Der folgende Redebeitrag der Gruppe "Für das Leben und die Freiheit von Mumia Abu Jamal" für die Demonstration am 16.12.in Hamburg konnte dort nicht mehr gehalten werden, da die Demonstration vorzeitig abgebrochen wurde. Wir dokumentieren ihn und weitere Beiträge (auf S. 8ff.
Ich möchte euch zunächst den aktuellen Stand von Mumia Abu-Jamals Verfahren mitteilen und anschließend ein paar Worte sagen, wie auch Mumia in den Rahmen dieser Demo gehört.
Mumia ist ein politischer Gefangener in den USA, in Philadelphia. Seit seiner Jugend ist er politisch aktiv gegen Unterdrückung und Rassismus - und er betätigte sich als Journalist.
Er ist seit 14 Jahren in der Todeszelle, weil er einen Polizisten erschossen haben soll. Sein Verfahren war absolut unfair - so wurden z.B. ZeugInnen von der Polizei bedroht, falsch oder nicht auszusagen.
Weltweite Proteste konnten Mumias Hinrichtung bisher verhindern. Die Aufhebung des Todesurteils und Mumias Freilassung konnten aber noch nicht erreicht werden.
Mumias Anwalt schätzt die Situation folgendermaßen ein: "Bei Richter Sabo wußten wir, daß Mumia verliert. In der Instanz jetzt befürchten wir, daß er verliert. Beim Federal District Court, der ersten Instanz auf Bundesebene, muß er gewinnen. Wenn Mumia dort verliert, dann ist sein Leben in großer Gefahr."
Mumia ist, wie viele in den USA, der BRD und in anderen Ländern, massiver staatlicher Gewalt ausgesetzt. Außerdem droht ihm die Hinrichtung.
Die Todesstrafe wird in den USA bereits wieder in 38 Staaten verhängt oder vollstreckt. Und die Anwendung der Todesstrafe wird sogar bereits ausgedehnt. Denn um die Macht der Reichen zu sichern, braucht es einen starken Repressionsapparat. Und die Todesstrafe ist die letzte Konsequenz.
Diese staatlich repressive Politik läßt sich durchsetzen, weil sie eine entsprechende Basis in der Bevölkerung hat. Diese Basis trägt die menschenverachtende Politik und wirkt stabilisierend.
Wir müssen eine Gegenöffentlichkeit schaffen, indem wir eben nicht Vorfälle kurz aufleben lassen und wieder vergessen, wie es der Sensationsjournalismus tut. Wir müssen Kontinuität wahren und Zusammenhänge verdeutlichen und an die Öffentlichkeit gehen wie mit dieser Demo.
Dabei geht es uns keineswegs nur um Mumia Abu-Jamal und die repressive Großmachtpolitik der USA nach innen und außen.
Es geht uns auch um die Repression und den Widerstand dagegen hier in der BRD. Wir dürfen und wollen auch nicht zulassen, daß Menschen, die mit den unterschiedlichsten Mitteln gegen das System von Profitgier und Menschenverachtung gekämpft haben und noch kämpfen, in deutschen Knästen verschwinden oder mit Knast bedroht werden, um sie in dem, was sie wollen, kaputtzukriegen.
Jüngste Beispiele hierfür sind z.B. die ganze Radikal-Geschichte; die Beugehaft wegen Aussageverweigerung; die Geschichte der Kriegsgegner und Totalverweigerer; die Abschiebeknäste; die Kriminalisierung kurdischer und türkischer Oppositioneller durch das Dev-Sol- und PKK-Verbot; und nicht zuletzt die Gefangenen aus der RAF, die der bundesdeutsche Staat am liebsten im Knast lebendig begraben würde und mit ihnen ihre Kampfgeschichte.
Eine von ihnen, Hanna Krabbe, sitzt nicht weit von hier, in Lübeck, im Knast. Seit fast 21 Jahren wird sie gefangengehalten. Soll das die äußerste Perspektive für alle in diesem Land werden, die Widerstand nicht aufgeben und sich nicht brechen lassen? Wenn dem nicht so sein soll, müssen wir uns wirklich fragen, wie wir den dafür notwendigen politischen Druck organisieren können.
Zur Zeit läuft das 2. Entlassungsverfahren von Hanna. Nach der stundenlangen und auf Zermürbung zielenden Befragung durch den Düsseldorfer Staatsschutzsenat sieht es so aus, daß der Staat weiter versucht, Zeit zu schinden.
Von alleine kommt nichts. Es liegt an uns, in der Frage, wann und daß Hanna rauskommt, einzugreifen, damit das, was in Wirklichkeit eine politische Entscheidung ist, nicht scheinbar an der Justizebene hängenbleibt.
sofort und bedingungslos!
Bitte schickt Kopien der Unterschriftenlisten an:
AK politische Gefangene international, c/o Infoladen,
Ludolf-Camphausen-Str. 36, 50672 Köln
Zu unserer Riesenfreude konnten wir die Gefangenen im radikal-Verfahren Andreas, Rainer, Ralf und Werner am Dienstag bzw. Mittwoch (5. bzw. 6. Dezember - Red.) von den Knästen abholen.
Auf Antrag der Bundesanwaltschaft verfügte der Ermittlungsrichter des BGH die Außervollzugsetzung der Haftbefehle mit den Auflagen, daß
1. für jeden eine Kaution von 20000 Mark eingezahlt wird,
2. die Reisedokumente hinterlegt werden,
3. die vier sich donnerstags, samstags und montags bei den Polizeidienststellen ihrer Wohnung melden müssen,
4. sie nicht ins Ausland reisen,
5. sie untereinander keinen Kontakt aufnehmen, auch nicht über Dritte.
Die AnwältInnen der vier hatten seit Beginn der U-Haft immer wieder zu den Haftprüfungsterminen die Aufhebung der Haftbefehle beantragt, hilfsweise die Außervollzugsetzung der Haft nach 116 der Strafprozeßordnung. In diesem Paragraphen wird ein Katalog von Möglichkeiten aufgeführt, durch den "der Zweck der Untersuchungshaft ... erreicht werden kann". Aus diesem Katalog hat der Ermittlungsrichter in seinem Beschluß vom 5.12.95 die obigen fünf Auflagen zusammengestellt.
Die unmittelbare Freude und Erleichterung, die vier aus dem Knast raus und wieder unter uns zu haben, heißt nicht, daß wir uns jetzt zurücklehnen können.
Die Verfahren vom 13.6. laufen weiter:
In das Verfahren wegen Mitgliedschaft in der RAF gegen Ingrid aus Köln, deren Wohnung am 13.6. durchsucht wurde, sind zwei weitere Leute als Beschuldigte aufgenommen worden. Sie gehören zu dem Diskussionszusammenhang, an dem auch ehemalige RAF-Gefangenen beteiligt sind und dessen Treffen in der Eifel abgehört werden sollte.
In dem Verfahren gegen die AIZ konnte die BAW bisher keine "Erfolge" verbuchen. Jetzt greift sie auf ein Fahndungsszenario zurück, das an die "Terroristen"-Hetze in den 70er Jahren gegen die RAF erinnert. In Autobahnraststätten und öffentlichen Gebäuden hängen Plakate aus, die 100000 Mark Belohnung für "sachdienliche Hinweise" versprechen.
In dem Verfahren gegen angebliche Mitglieder der Gruppe K.O.M.I.T.E.E. sollen jetzt Angehörige stellvertretend für die abgetauchten Beschuldigten vorgeladen werden, um mit Hilfe von Genanalysen den Beschuldigten Zigarettenkippen zuzuordnen, die in einem der Pkws gefunden wurden. Die Haftbefehle gegen Bernhard, Peter und Thomas bleiben aufrechterhalten.
Auch im radi-Verfahren sind die Haftbefehle nicht aufgehoben, für die vier Gesuchten Frank, Matthias, Jutta und Ulli gibt es auch keine Außervollzugsetzung der Haftbefehle. Von den Auflagen für Andreas, Rainer, Ralf und Werner ist insbesondere das Kontaktverbot zueinander nicht hinnehmbar. Mit diesem Kontaktverbot bezweckt der BGH die Verhinderung der gemeinsamen Prozeßvorbereitung - gleichzeitig enthält er die Drohung erneuter Einknastung und anderer repressiver Maßnahmen. Dies entspricht der bisherigen Linie der BAW, die bis heute umfassende Akteneinsicht verweigert. Die Ermittlungen der BAW gegen die vier sind - laut BGH-Beschluß vom 5.12. - nahezu abgeschlossen.
Formal ist die Außervollzugsetzung der Haftbefehle damit begründet worden, daß es sich bei den vorgeworfenen Taten um Taten im Bereich der "mittleren Kriminalität" handelt und ein weiterer Vollzug der U-Haft unverhältnismäßig sei. Tatsächlich dürfte der Entscheidung wohl eher die Einschätzung zugrunde liegen, daß von fortdauernder Einknastung eher eine mobilisierende Wirkung für die Solibewegung ausgeht.
Keinesfalls bedeutet die Haftaussetzung, daß die Verfolgung mit dem Vereinigungsparagraphen 129 fallengelassen wird. Näherliegend ist, daß die BAW noch unsicher ist, wie sie die Verfahren durchziehen will.
Dabei geht es gerade darum, die juristische Konstruktion "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" (129), deren Zweck die "Werbung und Unterstützung für terroristische Vereinigungen" (129a) sein soll, durchzusetzen, um sich ein weiteres Instrumentarium zu schaffen, linke Projekte, Zeitungen und Gruppen schneller und für sie unkomplizierter und effektiver zu kriminalisieren. Denn ist erst einmal eine Zeitung oder auch eine antifaschistische Gruppe (der Prozeß nach 129 gegen die Antifa M beginnt am 8. Mai in Lüneburg) als kriminelle Vereinigung verurteilt, können in Zukunft politische Verfahren nach 129 mit diesen Urteilen begründet und MitarbeiterInnen und UnterstützerInnen kriminalisiert werden.
Die Grundlage der Ermittlungen im radikal-Verfahren sind die Abhörmaßnahmen des LKA Rheinland-Pfalz in einem Haus in Baar-Wanderath (Eifel), bei denen das angebliche radikal-Treffen zufällig mitgeschnitten wurde. Eigentlich waren die Herren auf der Suche nach mutmaßlichen RAF-Mitgliedern, die sich in jenem Ferienhaus treffen sollten, das gerne mal von den verschiedensten Leuten aufgesucht wird, um sich zu treffen und sich zu erholen ... Dieser schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzbarkeit der Wohnung ist nach geltendem Strafprozeßrecht nicht zulässig. Eine große Brisanz hat dieses Vorgehen auch auf politischer Ebene: Seit Monaten wird um den "großen Lauschangriff" im großen politischen Rahmen gestritten, währenddessen wird bereits hintenrum versucht, ihn als legitimes Mittel durchzusetzen.
Unabsehbar ist, wann die BAW ihre Ermittlungen abschließen und mit einer Anklage rausrücken wird. Noch unklarer ist, wann ein Prozeß stattfindet.
Es gibt viel zu tun:
Aufhebung der Haftbefehle!
Weg mit den Paragraphen 129 und 129a!
Einstellung aller Verfahren!
An Ulf liebe, solidarische Grüße - er ist nach 5 Monaten ungebeugt aus Heimersheim entlassen worden!
An euch Gesuchte unsere Liebe und Kraft - Venceremos!
Bundesweite Soligruppen
Mindestens 7 Monate lang, von Juni 93 bis Januar 94, wurde ein Haus in der Eifel abgehört, das von vielen Leuten aus verschiedenen politischen und kulturellen Szenen, ihren FreundInnen und Familienangehörigen besucht wird.
Wir wollen jetzt was zu Hintergründen der Abhöraktion sagen, die u.a. dazu benutzt wurde, 4 Genossen wegen "Herstellung und Verbreitung" der Zeitung "radikal" in den Knast zu bringen (1) und 4 GenossInnen per Haftbefehl zu suchen; einer saß in Beugehaft.
Auch auf den Spiegel-Artikel "Big Bang in Wanderath" (SP 42/95) gehen wir ein.
