Ramos Vega, der seit einem Jahr in Berlin-Moabit in Auslieferungshaft sitzt, war am 30.12.95 in den Hungerstreik getreten, um gegen die Entscheidung des Berliner Kammergerichts zu protestieren. Das Kammergericht hatte seine Auslieferung an Spanien vorbehaltlos für rechtlich zulässig erklärt. Ramos Vega hat seinen Hungerstreik unterbrochen, weil seine Verteidigung dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt hat. Diese ist inzwischen eingegangen und wird überprüft. Sie richtet sich vor allem gegen die Verwendung erzwungener Aussagen. Die Verwendung dieser Ermittlungsergebnisse sei ein Verstoß gegen die internationaler Antifolter-Konvention. Weiterhin führen die Anwälte an, daß Ramos Vega, der HIV-infiziert ist, in Spanien keine angemessene medizinische Versorgung bekommt. Die Zusicherungen der spanischen Behörden entsprächen in keinster Weise der realen Lage dort.
Nach eigenen Angaben ist Ramos Vega fest entschlossen, den Hungerstreik wiederaufzunehmen, wenn das Verfassungsgericht seinen Fall nicht behandelt oder es dort zu einer negativen Entscheidung für ihn kommt. Die Verteidigung bereitet unterdessen zur Verhinderung der Auslieferung eine eilbedürftige Petition beim Deutschen Bundestag vor.
In den zwei Wochen Hungerstreik hat Ramos Vega sieben Kilogramm Gewicht verloren. Angesichts seiner HIV-Infektion und seines durch die einjährige Isolationshaft angegriffenen Gesundheitszustandes hat er den bisherigen Hungerstreik relativ gut überstanden. (Nach einer Pressemitteilung der Roten Hilfe Berlin vom 17.1.)
Wir dokumentieren Erklärungen von Ramos Vega zur Aufnahme und zum Abbruch des Hungerstreiks.
Ich beginnen einen Hungerstreik, verbunden mit friedlichem Ungehorsam, um mich meiner Auslieferung an den spanischen Staat zu widersetzen. Ich begründe das mit drei Gesichtspunkten:
1. Die Auslieferung trägt nicht zu einer friedlichen Lösung bei, sondern verschärft den politischen Konflikt zwischen Euskal Herria1 und dem spanischen und französischen Staat. Diejenigen, die die Auslieferungen bewilligen, stellen sich auf eine der im Konflikt befindlichen Seiten, auf die Seite, die die Anerkennung und die Respektierung des Rechts auf Selbstbestimmung und territoriale Vereinigung des Volkes verweigert, das die älteste Sprache Europas spricht. Euskal Herria (allein die Frage der Sprache müßte einen ausreichenden Grund dafür abgeben, daß die legitimen Rechte von Euskal Herria anerkannt und respektiert werden - aufgrund des kulturellen Erbes, das es in die "Europäische Union" und in die ganze Welt einbringt).
Der spanische Staat benutzt in der Konfrontation mit Euskal Herria nicht nur seine Machtmittel, sondern auch den "schmutzigen Krieg": sei es unter der Bezeichnung Triple A, BVE, GAL2, Manipulation der Massenmedien, Verstreuung der baskischen Gefangenen über Gefängnisse im ganzen spanischen Staat, Mißhandlungen und Folter an Gefangenen und Verhaftete, Kriminalisierung von Familienangehörigen und Freunden der Gefangenen, Verabschiedung von "Ausnahmegesetzen", die Freiheitsrechte verletzen, etc. Diese Vorgehensweisen werden von internationalen Organisationen und Institutionen, auch Regierungsinstanzen, angeprangert, trotz aller Behinderungen und Vertuschungen, mit denen der spanische Staat agiert (es sei daran erinnert, daß der spanische Staat einige dieser Berichte nicht veröffentlichen ließ).3
Angesichts der Auslieferungen werden sich einige besonnene Personen fragen, warum die legitimen Rechte von Euskal Herria nicht anerkannt und respektiert werden. Wo blieben die Andeutungen von "Verhandlungen und Frieden", die in letzter Zeit zu hören waren? Warum werden die Rechte eines alten Volkes, Euskal Herria, verletzt, wenn man gleichzeitig sehen kann, daß die Unabhängigkeitserklärungen machbar sind (siehe tschechische Republik, Litauen etc.), die Vereinigung möglich ist (siehe Deutschland) oder ein Referendum abgehalten werden kann (siehe Quebec)? Warum wird einem Volk eine Verfassung aufgezwungen - die spanische Verfassung -, die in der Abstimmung abgelehnt worden ist?4 Warum strebt man nicht in die Zukunft: FRIEDEN UND FREIHEIT (ich greife hier den Friedensvorschlag von April auf: Die legitimen Rechte von Euskal Herria müssen anerkannt werden, es muß Garantien dafür geben, daß sie auch respektiert werden. Alle baskischen Parteien und sonstigen gesellschaftlichen Gruppen des Baskenlandes sollen über die Zukunft ihres Volkes sprechen; dabei muß dem baskischen Volk das letzte Wort und die Entscheidung zukommen.)5
2. Ich kann die wortreichen Garantien des spanischen Staates hinsichtlich "korrekter Gesundheitsversorgung" nicht glauben. Baskische politische Gefangene wie Jon Jturriaga, Asun Sierra, Inaxio Mendiburu sind oder waren einer zerstörerischen Situation ausgesetzt, weil sie im Gefängnis gehalten wurden, obwohl sie an unheilbaren oder nicht linderbaren Krankheiten litten.6 Gleiches gilt für die sozialen Gefangenen. Ich weiß, daß sie gegen mich - wie gegen alle politischen Gefangenen - alle Mittel einsetzen werden, um mich unter Druck zu setzen, mich als Person zu vernichten. Und sie werden meine Schwachstelle angreifen: meine Gesundheit. Die spanische Regierung und ihre Kollaborateure brauchen Personen ohne Würde, persönlich Gescheiterte, die sie dann vorweisen können, um die Unterdrückung und das Vorenthalten der legitimen Rechte von Euskal Herria zu rechtfertigen. Mit diesem Versuch erreichen sie aber lediglich, daß das Leiden und die Sinnlosigkeit sich verlängern und daß baskische Kämpfer ihr Leben in den Gefängnissen oder aufgrund der Haft verlieren. Ich will bei dieser Erpressung nicht mitspielen. Mein Leben verkürzt sich und verliert seinen Sinn in den Händen der Folterer des spanischen Staates. Ich hoffe, daß durch den Beginn des Hungerstreiks das Gewissen der Menschen hier aufgeweckt wird und man nicht zuläßt, daß mein Leben - über kurz oder lang - eine fatale Entwicklung nimmt.
3. (Für mich ist der dritte Punkt allein ausreichend, um den Hungerstreik durchzuführen. Wenn ich ihn mit den beiden oben genannten verbinde, gewinnen diese nur mehr Gewicht.) Wenn man mich ausliefert, könnte ich meine Lebensgefährtin nicht mehr sehen, und dies aller Voraussicht nach für den Rest meines Lebens. Die Repression gegen die baskischen Dissidenten ist so inhuman, daß die Kriminalisierung die Familienangehörigen, Kinder, Ehepartner betrifft ... Meine Lebensgefährtin muß, um sich nicht Folter und Gefängnis auszusetzen, in Deutschland bleiben. Sie versuchen, unsere Verbindung zu zerstören, indem sie auch angeklagt wird.7
Euskal Herria Askatu!
Freiheit für das Baskenland!
Visca La Lluita Dels Pobles Oprimits!
Es lebe der Kampf der unterdrückten Völker!
Visca L'Internacionalisme Proletari!
Es lebe der proletarische Internationalismus!
Benjamin Ramos Vega,
Berlin, 29.12.1995, 24 Uhr
Anmerkungen zur Hungerstreikerklärung
(1) Euskal Herria (=Baskenland) ist geteilt in den von Spanien besetzten Süden und den von Frankreich besetzten Norden.
(2) Die Alianza Apostolico Anticomunista (Triple A), das Batallon Vasco Espanon (BVE) und die Grupas Antiterroristas de Liberacion (GAL) sind Todesschwadronen, die, vom Staat gesteuert, seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 über 500 Anschläge gegen Oppositionelle verübt haben.
(3) Die spanische Regierung weigert sich neben der Türkei als einziger Staat, die Berichte des Europäischen Ausschusses gegen Folter zu veröffentlichen.
(4) 1978 lehnte die Mehrheit der baskischen Bevölkerung in einem Referendum die neue Spanische Verfassung ab.
(5) Am 26.4.95 veröffentlichte die bewaffnete baskische Organisation ETA eine Erklärung, in der sie Verhandlungen mit der spanischen Regierung forderte. ETA nannte vier Bedingungen:
1. Die spanische Regierung muß das Recht auf Selbstbestimmung und Territorialität anerkennen und versprechen, die Entscheidungen des baskischen Volkes zu respektieren.
2. Die gesamte baskische Gesellschaft soll die Möglichkeit erhalten, ihre politische Zukunft zu diskutieren und zu entscheiden.
3. Um den demokratischen Charakter dieses Prozesses zu garantieren, muß eine Amnestie allein Gefangenen die Freiheit geben sowie allen Flüchtlingen und Deportierten das Recht auf Rückkehr erlauben.
4. Wenn die genannten Bedingungen durch eine politische Übereinkunft garantiert werden, wird ETA ihre bewaffneten Aktionen einstellen.
(6) Obwohl der Artikel 60 der spanischen Verfassung vorschreibt, daß haftunfähige Gefangene entlassen werden müssen, werden unheilbar kranke politische Gefangene zum Teil über 15 Jahre inhaftiert, so z.B. Jon Iturriaga.
(7) Benjamins deutsche Lebensgefährtin wird ebenfalls der "Unterstützung" von ETA beschuldigt und per internationalem Haftbefehl gesucht. Wenn sie die BRD verläßt, kann sie festgenommen und an den spanischen Staat ausgeliefert werden.
Berlin, 12.1.96
Heute nachmittag breche ich den Hungerstreik ab, da ich die Klage der Anwälte akzeptiere und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten will.1 Diese 14 Tage waren aufgrund der Kälte, meines geringen Gewichts und meiner geschwächten Gesundheit sehr hart, aber die Gefühle, die soviel Solidarität von hier und anderswo (Katalonien ...) in mir ausgelöst haben, haben mir geholfen, unbeugsam und meiner selbst sicher zu bleiben.
