge abgelehnt, da wir angeblich in der Westtürkei Schutz vor Verfolgung finden können. Dies ist jedoch nicht wahr: Unsere Dörfer wurden von türkischen Soldaten bombardiert und zerstört, und auch unsere nach Izmir und Adana geflohenen Verwandten werden von türkischen Sicherheitskräften bedrängt und verfolgt. Unsere mit Unterstützung des Menschenrechtsvereins in Izmir angestrengte Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen die Vertreibung und Zerstörung unserer Dörfer führte zu neuen Verfolgungsmaßnahmen und Todesdrohungen. Es gibt keine "inländische Fluchtalternative" für Kurden/innen in der Türkei!
Da wir in der Türkei mit Folter und Verfolgung rechnen müssen und keine anderen Mittel mehr haben, um uns gegen die drohende Abschiebung zu wehren, wollen wir ab Mittwoch, den 08.11.1995 in den unbefristeten Hungerstreik treten. Mit unserem Hungerstreik verbinden wir folgende Forderungen:
- Anerkennung unserer Familien als politisch Verfolgte gemäß der Genfer Flüchtligskonvention!
- Abschiebungsstop für kurdische Flüchtlinge in die Türkei!
- Schluß mit der Unterstützung des türkischen Krieges gegen die türkische Bevölkerung mit deutscher Waffenhilfe
- Schluß mit den Massakern in Kurdistan
- Keine Zollunion der EU mit der Türkei!
Wir bitten die deutsche Öffentlichkeit um Unterstützung unseres Anliegens.
Familie Basak und Familie Nayir
Für die Arbeit sind wir dringend auf Spenden angewiesen:
Iranische Gemeinde - Kto. 482 b005 - Stadtsparkasse Hannover - BLZ 250 501 80 - Stichwort "Hungerstreik".
Aus: Göttinger Drucksache 208
Landtagsabgeordnete von CDU und SPD sollen sich für Petition einsetzen
Die migrationspolitische Sprecherin von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag, Heidi Lippmann-Kasten, hat alle Landtagsabgeordneten von CDU und SPD dringend um politische Unterstützung für die hungerstreikenden Kurdinnen und Kurden in Hannover gebeten. ,Es muß alles getan werden, um zu einer Aussetzung des Streiks zu kommen. Jeder weitere Tag im Hungerstreik erhöht die Gefahr für Leib und Leben!" appellierte die Grüne. Sie bittet ihre Kolleginnen und Kollegen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das Innenministerium dazu zu bewegen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen auszusetzen. Damit soll die Möglichkeit für eine sorgfältige Einzelfallprüfung sowie die Behandlung einer Petition geschaffen werden. Unterstützung wurde den Hungerstreikenden auch auf der Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/DIE GRÜNEN am vergangenen Wochenende in Cloppenburg zuteil. Einstimmig wurde die Landesregierung mit einer Resolution aufgefordert, einen erneuten Abschiebe-stopp für kurdische Flüchtlinge anzuordnen. Die Grünen sehen es als ausschließlich politische Entscheidung der Landesregierung an, ob die Hungerstreikenden mit ihren Familien ein Bleiberecht erhalten. Es sei höchste Zeit, daß der Innenminister sich endlich persönlich öffentlich dazu äußert, wie er mit der drohenden Abschiebung umzugehen gedenkt, forderte Lippmann-Kasten.
Die 200 Delegierten der ÖTV-Delegiertenkonferenz der Kreisverwaltung Hannover, die ca. 28000 ÖTV-Mitglieder vertreten, haben nahezu einstimmig den folgenden zwei Entschließungen zugestimmt:
(1) "Die ÖTV setzt sich für die Freilassung der kurdischen Abgeordneten des türkischen Parlaments Leyla Zana und der mit ihr verurteilten Abgeordneten ein.