Gegen 3 von uns: Ingrid B., Gisel D. und Aki M., läuft ein Ermittlungsverfahren wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung". In diesem Verfahren wurde der Lauschangriff gegen das Eifelhaus gerichtlich angeordnet:
(Im BGH-Beschluß vom 7. Juni 1995 heißt es, das Amtsgericht Mayen habe durch Beschluß vom 4. Juni 93 ... gestattet, in zwei Blockhütten ... besondere technische Mittel in Gestalt von Mikrosendern ... anzubringen, und zwar bezogen auf die der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" verdächtigen Personen Ingrid B., Gisela D. und Albrecht M. ...
Anlaß für diesen präventiv-polizeilichen Gerichtsbeschluß sei die Annahme gewesen, daß sich der RAF angehörende Personen in diesen Blockhütten träfen.)
Wir haben uns seit Ende 91/Anfang 92 in wechselnder Zusammensetzung mal öfter, mal seltener getroffen, u.a. in dem Eifelhaus. Wir sind davon ausgegangen, daß das Haus abgehört werden kann. Trotzdem haben wir uns dort getroffen, weil uns die Gegend gefällt und wir dort mehr Ruhe hatten als woanders.
Unser Diskussionskreis ist aus dem Bedürfnis entstanden, unsere unterschiedlichen politischen Vorstellungen und Praxisansätze in verschiedenen Phasen des anti-imperialistischen Widerstands zu reflektieren.
Verschiedenste Erfahrungen im Widerstand und persönliche Freundschaften haben unsere Zusammensetzung bestimmt. Wichtig war uns, daß wir aktuell auch in unterschiedlichen praktischen Ansätzen und Initiativen steckten (Häuser/Zentrumskämpfe, Wohnprojekte, Frauen/Lesbendiskussion, anti-faschistische Mobilisierung, Flüchtlingsarbeit, Initiativen für die Freiheit der politischen Gefangenen).
Zwei Schwerpunkte unserer Diskussion waren die politischen Erfahrungen der Frontphase und der Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen. Wir fragten uns (wie viele andere auch), wie grundlegende politische Neubestimmungen entwickelt werden könnten: was wir sowohl aus unserer eigenen Lage (wir waren mit unseren politischen Bestimmungen und Strukturen an Grenzen gestoßen) wie auch aus der gesellschaftlichen, globalen Umbruchsituation als überfällig empfanden.
Wir dachten, daß dies einen vielfältigen Diskussions- und Verständigungsprozeß voraussetzt, der u.a. die bisherigen Denkweisen überprüft und eingegrenzte Blickwinkel durchbrechen kann.
Wir sind mit unserer Diskussion nicht weit gekommen, weil der Austausch unserer politischen Erfahrungen, Kriterien und Vorstellungen erstmal alle politischen Differenzen auf den Tisch gebracht hat. Diese waren für uns zu wesentlich, um daraus gemeinsam zu konstruktiven politischen Ansätzen zu kommen.
Deswegen haben wir diesen Diskussionskreis aufgelöst.
Trotzdem war die Diskussion für uns insoweit produktiv, daß jede/r mit einem tieferen Bewußtsein über Vergangenes, unterschiedliche Kriterien und Blickwinkel, auch auf Aktuelles, da rausging.
Heute denken wir, daß unsere Widersprüche (Streitigkeiten) Teil und Ausdruck der politischen Umbruchsituation waren/sind, in der Klärungs- und Neuorientierungsprozesse langwieriger sein werden.
Zuerst haben wir von einem Ermittlungsverfahren gegen Ingrid wegen "Mitgliedschaft in der RAF" erfahren. Mit dieser Begründung wurde ihre Wohnung bei der bundesweiten Razzia am 13.6.95 durchsucht. (2)
Daß es ein Ermittlungsverfahren gegen 3 von uns gibt, haben wir zufällig erfahren: aus einen BGH (Bundesgerichtshof)-Beschluß zu einer anderen Hausdurchsuchung in Köln, die auch am 13.6. lief. Worauf sich dieses Verfahren gründet und seit wann es läuft, wissen wir nicht. Alle Anfragen unserer AnwältInnen werden abgeblockt.
Warum gerade diese 3 von uns in dem Ermittlungsverfahren genannt werden, wird nicht klar. Allerdings ist uns aufgefallen, daß die beiden aus unserem Kreis, die früher in der Guerilla organisiert und dafür im Knast waren, namentlich erwähnt werden. Für die Staatsschutzbehörden sind sie 1. grundsätzlich immer verdächtig, Kontakt zur RAF zu haben, und 2. kann auf dem Hintergrund ihrer Geschichte wohl jedes Amtsgericht dazu gebracht werden, einen Lauschangriff abzusegnen.
Im Spiegel (42/95) lanciert ein Staatsschutzschreiber ein "Gipfelgespräch der RAF" in dem Eifelhaus. Mit diesem sogenannten "Gipfelgespräch" ist in Wirklichkeit unser Diskussionstreffen gemeint.
Der Spiegel schreibt weiter: "Die Information über die geplante Konferenz stammte offenbar aus einer Telefonüberwachung". Dieses abgehörte Telefonat ist zwischen zweien von uns gelaufen, aus einer Wohnung in Frankfurt, in der Gisel gewohnt hat, in ein besetztes Haus in Köln. Da haben wir uns in dem Eifelhaus verabredet. Natürlich war klar, daß beide Telefone abgehört werden.
Dieses Telefongespräch führten wir Mitte Mai 93.
Der Gerichtsbeschluß zum Lauschangriff gegen uns und darüber alle BesucherInnen des Eifelhauses ist vom 4. Juni 93.
Schon vorher, am 5. Mai 93, war die Operation gegen die RAF in Bad Kleinen beschlossene Sache:
"Die Gesprächsteilnehmer (Generalbundesanwalt von Stahl, Justizminister Caesar und Innenminister Zuber aus Rheinland-Pfalz bei einer Lagebesprechung am 5.5.93) waren sich darüber einig, daß letztendlich das Ziel der gemeinsamen operativen Maßnahme die Festnahme möglichst vieler RAF-Angehöriger sein müsse, wobei zum Zweck der Festnahme das BKA einzuschalten sei." (Aus: Rechenschaftsbericht von Innenminister Zuber, dokumentiert in der Frankfurter Rundschau v. 3.8.93)
Da in der KGT (3) alle Staatsschutzbehörden zusammenarbeiten, wußten bereits alle zuständigen Stellen, wann und wo tatsächlich ein Treffen mit der RAF läuft: am 24. Juni 93 in Bad Kleinen. Das wußten sie von dem VS-Agenten Steinmetz.
Der Lauschangriff auf das Eifelhaus wurde also knapp 3 Wochen vor Bad Kleinen gerichtlich eingeleitet. Er erweist sich als Teil einer viel umfassenderen Geheimdienst- und Polizeioperation, die um Bad Kleinen herum hochgezogen wurde, als bisher bekanntgeworden ist; der Schlag gegen die RAF wurde mit einer intensiven Vorbereitung operativer Maßnahmen gegen Personen und politische Strukturen aus der radikalen Linken flankiert:
Diese Abhöraktion war von vornherein darauf angelegt, den Zugriff auf uns zu ermöglichen. Nur deshalb wurde ein richterlicher Beschluß für den Lauschangriff nötig. Generell hören die Staatsschutzstellen ohne richterliche Genehmigung ab; die wird nur gebraucht, wenn abgehörte Gespräche gerichtsverwertbar gemacht werden sollen.
Kurz: Sie wollten unbedingt was gegen uns in die Hände kriegen.
Und nicht nur gegen uns. Je länger die Abhöraktion dauerte, um so mehr wurde sie auf andere politische Strukturen/Personen ausgeweitet, die kriminalisiert werden (sollen(. Das zeigt ein Beschluß des Amtsgerichts Mayen zur Verlängerung der Lauschaktion am 5. Nov. 93:
(Darin heißt es, daß nach den bisherigen Ermittlungen davon auszugehen sei, daß sich die verschiedensten Gruppierungen der linksextremistischen/-terroristischen Szene im Objekt ... träfen. Die Maßnahmen seien erforderlich, um ... Erkenntnisse über Planung und Vorbereitung von Anschlägen mit linksterroristischem Bezug und ... Hinweise auf mögliche Aufenthaltsorte der mit Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen RAF-Mitglieder zu gewinnen. Wiedergegeben nach dem BGH-Beschluß, s.o.)
Wie kennen aus den letzten 10 - 25 Jahren verschiedenste Varianten staatlicher Repression -
aber offensichtlich gab/gibt es vor und nach Bad Kleinen ein spezifisches Interesse des Staatsschutzes an uns: eine aus unserem Diskussionskreis kommt aus Wiesbaden und hatte Kontakt zu dem VS-Agenten Steinmetz; er bewegte sich lange auch in gleichen politischen Strukturen.
Es war/ist schwer einschätzbar, was das für Konsequenzen für uns haben kann.
Denn der Einsatz von Steinmetz war nach dem Tod von Wolfgang Grams und der Verhaftung von Birgit Hogefeld nicht beendet. Als Agent gegen die RAF ist er verbrannt, aber gegen die radikale Linke operiert er weiter. Seine diversen Kontakte, was er alles vom Hörensagen mitgekriegt hat/haben will, was ihm die B. in den Mund legen, wird vom Staatsschutz bestimmt, verwertet und in kriminalistische Konstrukte gebogen.
So dauert die Operation, in der Steinmetz eine wichtige Rolle spielt, bis heute an. Bekannt geworden ist uns zum Beispiel:
- das BKA-Papier, das Anfang 94 der taz zugespielt wurde. Steinmetz liefert da auftragsgemäß eine Liste von "möglichen Kontaktpersonen zur RAF" - mit 2 Namen aus unserem Kreis.
- Auch von Beugehaft waren wir direkt betroffen: Gisel und Anne R. saßen Ende 94 drei Monate wegen Steinmetz im Knast. Weil sie jede Aussagen zu seinen Lügen gegen die Angehörige eines politischen Gefangenen verweigerten. Steinmetz hatte behauptet, sie hätte einen Kontakt zur RAF vermittelt (siehe Angehörigen Info 148/30.6.94).
- Gegen Stefan F., der früher in der RAF organisiert und dann im Knast war, wurde im Spätsommer 93 ein Ermittlungsverfahren wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" eingeleitet. Dieses basierte auf "Aussagen" des VS-Agenten. Ende 94 wurde das Verfahren eingestellt (siehe Angehörigen Info 148).
- Gegen Ursel Q. aus Saarbrücken wird Anfang nächsten Jahres der Prozeß eröffnet wg. "Unterstützung der RAF". Aufgebaut wird die Anklage zum einen auf einem Brief, der bei der Festnahme von Birgit Hogefeld gefunden wurde und Ursel zugeordnet wird. Zum zweiten geht es um ihre politischen Basisinitiativen, anhand derer der Staatsschutz versucht, einen organisatorischen Zusammenhang zur RAF zu basteln (da die RAF ja den "Aufbau einer Gegenmacht von unten" propagiert hat).
- Das Verfahren gegen Andrea W. aus Ffm wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion". Dieses Verfahren lief ursprünglich gegen Steinmetz, dann wurde es umgewandelt gegen "unbekannt", und jetzt wurde es u.a. mittels "Sprengstoffunden" auf Andrea umgebogen. Andrea wohnte (4) in einem teilbesetzten Haus Fritzlarer Straße; dort liefen mittlerweile 5 Hausdurchsuchungen. U.a. um in den Hinterlassenschaften von Steinmetz (z.B. Motorradtaschen) "Sprengstoff" zu finden und 6 "ZeugInnenladungen" zu vollziehen. Die 6 ZeugInnen haben jetzt ihre 2. Ladung vor den BGH bekommen. (5)
Insgesamt fällt auf, daß die Staatsschutzjustiz zur Zeit (6) versucht, die jeweiligen "Beschuldigungen" ohne direkte Verwendung von Steinmetzchen VS-"Aussagen" aufzubauen. Möglich wird dies z.B. durch "Sprengstoffunde" und/oder die Konstruktion von "terroristischen Vereinigungen". Der rote Faden, der sich unseres Wissens durch alle diese Ermittlungsverfahren durchzieht, ist trotzdem nicht zu übersehen: ein Kontakt oder ein praktischer Berührungspunkt (wie Computer, Motorrad etc.) zu dem VS-Agenten Steinmetz.