Ich kann nicht aufhören, daran zu denken, was mich im monarchistischen spanischen Staat erwartet, wo die Strategen und Baumeister des Terrors die gefangenen Genossinnen und Genossen unmenschlichen Bedingungen unterwerfen und nicht einmal ihre eigenen Gesetze beachten, wenn es gegen die Opposition geht. Es sind die Faschisten, diese spanischen Nationalisten, die mit ansehen mußten, wie ihre heiligen, unantastbaren Grenzen in den letzten 98 Jahren verändert wurden (Kuba, Puerto Rico, Marokko, Guinea, Sahara)2, die zusammen mit ihren Kollaborateuren den Terror, die Folter und das langandauernde Leiden zur Verfügung haben und benutzen, immer auf der Suche nach den Grenzen der menschlichen Existenz. In dieser größtmöglichen Schutzlosigkeit, in der sich die politischen Gefangenen befinden, verstreut über das ganze monarchistische Staatsgebiet und weit entfernt von ihrer Heimat Euskal Herria3, sehen sie sich unzählige Male gezwungen, lange und schmerzhafte Hungerstreiks zu machen, während derer sie auch noch beständig mißhandelt und beleidigt werden, damit überhaupt die Gesetze der spanischen Nationalisten angewendet werden ... Ich denke an Teneriffa, Salto el Negro, Sevilla etc.4 Wenn ich die Kampagne der Angehörigen sehe, mit dem unbefristeten Hungerstreik für die Wiederzusammenlegung aller baskischen Gefangenen in ihrer Heimat, für die Amnestie und die Freiheit von Euskal Herria5, kann ich die große Freude spüren, die es bedeutet, unter Menschen zu sein, die ihre Würde nicht verloren haben. Das ist ein gutes Zeichen dafür, daß Euskal Herria sehr lebendig ist und die nationale Souveränität Realität wird.
Ich schicke meine immense Umarmung allen Müttern, Vätern, Genossinnen und Genossen, die ohne jemals nachzulassen so viel geben.
Für immer: Euskal Herria Askatu -Freiheit für das Baskenland!
Benjamin Ramos Vega
Anmerkungen
(1) Die AnwältInnen von Benjamin Ramos Vega haben gegen den Beschluß des Berliner Kammergerichts vom 27.12.95, mit dem seine Auslieferung für "rechtlich zulässig" erklärt wurde, Verfassungsbeschwerde eingereicht.
(2) Ehemalige spanische Kolonien, die der spanische Staat durch Kriegsverluste oder Befreiungskämpfe verloren hat.
(3) Seit 1987 sind die 550 baskischen politischen Gefangenen auf über 90 Gefängnisse des gesamten Staatsgebietes außer dem Baskenland aufgeteilt.
(4) Haftorte baskischer politischer Gefangener, die besonders weit vom Baskenland entfernt sind (z.B. Teneriffa 3.000 km).
(5) Seit dem 15.12.95 führen die Angehörigen der baskischen politischen Gefangenen eine unbefristete Hungerstreikkette durch, die sie bis zur Wiederzusammenlegung der Gefangenen im Baskenland aufrechterhalten wollen.
Spanien / BRD
Am 11.1. haben baskische GenossInnen in Donoli das deutsche Konsulat besetzt.
Ebenfalls am 11.1. fand eine Besetzung des deutschen Konsulats in San Sebastian statt. Die BesetzerInnen verteilten Flugblätter und hängten Transparente auf. An den Konsul erging ein Protestschreiben gegen eine Auslieferung Ramos Vegas. Die Besetzung verlief friedlich und wurde nach einer halben Stunde beendet.
Am 12.1. führten rund 100 Leute eine Kundgebung vor dem Berliner Justizsenat durch.
Am 15.1. fand eine Kundgebung vor dem deutschen Konsulat in Barcelona statt.
Mehrere Solidaritätsaktionen mit Benjamin Ramos Vega fanden in Bremen statt. Auf einer Antirassismus-Demonstration gegen Abschiebung, an der sich am 10.1. ca. 500 Leute beteiligten und deren Anlaß der Kanther-Besuch zum CDU-Neujahrsempfang in Bremen war, wurde ein Redebeitrag der Internationalistischen StudentInnen (Estudiantes Internacionalistas) gehalten, den wir nachstehend leicht gekürzt veröffentlichen. Auf dem Autobahnzubringer Arsten, einer der meistbefahrenen Straßen Bremens, wurde ein Transparent aufgehängt (siehe Bild S. 2). Am 24.1. fand an der Uni eine Veranstaltung mit Film und neuesten Infos statt.
Seit dem 30.12.95 ist der katalanische Linke Benjamin Ramos im Knast Berlin-Moabit im Hungerstreik ... Er kämpft damit gegen seine Auslieferung an den Folterstaat Spanien.
Benjamin war am 28. Januar 1995 in Berlin von spanischen und deutschen B. gemeinsam verhaftet worden, nachdem er dort mehrere Monate in der Illegalität lebte. Mit seiner Flucht in die BRD hat er sich einer Verhaftung im spanischen Staat entzogen. Ihm wird vorgeworfen, eine Wohnung für das ETA-Kommando Barcelona angemietet zu haben, in der angeblich Sprengstoff und Waffen gefunden wurden. Dieser Vorwurf basiert auf einer unter Folter erpreßten und später widerrufenen Aussage eines angeblichen ETA-Mitglieds.
Bis zu seiner Illegalität war Benjamin Teil der legalen linken Bewegung in Barcelona. Er beteiligte sich an der Anti-Olympia.Bewegung, einem Prestigeprojekt des spanischen Staates, das wichtiger Teil einer großen Umstrukturierung in Barcelona war. Seine kontinuierliche langjährige politische Tätigkeit konzentrierte sich auf die Unterstützung des Freiheitskampfes des baskischen, katalanischen und des saharauischen Volkes. So unterstützte er beispielsweise das baskische Bündnis Herri Batasuna beim Wahlkampf 1989. Dessen Wahlbüro in Barcelona wurde damals entweder von Faschisten oder Staatsschutz in die Luft gesprengt. Das spanische Grundgesetz geht von der Einheit Spaniens aus und unterdrückt die Kämpfe der Völker um Unabhängigkeit und Sozialismus. Der Kampf des baskischen Volkes ist der am weitesten fortgeschrittene und wird blutig unterdrückt. 28 tote baskische Flüchtlinge, ermordet durch die vom spanischen Staat geschaffene und finanzierte Todesschwadron GAL, zahlreiche Bedrohungen, Einschüchterungen und Folterungen von baskischen Jugendlichen und Flüchtlingen sind Ausdruck des "schmutzigen Krieges" im Baskenland.
Benjamin war nach seiner Verhaftung unter Isolationshaftbedingungen festgehalten worden, welche erst im November durch die Möglichkeit zum gemeinsamen Hofgang mit nicht-deutschen Häftlingen gelockert wurden. Der Anstaltsarzt hatte eine rapide Verschlechterung seines Gesundheitszustandes attestiert. Benjamin leidet an Immunschwäche ...
Ende Dezember hat das Kammergericht Berlin entscheiden, daß einer Auslieferung Benjamins nichts im Wege stehe. Die vom Kammergericht geforderten Garantien seitens des spanischen Staates sah dieses als gegeben. Tatsächlich wurde jedoch in einer politischen Stellungnahme der spanischen Botschaft in Bonn verkündet, daß Benjamin als Auslieferungshäftling nicht in incommunicado-Haft käme und somit auch nicht gefoltert würde. Auch die gesundheitliche Versorgung sei gewährleistet, und die unter Folter gemachte Aussage würde nicht als Beweismittel herangezogen. Sie ist jedoch der einzige Grund für Benjamins Inhaftierung, und wenn diese Aussage nicht gültig ist, dann müßte er unverzüglich freigelassen werden.
Diese Stellungnahme gibt nicht die geforderte juristische Garantie. Im übrigen läßt sich an vielen Beispielen ablesen, was die Garantien des spanischen Staates tatsächlich wert sind. Als den Gefangenen aus GRAPO und PCE(r) nach ihrem Hungerstreik 1981 die Zusammenlegung in Kollektive unter Schirmherrschaft des Roten Kreuzes zugesagt worden war, wurden diese bereits 1988/89 zerschlagen, und selbst ein 14monatiger Hungerstreik, in dessen Verlauf Manuel Sevillano ... (zu Tode kam - Red.), konnte die Auseinanderlegung nicht verhindern. (...)
Benjamins Verhaftung, die Begleitumstände und der politische Kontext müssen ganz eindeutig im Zusammenhang mit dem imperialistischen Projekt der Europäischen Union gesehen werden. Der Vereinheitlichungsprozeß Europas bedeutet ökonomisch, militärisch, politisch und sozial die Durchsetzung der reaktionärsten Positionen auf allen Ebenen: die repressive Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, die Versuche der Eliminierung der Widerstandsstrukturen, die Intensivierung der Ausbeutung der Arbeitskraft, einhergehend mit der Ausgrenzung der im kapitalistischen Prozeß nicht Verwertbaren und dem Abbau sozialer Errungenschaften, der Export von Isolationsfolter gegen politische und kämpfende Gefangene, die Aufrechterhaltung der institutionalisierten patriarchalen Strukturen oder die Angleichung des politischen Strafrechts durch Gesinnungsparagraphen wie den 129a sind Teil einer Kriegsführung nach innen zur Durchsetzung der imperialistischen Interessen. Nach außen werden diese Interessen durch politische, militärische und ökonomische Interventionen verteidigt, wie beispielsweise in Somalia, in Osteuropa oder im ehemaligen Jugoslawien. (...)
Internationale Solidarität bedeutet für uns die Stärkung des feministischen und proletarischen Internationalismus.
In diesem Sinne:
Für die Freilassung von Benjamin Ramos und allen politischen Gefangenen!
Hoch die internationale Solidarität!
Flugblatt zur LLL-Demonstration
Zum 77. Jahrestag der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und anläßlich der traditionellen Gedenkdemonstration wollen wir mit diesem Flugblatt auf die Situation der politischen Gefangenen in der BRD aufmerksam machen.
Die Situation von Hanna Krabbe, die jetzt seit fast 21 Jahren eingesperrt ist, immer unter Sonderhaftbedingungen, steht beispielhaft für die Situation der Gefangenen aus der antiimperialistischen Guerilla der siebziger und achtziger Jahre, die sich weigern, ihrer politischen Identität abzuschwören.