Begründung: Leyla Zana wurde am 8. Dezember 1994 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Sie und die anderen Abgeordneten der kurdischen Partei DEP (Partei der Demokratie) wurden verurteilt wegen "Verbrechen gegen den Staat". Leyla Zana wurde vorgeworfen, im Parlament Kleidung in den kurdischen Farben getragen zu haben. Außerdem habe sie bei ihrer Verteidigung im türkischen Parlament "einige Worte in einer unbekannten Sprache" gesprochen. Leyla Zana hatte von der Brüderlichkeit des türkischen und kurdischen Volkes in kurdischer Sprache geredet. Dies brachte ihr den Vorwurf des "Separatismus" ein. Leyla Zana war 1991 als Abgeordnete in das türkische Parlament gewählt worden. Sie setzte sich ein für eine politische Lösung des Kurdenproblems und erhielt dafür am 4. November 1994 den norwegischen Thoral-Rafto-Preis für Menschenrechte. Die Proteste von Bundesregierung, Bundestag, Abgeordneten des Europaparlaments und vieler anderer konnten die Verurteilung der kurdischen Abgeordneten nicht verhindern."
(2) "Die ÖTV-Kreisdelegiertenkonferenz unterstützt die rund 40 kurdischen Flüchtlinge, die am 8.11.1995 auf dem FAUST-Gelände (in Hannover, d.Verf.) in einen unbefristeten Hungerstreik getreten sind. Die ÖTV- Delegiertenkonferenz protestiert gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge und unterstützt ihre Forderungen: Anerkennung als politisch Verfolgte gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention!
Abschiebungsstopp für kurdische Flüchtling in die Türkei!
Schluß mit der Unterstützung des türkischen Krieges gegen die kurdische Bevölkerung mit deutscher Waffenhilfe. Schluß mit den Massakern in Kurdistan !
Keine Zollunion der EU mit der Türkei !"
Die Delegierten spendeten 1001,36 DM für die Unterstützung des Hungerstreiks.
- Im Artikel zu Benjamin Ramos (S. 10) steht, Sigurd Debus sei 1981 in Berlin an den Folgen der Zwangsernährung gestorben: Das war in Hamburg, und so war auch der dafür verantwortliche Arzt ein Hamburger Knastarzt.
Dr. Leschhorn, der in Berlin-Moabit Knastarzt war, hat sich geweigert, die Gefangenen im Streik gegen ihren Willen zwangszuernähren; daraufhin wurde er von Justiz- und Staatsapparat so unter Druck gesetzt, daß er Ende 1981 sich das Leben nahm.
- In dem Offenen Brief an das Bundesjustizministerium (S. 2) ist auch eine Falschinformation: Christine Kuby sei eine medizinische Untersuchung erst dann genehmigt worden, als in ihrem Bein Lähmungserscheinungen auftragen. Das ist nicht richtig. Im Gegenteil, Untersuchungen gab es genug, und Knast und Justiz war der eskalierende Verlauf der Erkrankung bekannt. Damit haben sie gespielt und die Krankheit als Druckmittel eingesetzt.
- Die Adresse von Stefan Wisniewski (S. 2) ist veraltet. Die richtige lautet: Stefan Wisniewski, Gartenstr. 2 E, 48147 Münster. Sieglinde Hofmann ist inzwischen wieder in Köln, Rochusstr. 350, 50827 Köln.
allen und allen Gruppen, die nach meinem Aufruf (Angehörigen Info Nr. 170) was gespendet haben.
Liebe Grüße
Helga Roos
Der Aufruf der Angehörigen zur Unterstützung des Infos hat zu ersten guten Resultaten geführt. Einige Leserinnen und Leser haben gespendet, andere Freiabos für Gefangene übernommen. Danke an alle.
Gefreut haben wir uns auch, daß etliche Neubestellungen eingingen.
Zuerst vielen Dank all denen, die immer wieder Geldbeträge spenden. Aber es reicht nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken.
Jetzt vor Weihnachten wird für Pakete wieder verstärkt Geld benötigt. Vielleicht könnt Ihr auch bei Festen oder Veranstaltungen einen Unkostenbeitrag fürs Angehörigen-Konto abzweigen.
Spenden bitte auf das Sonderkonto Kiener, Konto Nr. 54 54 194, Landesgirokasse Stuttgart, BLZ 600 501 01.