Einige Betroffene
6.12.95
Anmerkungen:
(1) Inzwischen sind die vier unter Auflagen und gegen Kaution raus.
(2) Dieses Verfahren wurde 92 eingeleitet, jede Information verweigert. Erst seit kurzem wissen wir, daß dieses Verfahren "unabhängig" von dem gegen die drei von uns ist. Gegen Ingrid laufen also 2 Verfahren.
(3) KGT = Koordinierungsgruppe Terrorismus: Offiziell 1991 gebildet aus Generalbundesanwalt, BKA, Bundesamt f. Verfassungsschutz, VS-Ämter und Polizeien der Länder, deren Vertreter sich je nach "Lage" als 7/14 Tage in großer oder kleiner Runde zu "Lagebesprechungen" treffen. Kurz: ein Zusammenschluß von Justiz, Polizei und Geheimdienst, der die Gewaltenteilung aufhebt.
(4) Sie hat sich der drohenden Verhaftung entzogen (siehe Swing Sept. 95).
(5) entfällt
(6) Das eingestellte Verfahren gegen Stefan F. und das gegen die Angehörige sind untypisch.
In den letzten Tagen sind im Zusammenhang mit dem Verfahren vom 13.6.95 (bezüglich der Zeitung radikal) erneut Durchsuchungen in verschiedenen Städten gelaufen.
In Dresden wurde am 14. Dezember 1995 der Infoladen "Schlagloch" sechs Stunden von zwanzig LKA-Beamten durchsucht. Zwei anwesende Personen wurden formlos verhört.
Die Durchsuchung - mit Beschluß des Dresdner Amtsgerichts vom 12.12.95 - fand mit der Begründung des Verdachtes auf Werbung für eine terroristische Vereinigung nach 129/a StGB statt. Anlaß hierfür ist das "Ermittlungsergebnis", daß der Infoladen "Schlagloch" die Zeitung radikal (laut BAW "eine kriminelle Vereinigung mit Ziel der Unterstützung von terroristischen Vereinigungen") vertrieben haben soll.
Zwei Personen wurden vorübergehend festgenommen, diverses Info- und Organisationsmaterial wurde beschlagnahmt.
Am 19. Dezember 1995 fanden in Oldenburg, in Münster und in Bremen Hausdurchsuchungen statt.
In Oldenburg wurden morgens um 6.00 Uhr, auf Anordnung von Ermittlungsrichter Beyer, die Wohnung nebst Nebenräumen und KFZ einer Frau durchsucht. Der Durchsuchungsbeschluß lautet auf die "Unterstützung einer kriminellen Vereinigung" u.a.). Die Durchsuchung dauerte zwei Stunden, die Frau wurde ED-behandelt, und es wurden einige Gegenstände beschlagnahmt.
Während der Durchsuchung wurde die Frau nach Ulli (einer der gesuchten Personen im radikal-Verfahren) befragt.
In Bremen gab es zwei Durchsuchungen.
Morgens um 6.00 Uhr wurde die Wohnung eines Mannes und seiner Mitbewohnerin durchsucht. Die Begründung auch hier die "Unterstützung der kriminellen Vereinigung radikal". Der Mann wurde ED-behandelt, seiner Mitbewohnerin wurden Lichtbilder vorgelegt, und sie wurde befragt.
Nach Beendigung der Hausdurchsuchung um 14.30 Uhr fand im Anschluß eine weitere Durchsuchung in Bremen statt.
Trotz der Abwesenheit des Bewohners wurden wie bei der morgendlichen Durchsuchung diverse Gegenstände beschlagnahmt. Beschlagnahmt wurden in beiden Fällen Computeranlagen, Disketten etc.
Auch in Münster fand morgens um 6.00 Uhr eine Durchsuchung bei einer Frau statt. Die Begründung ist ebenfalls der "Verdacht auf Unterstützung der kriminellen Vereinigung radikal". Beschlagnahmt wurden wie bei allen vorangegangenen Durchsuchungen Computer, Disketten und persönliche Unterlagen.
Unsere Einschätzung, daß sich mit der Freilassung der Gefangenen nichts Grundsätzliches im Verfahren und Vorgehen der BAW ändert, wird dadurch leider bestätigt. Die neuesten Aktionen von der BAW zeigen deutlich, daß der Angriff vom 13.6. ernst zu nehmen ist, die Ermittlungen weiterlaufen und das Verfahren immer noch ausgeweitet wird.
Deswegen nicht vergessen:
Anna und Arthur halten's Maul -Pah, wir sagen nix!
Keine Aussage bei Justiz und Bullen!
Soligruppe HH, 21.12.1995
Am Nachmittag des 19.12.1995 fand in Kiel eine Hausdurchsuchung statt. Sieben Beamte des Landeskriminalamtes Schleswig Holstein durchsuchten zwei Stunden lang in Abwesenheit der beiden Bewohner deren Wohnung und beschlagnahmten neben einem Notebook und ca. 150 Disketten zwei Kisten mit "Schriftgut". Das sogenannte "Schriftgut" - Zeitungsausschnitte etc. - war so unbedeutend, daß es am nächsten Tag sofort wieder freigegeben wurde. Obwohl sich der -von einem Staatsanwalt Schulz beim Generalbundesanwalt telefonisch dem LKA Schleswig-Holstein übermittelte- Durchsuchungsbefehl nur auf einen der beiden Bewohner bezog, wurde die gesamte Wohnung durchsucht. Mit dem Computer und den Speichermedien wurden ausschließlich Gegenstände des anderen Betroffenen beschlagnahmt und trotzdem nicht herausgegeben.
Gleichzeitig wurden in mehreren anderen Städten Privatwohnungen durchsucht, so z.B. zwei Wohnungen in Bremen. Begründet werden die Durchsuchungen mit Ermittlungen nach 129, 129a StGB wegen Verdacht der Herstellung der Zeitschrift "Radikal". Nachdem die Bundesanwaltschaft vor zwei Wochen vier unter dieser Begründung am 13.6.1995 festgenommenen Männer aus der U-Haft entlassen mußte, sucht sie nun wohl im privaten Umfeld der bisher Beschuldigten nach irgendwelchen Hinweisen und hofft auf Zufallsfunde.
Rote Hilfe, Ortgruppe Kiel (Quelle: CL-Netz)
Für den 13.12.95 hat ein Genosse von uns eine Zeugenvorladung vor die Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe zum Themenkomplex Sprenstoffanschlag auf die JVA Weiterstadt erhalten.
Nachdem der Neubau der JVA Weiterstadt durch die RAF im April 1993 gesprengt worden war, ist wiederholt versucht worden, die Bunte Hilfe Darmstadt durch Polizeiverlautbarungen und Pressemitteilungen in den Kreis der Mittäter miteinzubeziehen. Vor dem Hintergrund, daß wir seit Jahren Öffentlichkeitsarbeit zu diesem zutiefst inhumanen Großprojekt gemacht haben, sollen wir jetzt durch die Androhung von Beugehaft kriminalisiert und mundtot gemacht werden.
Aus der Praxis unserer Rechtshilfearbeit wissen wir leider allzu gut, wie eine sogenannte Zeugenvorladung vor der Bundesanwaltschaft zu werten ist. Aus dem Zeugen wird im Laufe der zweifelhaften Vernehmungen ein Beschuldigter der Staatsschutzkonstruktionen. Der Zeuge hat nicht das Recht, die Aussage zu verweigern. Tut er es dennoch, um an seiner Kriminalisierung nicht noch mitzuwirken, so wird er zwecks Aussageerpressung in Beugehaft genommen.
Auf diese Weise ist Andrea B. aus Frankfurt im gleichen Ermittlungskomplex zur Beschuldigten geworden. Sie hat das ehemaligen Motorrad des Verfassungsdienst-Spitzels Klaus Steinmetz gekauft, in dessen Koffern später angeblich Sprengstoffreste entdeckt wurden. Daß das Motorrad bis zum Tatzeitpunkt im Besitz des vom rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz bezahlten Spitzels Steinmetz war und dieser auch für den Sprengstoffanschlag in Weiterstadt zu belangen wäre, ist nicht von Interesse. Das Ermittlungsverfahren gegen Steinmetz wurde eingestellt. An seiner Stelle wird die Nachbesitzerin des Motorrads zur Beschuldigten gemacht und sechs ihrer Mitbewohner und Mitbewohnerinnen mit Beugehaft bedroht.
Bunte Hilfe Darmstadt, 11.12.95
Viermal Beugehaft
Am 12.12. und 14.12. hat Beyer, Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, sechs unserer MitbewohnerInnen als ZeugInnen geladen. Gegen vier wurde jeweils 5 Monate Beugehaft und Ordnungsgeld verhängt. Der fünfte bezog sich auf sein Aussageverweigerungsrecht nach 52 (Verlobung), und der sechste Geladene wurde zu einem Ordnungsgeld von 1000,- DM verurteilt. Conny, Jens, Nick und Petra sind jetzt fünf Monate im Knast, weil sie die Aussagen in einem Verfahren gegen Andrea, eine Mitbewohnerin, verweigert haben.
Gegen Andrea wird wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zur Herbeiführung eines Sprengstoffanschlages, gemeint ist Weiterstadt, ermittelt. Wurde sie zu Beginn der Ermittlungen noch als Zeugin geladen, so gilt sie jetzt als Beschuldigte. Da alles daraufhin deutete, daß Andrea sich im Fadenkreuz der Staatsschützer befindet, ist sie weggegangen.
Wir grüßen Andrea und alle Untergetauchten und wünschen ihnen ganz viel Kraft!
Zur Erinnerung:
Am 27.3.93 sprengte ein Kommando der RAF den Knastneubau in Weiterstadt.
Drei Monate später wird Wolfgang Grams in Bad Kleinen von der GSG9 erschossen und Birgit Hogefeld festgenommen. Bei dieser Geheimdienstoperation fliegt der Spitzel Steinmetz auf. Andrea hatte Kontakt zu Steinmetz und kaufte nach Bad Kleinen sein Motorrad samt Zubehör.
Im Mai 94 beginnt die Hausdurchsuchungswelle in der Fritze. Die Motorradkoffer des Spitzels werden im Flur einer Wohnung beschlagnahmt. Die Chemiker des BKAs behaupten, darin Sprengstoffkomponenten in hoher Konzentration gefunden zu haben.
Wir sagen, wenn in den Motorradkoffern des VS-Spitzels Steinmetz Sprengstoffspuren gefunden wurden, führen diese zum rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz und zu Steinmetz, aber nicht in unser Wohnprojekt.
Das BKA behauptet des weiteren auch, an anderen in unserem Haus beschlagnahmten Gegenständen weitere geringere Spuren von Sprengstoffkomponenten gefunden zu haben. Sie selbst sagen in ihrem Gutachten, daß bei so geringen Mengen Fehleintragungen bei der Spurensicherung nie ganz auszuschließen sind. Trotzdem versucht Beyer, diese Sachen Andrea zuzuordnen. Unter anderem fragt er in der ZeugInnenvorladung, ob die sichergestellten Gegenstände Andrea gehören würden.
Die Aussagen wurden verweigert!
Der Terror der Staatsschützer hört aber noch lange nicht auf. Der dritten Hausdurchsuchung folgt die vierte, und jetzt, Anfang Dezember, die fünfte Hausdurchsuchung. Die BKA-B. durchwühlen auf mündliche Anordnung von Bundesanwalt Griesbaum schon wieder alle Wohnungen des Projekts. Ein neues, mittlerweile das dritte, Ermittlungsverfahren nach 129a ist eröffnet worden. Es richtet sich gegen unsere Mitbewohnerin Andrea wegen Mitgliedschaft in und unseren Mitbewohner Sven wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
Nach eineinhalb Jahren Staatsschutzterror ist das Ergebnis, daß gegen Andrea nach 129a ermittelt und sie gesucht wird, Sven nach 129a verfolgt wird und vier unserer MitbewohnerInnen in Beugehaft sind. In Beugehaft deshalb, weil sie nicht mit genau diesem Staatsschutz zusammenarbeiten wollen.