Für uns gibt es mehrere Gründe, an diesem Tag an die Notwendigkeit der Solidarität mit den politischen Gefangenen zu erinnern:
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren beide auch politische Gefangene, sie waren als Internationalist/in und antiimperialist/in Staatsfeinde - und sie haben auch in einer Zeit, in der die Hoffnung auf Revolution so gering war wie in den ersten Jahren des 1. Weltkrieges, an ihren Überzeugungen festgehalten.
Sie haben sich darüber Gedanken gemacht, wie es mit dem revolutionären Kampf gegen Imperialismus und Krieg weitergehen kann. Darum geht es heute, angesichts des dritten Anlaufs Deutschlands als Weltmacht, auch. Und es geht auch um eine Zeit, in der viele sich ratlos zurückziehen oder die Seiten wechseln - nicht selten mit einem Zitat von Rosa Luxemburg auf den Lippen. Dagegen gilt es, die Möglichkeit des Festhaltens an der Notwendigkeit der Revolution zu verteidigen, so wie es auch Rosa Luxemburg stets getan hat. So verstehen wir diese Demonstration heute.
Die Frage der Freiheit der politischen Gefangenen kann damals wie heute nicht losgelöst gesehen werden von den drängenden Fragen, den Katastrophen, die die neue Weltordnung auslöst, und die nach einer revolutionären Lösung schreien. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wußten, daß die Frage der politischen Gefangenen von der Stärke der revolutionären Bewegung abhängt, daß letztlich nur sie in der Lage ist, die Gefangenen zu befreien. Wir wissen, daß es heute eine revolutionäre Bewegung hier nicht gibt, die dazu in der Lage wäre. Gleichzeitig wissen wir, daß wir Solidarität brauchen, um eine solche Bewegung wieder/aufzubauen - die Nähe unter denen, die fürs gleiche Ziel kämpfen. Dazu gehört auch die Solidarität mit den politischen Gefangenen hier und international, gerade jetzt.
Der Kampf der politischen Gefangenen ist ein Kampf um das Überleben als Mensch, es ist ein Kampf gegen den permanenten Versuch, eine/n zu brechen. Die Erfahrung machte auch Rosa Luxemburg: "Mensch sein ist vor allem die Hauptsache, und das heißt: Fest und klar und heiter sein, ja, heiter trotz alledem", schrieb sie aus dem Knast.
Politische Gefangene hat es in der Geschichte der Bundesrepublik seit 1949 immer gegeben: Waren es zuerst diejenigen, die Widerstand gegen die Wiederbewaffnung und Bundeswehr organisierten, nach dem KPD-Verbot von 1956 die Kommunistinnen und Kommunisten, saßen ab den siebziger Jahre Hunderte wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung der RAF und anderer bewaffnet kämpfender Gruppen im Knast. Heute kommen die meisten politischen Gefangenen aus anderen Ländern, vor allem sind es Kurdinnen und Kurden, die von diesem Staat wegen ihres Befreiungskampfes kriminalisiert werden. Aus der RAF sitzen noch elf Gefangene in verschiedenen Knästen der BRD.
Das staatliche Kalkül gegen die Gefangenen aus der RAF ist auch nach 25 Jahren unverändert, daß sie nur um den Preis des Verrats an der eigenen Geschichte eine Perspektive auf Freilassung und damit auf die Wiederherstellung ihrer physischen und psychischen Gesundheit haben sollen. Christian Klar, Gefangener aus der RAF seit 1982, ging Anfang September 1995 in einen Hungerstreik gegen die Besuchsverbote, die es ihm unmöglich machen sollen, Menschen zu treffen, mit denen er eine gemeinsame Geschichte hat, und gegen die Zensur, die ihn von dem wenigen, was draußen noch an Diskussion läuft, abschneiden soll. Nach fünf Wochen brach Christian Klar den Hungerstreik ab, weil es keine Perspektive auf Durchsetzung seiner Forderungen gab: "Hier ging und geht es um vergleichsweise ,wenig' - Aufhebung der Besuchsverbote, ungehinderter Briefkontakt mit draußen -, und jede/r sieht, sie machen es nicht. Die Not haben aus der Unmittelbarkeit des Hungerstreiks sicher mehr Leute draußen verstanden als vorher. Nur ist die Abschottung dauernde Realität, und wir müssen Wege finden, sie zu beenden", schrieb er zum Abbruch.
Das ist nur ein Beispiel; der Katalog der Maßnahmen gegen die Gefangenen soll hier nicht weiter beschrieben werden, sie haben alle einen Kern: in den Zeiten der Defensive und der Schwäche, der Vereinzelung und politischen Desorientierung draußen diese Defensive, Schwäche, Vereinzelung und Desorientierung im Knast zu verstärken und die Gefangenen dadurch ihrer politischen Identität zu berauben: Wenn es draußen schon kaum noch Diskussionen gibt, dann verschärfen die Behörden die Zensur; wenn es uns draußen nicht mehr gelingt, die Gefangenen wenigstens durch Öffentlichkeit zu schützen, dann versuchen sie, die Isolation erneut zu verschärfen.
Wenn wir uns draußen nicht einmal mehr vorstellen können, zusammen mit den Gefangenen ihre Freiheit zu erkämpfen, werden sie die Gefangenen lebendig begraben. Das ist die Situation.
Jetzt geht es darum, daß Hanna Krabbe rauskommt, sofort und bedingungslos. Und zwar ohne ihre Ziele und die Legitimation bewaffneter revolutionärer Politik vor dem Staatsschutzgericht verhandeln zu müssen. Um diesen politischen Raum gegen den Versuch, sie zum Abschwören zu zwingen, geht es auch in diesen Zeilen: Indem wir öffentlich machen, daß unser Begriff von Geschichte an den realen Erfahrungen der Kämpfenden anknüpft.
Für das Leben und die Freiheit der politischen Gefangenen!
AK Kassiber, 14.1.1996
Initiative von Gefangenen aus Lübeck
Am Donnerstag, den 30. November 1995, fand vor den Staatsschutzrichtern die Anhörung zur "vorzeitigen" Entlassung aus dem Knast nach über 20 Jahren mit Hanna Krabbe, Gefangene aus der RAF seit April 1975, statt.
Wie auch alle anderen politischen Gefangenen, die sich über den Umweg der psychiatrischen Begutachtung ihre Identität nicht nehmen lassen, verweigert Hanna jeden Kontakt zu dem vom Staat bestellten Gutachter.
Die Bewertung politischer bewaffneter Aktionen gehört nicht vor die Staatsschutzrichter!
Wie zu erwarten war, sieht sich dieser Typ nicht in der Lage, allein aus der Aktenlage ein Gutachten zu erstellen.
So soll die längst fällige Freilassung von Hanna weiter in die weite Ferne geschoben werden, damit möglichst nahe an die eingeschlagene Zielrichtung der abzusitzenden Jahre herangekommen wird.
Hier steht die Zahl von 23 Jahren im Raum, die Irmgard Möller in der Gefangenschaft verbringen mußte, ehe der Staat sie aus seinen Krallen ließ!
Mit unserer Unterschrift machen wir deutlich, daß wir Druck machen wollen auf die zuständigen Behörden und Personen, Hanna endlich bedingungslos aus dem Kerker zu entlassen. Wir machen dies deutlich, weil wir Hanna in ihrer Haltung gegenüber diesem System unterstützen, sich diesem angestrebten "Betreuungsverfahren" zu widersetzen, das verlangt, daß sie sich von ihrer politischen Identität distanziert, die gegen sie und die anderen politischen Gefangenen praktizierten Sonderhaaftbedingungen bestreitet oder sich sonst irgendwie vor ihren Richtern zu rechtfertigen habe.
Hanna wurde, wie auch die anderen gefangenen aus der RAF, den schlimmsten und brutalsten Sonderbedingungen unterworfen. In den nun fast 21 Jahren dieser Isolationsfolter kämpft sie fest um den Erhalt ihrer politischen Identität - und das unter dem Verdikt von Kontaktsperre, sensorischer Deprivation, Kleingruppenisolation.
In den letzten 14 Jahren war sie hier im Kerker Lübeck in einer Kleingrupe isoliert.
Als Christine Kuby und Irmgard Möller letztes Jahr endlich aus dem Knast rauskamen, war sie als Gefangene aus der RAF allein. In diesem Jahr wurde Hanna zuerst mit einigen wenigen Frauen in eine abgesonderte Abteilung verfrachtet, die seit Oktober nun Teil des allgemeinen und verkleinerten Frauentraktes ist.
Uns als solidarische Gefangene des Knastes Lübeck geht es darum, Hanna und damit auch alle anderen politischen Gefangenen darin zu unterstützen, an ihrer Identität, ihrer Geschichte und an deren Berechtigung festzuhalten!
Hanna muß jetzt raus aus dem Kerker!!
(Diese Initiative haben 42 Gefangene durch ihre Unterschrift unterstützt - Red.)
1. Während des heutigen Hauptverhandlungstermins (gegen Birgit Hogefeld - Red.) war die Vernehmung des Zeugen GSG-9-Nr. 4 vorgesehen. Dieser Zeuge soll Birgit Hogefeld am 27.6.1993 in der Bahnhofsunterführung von Bad Kleinen festgenommen haben. GSG-9-Nr. 4 konnte heute jedoch nicht vernommen werden.
Im Termin wurde für den Zeugen nämlich nur eine beschränkte Aussagegenehmigung des Grenzschutzpräsidiums West vom 8.1.1996 vorgelegt, die unter folgendem Vorbehalt stand:
"Die Genehmigung erstreckt sich ebenfalls nicht auf Aussagen, die dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.
Die Aussagegenehmigung erfolgt unter der Voraussetzung, daß für die Aussage des Beamten mit der Legendierung Nr. 4 die Öffentlichkeit ausgeschlossen, die Angeklagte während der Vernehmung aus dem Sitzungssaal entfernt ( 247 Satz 1 StPO) und dem Beamten gestattet wird, seine Zeugenaussagen ohne Angaben seiner Identität oder zu seinem Wohn- oder Aufenthaltsort zu machen."
Die Verteidigung von Birgit Hogefeld hat während des gesamten Verfahrens immer wieder die vollständige Aufklärung der Ereignisse in Bad Kleinen gefordert. Die Aussagegenehmigung zeigt, daß die Vertuschung dieser Ereignisse auch in der Hauptverhandlung fortgesetzt werden soll.