Vielleicht hat jemand Lust, für einen Gefangenen eine Patenschaft zu übernehmen. Bitte wenden an:
Angehörige und FreundInnen politischer Gefangener in der BRD,
Postlagerkarte 050205,
65929 Frankfurt a.M.
Am 2.11. hatte Hilde Jakobsmeier Geburtstag. Am 8.12. hat Martha Barabaß Geburtstag. Wir gratulieren.
JVA Bruchsal
Die Gefangenenzeitung "das spektrum" der JVA Bruchsal vom Frühjahr dieses Jahres beschreibt die Stimmung in der JVA seit der Amtsübernahme durch Anstaltsleiter Rehring im Juni 94 als perspektiv- und orientierungslos. Haß und Gereiztheit greifen angesichts von Repressionen und Willkür um sich. So wird z.B. seit Ende Mai der Gefangene Ivan Jelinic in einem ,besonders gesicherten Haftraum' im Keller der JVA vollständig abgesondert (wir berichteten; inzwischen ist Ivan Jelinic nach Straubing verlegt, s. diese Ausgabe - Red.). Weiter heißt es im "spektrum": "Die hier Herrschenden, auch die in Stuttgart im Justizministerium sitzen, sie alle sollten sich einmal überlegen, was passiert, wenn man an einem Dampfkochtopf jedes noch so kleine Überdruckventil stopft und die Herdplatte immer höher schaltet."
Dem jetzt zur Anklage gebrachten Sachverhalt gingen Ereignisse während des diesjährigen Sportfestes in der JVA am 8./9. Juli voraus (wir berichteten). Andreas (Böhm) wurde am 26.9. in Karlsruhe zu zwei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, den Beweisbehauptungen seines Anwalts wurde nicht nachgegangen, und anwesende solidarische ProzeßbeobachterInnen wurden nach Entrollen eines Transparents und Parolenrufen aus dem Saal geprügelt.
Sein Anwalt, Jens Janssen aus Freiburg, hat gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt, wegen der Haftbedingungen im allgemeinen mit amnesty international Kontakt aufgenommen, er will auch das Antifolterkomitee des Europarats informieren.
Deshalb ruft die Rote Hilfe, Ortsgruppe Heilbronn, dazu auf, für die Unterstützung dieser Arbeit zu spenden: Konto Rote Hilfe Heilbronn, BfG - BLZ 672.101.11, K-Nr. 100.80.68.900, Stichwort A.B./Prozeßhilfe.
Andreas, der nach insgesamt 11 Jahren Knast zum Jahresende entlassen werden soll, wurde kürzlich von der JVA Ravensburg ein Urlaubsantrag zur Vorbereitung der Entlassung (dies wäre sein erster Ausgang überhaupt gewesen) mit der Begründung abgelehnt, ,nicht mit der Justiz zusammenzuarbeiten'. Sie wollen ihn mit Meldeauflagen zum Haftende vor die Tür stellen, ohne Wohn-, Arbeitsperspektiven.
Nach einem Bericht der Roten Hilfe, OG Heilbronn
Ivan Jelinic schreibt aus Straubing
"Ich wurde am 26.10. überraschend nach Straubing in Bayern verlegt. Ich wurde mit Einzeltransport und Begleitauto weggebracht und hatte absolut keine Möglichkeit, gegen die Verlegung Rechtsmittel einzulegen. Die Verlegung hätte mir eigentlich eröffnet werden müssen, da keine ,Gefahr im Verzuge' bestand. Die Sache ist jetzt hier vor Gericht.
Die Haftbedingungen in Straubing sind katastrophal, ich befinde mich im Hochsicherheitstrakt, separat vom Regelvollzug, von welchen es offenbar mehrere Stück geben muß. Ich werde hier wohl von einem Trakt in den anderen verlegt. Die Zelle hat keinen Lichtschalter und keine Steckdose, kann sich also kein Wasser kochen für Tee oder Kaffee. Die Gegenstände sind alle ohne Beine (Tisch, Stuhl und Bett), sind seitlich in der Wand auf Metallträgern aufgehängt und absolut unbeweglich. Der Schrank besteht aus fünf Betonplatten, die einfach in die Wand eingemauert wurden und so ein Schrankregal darstellen. Das ist alles. Aus der Wand ragt lediglich der Alarmknopf, sonst sind sie von unten bis oben kahl, glatt und kalt. Vor dem Fenster Dreifachgitter (5mm Maschen, dann 5 cm Drahtnetz und ein Vierkantgitter). Einzelhofgang. Besuch mit Panzerglasscheibe. Kein Kirchgang. Totale Überwachung der Kommunikation mit der Außenwelt.