Alle sechs, die bei Beyer vorgeladen waren, haben bewußt in Kauf genommen, für einige Monate aus ihrer Lebenssituation herausgerissen zu werden und die Konsequenzen zu tragen.
Für Nick zum Beispiel bedeutet das, die seit einem Jahr angefangene Lehre zu verlieren, für Petra die Trennung von ihrem einjährigen Kind. Diese Entscheidung, eher in den Knast zu gehen als Aussagen zu machen, ist keine Selbstverständlichkeit. Für uns in der Fritze ist es eine ständige Auseinandersetzung mit all unseren Widersprüchen, um ein einheitliches Vorgehen zu finden. Wir sind ein Lebenszusammenhang und keine organisierte politische Gruppe. Es geht uns auch nicht alleine darum, Haltung zu bewahren und auszudrücken. Wir denken grundsätzlich, daß wir unser gemeinsames Selbstverständnis überprüfen und wieder schaffen müssen, um der Beugehaft etwas entgegenzusetzen. Wir konnten sie nicht verhindern, aber unsere MitbewohnerInnen haben mit ihrem Verhalten auch Punkte gesetzt:
- daß sie nicht erpreßbar sind
- daß wir uns nicht ihrem Druck unterwerfen
- und daß wir schon gar nicht mit ihnen zusammenarbeiten.
Wir werden uns auch jetzt nicht ruhig verhalten und die Beugehaft stillschweigend hinnehmen. Wir sehen die Angriffe gegen uns im Zusammenhang mit den laufenden Verfahren gegen unterschiedliche linke Zusammenhänge und auch mit der Verfolgung kurdischer Organisationen.
Auch wenn wir grad nicht viel in der Hand haben, wir haben unsere Überzeugung, unsere Hoffnung, unsere Wut und unseren Willen: ZU WIDERSTEHEN.
Wir grüßen Nick in Heimsheim, Jens in Rastatt, Conny in Bühl und Petra in Schwäbisch Gmünd und wünschen ihnen ganz viel Kraft!
Wenn Ihr ihnen schreiben wollt, geht dies nur über:
c/o Beyer, Herrenstr. 45a, 76125 Karlsruhe, Fax 0721/159-831, Tel. 0721/159-0
Aktuelle Infos über:
Infoladen, c/o Exzess, Leipziger Str. 91, 60487 Frankfurt, Tel. 069/774670 (So zwischen 11.00 und 16.00 Uhr und Mo zwischen 18.00 und 22.00 Uhr)
AnwältInnen kosten Geld, Knast-Abos auch. Deshalb bitten wir um Spenden!
Spendenkonto: (E. Bauer), Stichwort "Fritze", BfG Frankfurt Bockenheim, Kto-Nr. 3557853901, BLZ 500 101 11
Viele Grüße aus der Fritze!
Am 8. November 1994 wurde Ursel Quack in Saarbrücken verhaftet. Daran und an den gleichzeitig stattfindenden Hausdurchsuchungen waren insgesamt 70 Beamte aus Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt, ein Vertreter der Bundesanwaltschaft (BAW) u.a. beteiligt. Der vom Bundesgerichtshof ausgestellte Haftbefehl lautete auf "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, 129a". Am 21. November 1994 - zwei Tage vor dem zweiten Haftprüfungstermin - wurde der Haftbefehl auf Antrag der BAW "außer Vollzug gesetzt", und am 7. April 1995 ganz aufgehoben.
Grundlage des Verfahrens ist ein Brief an die RAF, der in einem Rucksack von Birgit Hogefeld nach ihrer Verhaftung in Bad Kleinen 1993 gefunden wurde und der Ursel zugeordnet wird.
Der Wortlaut des Briefes wurde auch auf einer durch das Bundeskriminalamt im November 1993 in Wiesbaden beschlagnahmten Diskette des VS-Agenten Steinmetz sichergestellt. Die Hausdurchsuchung fand im Zusammenhang mit dem inzwischen eingestellten Ermittlungsverfahren wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" gegen den VS-Agenten statt.
Im Rucksack von Birgit Hogefeld befanden sich neben dem Brief Zeitungsartikel, Flugblätter, Zeitungen etc. aus der Region Saarbrücken.
Anfang August 1995 beantragte die BAW mit einer 84 Seiten dicken Anklageschrift, die Ursel erst Anfang November zugestellt wurde, die Eröffnung des Hauptverfahrens beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in Koblenz. Im wesentlichen folgt die Anklageschrift den "Begründungen", wie sie bereits im Haftbefehl ausgeführt waren: Ursel habe im Raum Saarbrücken ein Geflecht von Basisinitiativen aufgebaut mit dem Ziel, das "RAF-Konzept Gegenmacht von unten" umzusetzen, und habe direkten Kontakt mit der "Kommandoebene" der RAF aufgenommen, um ihre politischen Aktivitäten mit der RAF abzustimmen. Wir rechnen mit Prozeßbeginn in den ersten Monaten des kommenden Jahres.
Der Brief an die Illegalen ist zugleich das Wenige, was die Staatsschutzbehörden wirklich haben. Der Rest ist Beiwerk, ein aufgeblasener Luftballon, der auch platzen kann. Nach zwei Jahren scheint das Ergebnis der "Ermittlungen" der BAW umgekehrt proportional zu ihrer Dauer. So beinhalten die auf acht Ordner gestreckten "Ermittlungsergebnisse" Kopien der Stadtteilzeitung "Stoffwechsel" in mehrfacher Ausfertigung, alleine an die 200 Seiten Urteilsbegründungen aus anderen 129a-Verfahren, Kopien der gesamten Korrespondenz von Ursel mit Gefangenen aus der RAF etc.
Was immer die BAW mutmaßt - einerseits daß die RAF am Ende sei (siehe Frankfurter Rundschau vom 21.12.94, "RAF in ihrer klassischen Form ist tot"), andererseits daß sie nach wie vor die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland durch schwerste Straftaten gewaltsam verändern wolle (aus der Anklageschrift) - sie verfolgt mit ihrer Repression das, was Bezugspunkt sein könnte für eine emanzipatorische, internationalistische Politik, die die Grenzen des bürgerlichen Systems aufsprengt. Hierfür steht in der Geschichte der BRD nicht zuletzt die Politik der RAF.
Auch wenn wir dem Verfahren gegen Ursel keine strategische Bedeutung für die Staatsschutzbehörden beimessen, wäre es dennoch falsch, diese Kriminalisierung als "Überreaktion" oder "konstruierte Hirngespinste" der BAW zu bewerten. Mit ihrer Anklage zielt die BAW direkt gegen die Suche nach Möglichkeiten revolutionärer Veränderungen, gegen die Kommunikation mit den Illegalen, gegen die politische Auseinandersetzung mit den Gefangenen aus der RAF; damit verbunden zielt sie gegen die minimalsten Ansätze von Organisierung und den Willen, zur Strategiebildung revolutionärer Politik beizutragen.
Durch die diversen Akten und Schriftstücke der Ermittlungsbehörden zieht sich von Anfang bis Ende ein roter Faden, der politische Vorstellungen und Notwendigkeiten als kriminell bewertet, die für uns zur Rekonstruktion radikaler und revolutionärer Politik dazugehören: Versuche, ja bereits die Artikulation der Absicht, die Zersplitterung linker und revolutionärer Kräfte aufzuheben und Grundlagen für die Erarbeitung längerfristiger politischer Vorstellungen zur Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu erkämpfen. Die Entwicklung einer bewußt vom Antagonismus ausgehenden Politik. Die Eroberung selbstbestimmter Diskussions- und Kommunikationsstrukturen, die sich notwendigerweise der Kontrolle des Staates entziehen.
Aus der Anklageschrift ist der deutliche Wille der BAW erkennbar, Ursel zu verurteilen und sich weiterhin die juristische Option zu sichern, über den 129a in Zusammenhang mit der RAF revolutionäre Politik zu kriminalisieren.
Innerhalb der letzten Jahren haben sich die sozialen und politischen Verhältnisse nicht nur in Europa gewaltig verändert. Heute müssen wir davon ausgehen, daß noch für längere Zeit global betrachtet die Konterrevolution einen strategischen Sieg errungen hat. Die imperialistische Bourgeoisie ist in der Offensive, während diejenigen Kräfte, die um Befreiung/um Kommunismus kämpfen, sich in der Defensive befinden.
Entsprechend der jeweiligen Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen hier wie international ist die Konterrevolution in den Metropolen präventiv darauf aus, Ansätze zur Organisierung radikaler und revolutionärer Politik zu zerschlagen.
So zielt das Ermittlungsverfahren nach 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) gegen 17 Personen, denen Mitgliedschaft in der Autonomen Antifa (M) vorgeworfen wird, gegen den Aufbau antifaschistischer-antikapitalistischer Organisierung und ihre gesellschaftliche Verankerung. Der Prozeß gegen sie soll im Frühjahr 1996 vor dem Oberlandesgericht Lüneburg beginnen. Gleichzeitig sollen damit neue juristische Handhabungen durchgesetzt werden, die der Kriminalisierung antifaschistischer Organisierungen in der Zukunft dienen können.
Ein weiteres Beispiel ist das Verfahren im Zusammenhang mit der Zeitschrift "radikal" nach 129 und 129a und die Verhaftung von vier angeblichen Mitgliedern der Redaktion. Hiermit soll ein Projekt zerschlagen werden, das sich über Jahre hinweg gegen alle Kriminalisierungsversuche durchzusetzen vermochte, ohne von seiner Zielsetzung der Verbreitung und kritischen Auseinandersetzung mit Texten von Militanten und Guerillagruppen abzurücken. Zeitgleich fanden in diesem Zusammenhang zahlreiche Hausdurchsuchungen und ZeugInnenvorladungen wegen Ermittlungsverfahren gegen die Antiimperialistische Zelle (AIZ) und die inzwischen aufgelöste Gruppe K.O.M.I.T.E.E. statt.
Diese staatliche Repression findet ihre Entsprechung in allen gesellschaftlichen Bereichen; in der Verpolizeilichung des Alltags, in massiver, gesetzlich legitimierter und von breiten Teilen der Bevölkerung getragener Ausgrenzung sogenannter sozialer Randgruppen, schwarze Sheriffs in Konsummeilen und Bahnhöfen, institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeitern und Pädagogen mit der Polizei.
Präventive Konterrevolution, die an den Orten, an denen gesellschaftliche Widersprüche aufbrechen bzw. Aufbrechen könnten, eine Situation umfassender und scheinbar unausweichlicher Präsenz sozialer Kontrolle und Unterwerfung herstellt.
Die aktuell anhaltende politische Defensive der Linken und die Zersetzung der radikalen und revolutionären Linken aus dem politischen Kontext der letzten 20 Jahre ist eine Ausgangsbedingung des Verfahrens. Das bedeutet auch, daß der Prozeß gegen unsere Genossin mit der Zersetzung der revolutionären Linken verknüpft ist. Zu dem Hintergrund des Verfahrens und zu dessen politischer Einordnung gehört die Staatsschutzoperation in Bad Kleinen im Sommer 1993, in deren Folge die RAF-Mitglieder Wolfgang Grams erschossen und Birgit Hogefeld verhaftet wurde. Der Prozeß gegen Birgit Hogefeld läuft seit längerem vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt, und im Dezember steht Bad Kleinen auf der Tagesordnung.
Ermöglicht wurde die Staatsschutzoperation durch den VS-Agenten Steinmetz, der sich viele Jahre in der linksradikalen Szene bewegt hat und der Kontakt zur RAF hatte. Seine "Hinterlassenschaften" nutzen die Staatsschutzbehörden seit über zwei Jahren zu Hausdurchsuchungen, Vorladungen und Ermittlungsverfahren. Alleine gegen die BewohnerInnen der Fritzlarer Straße in Frankfurt wurden drei Hausdurchsuchungen durchgeführt, sowie mehrere Vorladungen zur "Zeugen"-Vernehmung vor die BAW zu erzwingen versucht.
Auch Ursel kannte den VS-Agenten und hatte über vier Jahre Kontakt zu ihm. Siehe hierzu unsere Broschüre "Like a rolling stone". Auch darin hat der Prozeß einen Zusammenhang mit Bad Kleinen und dem VS-Agenten. Er basiert allerdings laut Aktenlage und Anklageschrift nicht auf Aussagen von Steinmetz.