Offensichtlich ist sich die GSG-9-Leitung ihrer Sache dermaßen sicher, daß sie es nicht einmal für nötig erachtet, in ihrer Begründung auch nur den juristischen Mindeststandards zu entsprechen.
247 Satz 1 StPO lautet nämlich: "Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist ... ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen."
Bezeichnend ist außerdem, daß bei der ersten öffentlichen Vernehmung und Befragung eines GSG-9-Beamten die Öffentlichkeit und damit auch die Presse ausgeschlossen werden soll.
2. Der Senat hat heute weiter kundgetan, daß nach seinen Planungen mit einer eventuellen Vernehmung des GSG-9-Nr. 4 die Beweisaufnahme zu Bad Kleinen (letzter Anklagepunkt) bereits beendet werden soll.
Dieser Anklagepunkt ist bisher während vierer Verhandlungstage von jeweils kürzerer Dauer und damit insgesamt nur wenige Stunden verhandelt worden.
In der Hauptverhandlung ist neben vielen anderen Unterlassungen noch nicht einmal untersucht worden, welchen Weg die zeitweise verschwundenen Projektile aus dem Körper des toten Polizeibeamten Newrezella nach der Obduktion genommen haben. Unklar ist deshalb, ob die vom Wissenschaftlichen Dienst in Zürich untersuchten Projektilteile, die der Waffe von Wolfgang Grams zugeordnet werden, mit diesen Projektilen tatsächlich identisch sind.
Aus anderen Mordverfahren ist uns bekannt, daß es nicht unüblich ist, die direkten Tatzeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen.
Damit soll Birgit Hogefeld wegen Mordes und Mordversuch in Bad Kleinen im Eilverfahren zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt werden.
Festzuhalten ist erneut: Birgit Hogefeld ist nachweislich die einzige, die in Bad Kleinen keinen Schuß abgegeben hat.
Ursula Seifert, Rechtsanwältin; Berthold Fresenius, Thomas Kieseritzky, Rechtsanwälte, 9.1.96
Seit dem 5. Dezember 1995 wird im Prozeß gegen Birgit Hogefeld, Gefangene aus der RAF, der Anklagepunkt Bad Kleinen verhandelt. Sie wird u.a. beschuldigt, für den Tod des GSG-9-Mannes Newrzella mitverantwortlich zu sein (Mord und sechsfacher Mordversuch). Bevor allerdings der erste Schuß in Bad Kleinen fiel, lag Birgit bereits gefesselt am Boden.
Seit Beginn der Verhandlung werden alle Versuche der Verteidigung, Aufklärung über die Geheimdienstaktion zu erreichen, vom Gericht abgeschmettert.
Wir halten noch einmal fest:
Wenige Wochen nach der Geheimdienstoperation trat der damalige Innenminister Seiters zurück. Mit den Worten: "Ich übernehme die politische Verantwortung für Bad Kleinen" leitete er sämtliche Umstrukturierungen des politischen Apparates ein. Sein Nachfolger Kanther sagte daraufhin im Bundestag: "Wir werden und wir müssen jetzt alles dafür tun, daß diese Ereignisse aufgeklärt werden. Ohne Wenn und Aber!"
Der damalige amtierende Generalbundesanwalt von Stahl war der zweite Kopf, der gehen mußte. Nach dem Einsatz der GSG 9 in Bad Kleinen behauptete er in einer ersten politischen Stellungnahme, daß Birgit Hogefeld das Feuer eröffnet hätte. Kurz darauf wurde bekannt, daß das eine glatte Lüge war. Aufgrund seiner "schlechten Informationspolitik" war er als Vertreter des demokratischen Rechtssystems nicht mehr zu halten. Es folgten weitere "Umstrukturierungen" innerhalb des BKA.
In den Fernsehberichterstattungen in den Wochen nach Bad Kleinen waren die ZeugInnenaussagen zweier Anwesender am Bahnhof ausschlaggebend: die der Kioskverkäuferin und die des "Spiegel-Zeugen" - ein Beamter des BKA. So war die offizielle Version in der Öffentlichkeit: Vertuschung der Beweismittel, Empörung über die unzulängliche Informationspolitik - und: Wolfgang Grams wurde von der GSG 9 hingerichtet.
Nicht nur, daß sich diese Feststellungen im Laufe der Zeit ins glatte Gegenteil verkehrt haben, nicht nur, daß die "politische Verantwortung" für diesen staatlichen gedeckten Mord bis heute vertuscht wird. (...)
Weder in diesem Prozeß noch irgendwann sonst (z.B. in dem laufenden Klageerzwingungsverfahren, welches die Eltern Grams eingeleitet haben), sollen die Umstände der Erschießung von Wolfgang Grams verhandelt werden ...
(Auszug aus einem Flugblatt)
Nächste Prozeßtermine: Montag, 5.2.,Dienstag, 13.2.,Dienstag, 20.2. Jeweils 9.30 Uhr. Ort: Gerichtskomplex Frankfurt; Konrad-Adenauer-Str./ Eingang Hammelgasse (gegenüber Vilbeler Str.), ebenerdig, Nähe S-Bahnstation Konstabler Wache
Fritze
Zur Erinnerung:
Am 27.3.1993 sprengte ein Kommando der Rote Armee Fraktion den Knastneubau in Weiterstadt.
Drei Monate später wird Wolfgang Grams in Bad Kleinen von der GSG 9 erschossen und Birgit Hogefeld festgenommen. Bei dieser Geheimdienstoperation fliegt der Spitzel Steinmetz auf. Andrea hatte Kontakt zu Steinmetz und übernahm nach Bad Kleinen sein Motorrad samt Zubehör.
Im Mai 94 beginnt die Hausdurchsuchungswelle in der Fritze. Die Motorradkoffer des Spitzels werden im Flur einer Wohnung beschlagnahmt. Die Chemiker des BKA behaupten, darin Sprengstoffkomponenten in hoher Konzentration gefunden zu haben. Das BKA behauptet des weiteren auch, an anderen in unserem Haus beschlagnahmten Gegenständen weitere geringe Spuren von Sprengstoffkomponenten gefunden zu haben. Sie selbst sagen in ihrem Gutachten, daß bei so geringen Mengen Fehleintragungen bei der Spurensicherung nie ganz auszuschließen sind. Trotzdem versucht Beyer (Ermittlungsrichter am BGH - Red.), diese Sachen Andrea zuzuordnen. Unter anderem fragt er in der ZeugInnenvorladung, ob die sichergestellten Gegenstände Andrea gehören würden.
Ende November 1995 erreichen uns sechs neue Vorladungen zum Bundesgerichtshof. Am 12. Und 14. Dezember 95 verhängte der Ermittlungsrichter am BGH, Beyer, gegen vier unserer MitbewohnerInnen jeweils 5 Monate Beugehaft und Ordnungsgelder. Der fünfte bezog sich auf sein Aussageverweigerungsrecht nach 52 (Verlobung), und der sechste Geladene wurde zu 1.000 DM Ordnungsgeld verurteilt (er ist Vater eines eineinhalbjährigen Kindes, die Mutter wurde am gleichen Tag zu 5 Monaten Beugehaft verurteilt.)
Conny, Jens, Nik und Petra sind jetzt für 5 Monate im Knast, weil sie die Aussagen in einem Verfahren gegen ihre Mitbewohnerin Andrea verweigern.
Der Terror der Staatsschützer hört aber noch lange nicht auf. Der dritten Hausdurchsuchung folgt die vierte und Anfang Dezember 95 die fünfte Hausdurchsuchung. Die BKA-B. Durchwühlten auf mündliche Anordnung des Bundesanwaltes Griesbaum schon wieder alle Wohnungen des Projektes. Ein neues, mittlerweile das dritte, Ermittlungsverfahren nach 129a ist eröffnet worden. Es richtet sich gegen unsere Mitbewohnerin Andrea wegen Mitgliedschaft in und unseren Mitbewohner Sven wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
Nach eineinhalb Jahren Staatsschutzterror ist das Ergebnis, daß gegen Andrea nach 129a ermittelt und sie gesucht wird, Sven nach 129a verfolgt wird und vier unserer MitbewohnerInnen in Beugehaft sind. In Beugehaft deshalb, weil sie nicht mit diesem Staatsschutz zusammenarbeiten wollen.
Die Bundesanwaltschaft und der Bundesgerichtshof sind für uns keine neutralen Institutionen, sondern politische Verfolgungsbehörden. Ihr Ziel ist es, Menschen zu kriminalisieren, in die Enge zu treiben und gegeneinander auszuspielen.
Anhand der Situation von Andrea war für unsere Diskussion innerhalb des Wohnprojektes klar, daß der Raum zwischen Zeuge/Zeugin und BeschuldigteR äußerst gering ist. Der Tenor der Beschlüsse und Begründungen von BAW und BGH machte ebenfalls keinen Unterschied in diesem Sinne. Auch der angeblich nicht vorhandene Anfangsverdacht gegen ZeugInnen ist bedeutungslos, denn alle BewohnerInnen des Projektes werden als linksextrem eingestuft, und ihnen wird potentiell zugetraut, unterstützend tätig geworden zu sein oder noch zu werden.
Mit diesem Hintergrund haben fünf Vorgeladene sich zunächst auf den 55 (mögliche Selbstbelastung) berufen.
Es war von vornherein klar, daß dies nur einen Sinn macht, wenn dieser Paragraph auf den gesamten Komplex zugelassen würde und nicht nur auf Einzelfragen.
Der BGH hat die Berufung auf den 55 abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, daß es sich hierbei nur um ein vorgeschobenes Scheinargument handele. Die BewohnerInnen des Wohnprojekts hätten mehrfach öffentlich dargelegt, daß sie unter keinen Umständen bereit seien, irgendwelche Angaben zur Sache zu machen.
Da den "ZeugInnen" der 55 nicht anerkannt wurde, verweigerten sie die Aussage, was dazu führte, daß nun vier davon in Beugehaft sitzen.
Conny, Jens, Nik und Petra sitzen in vier verschiedenen Knästen (in der Reihenfolge: Bühl, Rastatt, Heimsheim und Schwäbisch Gmünd). Die gesamte Post unterliegt der Zensur durch den BGH, ebenso die Zeitschriften und Tageszeitungen. Besuchsanträge laufen ebenfalls über den BGH.