Ich verweigere seit Wochen den Hofgang und lehne auch Besuche mit der Scheibe generell ab.
Die Kommunikation wird erschwert, weil Briefe mit historischen Berichten über die Entwicklung der Isolation angehalten werden. Manche Briefe wurden bis zu zehn Tagen zurückgehalten und mir zur Wahl gestellt, sie entweder zur Habe zu nehmen oder auf meine Kosten an den Absender zurückzusenden. Die Haftbedingung ist mit Arresthaft gleichzusetzen. Und Arrest darf nur vier Wochen lang verhängt werden. Ich aber bin jetzt am 2. Dezember ein halbes Jahr isoliert. Die Zellen rechts und links sind leer, unten ist die Kleiderkammer, oben nichts. Ich habe absolut keinen Kontakt zu den Mitgefangenen."
Soweit der Brief von Ivan Jelinic.
Charles Dickens setzte sich vor fast 150 Jahren einmal mit der von den Quäkern praktizierte Einzelisolation auseinander (in Aufzeichnungen aus Amerika) und charakterisierte sie als
"Qual, die kein Mensch das Recht hat, seinem Nächsten anzutun. Diese langsame tägliche Peinigung des geheimnisvollen Menschenhirns halte ich für unendlich schlimmer als alle leibliche Folter, und weil ihre schauerlichen Symptome und Spuren nicht so handgreiflich vor unseren Sinnen liegen wie die Narben in der Haut, weil diese Wundmale nicht auf der Oberfläche liegen und nur selten einen hörbaren Schrei auspressen, gerade deshalb klage ich sie um so mehr als eine heimliche Strafe an, welche das schlummernde Gefühl der Menschlichkeit, wenn es einmal erwacht, nicht dulden darf."
Charles Dickens hielt den Quäkern zugute, daß sie womöglich nicht wissen, was sie tun. Die Verantwortlichen des modernen Gefängnissystems indes wissen nur zu gut, was sie tun.
Wir erinnern an das im letzten Info vorgestellte Projekt "Kommunikation gegen die Isolation" (S. 12). Das Geld für die Postkarten soll überwiesen werden auf das Konto: Ivan Jelinic, comdirect Bank, BLZ 200.411.11, K-Nr. 6542088. Nur so ist es möglich, daß Ivan Geld für das Projekt erhält.
Seine neue Adresse lautet: Äußere Passauer Str. 90, 94315 Straubing
(Red.)
JVA Bruchsal
Seit Montag, den 20.11., befindet sich Lutz Balding in der JVA Bruchsal im Hungerstreik. Er fordert seine sofortige Rückverlegung in einen hessischen Knast. Am 13.11. wurde er, nachdem seine Haftbedingungen aufgrund eines gescheiterten Fluchtversuches Anfang September bereits verschärft wurden, ohne Vorankündigung von der JVA Schwalmstadt (Hessen) nach Bruchsal (Baden-Württemberg) verschleppt. Lutz sieht diese Maßnahme als weiteren Versuch, seine Persönlichkeit zu brechen. Er selbst schreibt in seiner Hungerstreikerklärung:
"Seit 1980 war ich in Hessen eingeknastet. Für mich und die Menschen, die mich besuchen, hat diese Verschleppung unmittelbare Auswirkungen: Alle Besucher kommen aus Kassel, jeder Besuch bei mir ist nun mit einem Hin- und Rückreiseweg von annähernd 900 km (!) verbunden, jeweils eine Stunde optisch/akustisch überwachten Besuch. Allein schon unter finanziellen Aspekt eine Unmöglichkeit. Die Beziehung zu den Menschen draußen, die in den Jahren entstanden, sind für mich nicht nur Lebensmittelpunkt geworden, ihre Freundschaft und Solidarität haben es mir ermöglicht, mit dem grundsätzlichen Wahnsinn meiner Situation ein Stück weit fertig zu werden: nach 6 1/2 Jahren Jugendknast für einen Raub und 'ne Handvoll Klauereien in den Jahren 73 - 80 soll ich für vier Überfälle auf Geschäfte und Banken weitere 39 Jahre (29 Zeitstrafen und 10 Sicherheitsverwahrung) eingeknastet bleiben."