In Bade Kleinen hat sich die politische Niederlage der radikalen und revolutionären Linken manifestiert. Das politische Debakel der revolutionären Linken wurde scharf im politischen (Nicht-)Umgang mit Bad Kleinen, dem Mord an Wolfgang Grams und dem VS-Agenten Steinmetz. Dies und das reaktionäre Klima in diesem Land haben es den herrschenden Eliten leicht gemacht, ihre Krise um Bad Kleinen zuzuschmieren, und sie konnten ohne politischen Legitimationsverlust zur Tagesordnung übergehen.
Das, was über zwei Jahre und bis heute so gut wie nicht gelaufen ist, obwohl es existentiell ist für den Aufbau einer revolutionären linken Kraft, kann und wird nicht an der staatlichen Kriminalisierung laufen. Insofern finden wir es notwendig, von der politischen Begrenztheit der Prozeßmobilisierung und Prozeßführung auszugehen.
Unsere politische Gegnerschaft zum kapitalistischen, bürgerlichen System hört vor Gericht nicht auf. Staatsschutzprozesse stellen lediglich ein anderes Terrain der politischen Auseinandersetzung zwischen fundamentaler Opposition und Staat dar. Deshalb werden wir im kommenden Prozeß und in der Mobilisierung gegen ihn unsere politischen Positionen und Vorstellungen gegen diesen Versuch von Entpolitisierung und Kriminalisierung durch die Staatsschutzjustiz entwickeln.
Eine Mobilisierung gegen diesen Staatsschutzprozeß stellen wir uns entlang folgender politischer Linien vor:
Die Staatsschutzjustiz als Klassenjustiz in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung stellen
Gerade in einer Zeit der politischen Defensive der radikalen und revolutionären Linken, die geprägt ist von Abwehrkämpfen auf unserer Seite, und weil mittlerweile die Mystifikationen von geordneter Rechtsstaatlichkeit selbst in linken Vorgärten blühen, ist es uns wichtig, in er Mobilisierung gegen den Prozeß einen politischen Begriff über Wesen und Inhalt der Staatsschutzjustiz zu entwickeln. Hier reißen wir das nur grob an.
Mit ihrer Hauptaufgabe, politische Gegner des Staates zu verurteilen, ist die Staatsschutzjustiz unmittelbarer Ausdruck der Konterrevolution und entsprechend die ausgeprägteste, bewußteste Form der Klassenjustiz.
"Die Gefahr für das Ganze geht von den organisierten Menschen aus" - so in der Begründung des Entwurfs für ein politisches Strafrecht 1950.
Die Staatsschutzsenate, die innerhalb der Justiz Sondergerichte darstellen, werden seither gegen - nicht nur revolutionären - Widerstand eingesetzt. "Terrorismus", "Unterstützung", "Werbung", "Kriminelle Vereinigung" ... - bilden ihr begriffliches Gerüst für die Entpolitisierung antagonistischer Kämpfe. Widerstand wird zur kriminellen Handlung.
"Unabhängigkeit der Justiz", - "faire Verfahren" - Gewaltenteilung", das alles gehört zum schönen Schein bürgerlicher Justiz, der nur ideologisch verschleiert, was sie ihrem Wesen nach ist: Klassenjustiz. Sie ist ein Instrument zur Sicherung des staatlichen Gewaltmonopols, und die die kapitalistische Gesellschaft bestimmenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse werden noch in jedem Gesetz und mit jedem Gerichtsurteil reproduziert und festgeschrieben.
In der Klassenjustiz drücken sich unmittelbar die innergesellschaftlichen und internationalen Kräfteverhältnisse aus. Was heute als bürgerliches Recht und Gesetz durchgesetzt wird, wie z.. das Verbot der Kurdischen Arbeiterpartei PKK oder die rassistischen Ausländergesetze, kann morgen durch den politischen Kampf und organisierten Widerstand zurückgedrängt werden.
Die Linke muß eine Kraft werden, die in der Lage ist, die Staatsschutzangriffe gemeinsam zurückzuschlagen.
Selbstverständlich versucht der Staat, alle Schritte seiner politischen Gegner zu sabotieren, zu denunzieren, zu verhindern. Davon muß fundamentale linke Opposition ausgehen, um ihre Ziele dagegen durchsetzen zu können. Darüber hinaus braucht es politisch konkrete Solidarität. Politische Gruppen oder Zusammenhänge können alleine weder ihre Ziele durchsetzen noch sich gegen die Repression behaupten.
Es ist uns als politische Schwäche bewußt, daß diese Linie sehr stark an der weißen bundesdeutschen Linken orientiert ist. Perspektivisch braucht es eine Erweiterung, die die unterschiedlichen Kämpfe und Widerstände gegen Klassenjustiz, Polizeiterror, Gefängnisse und soziale Kontrolle politisch integriert. Eine Entwicklung von Zusammen-Kämpfen mit den politischen Gefangenen, mit den Kurden und Kurdinnen, mit Migranten und Migrantinnen, mit rebellischen Jugendlichen ... gegen die reaktionären staatlichen Angriffe.
1. Dezember 1995
basis, Alte Feuerwache, Am Landwehrplatz 2, 66111 Saarbrücken
Dem Göttinger Tageblatt war zu entnehmen, daß die Staatsschutzkammer (SSK) Lüneburg am 18.12.1995 der Presse gegenüber Auskunft gab, den Prozeß gegen 17 vermeintliche Mitglieder der Autonomen Antifa (MA) wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung ( 129)" nicht nach Göttingen zu verlegen. Mit dem heutigen Tage sind gnädigerweise auch die Verteidigerinnen der 17 Angeklagten über die Entscheidung der SSK informiert worden. Obwohl die SSK "volles Verständnis" über den Unmut der VerteidigerInnen heuchelt, schmettert sie alle Anträge der Verteidigung ab.
1. Der Prozeß findet in Lüneburg statt. Bei den Angeklagten handele es sich "laut Geburtsdaten" um Personen in einem "vergleichsweise jungen Alter", so daß eine gewisse "Mobilität" erwartet werden könne. Die Generalstaatsanwaltschaft (GSA) Celle vermutet eine "ungünstige örtliche Atmosphäre" für einen Prozeß in Göttingen und prophezeit gar "Unruhen". Dies "schließt eine Verlegung nach Göttingen aus". Da das Landgericht Lüneburg keinen Sitzungssaal für 17 Angeklagte und ihre 34 VerteidigerInnen besitzt, soll in einer ehemaligen BGS-Kaserne, die z.Zt. noch als Zentrale Aufnahmestelle für AsylbewerberInnen (ZAST) genutzt wird, verhandelt werden.
2. Es bleibt bei drei Verhandlungstagen pro Woche, den angesetzten 114 Prozeßtagen und dem Prozeßbeginn am 8.5.1996. Im übrigen seien die von der GSA "eingeführten Beweismittel derart umfangreich, daß eine mehrjährige Verfahrensdauer durchaus im Bereich des Möglichen liegt". Damit hat die SSK eine Verteidigung bereits im Vorfeld verhindert. Es gelang bislang nicht, die benötigten 34 VerteidigerInnen zu finden, die bereit sind, unter diesen miserablen Bedingungen ein Mandat zu übernehmen.
3. Laut SSK erfordere der bevorstehende Mammutprozeß zwei Verteidiger pro Angeklagte/n. Sollten bis Mitte Januar 1996 keine weiteren Verteidiger benannt werden, werde die SSK Verteidiger zwangsweise zuweisen.
Die SSK behauptet in ihrem Ablehnungsbescheid vorsorglich, sie sei keine "kriegführende Partei". De facto soll aber mit allen Mitteln ein politischer Schauprozeß gegen antifaschistische Politik durchgezogen werden, der in diesem Ausmaß bislang einzigartig in der Geschichte der BRD ist. Der von der SSK jetzt bestätigte Eröffnungsbeschluß für den Prozeß bedeutet schon jetzt ein Jahr Freiheitsentzug plus astronomische Geldstrafe für die Angeklagten, deren Vergehen darin bestehen soll, fünf Jahre lang Demonstrationen, Veranstaltungen und Ausstellungen gegen Faschismus organisiert zu haben.
Autonome Antifa (M)
zu erreichen über: Außenreferat, AStA der Uni Göttingen, Tel. 0551/394569, Fax 394564.
Spendenkonto für die Prozeßkosten:Antifaschistische Liste, Kto-Nr. 150 497 006, Sparkasse Göttingen, BLZ 260 500 01, Stichwort: "Solidarität"
Fast 5000 Menschen aus der ganzen Bundesrepublik demonstrierten am 16.12. in Hamburg gegen die Repressionswelle, mit der die Staatsgewalt radikale Opposition mundtot zu machen versucht. Wir haben auf den vergangenen Seiten jüngste Entwicklungen dieser Repression dokumentiert und veröffentlichen im folgenden einige der Reden, die auf der Demonstration gehalten bzw. wegen des vorzeitigen Abbruchs nicht mehr gehalten werden konnten.
Die Staatsgewalt hat von Anfang an versucht, die Demonstration, ohne sie formell zu verbieten, faktisch zu unterbinden. Auflagen sollten sie aus der belebten Innenstadt völlig heraushalten und in unbelebte Gebiete abdrängen, so daß die Vermittlung der politischen Ziele und Forderungen - vor allem Einstellung der Verfahren vom 13.6. und Aufhebung der Haftbefehle sowie der 129 und 129a - an die Öffentlichkeit extrem eingeschränkt war. Eine aus der Innenbehörde lancierte Medienkampagne legitimierte einen Polizeieinsatz, wie ihn Hamburg lange nicht mehr gesehen hat: Einkesselung der Demonstration wie einen Gefangenentransport, schweres Gerät en masse, am Gänsemarkt tiefgestaffelte Polizeiketten vo acht Wasserwerfern und ungezählten Panzerwagen, Sperrung von Teilstrecken der U-Bahn, später in der Innenstadt ließen Polizeiketten alle paar Meter die Stadt wie im Belagerungszustand erscheinen.
Aufgrund der massiven Behinderung wurde die Demonstration vorzeitig abgebrochen, viele der Demonstrierenden schafften dann noch den Weg zurück in die Innenstadt, wo sie sich unter laut gerufenen Parolen immer wieder sammeln konnten.
Trotz der massiven Einschränkungen war die Demonstration ein Erfolg. Ihre politische Stärke machte auch aus, daß viele Momente von Widerstand und Gegenwehr zum Ausdruck kamen - gegen die Repression, gegen Abschiebepolitik und Abschaffung des Asylrechts, gegen den Einsatz von Bundeswehr und Nato in Jugoslawien, gegen die Kurdenverfolgung, für die Freilassung aller politischen Gefangenen ...
Die Vorbereitungsgruppe gibt demnächst eine Broschüre zur Demonstration heraus, die u.a. alle Reden enthält.
(Red.)
Ehem. Gefangenen im radikal-Verfahren
Hallo, ich bin Cracker, einer der vier ehemaligen Gefangenen im radikal-Verfahren.
Als ich vor ca. 2 Monaten von der Idee für diese Demo gehört habe, hatte ich gerade vier Monate Isolation hinter mich gebracht.
Worte dafür zu finden, was Isolation bedeutet, sie anderen begreifbar zu machen, ist fast nicht möglich, denn es gibt keine Worte, die das Nichts beschreiben könnten. Keine Schilderung von perfider Knastarchitektur oder von medizinischen Folgeschäden kann den Reizentzug hinreichend verdeutlichen. Das einzige, was ich versuchen kann, ist, meinen Umgang damit und die Auswirkungen auf mich so genau wie möglich darzustellen.