Besuch dürfen sie alle 14 Tage für eine halbe Stunde bekommen, die Mutter des Kindes kann zusätzlich für eineinhalb Stunden alle 14 Tage ihr Kind sehen. Ansonsten unterliegen sie den normalen Vollzugsbedingungen.
Den MitbewohnerInnen werden bisher die Besuchsanträge abgelehnt, mit der Begründung, daß die Aussageverweigerung eine gemeinsame Entscheidung aller BewohnerInnen des Projektes gewesen sei. Außerdem hätten die BewohnerInnen die Vorgeladenen zum BGH begleitet, um auf diese Weise psychische Unterstützung und Solidarität zu versichern und die Vorgeladenen in ihrer Verweigerung zu bestärken. Somit sei zu befürchten, daß die Besuchenden den geplanten Besuch zur Fortsetzung dieses Verhaltens mißbrauchen würden. Dies wie mit dem Zweck der Erzwingungshaft nicht zu vereinbaren. Dieses Besuchsverbot gilt auch für Personen, die nach Angaben des BGH an der Solidaritätskundgebung vor dem BGH teilgenommen haben. (Stand vom 5.1.1996)
Spendenkonto, weil's eben teuer ist:
(E. Bauer), Stichwort "Fritze"
BFG Ffm Bockenheim, KtoNr. 355 675 39 01
BLZ 500 101 11
Weitere Infos über:
Infoladen, c/o Café Exzess, Leipzigerstr. 91
60487 Frankfurt/Main
Birgit Hogefeld in der taz
"Was ich gegen diese Konstruktion Steinmetz - Weiterstadt - Fritzlarer Straße sagen kann, ist, daß es keine wie auch immer geartete Beteiligung oder Einbindung von Steinmetz ihn die Weiterstadt-Aktion oder andere Aktionen der RAF gegen hat.
Ich kann das deshalb mit Sicherheit sagen, weil ich über alles, was den Kontakt zwischen uns, der RAF und Steinmetz betraf, informiert gewesen bin.
Wenn es tatsächlich Sprengstoffspuren in oder an irgendwelchen Gegenständen aus dem Besitz von Steinmetz in der Fritzlarer Straße gab dann haben sie auf jeden Fall nichts mir der RAF und nichts mit der Weiterstadt-Sprengung zu tun."
Aus. Stellungnahme in taz, 22.1.
Prozeß gegen Autonome Antifa (M)
Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für den Mammutprozeß gegen 17 mutmaßliche Mitglieder der Autonomen Antifa (M) wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung (129)" gestaltet sich immer schwieriger. Nachdem eine ehemalige BGS-Kaserne nicht zur Verfügung steht, strebt die Staatsschutzkammer (SSK) Lüneburg nun an, eine über 700 qm große Reithalle zum Prozeßbunker umzubauen. Da aber der Einbau einer Heizungsanlage bis zum angesetzten Prozeßbeginn am 8. Mai 1996 nicht möglich ist, wird der Prozeß erst am 14. August beginnen können. Nach Schätzungen des Staatshochbauamtes werden sich allein die Kosten für den Einbau der Heizungsanlage auf 300.000 DM belaufen.
Die SSK hatte erst im Dezember 1995 einen Antrag der Verteidigung abgelehnt, den Prozeß in Göttingen durchzuführen. Dabei böte Göttingen neben einer Stadthalle, die schon seit 1964 beheizt ist, auch die ehemalige Zietenkaserne, die ebenfalls auf neue Nutzung wartet.
Die einzig vernünftige Forderung kann allerdings nur lauten, den Prozeß umgehend einzustellen. Wenn es noch nicht einmal gelingt, eine geeignete Infrastruktur zu organisieren, drängt sich die Frage auf, wie erst ein Prozeß gegen 17 Angeklagte mit ihren 34 Verteidigern durchgeführt werden soll, in dem 13.929 abgehörte Telefongespräche, Observationsvideos über 4 Jahre und alle Publikationen der Autonomen Antifa (M) seit 1990 verhandelt werden müssen? Zur Zeit jedenfalls behindert die konfuse Vorbereitung des Verfahrens durch die SSK eine vernünftige Planung der Verteidigung der angeklagten Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Das Staatsschutz-Verfahren gegen die Autonome Antifa (M) zieht sich mittlerweile seit genau fünf Jahren hin - ein Ende ist nicht in Sicht. De facto wird mit einem riesigen Apparat notwendige antifaschistische Arbeit verhindert.
Autonome Antifa (M), 20.1.96
Erneuter Angriff gegen das Info
Das Amtsgericht Hamburg hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen die presserechtlich verantwortliche Redakteurin des Angehörigen Infos einen Strafbefehl über 70 Tagessätze je 30 DM, also eine Gesamtstrafe von 2100 DM verhängt. Nach Auffassung des Gerichts stellen zwei Beiträge im Info Nr. 168 eine "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole" dar ( 90, Staatsverleumdung). Es handelt sich um die Beiträge "Kundgebung vor dem Knast in Preungesheim: Die alten Verbrechen relativiern, die neuen Verbrechen legitimieren - dagegen müssen wir uns behaupten!" und um den "Bericht über die Kundgebung am 28.4. in Mainz, Rede der Grupe jarama!"
Das Verfahren - es ist inzwischen das 17. gegen den GNN-Verlag - geht erneut auf die Bundesanwaltschaft zurück, die nicht ruhen läßt, daß sie das Info trotz massiver Verfolgung nicht zum Schweigen bringen kann, ja daß sie sich bis auft zwei Ausnahmen im Justizapparat nicht durchsetzen konnte. Erst jüngst hat sie eine empfindliche Niederlage einstecken müssen, als sie versuchte, die im GNN-Verlag erschienene Broschüre "BRD - RAF" Jahre nach der ersten Auflage aus dem Verkehr zu ziehen und nicht durchkam.
Mit dem jüngsten Strafbefehl will die Bundesanwaltschaft und Staatsanwaltschaft in Hamburg im Kern u.a. folgende Aussagen durch Strafverfolgung unterdrücken: Es gab 1945 keinen Bruch mit dem Faschismus; die Ursachen des Faschismus bestehen bis heute fort; es gebe, wenn auch nicht eine Kontinuität der Mittel, die Kontinuität von Klassenjustiz, Stein geworden etwa im Gefängnis Preungesheim, wo Widerstand gebrochen und ausgemerzt werden soll.
Der GNN-Verlag legt gegen den Strafbefehl Widerspruch ein, es wird also zu einem Prozeß kommen. Wir berichten weiter.
(Red.)
Prozeß gegen Biji
Nürnberg, Hannover. Am 15.1.96 begann vor der Staatsschutzkammer am Landgericht Nürnberg der Prozeß gegen den ehemaligen presserechtlichen Verantwortlichen des wöchentlich erscheinenden Nachrichtenblattes Biji- Informationen aus Kurdistan und der BRD. Aufgrund der Ermittlungen des Erlanger Staatsschutzes und nach Beanstandung durch den türkischen Generalkonsul in Nürnberg wirft die Staatsanwaltschaft dem Verantwortlichen vor, in 10 Ausgaben der Zeitschrift gegen das Vereinsgesetz verstoßen zu haben, d.h. das "vollziehbare Verbot" der PKK und anderer Organisationen. Konkret wird ihm vorgeworfen, Erklärungen der ERNK und Bilanzen des Befreiungskampfes der ARGK dokumentiert zu haben.
Nach Meinung des Staatsanwaltes Grandpair sei dies "Sympathiewerbung" für die PKK, weil "Kampferfolge" dargestellt werden. Der Angeklagte Jan Schade erklärte auf die Frage der Richterin Sorg nach seinen Motiven der Veröffentlichung, daß es ihm darum ging, Informationen über die wichtigen Kräfte in dem Konflikt Kurdistan, die sonst nicht oder nur wenig in der Presse zu finden sind, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Durch mehrere Nachfragen wie Jan Schade zur PKK stehe, versuchte das Gericht, die "Gesinnung" herauszufinden. Jan Schade belegte durch mitgebrachte Zeitungen (Junge Welt, Al Hayat/Erscheinungsort Frankfurt, Focus), daß teilweise auch in anderen in der BRD erscheinenden Medien ähnliche Veröffentlichungen wie die, wegen denen der Biji- Verantwortliche angeklagt ist, publiziert worden waren.
Brennend interessiert war das Gericht an der Frage, warum Jan Schade jetzt nicht mehr presserechtlich Verantwortlicher ist und warum Biji jetzt in Hannover erscheint. Der Staatsanwalt wertete es als "strafverschärfend", daß Jan Schade auch noch nach dem ersten Ermittlungsverfahren "ungeniert jeden Montag weiter die Zeitung herausbrachte und unkommentierte Erklärungen abdrucken ließ, was nur drei Publikationen in Deutschland tun" würden. Schließlich verstieg der Staatsanwalt sich auch noch in die Drohung, wenn Jan Schade noch Verantwortlicher wäre und die Zeitung in Erlangen erscheinen würde, sei "eine Sicherstellung und Unbrauchbarmachung der Druckplatten, Maschinen, Computer auf Dauer nicht vermeidbar". Er forderte eine Gesamtstrafe von 150 Tagessätzen wegen "Propaganda für die Handlungsziele" der verbotenen Organisationen und "Sympathiewerbung". Seiner Meinung nach fällt auch die ARGK unter das "Vereinsverbot" des Innenministeriums vom November 1993, die zwar darin nicht genannt wird, aber es berief sich auf die Zulassung einer Anklage wegen Symbolen der ARGK vom Bay. Verwaltungsgericht am 6.11.95, wobei es allerdings nicht um Publikationen ging. Rechtsanwalt Hörner forderte Freispruch, weil die angeklagten "Straftaten" unter die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit fallen. Er wies darauf hin, daß kein einziger vergleichbarer Fall seiner solchen Anklage in der BRD bekannt ist. Außerdem fehlt die für eine Verurteilung nach Paragraph 20 erforderliche "Stärkung des organisatorischen Zusammenhalts" des verbotenen Vereins, die durch eine völlig unabhängige Publikationstätigkeit nicht gegeben ist.
Nach einem ganzen Tag Verhandlung und einer einstündigen Überlegungspause der Richterinnen erklärte dann Richterin Sorg, daß sie noch kein Urteil sprechen werde. Sie will erst ein Gutachten vom Verfassungsschutz anfordern über die Frage, ob die Nachrichtenagentur KURD-A (die in Köln legal arbeitete, bis sie sich 1995 selbst auflöste), die bei den kriminalisierten Artikeln öfters als Quelle genannt war, damals verboten war oder nicht. Wann und vor allem wie der Prozeß weitergeht ist derzeit noch unklar.