Das heißt für Lutz, daß er erst 2020 als 62jähriger wieder draußen sein wird. Selbstredend bedeutet die Verlegung nicht nur einen Einschnitt in Lutz Beziehungen nach draußen, sondern auch den Verlust von Kontakten im Knast ...
Einige BesucherInnen, Kontakt über:
Gruppe K.R.A.W.U.M. e.1.
Bazille
Sickingerstr. 10, 34117 Kassel
Fax: (0561)713458
Mark Curtis, ein politisch aktiver Arbeiter, Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei SWP und Gewerkschaftsmitglied der WFCW in der Fleischfabrik Menfert in Des Moines im US-Bundesstaat Iowa, wurde am 4. März 1988 verhaftet, von der Polizei zusammengeschlagen und aufgrund einer falschen Anklage wegen Vergewaltigung und Einbruchs zu 25 Jahren verurteilt.
Gefängnisverwaltung und Mitglieder der Haftprüfungsausschüsse haben sich bisher hartnäckig geweigert, Curtis vorzeitig zu entlassen, und haben ihn wegen seiner politischen Aktivitäten hinter Gittern unter Druck gesetzt.
Verschiedene Menschen und Initiativen haben sich für seine Freiheit eingesetzt: die Bergarbeitergewerkschaft von Südafrika, der frühere Chefredakteur von Metall, Jakob Moneta, die Ligue des Droits del l'Homme in Frankreich und der frühere Staatspräsident von Algerien, Ben Bella, 5000 landlose Bauern in Brasilien und der Frankfurter SPD-Stadtverordnete Diether Dehm. Jetzt endlich kommt Mark Curtis frei! Wir dokumentieren ein Rundschreiben des Komitees an seine Unterstützter:
Die Unterstützer von Mark Curtis rund um die Welt haben heute einen bedeutenden Sieg errungen, als der Iowa Board of Parole (Haftprüfungsausschuß) Mark die vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung zum 7. Dezember 1995 gewährte. An diesem Datum wird das Verfahren eingeleitet, Mark Curtis in den Bundesstaat Illinois hin zu entlassen, was voraussichtlich einige Wochen später zu Marks tatsächlicher Entlassung führen wird. Marks Anwalt William Kutmus arbeitet daran, den zeitlichen Ablauf und die näheren Umstände dieser Haftentlassung festzustellen.
"Ich wußte immer, daß dieser Tag kommen würde, aber ohne alle die Leute, die Briefe geschrieben haben, Broschüren über meinen Fall verbreitet haben und die Kampagne für meine Freilassung geführt haben, wäre es unmöglich gewesen", sagte Mark nach der Anhörung.
Bei der Anhörung von heute war eine Delegation von Unterstützern von Mark Curtis zugegen; dazu gehörten Marks Mutter, Jane Curtis; seine Frau Kate Kaku; Rechtsanwalt William Kutmus; Nick Castle, Filmemacher aus Hollywood; ... (verschiedene Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen);der Koordinator des Mark Curtis Defense Committee und Hazel Zimmermann, Mitglied der Gewerkschaft National Treasury Workers Union und Kassenwart des Verteidigungskomitees.
Diese Entscheidung des Haftprüfungsausschusses ist Ergebnis von Marks langer Haftdauer, seiner fortgesetzten politischen Aktivität hinter Gittern sowie seiner standhaften Haltung gegenüber allen Versuchen der Gefängnisbehörden, ihn zu brechen, und der internationalen Kampagne für ihn. Enthüllungen über Polizeibrutalität, Rassismus und Justizirrtümer in der letzten Zeit haben weiteren Druck auf die Behörden in Iowa ausgeübt.