Die Isolation bedeutete für mich vor allem, jeden Morgen wach zu werden mit dem Gedanken im Kopf, wieder einen Tag vor mir zu haben, an dem ich mich bis zum Abend durchkämpfen muß. Jeden Morgen wieder mit dem Schmerz in der Brust aufzuwachen, den die Trennung von meinen Freundinnen und Freunden hervorrief. Gegen die Konfrontation mit dem System Knast konnte ich mich wehren, aber für den Entzug von menschlichen Kontakten, das Fehlen von Information gibt es keinen Ersatz. Ich habe versucht, die Auswirkungen der Haft auf meine Psyche und meinen Körper zu erkennen, die Rückmeldung über die eigene Person ist im Knast aber unmöglich. Erst nach meiner Entlassung habe ich die Dimension erkennen können. Ich konnte z.B. einem Gespräch nicht mehr folgen, wenn zwei Personen gleichzeitig geredet haben oder wenn im Hintergrund Geräusche waren, und habe seitdem Schwierigkeiten, mir Dinge zu merken. Aber dies ist nicht der Ort, alles dazu zu sagen, ich hoffe, ich finde die Möglichkeit, in Veranstaltungen darüber zu berichten.
Im Knast habe ich trotz rigoroser Postzensur das Gefühl, von den Soliaktionen hier draußen doch eine ganze Menge mitzukriegen, und war begeistert, wie vielfältig die ganzen Aktivitäten sind. Erst jetzt habe ich erfahren, wieviel tatsächlich passiert ist und wie wenig ich bisher erst wußte. An jeder Ecke entdecke ich wieder neue Plakate, und überall liegen Infoblätter aus ... Und ich kann sagen, daß ich überwältigt bin. Die ganze Zeit im Knast hat mich die Unterstützung von draußen immer wieder aus den tiefen Löchern herausgeholt, hat mich die Wärme durch die Mauern erreicht, die vielen Briefe sind einer meiner größten Schätze geworden.
Ein Ausdruck für die Wirkung der gesamten Soliaktionen war ja schließlich auch, daß ich in den letzten 3 Wochen noch von Neumünster nach Stralsund und nach Neubrandenburg verlegt wurde, weil die Knäste und die Bundesanwaltschaft Angst vor den Knastkundgebungen hatten, die ja bereits bundesweit nahezu verboten wurden. Auch die Einschränkung der Demo heute mit dem Innenstadtverbot spiegelt den Versuch wieder, der für die ganzen Verfahren, die z.Zt. laufen, steht, Nämlich unsere Inhalte zu kriminalisieren, zu verbieten und wegzusperren.
Aber das wird ihnen nicht gelingen. In einer Zeit, in der Menschen, die vor Folter, Mord und Unterdrückung oder vor Hunger fliehen, als "Asylbetrüger" diffamiert werden, in der die BRD in ihrem Großmachtstreben wieder militärisch anfängt, sich Gebietsansprüche zu sichern oder auch "nur" die ohnehin sozial bereits Schwachen und Ausgegrenzten in dieser Gesellschaft für den Profit der HERRschenden zahlen müssen, wird es auch weiterhin Menschen geben, die all das benennen und versuchen, daran etwas zu ändern.
Mit dem Konzept dieser Demo, die Vielfältigkeit von linksradikalem Widerstand darzustellen, und auch mit dem Versuch, in der Soliarbeit mit lange bestehenden Gräben unter uns umzugehen, haben wir einen wichtigen Schritt getan, um den Angriff vom 13.6.95 ins Leere laufen zu lassen.
Denn Solidarität ist die größte Kraft, die wir haben, und in ihr können wir die größte Stärke entwickeln. Unsere Entlassung vor einer Woche ist aber nur ein Teilerfolg, denn mit den Auflagen hat sich die Bundesanwaltschaft ein willkürlich einsetzbares Mittel erhalten, uns sofort wieder einzuknasten. Und mit der Auflage, daß wir vier uns nicht treffen dürfen, soll die Soliarbeit natürlich massiv behindert werden, Ich denke, wir werden dies nicht hinnehmen.
Unsere weitere Arbeit muß sein, die Einstellung aller Verfahren durchzusetzen, und damit meine ich auch die neuen Verfahren in Frankfurt mit der Inhaftierung von vier Menschen in Beugehaft. Aber auch die Verfahren gegen die Untergetauchten im Komitee-Verfahren und im radikal-Verfahren und alle anderen.
Auch wenn sie diese Worte wohl nicht hören können, möchte ich Peter, Bernhard und Peter sowie Jutta, Uli, Matthes und Frank ganz herzlich grüßen, in der Hoffnung, daß sie diese Botschaft trotzdem erhalten. Ihr könnt Euch sicher sein, wir werden Euch nicht vergessen, auch dafür ist diese Demo heute ein Zeichen.
Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen und die Untergetauchten!
Antiimperialistisches Jugendbündnis
Genossinnen und Genossen, sonstige Anwesende,
Wir werden mit dieser Demonstration an dem 76er Kriegsklotz vorbei ziehen. Deshalb einige Anmerkungen zu diesem Schandpunkt. Der Kriegsklotz mit dem Verbrecherspruch "Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen" ist kein zerfallendes Symbol einer untergegangenen Gesellschaft. Er wird heute von einem honorigen Verein des Hamburger Bürgertums gepflegt, der sich zur Aufgabe gemacht hat, das 76er Regiment und seine Geisteshaltung in Ehren zu halten. Diese Geisteshaltung des Militarismus ist in dieser Gesellschaft nicht totzukriegen. Ganz im Gegenteil, nach 45 gab es zwar eine kurze Phase, wo Militarismus vorerst diskreditiert erschien. Dies änderte sich aber ganz schnell gegen den massenhaften Widerstand der antifaschistischen und antimilitaristischen Teile der Bevölkerung. Schon 1955 wurde die BRD wiederbewaffnet. Danach hat sie 30 Jahre als Frontstaat im Kalten Krieg, bis an die Zähne bewaffnet, gierig auf jedes neue Waffensystem, wie Neutronenbombe und Pershing II, gegen die realsozialistischen Länder operiert. Der deutsche Imperialismus hat nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen realsozialistischen Staaten und dem damit einhergehenden Anschluß der DDR seine letzten Fesseln aus Potsdam verloren. Nun hat er seine Maske fallengelassen und betreibt wieder eine Politik der weltweiten Durchsetzung der ökonomischen und politischen Interessen. Dies wird offen in den verteidigungspolitischen Richtlinien formuliert, wo als Aufgabe der Bundeswehr definiert wird, den freien Zugang zu Rohstoffen und Märkten zu sichern.
Diese Remilitarisierung erreichte am 1.9.95 durch den Einsatz von deutscher Tornados in Ex-Jugoslawien einen vorläufigen Höhepunkt. Als weiteres ist die Entsendung deutscher Truppen zur Unterstützung der NATO-Durchführungs-Truppen im Bundestag beschlossen worden. Diese Entsendung von 4000 Mann Bodentruppen in das Kriegsgebiet dient dem Erlangen der vollen militärischen Handlungsfähigkeit. dies braucht die BRD als führende europäische Wirtschaftsmacht.
Schon heute ist die BRD die zweitgrößte Rüstungsexporteurin der Welt und scheute sich nie, selbst faschistische Regimes mit sogenannter Ausstattungshilfe unterstützt, wie zum Beispiel die Türkei in ihrem Krieg gegen die KurdInnen und ihrem Befreiungskampf.
Der Militarismus der Außenpolitik findet sein Pendant in der immer repressiver werdenden Innenpolitik der imperialistischen BRD. Dies zeigt sich sowohl an den Verhaftungen und Hausdurchsuchungen vom 13.6.95, den Verbotsverfügungen von Kanther gegen die meisten kurdischen Organisationen oder das Verbot der Solidaritätsdemo vom 18.11.95 in Köln.
Selbst die Pressefreiheit, immer gerne als Glanzstück der sog. "freiheitlichen Demokratie" gehandelt, gilt den Herrschenden vor dem Hintergrund ihrer deutschen Großmachtträume als überholt. Dem haben sich die bürgerlichen Medien generell im vorauseilenden Gehorsam angepaßt, bis daß es sogar ihnen zuviel geworden ist und sie nun eine Verfassungsklage eingereicht haben. Daher wird sie mit dem Vorwand der "Verhinderung von Straftaten" ausgeheilt. Dabei geht die Staatsanwaltschaft mit einer unglaublichen Frechheit vor - Durchsuchungen bei Redaktionen bis weit ins bürgerliche Lager sind bei weitem keine Seltenheit mehr.
Die Bundesanwaltschaft als Kettenhund des Kapitalismus zeigt den Medien ganz deutlich, wo sie die Grenzen setzt - und wo ungefragt kritisiert wird, läßt sich immer eine Straftat finden. Geübt in der Konstruktbildung, ist es der Bundesanwaltschaft kein Problem, eine Redaktion als "kriminelle Vereinigung" zu verfolgen. Hier geht es gar nicht darum, ob die Angeklagten etwas mit Straftaten zu tun haben oder nicht, es geht nicht einmal darum, ob sie überhaupt etwas mit der radikal zu tun haben - es geht darum, ein Exempel zu statuieren. Eine Zeitschrift wie die radikal ist deshalb der geballten Repression ausgesetzt, weil sie sich im Begriff der herrschenden Verhältnisse BEWUßT illegal organisiert hat.
Sie wird zusammen mit anderen militanten Gruppen und Organisationen, wie AIZ, K.O.M.I.T.E.E., RAF und anderen verfolgt, gerade weil sie an der Notwendigkeit von Widerstand gegen die zerstörerische imperialistische Realität festhalten. Wer Widerstand gegen die Politik der Herrschenden leistet, die will der Staat im Knast verschwinden lassen.
Wir grüßen alle revolutionären, antiimperialistischen Verfolgten und Inhaftierten.
Für eine Neuorganisierung der Widerstands ist es notwendig, die Erfahrungen der Verfolgten und Inhaftierten der Klassenjustiz einzubeziehen. Laßt uns gemeinsam kämpfen, gegen imperialistische Ausbeutung und Krieg. Zusammen gehört uns die Zukunft.
HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT
Vorbereitungsgruppe zu Bad Kleinen
Hallo!
Wir grüßen Ralf, Andreas, Werner und Rainer. Das ist schön, seid gegrüßt! Viel Kraft auch den Vieren, die jetzt nicht hier sein können und die mit euch angeklagt sind und weggegangen sind!
Trotzdem ist das jetzt nur eine kleine Freude. Aus den letzten Jahren der Geschichte von Widerstand und Repression gibt es noch viele politische Gefangene, Menschen, die in die Illegalität oder aus politischen Gründen ins Exil gegangen sind.
Es sieht so aus, als ob die Geschichte immer wieder neu begonnen wird und Erfahrungen nicht in die Gegenwart einfließen. Die Repression hat da ihren Boden, wo wir schwach sind, nämlich bei unserer Geschichtslosigkeit. Der Staat wirkt mit seiner Repression in unseren Aufsplitterungsprozeß.
Ein Beispiel dafür sehen wir in unserem Schweigen und Nichtverhalten zu den Ereignissen in Bad Kleinen im Sommer 1993, dort wurde Wolfgang Grams erschossen, Birgit Hogefeld verhaftet und eine Aufklärung der ganzen Situation verhindert. Möglich wurde der Mord an Wolfgang Grams durch den Verfassungsschutzagenten Klaus Steinmetz, der die polizeilichen Sondereinheiten und die GSG-9-Männer an die RAF heranführte. Er trägt auch die Mitverantwortung dafür, daß viele Ermittlungsverfahren laufen und daß seit Anfang dieser Woche 4 Leute aus Frankfurt in Beugehaft sitzen, weil sie sich weigern, Aussagen zu machen.
Für die Staatsorgane wurde Bad Kleinen zu einem Skandal. Sogar aus dem für sie peinlichen Verschleierungsversuch und seinen Konsequenzen, dem Rücktritt von Innenminister Seiters, zogen sie noch Profit und setzten mit seinem Nachfolger, dem Hardliner Kanther, dem ganzen die Krone auf. Kanther zeigt nur zu deutlich, wohin die Innenpolitik Deutschlands führen soll: nach rechts. Die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und das sogenannte "PKK-Verbot", das die Grundlage für den Mord an Halim Dener war, sind Beispiele dafür.
Im Nachhinein wird versucht, mit Bad Kleinen Geschichte zu verdrehen und abzuschließen. Am 5. Dezember hat im Prozeß gegen Birgit Hogefeld vor dem Frankfurter Oberlandesgericht der Komplex zu Bad Kleinen begonnen. Birgit Hogefeld soll u.a. wegen sechsfachen Mordversuchs an den B. in Bad Kleinen zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Die Behauptung, Wolfgang Grams hätte Selbstmord gemacht, dient dem Senat und der Bundesanwaltschaft als Grundlage.