Der Kriminalisierungswille des Staatsschutzes ist ungebrochen. Zwei Tage nach dem Prozeß bekam Jan Schade eine weitere Vorladung wegen alten Biji-Ausgaben, für die er presserechtlich verantwortlich war. (Biji)
Elisabeth Altmann_, Mitglied des Bundestages: "...das Verfahren gegen den Stadtratskandidaten der Grünen Liste Herrn Jan Schade wegen der Unterstützung der kurdischen Untergrundorganisation PKK stellt aus meiner Sicht eine bewußte Kriminalisierung der Verbreitung von Informationen über die Situation in Kurdistan dar. ... Als gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages werde ich daher dem Verfahren ... meine höchste politische Aufmerksamkeit widmen."
Der Kreisverband Erlangen von Bündnis 90 / Die Grünen schrieb in einer Stellungnahme: ... "Inzwischen ist es mit einem hohen persönlichen Risiko verbunden, über die Lage in Kurdistan und über die Kriminalisierung von kurdischen Menschen in der BRD zu berichten ... Wir fordern die Staatsanwaltschaft und das Gericht auf, das Verfahren gegen den presserechtlichen Verantwortlichen der "Biji" einzustellen ..."
Die pro-kurdische Tageszeitung Özgür Politika berichtete am 15.1. und 19.1.96 auf der Titelseite über den Prozeß unter der Überschrift "Deutscher Freund der KurdInnen angeklagt, weil er für die KurdInnen schreibt".
(Aus: biji vom 21.1.)
Auch gegen den presserechtlich verantwortlichen Redakteur des im GNN-Verlag erscheinenden Kurdistan-Rundbriefs ist ein Verfahren wg. 20 Vereinsgesetz anhängig. Als Straftat verfolgt werden soll die Dokumentation des Grußwortes des PKK-Vorsitzenden Öcalan an die Frankfurter Großdemonstration im Juni 1995.
Verfolgt wird also eine um Authentizität bemühte Berichterstattung über den kurdischen Befreiungskampf, die im Widerspruch zur Außenpolitik der Bundesregierung, der bedingungslosen Unterstützung des Krieges der Türkischen Republik gegen das kurdische Volk, steht. Diese imperialistische Außenpolitik der Großmacht BRD soll durchgesetzt werden, indem Opposition dagegen zum Schweigen gebracht wird.
(Red.)
Kurdenprozeß in Frankfurt
Am 25. September 1995 begann vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein prozeß gegen drei kurdische Angeklagte, mit dem ein Teil der "Arbeiterpartei Kurdistan", PKK, zur "terroristischen Vereinigung" nach 129a erklärt werden soll. U.a. mittels eines Kronzeugen soll den Angeklagten Verantwortlichkeit für Straftaten nachgewiesen und damit eine terroristische Vereinigung innerhalb der Europazentrale der PKK konstruiert werden. Nach der Erklärung der Angeklagten zu Beginn des Prozesses hat jetzt der Kronzeuge seinen Auftritt.
Der Kronzeuge erzählt, er habe sich vor geraumer Zeit von der Organisation gelöst und sei dann gleich zur Polizei gegangen und habe Aussagen gemacht. Zwei Beamte aus Bonn-Meckenheim, die sich speziell mit der PKK beschäftigen, haben ihn befragt, und "so haben meine Angaben sich entfaltet2. Danach wurde er ins Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamtes (BKA) aufgenommen, d.h. er hat spezielle Betreuer, die seine Übernachtungsorte festlegen und ihn zu Vernehmungen bringen. Er habe sich nicht vorgestellt, daß es soweit komme, daß er jetzt vor Gericht aussagen müsse. Aber es wäre ihm klar geworden, es gäbe kein Zurück, es geht immer so weiter. Er wisse nicht alles, aber er wisse auch nicht nichts.
So ein Mensch, der zur Polizei geht, ist ausgeliefert: ausgeliefert der Gefahr, selbst ein Verfahren zu kriegen, ins Gefängnis zu kommen, vielleicht abgeschoben zu werden. Er ist ausgeliefert den ständigen Betreuern des Zeugenschutzes, die sein Dasein regeln.Er ist dem Druck ausgeliefert, durch passende Aussagen dem deutschen Staatsapparat bei der Kurdenverfolgung zu nützen, sonst ist er selbst der Verfolgung preisgegeben.
So ein Kronzeuge, der zwar etwas weiß, aber nicht alles, der bastelt was zusammen. In diesem Prozeß erzählt der Kronzeuge sehr viel, hauptsächlich Alltägliches und von alltäglicher politischer Arbeit wie Hausbesuche und Spendensammlungen. Aber einige Punkte weiß er angeblich ganz genau, zumindest vom Hörensagen. Er beantwortet genau die Schlagworte, auf die das BKA die Ermittlungen zuspitzte: Er redet von einer europäischen Frontzentrale, er hat von Gewaltaktionen gehört, die die PKK geplant hätte, und von mysteriösen Treffen, auf denen ausgerechnet die Angeklagten die Planung von Gewaltaktionen übernommen hätten.
Hat der Kronzeuge diese Eckpunkte anhand der Fragen des BKA "entfaltet"?
Auf jeden Fall ist so ein Zeuge, ein dem Staatsapparat ausgelieferter und von diesem erpreßbarer Kronzeuge, für eine seriöse Rechtsprechung unbrauchbar. Er kann nur Mittel für eine politische Justiz sein.
Deshalb gehört die Kronzeugenregelung sofort abgeschafft.
(Flugblatt zum Prozeß)
In Stammheim sind zur Zeit sieben politische kurdische Gefangene inhaftiert. Gegen zwei wurde wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (129a) Anklage erhoben. Der Prozeß wird voraussichtlich im April 1996 vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart-Stammheim eröffnet werden. Gegen einen anderen kurdischen Gefangenen in Stammheim ermittelt zur Zeit noch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Auch in diesem Fall ist ein 129a-Verfahren absehbar. Die Situation der kurdischen politischen Gefangenen ist bundesweit davon geprägt, daß sie sofort nach ihrer Verhaftung verschärften Haftbedingungen unterworfen sind. Die meisten von ihnen erzwingen eine Lockerung ihrer Isolationshaftbedingungen erst durch das Durchführen eines Hungerstreiks. Bekanntlich bedeutet Isolationshaft:
Abschottung gegenüber der Außenwelt und gegenüber den Mithäftlingen.
Die Palette der Maßnahmen ist vielfältig. Sie reicht von Einzelhofgang über Besuche mit Trennscheibe und Überwachung durch das Landeskriminalamt (LKA) bei 129a-Gefangenen, über Zensur der Post (auch die der Anwälte) bis hin zur Festsetzung der Besuchszeit auf 1,5 Stunden im Monat ...
Doch all dies scheint den Verantwortlichen in Stammheim noch nicht zu genügen: Die Anstaltsleitung und der Vorsitzende des 5. Strafsenats am OLG in Stuttgart, Herr Breucker, haben entschieden, daß die Aushändigung der Tageszeitung "Özgür Politik" nicht genehmigt werden könne. Zitat:
"Das genannte Druckerzeugnis dient der Publikation der offiziellen Verlautbarungen der PKK und verfolgt u.a. das Ziel, deren Mitglieder ideologisch zu festigen und in ihrem Kampfeswillen zu stärken. Danach ist die Weitergabe der Özgür Politika abzulehnen, um den Zweck der Untersuchungshaft sowie die Sicherheit und Ordnung innerhalb der Vollzugsanstalt nicht zu gefährden."
Dazu muß bemerkt werden, daß es für die Gefangenen kein Problem ist, die "Hürriet", die "Milliet" oder andere türkische Tageszeitungen zu beziehen, die die Rolle übernommen haben, Sprachrohr der türkischen Regierung zu sein. Das bedeutet, daß bei diesen Zeitungen nicht von objektiver Berichterstattung auszugehen ist.
Das Verbot der "Özgür Politika" muß vor dem Hintergrund gesehen werden, daß sie die einzige Zeitung in der Türkei und in der Bundesrepublik ist, die über reale Entwicklungen in Kurdistan berichtet und darin die kurdischen Menschen auch zu Wort kommen läßt.
Die Kriminalisierung dieser Zeitung in der Türkei ist Teil der dort herrschenden Kriegspolitik. Es ist selbstverständlich das Interesse der türkischen Verantwortlichen in diesem Krieg, all diejenigen mundtot zu machen, die kurdische Forderungen vertreten.
Doch es ist nicht nur das Interesse der türkischen Militärs und der in ihrem Dienst stehenden türkischen Politiker, Veröffentlichungen zu verhindern, die in Opposition zur offiziellen Staatspolitik stehen. Auch in der BRD gehört es derzeit zur Realität, kurdische Äußerungen als feindliche Äußerungen zu begreifen und dementsprechend zu kriminalisieren. Die Stammheimer Anstaltsleitung und Herr Breucker gehen inzwischen soweit, die Pressefreiheit nicht nur durch Zensur zu beschneiden - sie schaffen sie gleich voll ab!
Die "Özgür Politika" ist eine frei an jeder Straßenecke erhältliche Tageszeitung, wie die "Frankfurter Rundschau", die "Süddeutsche Zeitung", die "Junge Welt" etc. Und Stammheim ist die einzige Vollzugsanstalt, in der das Beziehen dieser Zeitung verboten wird. In allen Gefängnissen funktioniert die Aushändigung der Zeitung problemlos. Die Herausgeber der "Özgür Politika", die Tigris Presse- und Verlags GmbH in Neu-Isenburg, hat auf Anfrage dies bestätigt. Eine Anmerkung ihrerseits zu dieser Problematik (Zitat):
"Unser in der Istanbuler Haftanstalt einsitzende Kolumnist und kurdische Schriftsteller Recep Marasli empfängt regelmäßig Özgür Politika. Wir würden es verstehen, wenn die türkischen Behörden ihm den Zugang verweigert hätten. Daß die deutschen Behörden sogar einen Beschluß darüber fassen, gibt uns schwer zu denken."