Marks Unterstützer werden in den kommenden Monaten wachsam bleiben müssen, während seine Freilassung nach Illinois bearbeitet wird. Wir müssen für sofortiges Handeln vorbereitet sein, falls irgendwelche neuen Hindernisse für Marks Freilassung auftauchen sollten.
Außerdem braucht das Verteidigungskomitee weiterhin finanzielle Unterstützung, um einen Anwalt in Illinois mit der Betreuung von Mark zu beauftragen und die Nachricht über den Sieg weltweit verbreiten zu können.
Mark sagte nach der Anhörung, daß er vorhat, seinen Sieg zur Unterstützung von Kämpfen anderer Leute rund um die Welt zu nutzen - von Leonard Peltier und Mumia Abu-Jamal über streikende Arbeiter bei Caterpillar und der Zeitung Detroit News bis hin zu irischen politischen Gefangenen in Irland und den USA.
Ich denke, daß der Erfolg dieser Kampagne andere Kämpfe ermutigen wird. Einer für alle, alle für einen!
Wer jetzt weiterhin Unterstützung für Mark Curtis ausdrücken möchte, könnte einen Brief an Mark Curtis selbst schreiben, um ihn zu seiner baldigen Freilassung zu gratulieren. Seine Adresse ist:
Mark Curtis, #805338, Box 316, Fort Madison, Iowa 52627, USA
(L.W.)
Aufruf ans weiße Haus
Präsident Clinton, wir verlangen die sofortige Freilassung von Leonard Peltier! Wir zählen unsere Namen weltweit zu den 25 Millionen Menschen, die mit ihrer Unterschrift für die Freiheit und Gerechtigkeit an den amerikanischen indigenen Führer, Leonard Peltier, kämpfen. Dieser ist fälschlicherweise seit über 18 Jahren eingesperrt.
Wir sind zutiefst interessiert an Menschenrechten, und wir sind ermutigt, daß so viele Prominente, einzelne und Gruppen Leonard Peltier unterstützen, einschließlich vieler Kongreßmitglieder, amnesty international, die nationale Vereinigung der Strafverteidiger, die nationale Vereinigung von Christen und Juden und 78 weltreligiöse Führer einschließlich Bischof Desmond Tutu und Mutter Teresa.
Der erwiesene Fehltritt des FBIs in Peltier's Verfahren beinhaltet die Unterdrückung von entscheidenden Beweisen und Meineide von Regierungszeugen. Diese Fortsetzung ist eine nationale Schande und internationale Gewalttat.
Sendet Kopien des Unterschriftenliste an:
President Clinton, The White House, 1600 Pennsylvania ave, Washington, DC 20500, USA, und an:
Leonard Peltier Defence Committee,PO Box 583, Lawrence, KS 66044
Türkei
... Das Regime versucht, die Rechte der Gefangenen, die durch jahrelangen Kampf erreicht worden sind, gewaltsam zu entreißen. Verbot von Publikationen, Durchsuchungen der Gemeinschaftszellen, willkürliche Zählung von Gefangenne, Einzelhaft, Fesselung mit Handschellen, Verwehrung der für die Verteidigung notwendigen Akten etc. - das ist die Hauptpolitik der Unterdrückung. Mit der Begründung, die Gefangenen könnten ausbrechen, versucht das Regime, ein Besuchs-, Brief- und Kommunikationsverbot zu verhängen.
Um die Gefangenen zu trennen, die Massenwiderstände zu brechen und zu verhindern, daß die Öffentlichkeit davon erfährt, werden statt Gefängnisse mit Gemeinschaftszellen Isolationstrakte mit kleinen Zellen für 1 bis 2 Gefangene gebaut. Die Gefangenen und das Volk sagen zu diesem Typ Gefängnis "Sarg".
Da die Gefängnisse ein wichtiger Ort gesellschaftlicher Opposition sind, ist Folter alltäglich. Wenn der Widerstand nicht gebrochen werden kann, wie im Gefängnis Buca (wir berichteten vom Überfall auf die Gefangenen), werden die Gefangenen mit Gas und Wasserwerfern angegriffen.