Wir finden, es ist nicht nur die Privatsache von Birgit Hogefeld, für ihre Geschichte und die Wahrheit zu kämpfen. Mit Bad Kleinen und den Lügen danach wird ein Teil unseres Widerstandes liquidiert, wenn wir weiter schweigen und nichts tun. Wir wollen das nicht zulassen, wir wollen nicht, daß die Justiz das letzte Wort hat. Deshalb möchten wir im nächsten Jahr nach Bad Kleinen mobilisieren, um dort unsere Wirklichkeit ihren Lügen entgegenzusetzen. Unter dem Motto: "Auf nach Bad Kleinen" planen wir, am Ort des Geschehens einen Aktionstag zu veranstalten, an dem wir mit vielfältigen Formen unser politisches Anliegen in die Öffentlichkeit bringen wollen. Dazu findet am 14.1.1996 ein bundesweites Vorbereitungstreffen statt - kommt alle!
Solidarität mit Birgit Hogefeld, allen anderen politischen Gefangenen aus dem linken Widerstand und mit den Verfolgten!
Am 9.12., am Vortag zum Tag der Menschenrechte, fand in München eine Demonstration statt. Wir veröffentlichen einen kurzen Bericht und ein Grußwort von Rolf Heißler, Gefangener aus der RAF.
Gekommen waren ca.. 200 Leute v.a. aus München und Nürnberg/Fürth. Die Polizei war auch zahlreich vertreten, hielt sich aber weitgehend im Hintergrund. Dafür nervte die Penetranz der herumstreunenden Zivilb.
Es gab keine außergewöhnlichen Auflagen, auch kein Verbot von Seitentransparenten, wie oft in München. So unterschied sich die Umgehensweise mit der Demonstration eklatant von dem massiven Vorgehen gegen die Besetzung des kurdischen Elternvereins am Wochenende davor oder gegen von der Kurdistan-Solidarität angemeldeten Veranstaltungen.
Natürlich war die permanente Kriminalisierungskampagne gegen die KurdInnen hier und speziell in München auch Thema von zwei Redebeiträgen bei der Auftaktkundgebung am Sendlinger Tor.
Am Frauen- und Jugendknast in Neudeck wurden v.a. Grüße an Senem über die Mauern gerufen, die vor einigen Wochen im kurdischen Elternverein festgenommen wurde und seither dort gefangengehalten wird. Von einem afrikanischen Genossen wurde ein Lied vorgetragen, welches dieser extra für die Demonstration komponiert hatte, für die Freiheit von Mumia und allen anderen politischen Gefangenen. Außerdem gab es ein Grußwort von Rolf Heißler, Gefangener aus der RAF, derzeit in Frankenthal, und einen Beitrag von Günter Sonnenberg aus der Angehörigengruppe und ehemaliger Gefangener aus der RAF. Auf der Abschlußkundgebung wurde noch ein Grußwort einer zeitgleich zur gleichen Thematik stattfindenden Kundgebung in Heidelberg verlesen.
Insgesamt kann Menschen von einer politisch geschlossenen und soweit erfolgreichen Demonstration in München sprechen, zu der allerdings etwas mehr Menschen hätten kommen können.
Infobüro für die Solidarität mit den politischen Gefangenen Nürnberg
Die weltweite Kampagne für die Rettung von Mumias Leben hatte einen ersten Erfolg. Die USA sahen sich zur Aussetzung seiner Hinrichtung gezwungen und hoffen durch das in die Welt gesetzte Signal der Überprüfung des Urteils, die Solidarität wieder eindämmen zu können, um das staatliche Ziel: die Vernichtung des politischen Gegners, dennoch zu erreichen.
14 Jahre Todeszelle, 14 Jahre Totalisolation sind 14 Jahre weiße Folter. Und das soll auf ungewisse Zeit fortgesetzt werden. Mumia selbst hat beschrieben, wie viele unter diesen menschenvernichtenden Bedingungen bereits vor ihrer staatlich legitimierten Ermordung zerbrechen. Der Angriff gegen Mumias Leben ist mit der Aussetzung der Hinrichtung nicht beendet, sondern setzt sich so lange fort, wie er im Knast ist und handlungs- und artikulationsfähig bleibt.
Selbst wenn der Imperialismus Zugeständnisse macht, ändert sich nichts an seinen Zielen: der ungezügelten "Freiheit" des Kapitals und der Globalisierung des Marktes zu Lasten der Menschen, wie auch an den sogenannten Friedensverhandlungen oder -abkommen von El Salvador über den britisch besetzten Teil Irlands bis hin zu Palästina zu sehen ist.
Der gemeinsame Kampf drinnen wie draußen zwang die BRD bei uns zur Aufgabe der Isolationsfolter, Modifikation der Sonderbehandlung und letztlich auch zur KGT-Initiative, der staatlichen Planung auch unserer Freilassung auf Bewährung, was der Öffentlichkeit eine Normalisierung vorgaukeln sollte, in Wahrheit jedoch lediglich auf Spaltung und Unterwerfung zielt. Die psychischen und physischen Auswirkungen der weißen Folter sind nicht mit deren Ende abgeschlossen und, wenn überhaupt, auf jeden Fall nicht in der Gefangenschaft regenerierbar. Bei der roten Folter wurde dem mittlerweile durch Einrichtung vieler Rehabilitationszentren Rechnung getragen, bei der weißen ist es wissenschaftlich noch weitgehend unerforscht.
Die BRD war Frontstaat gegen die realsozialistischen Länder und Hinterland für die Bekämpfung der Befreiungsbewegungen in den drei Kontinenten. Nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus geht nicht nur die polizeiliche und paramilitärische Unterstützung der Aufstandsbekämpfung weltweit weiter, sondern wird auch die Bundeswehr verstärkt zur Sicherstellung der Globalisierung des Marktes eingesetzt.
Am deutlichsten ist das in der Kooperation bei der Bekämpfung des kurdischen Volkes zu sehen. Nach außen wird das türkische Regime uneingeschränkt politisch, ökonomisch und militärisch von der BRD unterstützt, nach innen werden die Freiheitsbestrebungen des kurdischen Volkes durch das Verbot der legitimen Vertretung des kurdischen Volkes, der PKK und ihren Organisationen, kriminalisiert. Hunderte von Kurdinnen und Kurden hocken unterdessen in bundesdeutschen Knästen und werden teils wie auch die Genossen aus dem angeblichen radikal-Zusammenhang gleichermaßen isolationsgefoltert, wie wir einst wurden. Die menschenrechtswidrigen Methoden zur Vernichtung des politischen Gegners haben sich in der BRD in den letzten Jahren um nichts geändert.
Morgen zum Tag der Menschenrechte werden wir einmal mehr hübsche Statements von den Politiker-inne-n hören, die Grünen vorneweg, sie werden sie für anderswo einfordern, aber für hier weiterhin so tun, als seien sie gewährleistet, als ob das Recht auf Leben nicht auch hier genügend Menschen verweigert würde.
Die Menschenrechte erkämpfen heißt, universell für das Recht auf Leben zu kämpfen.
Am 28. Oktober 1995 wurde Christel Fröhlich-Padula in Rom von einer Spezialeinheit widerrechtlich verhaftet. Sie war mit besonderer Genehmigung des italienischen Innenministeriums nach Rom gereist, um dort ihren inhaftierten Ehemann Sandro Padula zu besuchen.
Nach ihrer Verhaftung ging ein internationaler Haftbefehl der französischen Behörden gegen sie ein. Begründung für den Haftbefehl ist ein Sprengstoffanschlag aus dem Jahr 1982 in Paris, Rue Marboeuf, der gegen eine arabische Wochenzeitung gerichtet war (zu diesem Anschlag hat nie eine Organisation die Verantwortung übernommen).
Frankreich will einen Antrag auf Auslieferung von Christel stellen.
Am 20. November 1995 reisten drei französischen Polizeibeamte nach Hannover. Begleitet von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA), der hannoverschen politischen Polizei sowie einem hannoverschen Staatsanwalt traten sie in Aktion:
- Sie brachen Christels Wohnung auf und durchsuchten sie etwa fünf Stunden. Sie nahmen einen PC, Landkarten und persönliche Aufzeichnungen mit. (Christels Wohnung wurde bereits am 10. Juni 1992 gründlich durchsucht. Das damalige Ermittlungsverfahren wurde 1993 eingestellt.)
- Auf Antrag der französischen Behörden wurden in Hannover zehn Personen als ZeugInnen geladen. Ziel war, das persönliche Umfeld von Christel zu durchleuchten.
Der Staatsanwalt versicherte sich persönliche Telefonanrufe am Arbeitsplatz und zu Hause, daß die Geladenen auch erscheinen. Eine Frau teilte per Fax mit, daß sie krankgeschrieben, also arbeitsunfähig sei und nicht käme: Sie wurde mit Hilfe der Beamten des BKA, der hannoverschen Polizei und einer Amtsärztin zur Vernehmung geholt.
Nur drei ZeugInnenvernehmungen konnten bisher stattfinden, und zwar im Beisein der drei französischen Polizeibeamten sowie von BKA und Beamten der Polizeidirektion Hannover.
Alle Einwände seitens der RechtsanwältInnen, daß es sich hier um eine staatsanwaltliche Vorladung handele, bei der im allgemeinen Polizeibeamte nicht anwesend seien, wischte der Staatsanwalt vom Tisch.
Der Staatsanwalt als Büttel der französischen Polizei.
Soweit Fragen bekannt wurden, bezogen sie sich auf die persönlichen Beziehungen der ZeugInnen in den 70er Jahren. Welchen Zusammenhang sie mit Christels Haftbefehl haben, ist schleierhaft.
Augenscheinlich haben die Ermittlungen gegen Christel nicht zu Ergebnissen geführt, um hier in der BRD einen Prozeß gegen sie eröffnen zu können. Auch hätte Christel nach deutschem Recht nicht von hier nach Frankreich ausgeliefert werden dürfen.
Christels widerrechtliche Verhaftung wurde nur möglich durch die Zusammenarbeit von deutschen, französischen und italienischen Behörden.
Wir fordern:
- keine Auslieferung nach Frankreich
- Christels sofortige Freilassung
Solidaritätsgruppe zu Christel Fröhlich, c/o annabee Buchladen, Gerberstr. 6, 30169 Hannover.
Solidaritätskonto für Christel Fröhlich: Willms, Kto-Nr.: 32437196, BLZ 250 501 80, Stadtsparkasse Hannover
Am 28.10.95 wurde Christel Fröhlich-Padula in Rom verhaftet. Christel ist die Übersetzerin des Buches "Die goldene Horde" von Nanni Balestrini und Primo Moroni, erschienen im Verlag der Buchläden Schwarze Risse Berlin und Rote Straße Göttingen, und Mitübersetzerin des Buches "Der Verleger" von Nanni Balestrini, erschienen im Verlag Libertäre Assoziation Hamburg.
(...) Begründet wurde der Haftbefehl mit einem Sprengstoffanschlag aus dem Jahr 1982 in Paris, der gegen eine arabische Wochenzeitung gerichtet war.
Der erste Verhörversuch dazu fand bereits 1982 durch einen französischen Richter statt. Zu diesem Zeitpunkt war Christel wegen Sprengstoffbesitzes in Italien inhaftiert. Nach ihrer Haftentlassung 1988 kehrte sie nach Hannover zurück. Die Ermittlungen wurden - mal offen, mal verdeckt - weitergeführt, aber in der BRD 1993 eingestellt.
(...) Da Christel von der BRD nicht ausgeliefert werden kann, ist es völlig offensichtlich, daß die Genehmigung der Einreise nach Italien nur dem Zweck ihrer Verhaftung diente.