Und noch ein anderes Beispiel macht die hinter solchen Anweisungen steckende Willkür eines Herrn Breucker und Co. Sichtbar:
Das eingangs erwähnte, im Frühjahr in Stammheim stattfindende, 129a-Verfahren richtet sich gegen insgesamt vier kurdische Angeklagte. Davon sitzen zwei in Stammheim ein, einer in Rastatt und einer in Karlsruhe. Für alle vier ist derselbe Strafsenat zuständig, sprich Herr Breucker und sein Senat. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen ist es für die Rastatter und Karlsruher Gefangenen möglich, die Zeitung zu beziehen, während es in Stammheim aus Gründen der "Sicherheit und Ordnung" untersagt wird.
Wir fordern die sofortige und unzensierte Aushändigung der Özgür Politika an die Gefangenen.
Sammelt Unterschriften und richtet Protestschreiben an (bitte eine Kopie an uns):
den Anstaltsleiter der JVA Stuttgart-Stammheim, Aspergerstr. 60, 70439 Stuttgart
den Vorsitzenden des 5. Strafsenats am OLG in Stuttgart, Herrn Breucker, Ulrichstr. 10, 70182 Stuttgart.
Kontaktadresse: Stuttgarter Komitee zur Unterstützung der kurdischen politischen Gefangenen, c/o Zentralkultur e.V., Pfarrstr. 7, 70182 Stuttgart
Bayern
Ohne jede Öffentlichkeit begann der kurdische Flüchtling Sadik Erdem in der JVA Bayreuth schon am 20.11.95 einen Hungerstreik, um seine geplante Abschiebung in die Hände der Türkischen Folterer zu verhindern. Kurz bevor Erdems Strafe von zwei Jahren und 10 Monaten wegen "Körperverletzung" zu Ende ging, wurde ihm mitgeteilt, daß er abgeschoben werden soll. Er trat aus Protest in einen Hungerstreik. Die Gefängnisbeamten versuchten ihn mit allen Mitteln zum Abbruch des Hungerstreiks zu bewegen. Am 3. Januar wurde Sadk Erdem von Schließern zusammengeschlagen, was sogar vom Gefängnisarzt attestiert wurde und vom Gefängnisdirektor nicht bestritten wird. Natürlich sind die Umstände strittig. In der letzten Woche drohte Erdem, sich umzubringen. Sein Gesundheitszustand ist durch den Hungerstreik sehr schlecht. Letzte Woche hat Erdem seinen Hungerstreik vorläufig beendet, erklärte aber, ihn wieder aufzunehmen, wenn die Abschiebeversuche weitergehen.
(Biji; Özgür Politika 12.1.96)
Protestbrief gegen Kurdenverfolgung
Staatsanwaltschaft Frankfurt
Polizeipräsidium Frankfurt
Ordnungsamt der Stadt Frankfurt
Fraktionen der CDU, SPD, Bündnis 90/
Die Grünen im Römer
Amt für Multikulturelle Angelegenheiten
Kommunale Ausländervertretung
Wir protestieren dagegen, daß es der hiesigen kurdischen Exilbevölkerung und ihren legitimen Vertretern und Organisationen sowie zunehmend auch den deutschen Solidaritätsgruppen nicht mehr möglich gemacht wird, ihre Anliegen öffentlich vorzutragen.
Wer den Widerstand und Emanzipationskampf der kurdischen Bevölkerung gegen den Vernichtungsfeldzug der türkischen Regierung, die bundesdeutschen Waffenlieferungen und staatliche Kurdenverfolgung auf Versammlungen öffentlich thematisiert, muß mit polizeilichen Ermittlungen, erkennungsdienstlichen Behandlungen und ähnlichen Repressionen rechen.
Wir verlangen die Einstellung aller Ermittlungsverfahren, die wegen Beteiligung am von der Polizei am 27.7.1995 gewaltsam aufgelösten Hungerstreik von Kurdinnen und Kurden in Frankfurt eingeleitet wurden. Ca. 370 Ermittlungsverfahren sind bzw. Sollen gegen Kurdinnen und Kurden sowie 7 Personen aus der deutschen Kurdistan-Solidaritätsbewegung und der PDS, die die versammlungsrechtliche Verantwortung für die Aktion übernommen hatten, eingeleitet werden.
Das im November 1993 vom Bundesinnenministerium verfügte sog. "PKK-Verbot" und seine Umsetzung in der Stadt Frankfurt hat zu einer Diskriminierung und Verfolgung von Kurdinnen und Kurden geführt, die mit den in der Verfassung garantierten Grundrechten nicht mehr im Einklang steht: Das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt verbietet im März 1995 das vom Kurdistan-Informationszentrum angemeldete kurdische Neujahrsfest (Newroz) in der Ballsporthalle Höchst, weil die Veranstalter nicht garantieren konnten, daß während des Festes Embleme und Symbole des kurdischen Widerstands nicht gezeigt werden. Mit der gleichen Begründung wird im Juli ein von der PDS angemeldeter, friedlich verlaufender Hungerstreik von Kurdinnen und Kurden vor der Katharinenkirche mit Polizeigewalt beendet. Für eine breitere Öffentlichkeit wurde hier das Ausmaß, das die Repression gegen Kurdinnen und Kurden erreicht hat, sichtbar. Viele erinnerten die Polizeiübergriffe an die Exzesse vor zehn Jahren in der Wallmann-Ära, die zum Tod von Günter Sare führten.
Wir sind der Ansicht, daß die Auflösung des Hungerstreiks rechtswidrig war und ein Verstoß gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit darstellt. Deshalb unterstützen wir das eingelegte Rechtsmittel gegen die Verbotsverfügung.
Mittlerweile haben in Frankfurt fast alle Mitgliedsgewerkschaften im DGB Beschlüsse gefaßt, in denen gefordert wird, daß die politischen Rechte der kurdischen Bevölkerung in der Bundesrepublik respektiert werden. Während die Kritik an der bundesdeutschen Politik offensichtlich zunimmt, verschärft sich auf der anderen Seite die Diskriminierungspraxis von Polizei, Behörden und Justiz.
Sollte es zu Anklageerhebungen wegen Teilnahme und Veranstaltung des Hungerstreiks kommen, wir es für die kurdische Exilbevölkerung noch schwieriger, ihre Anliegen in Frankfurt öffentlich vorzubringen.
Weil uns der Schutz des Versammlungsrechts wichtig ist, verlangen wir die Einstellung all dieser Ermittlungsverfahren und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versammlungsauflösung.
Wir rufen dazu auf, für die insofern entstehenden Prozeßkosten auf das Rechtshilfekonto der Bunten Hilfe Frankfurt zu spenden: Postbank Frankfurt, Kto. Nr. 16072-603, BLZ 50010060, Volker Luley, Stichwort: Kurden Ffm.
Das Bündnis bittet, diesen Brief zu unterschreiben und zurückzusenden an:
Bündnis "Grundrechte verteidigen"
c/o VVN-Bund der Antifaschisten,
Eckenheimer Landstr. 93
60318 Frankfurt/Main,
Tel. 069/5970524
Bruchsal
Lutz Balding wurde wegen mehrerer bewaffneter Banküberfälle in den 80er Jahren zu insgesamt 29 Jahren Haft und anschließend 10 Jahren Sicherheitsverwahrung verurteilt.
Nach einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch über die Mauer der JVA Schwalmstadt wurde Lutz am 13.11.95 in den baden-württembergischen Knast Bruchsal verschleppt. Dort ist er als "besonders gefährlicher Gefangener" weitgehend isoliert, seine BesucherInnen aus Kassel sitzen für zweimal 1 Stunde überwachten Besuch im Monat jeweils sieben Stunden im Zug, zuletzt wurde Lutz ein Computerkurs mit der Begründung verweigert, man könne ihn dann nicht kontinuierlich überwachen und bei seiner Haftdauer würde sich Weiterbildung nicht lohnen. Am 20.11.95 begann Lutz in Bruchsal einen Hungerstreik mit der Forderung nach sofortiger Rückverlegung nach Schwalmstadt, den er nach 10 Tagen abbrach, um draußen Raum für Mobilisierung zu lassen.
FreundInnen aus Kassel schrieben im Dezember an den Grünen Justizminister v. Plottnitz:
"Wir wenden uns an Sie als den für die Haftbedingungen und die Zwangsverlegung verantwortlichen Justizminister mit der Forderung nach Rückverlegung und grundsätzlicher Prüfung der Haftsituation von Lutz Balding.
Wir begründen diese Forderung mit dem Recht des Herrn Balding auf eine Lebensperspektive. Damit meinen wir zunächst Haftbedingungen, die nicht einzig und allein darauf ausgerichtet sind, ihn als Menschen zu brechen. Mit Lebensperspektive meinen wir aber vor allem die reale Aussicht auf ein zukünftiges Leben in Freiheit. Die derzeitige Situation von Lutz Balding ist eine andere. Er hat als heute 37jähriger den 8.5.2020 als Entlassungstermin. Er hat keinerlei Aussicht auf Vollzugslockerungen. Seine von ihm gewählten Kontakte nach draußen werden nach Kräften eingeschränkt. Herr Balding ist darauf angewiesen, sich tagtäglich zu wehren. Er hat sich bislang dafür entschieden, selbstbestimmt den Weg in die Freiheit zu suchen, d.h. bei jeder sich bietenden Möglichkeit die Flucht zu versuchen.
Wir erwarten von Ihnen aufgrund Ihrer Erklärungen gegen die lebenslange Freiheitsstrafe und für eine Humanisierung des Strafvollzugs, daß Sie Ihre Möglichkeiten ausschöpfen, Gefangenen wie Lutz Balding eine Perspektive zu eröffnen."
Die schriftliche Antwort aus dem Grünen-Ministerium: "Die Gründe der Verlegung liegen ausschließlich im Verhalten des Verurteilten Balding. Die Folgen, die sich aus seinem Verhalten zwangsläufig ergeben mußten, hat er somit selbst zu vertreten ... Die Dauer, die Herr Balding noch im Vollzug zuzubringen hat, hängt demnach in besonderem Maße von seinem eigenen Verhalten ab. Es liegt somit an ihm selbst, welche Lebensperspektive er auf der Grundlage der bestehenden Umstände für sich entwickelt. Im übrigen verkenne ich nicht Ihr persönliches Engagement für den Verurteilten Balding ..."