Nach dem Angriff im Gefängnis Buca hat der Staat seine Repression in allen Gefängnissen verstärkt. Gegen die Repression werden seit zwei Monaten in über 20 Gefängnissen der Türkei von über 1200 Gefangenen Widerstand geleistet und Hungerstreiks durchgeführt. (...)
Nach einem Flugblatt von Devrimci Sol Güçler
Das Staatssicherheitsgericht in der westtürkischen Stadt Izmir hat am 6.11. sieben Mitglieder der PKK wegen "Terrorismus" zum Tode verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, bei Angriffen im Süden drei Polizisten getötet und 24 Polizisten verletzt zu haben.
(FR vom 7.11.)
Kalender 1996
Er kostet 20 sFr. Konditionen für den Buchhandel: Rabatt: 35% (13 sFr) + 2 sFr Solidaritätsbeitrag = 15 sFr.
Versand gegen Bestellung bei: Verein Grabenzeitung, Postfach 251, CH-9003 St. Gallen
Über Nacht geschah die Flucht aus den Dörfern. Ein nicht enden wollender Strom von Kindern, Jugendlichen, Frauen, Männern, frischgeborenen und sterbenden Menschen zog über die Berge, weg aus Botan (ein Gebiet Kurdistans im türkischen Teil zwischen Cizre und Uludere) über die Grenze in Richtung Südkurdistan (Nordirak). Mitgenommen konnte nur werden, was jede und jeder auf dem eigenen Rücken tragen konnte. Das war neben den Kleinkindern, die im Tuch auf den Rücken gebunden wurden, nicht viel. Alles Hab und Gut wurde in den Häusern und Gärten zurückgelassen, wurde verschlungen vom reißenden türkischen Wolf, plündernd fiel er über die Dörfer her, setzte sie in Brand, ließ keinen Stein auf dem anderen stehen. Das erfuhren die Menschen von einzelnen Hirten, die später mit kleinen Schafherden in die Flüchtlingslager kamen.
Nach einem Hungerstreik, den die Flüchtlinge durchführten, um international auf ihre Situation aufmerksam zu machen, wurden sie im August 1994 vom UNHCR offiziell als politische Flüchtlinge anerkannt, und es wurde ihnen ein Lagerplatz in Etrusch bei Dohuk zugewiesen.
Obwohl sich in allen Bereichen des Lebens viele Schwierigkeiten türmen, sind die Menschen so glücklich wie lange nicht mehr.
Zum ersten Mal seit ewiger Zeit kann ohne Angst die eigene Sprache gesprochen, können die eigenen Lieder gesungen werden; kann die Nacht in aller Ruhe durchschlafen werden, ohne vor den Augen des Militärs in die Ställe oder Berge flüchten zu müssen; können die Kinder frei all ihre Spiele spielen; darf offen über alles geredet werden. Der Aufbau eines eigenen Lebens, eigener Gesellschaftsstrukturen, die nicht unter der türkischen Herrschaft stehen, auch wenn die Mittel und Möglichkeiten dafür noch so gering sind, hat die unmittelbare Furcht verjagt.
Hoffnung und Freude, Fragen, wie all die Probleme zu bewältigen sind, Sorge über die Zurückgelassenen, Trauer und auch Glück strahlt aus den Gesichtern, aus den Augen der Menschen.
Alle geflüchteten Frauen, Männer und Kinder möchten lieber heute als morgen zurück in ihre Heimat, doch das wird erst mit der Beendigung des Krieges und der Befreiung Kurdistans möglich sein. Bis dahin werden sich die Flüchtlingslager unaufhaltsam vergrößern.
Der Kalender von Lina Solio zeigt Menschen aus Kurdistan. Er versucht, einen kleinen Ausschnitt des Lebens wiederzugeben. Der Erlös des Kalenders wird Heyva Sor (kurdischer roter Halbmond - Hilfsorganisation) gespendet für den Aufbau einer Krankenstation im Flüchtlingslager Etrusch.
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