Wir fordern:
Keine Auslieferung von Christel Fröhlich nach Frankreich
Christels sofortige Freilassung
Verlag der Buchläden Schwarze Risse Berlin / Rote Straße Göttingen; Buchladen Rote Straße Göttingen; Buchladen Schwarze Risse Berlin; Verlag Libertäre Assoziation Hamburg
204 Kommunistinnen und Kommunisten haben sich in einem Brief an die Bundestagspräsidentin Süßmuth gewendet, um eine Aufhebung des KPD-Verbotsurteils von 1956 zu erreichen. Zu den Unterzeichnern gehören die noch lebenden KPD-Abgeordneten des 1. Deutschen Bundestags Gertrud Leibbrand (früher Stohbach) und Fritz Rische, die ehemaligen KPD-Abgeordneten in westdeutschen Landtagen Jupp Angenfort, Kurt Baumgarte, Ernst Buschmann, Emil Carlebach, Kurt Erlebach, Hermann Gautier, Jupp Dedwohn und Wille Meyer-Buer sowie der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Bruno Orzkowski. 75 der Unterzeichnenden waren zwischen 1949 und 1968 politisch verfolgt und verbrachten zum Teil mehrere Jahre in bundesdeutschen Gefängnissen.
In ihrem Schreiben kritisieren die Unterzeichnenden, daß bis 1968 in der Bundesrepublik ca. 200000 Personen im Zusammenhang mit dem KPD-Verbot unmittelbarer und direkter polizeilicher und gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt waren, fast 10000 Personen wurden im Zusammenhang zu z.T. mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, unter Polizeiaufsicht gestellt usw.
"Das KPD-Verbotsurteil ist ein Relikt des kalten Krieges. Negative Folgeerscheinungen, politische Diskriminierungen und soziale Belastungen wirken bis heute fort. Justizopfer aus der Zeit des kalten Krieges wurden nicht rehabilitiert, erhielten bis heute keine Haftentschädigung und werden fortgesetzt durch den Wegfall ihrer Rentenansprüche für erlittene Haftzeiten bestraft. Akteneinsicht in die Unterlagen westdeutscher Geheimdienste wie des Verfassungsschutzes oder des BND wird nicht gewährt", kritisieren sie in ihrem Schreiben.
"Mit der Einheit Deutschlands ist das KPD-Verbotsurteil erst recht zum Anachronismus geworden und auch gesetzlich nicht mehr zu rechtfertigen. Das KPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollte ,nur für den vom Grundgesetz sachlich und zeitlich beherrschten Raum wirken'. Das Gericht formulierte in Leitsätzen des Urteils: ,Ein Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands steht der Wiederzulassung einer Kommunistischen Partei im Falle gesamtdeutscher Wahlen rechtlich nicht entgegen'."
Die Unterzeichnenden fordern von Bundestag und Bundesregierung:
"- Die Bundesregierung trifft die Feststellung: das KPD-Verbotsurteil vom 17. August 1956 ist historisch überholt, damit gegenstandslos und aufzuheben.
- Der Bundestag beschließt eine Novellierung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Urteile des Bundesverfassungsgerichts erhalten eine Revisionsmöglichkeit. Über diese gesetzlich eingeräumte Möglichkeit wird das KPD-Verbotsurteil nach vier Jahrzehnten revidiert und aufgehoben."
Die Initiative wird vertreten durch Gerd Deumlich, Manfred Kapluck, Karl Stiffel, alle Hoffnungsstr. 18, 45127 Essen, Tel. 0201/225147. (Quelle: Politische Berichte 24/95)
Interview mit Ramos Anwältin
Wir dokumentieren aus einem Interview mit er Anwältin von Benjamin Ramos Vega, Petra Schlagenhauf, im ND, 12.12.
Seit ein paar Tagen liegt die Antwort Spaniens vor. Sind Ihre Bedenken jetzt ausgeräumt?
Aus unserem 20seitigen Erwiderungsschreiben wird deutlich, daß Spanien weder die Gesundheitsversorgung noch die Garantie, daß keine unter Folter erlangten Aussagen in dem Verfahren gegen unseren Mandanten zur Anwendung kommen, zufriedenstellend beantwortet hat.
Spanien erklärt, daß ärztliche Betreuung HIV-positiv erkrankter Häftlinge gewährleistet sei.
Die Realität in den überbelegten spanischen Gefängnissen läßt jedoch daran zweifeln. Tuberkulose-Kranke werden mit Nicht-Erkrankten zusammengelegt, und auf den Krankenstationen rennen die Ratten herum ... Als Quelle für die ... immer häufiger auftretenden Fälle von Tuberkulose sind die unhaltbaren Zustände in den Haftanstalten unstrittig ausgemacht ... Gerade HIV-Infizierte sind sehr anfällig für diese Erkrankung ...
Sonderhaftbedingungen soll es für Ramos Vega nicht geben ...
Die "normalen" sind ja schon schlimm genug. Viel wichtiger ist jedochk daß sich Spanien im Fall von Ramos weigert, die unter Folter erpreßten Aussagen für unzulässig zu erklären. Eine allgemeine Rechtsbelehrung über die spanische Verfassung, die die Verwendung solcher Beweismittel verbietet, reicht nicht. Die Praxis zählt.
Und in der Praxis werden diese Verhörmethoden gebilligt?
Es gibt einen Teil des Staates, der in das System unzureichend eingebunden ist. Der von Franco übernommene Sicherheitsapparat gehört dazu und insbesondere der Polizeiapparat. Diesem wird die Bildung der Antiterroreinheit GAL zugeschrieben, der Folter und Ermordung von (mutmaßlichen) ETA-Mitgliedern vor allem in den 80er Jahren vorgeworfen wird. Gerüchte sprechen von Verbindungen bis hin zu Felipe Gonzales.
Die Aktenberge steigen. Und die Aussichten für Benjamin Ramos Vega?
Ich hoffe, daß das Kammergericht die juristische Prüfung unserer Materialien, die eine begründete Befürchtung eines nicht rechtsstaatlichen Verfahrens belegen, im nächsten Haftprüfungstermin im Sinne unseres Mandanten würdigt.
Alle Anti-AuslieferungsaktivistInnen hatten diese Woche in Dublin und San Francisco/USA Grund zum Feiern, als zwei Männer, die von der Auslieferung an Britannien bedroht sind, auf Kaution freikamen, während für drei weitere der Weg freigemacht wurde zur baldigen Entlassung. Am Montag, den 18.12., wurden die Brixton-Ausbrecher Nessan Quinlivan und Pearse McCauley vom Dubliner High Court auf Kaution entlassen. (...)
Mit lautem Beifall von Angehörigen, FreundInnen und UnterstützerInnen wurde die Entscheidung begleitet ... Erst zwei Tage vor dem Urteil demonstrierte eine große Menschenmenge durch die Stadt Limerick (26 Grafschaften), um ihren Kampf gegen die Auslieferung zu unterstützen. (...)
Vorweihnachtlicher Jubel auch in "den Staaten", wo die Long-Kesh-Ausbrecher Kevin Artt, Pol Brennan und Terry Kirby sich freuen durften, als ein US-Richter schlußendlich den Weg für sie freimachte, es Jimmy Smyth nachzutun, der ja schon länger auf Kaution draußen ist. Zusammen als die H-Block-Vier bekannt, kämpfen die Männer, die sich alle in oder um San Francisco herum niedergelassen hatten, gegen britische Auslieferungsbegehren, drei von ihnen waren allerdings im Gegensatz zu Smyth, der Kaution gewährt bekam, seit ihrer Verhaftung in Knästen gefangengehalten worden. Für Kevin Barry Artt bedeutete das dreieinhalb Jahre Knast, für Pol Brennan zweieinhalb und für Terry Kirby eineinhalb. (...) Noch sind alle drei nicht draußen, doch demnächst gibt's die Termine vom Gericht, wo es dann um die Kautionshöhe und die Bedingungen gehen wird. (...) Irish-American Solidaritätsgruppen veranstalteten eine Demo vor dem Gericht in San Francisco ...
Fünf republikanischen Gefangenen (lebenslange Haftstrafen), die vergangene Woche zur Haftprüfung anstanden, wurde erklärt, daß die zuständige Behörde jedwede Haftentlassungsprüfung solange nicht in Aussicht stellen werde, wie sie nicht eine Garantie dafür geben, für eine unbestimmte Zeit in England wieder zu leben, und die Zustimmung zur Überprüfung durch den "Bewährungsdienst" geben. Sinn Feins Sprecher i.S. Gefangene, Pat McGeown, bezeichnete diese neuen Kriterien, die die britische Regierung der Freilassung irisch-republikanischer Gefangener auferlegt, die in England zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, als "unglaublich rachsüchtig". "Dies ist unerträglich. Es würde bedeuten sie werden aus dem Knast entlassen, nur um wieder zum Exil in England gezwungen zu werden."
Die Betreffenden sind Paul Norney, Stephen Nordone, Noel Gibson, Brendan Dowd und Sean Kinsella, alle haben bereits über 20 Jahre in englischen Knästen "abgesessen". In den (britisch besetzten) Sechs Grafschaften ist die Überprüfung durch den sog. Bewährungsdienst nicht erforderlich gewesen bei der Freilassung von 200 Lebenslänglichen in den letzten acht Jahren. "Noch lächerlicher wird's", erklärt McGeown, "wenn Du Dir den Fall Paul Norney anguckst." Neulich wurde Paul von England nach Maghaberry in der Grafschaft Antrim (NO-Irland) verlegt. Unter den neuen Auflagen würde von ihm verlangt, nach England zurückzukehren und einzuwilligen, dort für unbestimmte Zeit zu leben, und zwar bevor überhaupt eine Entscheidung über seine mögliche Entlassung getroffen wurde.
"Richter Poots sehnt sich als Vorsitzender des Parole Board offensichtlich nach Rache gegen diejenigen Gefangenen, die vor ein paar Monaten erfolgreich gegen die Weigerung dieser Institution geklagt hatten, sich überhaupt mit ihren Fällen zu beschäftigen und ein Entlassungsdatum festzulegen."
Am 20. Dezember wurde bekannt, daß Norney und zwei weiteren, zeitlich begrenzt Verlegten Maghaberrys der Weihnachtsurlaub seitens des britischen Innenministeriums verwehrt wurde. Dies trotz Medienberichten mit Quellen in der britischen Nordirlandadministration, sie bekämen Hafturlaub. Sinn Fein verurteilte das als "grausam und betrügerisches Aufbauen von Hoffnungen bei den Familien".
Kurz vor Weihnachten geht auch der Terror gegen die Kriegsgefangenen in den Knästen wieder los: In Long Kesh wurden Besuche und Pakete unterbrochen bzw. Zurückgehalten und über 200 republikanische Gefangene solange 24 Stunden lang eingeschlossen, wie Aufstandsbekämpfungstrupps eintrudelten, die in den H-Blocks Nr. 4 und 8 die neuen "Durchsuchungspraktiken" durchsetzen sollten. "Die Verweigerung von Familienbesuchen und von Paketen zu dieser speziellen Zeit ist total unakzeptabel", sagte Pat McGeown.
Zwei der am längsten "einsitzenden" republikanischen Gefangenen, Paul Norney und Brendan Dowd, ist ihr Antrag auf Entlassung vom Parole Board (s.a.o.) niedergeschmettert worden. Beide befinden sich im 21. Haftjahr (!!!).
Ohne es weiter auszuführen, entschied das P.B. in Norneys Fall, bis zur nächsten Anhörung habe er ein weiteres Jahr zu warten, und behauptete, sie hätte nichts von ihm gehört. Brendan Dowd informierten sie darüber, er habe nicht sein "schuldhaftes Verhalten" angegangen. Er könne aber trotzdem in ein weniger sicheres Gefängnis verlegt werden und käme in ein bis vier Jahren wieder für eine Anhörung vor dem P.B. infrage (!!!).
Die frühere Chefin vom Bewährungsdienst im NO Irlands, Briege Gadd, hatte dem P.B. im Verlaufe der Anhörungen erklärt, die Strafrückfallrate bei republikanischen Gefangenen liege bei Null. "Die Behauptung vom P.B. bezüglich Paul Norney ist haarsträubend und unglaublich", erklärte ein/e SprecherIn von Sfs PoW Dept. "Er stellte zusammen mit den anderen seinen Antrag beim P.B. All diese fünf Gefangenen hätten schon vor langer Zeit entlassen werden müssen."
Alle Meldungen aus: An Phoblacht/Republican News, 21.12.95, Übersetzung: FreundInnen Irlands
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