Nicht zu verkennen ist vor allem die Absicht der Justizbehörden, Gefangene, die sich nicht anpassen, zu isolieren und in Trakte einzumauern. Lutz wäre nicht der erste Gefangene, der aufgrund seines Widerstandes aus Bruchsal ins bayrische Zuchthaus Straubing abgeschoben wird. Die Aussicht, nach Fertigstellung von Weiterstadt in die dort vorgesehene Wohngruppen-Totalisolierung zu geraten, ist mindestens genauso übel. Es bleibt die Forderung nach Rückverlegung in die JVA Schwalmstadt und - keine Frage - Freiheit für Lutz. Bei Rücknahme der Sicherungsverwahrung und konsequenter Anwendung der 2/3-Regelung muß er spätestens im Jahr 2002 rauskommen!
Zur Aussicht auf vorzeitige Entlassung hatte Lutz allerdings in seiner Hungerstreikerklärung vom 20.11. geschrieben: "Eine andere Perspektive als Knast bis zum Ende wird es seitens des Apparats nicht geben, weil ich sage: heute begreife ich mich - meine Vergangenheit, meine Situation - in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Diese kaputte Kiste, Identität über Konsum, Besitz, Macht zu finden, mit irre viel Kohle das Glamourleben der Upper-Class nachäffen zu wollen, waren Wegweiser und bestimmend. Das liegt heute hinter mir. Damit stehe ich diametral zu der Rolle, die der Apparat und breite Teile der Bevölkerung einem gefangenen ,Verbrecher' zugedacht haben: er soll die auf Bereicherung und Besitz angelegten Gesellschaftsideale anstreben, nur, im Gegensatz zu früher, jetzt legal."
Engagiert Euch gegen:
Justizminister v. Plottnitz
Postfach 3169
65021 Wiesbaden
Fax Nr. 0611/322691
Schreibt Lutz!
Lutz Balding,
Schönbornstr. 32
76646 Bruchsal
(3 Briefmarken pro Brief gehen rein)
LLL-Gedenkveranstaltung
provokationen, zahlreiche Verletzte
Zu massiven Polizeiübergriffen kam es bei der Gedenkveranstaltung anläßlich der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor den Toren der "Gedenkstätte des Sozialismus". Zahlreiche Teilnehmer wurden zum Teil schwer verletzt, mehrere Personen wurden festgenommen. Es war das erste Mal, daß behelmte Beamte die Gedenkfeier störten.
Zu den Auseinandersetzungen kam es, nachdem Beamte in Kampfanzügen, mit Helm, Knüppel und Schild bewaffnet, wiederholt eine Theateraufführung von Antifaschisten/innen störten.
Die Beamten wurden daraufhin zurückgedrängt. Die Beamten bildeten einen Kessel und gingen rücksichtslos mit Schlagstöcken gegen Teilnehmer/innen der Gedenkveranstaltung vor. Dabei machten sie auch nicht vor Kindern und alten Menschen halt. Eine noch nicht überschaubare Anzahl von Personen mußten mit schweren Verletzungen, z.T. mit Knochenbrüchen, ins Krankenhaus gebracht werden. Mehrere Personen wurden willkürlich aus Anwesenden herausgerissen und verhaftet.
Die Polizei rechtfertigte ihr Vorgehen mit der Behauptung, daß Polizeibeamte eingekesselt wurden, nachdem sie angeblich gegen angebliche PKK-Symbole vorgegangen sei.
Die Teilnehmer/innen der Veranstaltung protestierten energisch gegen den Polizeieinsatz. Die Beamten wurden mehrmals aufgefordert, das von der PDS angemietete Gelände zu verlassen und die Störungen der an der Gedenkstätte defilierenden Personen zu unterlassen. Die Beamten reagierten unterdessen mit weiterem Schlagstockeinsatz und fuhren mit gepanzerten Fahrzeugen in die Menschenmenge.
Die Informationsstände mußten abgebaut und die Veranstaltung mußte abgebrochen werden.
Bereits auf der Demonstration zur Gedenkstätte kam es von seiten der Polizei zu ständigen Provokationen gegen die friedliche Demonstration. Trotz des friedlichen Verlaufs begleiteten gepanzerte Einsatzkräfte die Demonstration und gingen mehrfach mit Schlagstöcken gegen Teilnehmer vor. Bereits hier wurden mehrere Teilnehmer/inne verletzt und verhaftet.
Pressemitteilung der Roten Hilfe Berlin vom 14.1.
Am 4. Januar weigerten sich die politischen Gefangenen im Istanbuler Ümraniye-Gefängnis (ein Sondergefängnis für politische Gefangene), zum Zählappell am Morgen anzutreten. Sie protestierten damit gegen die ständigen Provokationen und Angriffe von Polizei- und Militärkräften. Der Vorsitzende des Istanbuler Menschenrechtsvereins IHD, Ercan Kanar, berichtete, daß ein paramilitärisches Sonderkommando der Jan-darma, Polizei und Gefängniswärter daraufhin die Gefängnistrakte stürmte; erst mit Wasserwerfern, dann mit Ketten, Eisenstangen und Knüppeln. Drei Gefangene - Orhan Özen, Abdülmecit Seckin, Riza Boybas und Gültekin Bayhan - wurden von den Sicherheitskräften ermordet und mindestens 65 weitere schwer verletzt.
Daraufhin weiteten sich die Proteste auf andere Gefängnisse aus. In den Sondergefängnissen von Ankara, Yozgat und Bursa verweigerten die Gefangenen ebenfalls den Zählappell. In Iskenderun, Ceyhan, Bartin und Nevsehir begann ein Hungerstreik. Im Istanbuler Bayrampasa-Sondergefängnis und in Buca nahmen Gefangenen zu ihrer Sicherheit Justizbeamte und Wärter in Gewahrsam.
In verschiedenen Stadtteilen Istanbuls kam es zu Unterstützungsdemonstrationen, die von der Polizei angegriffen wurden. Die Polizei setzte ein riesiges Aufgebot an Sicherheitskräften und eine spezielle Eingreiftruppe in den armen Stadtteilen Istanbuls ein. Die Demonstranten wehrten sich mit Barrikaden. Büros der staatstragenden türkischen Parteien wurden besetzt und teilweise verwüstet. Mehr als 300 Angehörige der Inhaftierten von Ümraniye wurden von der Polizei festgenommen. Die Polizeiangriffe wurden von dem neuen Istanbuler Polizeipräsidenten Orhan Tasanlar geleitet.
Weitere Auseinandersetzungen gab es dann bei der Beerdigung eines der getöteten Häftlinge. Er wurde von einer großen Menschenmenge zu Grabe getragen. Die Sicherheitskräfte verhafteten auch den Journalisten Metin Göktepe der Zeitung Evrensel. Die Beamten prügelten solange auf ihn ein, bis er bewußtlos am Boden lag. Dann schleppten sie ihn weg. Nachts wurde er dann in einem Park tot aufgefunden. Der offizielle Autopsiebericht stellt als Todesursache Blutgerinsel im Kopf und eine gebrochene Rippe in Folge von Schlägen fest.
Im letzten Jahr starben zwei Gefangene der PKK während eines Hungerstreiks von 10.000 Kriegsgefangenen der PKK in über 20 Sondergefängnissen. Im September 1995 wurden in Izmir bei einem Überfall von Sonderkommandos drei Gefangene mit Eisenstangen erschlagen. In Bursa starb ein Gefangener an den Folgen eines Hungerstreiks, ärztliche Hilfe war verweigert worden. Im Sondergefängnis von Ankara starb der PKK-Gefangene Tuncay Balats an den Folgen von Folterungen sowie im Sondergefängnis Canakkale der Gefangene Kalender Kayapinar. Mitte Dezember 1995 kam es dann zu den ersten Protestaktionen im Ümraniye-Gefängnis. Die Gefangenen forderten ein Ende der Übergriffe, eine bessere medizinische Versorgung und keine Beschränkung von Besuchen. Sie beendeten ihre Proteste, nachdem der Justizminister ihnen die Verbesserung der Haftbedingungen zusagte.
Der Konflikt spitzte sich endgültig zu, nachdem das Justizministerium eine Richtlinie zur "Verhinderung unvorhersehbarer Ereignisse" in den Gefängnissen erließ. Diese Verordnung sieht Isolationshaft für politische Gefangene sowie eine Kontaktsperre für führende Persönlichkeiten verbotener Organisationen vor. Weiter wurde das Besuchsrecht für die Gefangenen in den 47 Sondergefängnissen (E-Typ) der Türkei eingeschränkt oder ganz abgeschafft. Diese Maßnahmen sowie die ständigen Überfälle, Folterungen und Ermordungen sind Hintergrund der Gefängnisrevolten. Zudem sind die Sondergefängnisse überfüllt: In Diyarbakir sitzen im Staatssicherheitsgefängnis über 1.000 Gefangene in Zellen, die für 600 eingerichtet sind.
Aufgrund der Proteste mußte der Vorsitzende der Sonderabteilung für Justizvollzugsanstalten des Justizministeriums, Zeki Güngör zurücktreten. Das Justizministerium sah sich gezwungen, die Forderung der Gefangenen des Istanbuler Ümraniye-Sondergefängnisses zu erfüllen und entließ den Gefängnisdirektor und den Vertreter der Staatsanwaltschaft für politische Gefangene des Gefängnisses. Daraufhin brachen die Gefangenen landesweit ihre Protestaktionen ab. Ob weitere Forderungen wie Verbesserung der Haftbedingungen und Haftentlassung der bei den Solidaritätsdemonstrationen Verhafteten erfüllt wurden, ist zur Zeit noch nicht bekannt.
In der Bundesrepublik wurden viele Protestdemonstrationen gegen die Morde von Istanbul von den Polizeibehörden verboten, Teilnehmer festgenommen oder die Proteste mit schikanösen Auflagen behindert. In mehreren Städten wurden Brandanschläge auf türkische Einrichtungen verübt. In Mainz besetzten 13 Leute aus Protest für 12 Stunden das Büro des türkischen Arbeitsattachés, eine Außenstelle des türkischen Generalkonsulats. Sie verließen das Gebäude, nachdem sie vor Journalisten die Forderungen der Gefangenen in den türkischen Gefängnissen verlesen hatten. Vor dem Gebäude wurden sie festgenommen. Nur eine Woche später, am 11. Januar, wurden sie vom Mainzer Amtsgericht im "beschleunigten Verfahren" wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu Haftstrafen zwischen sechs und zehn Monaten verurteilt. (rub, aus: Kurdistan-Rundbrief)
Steffen Tippach (PDS-MdB)
"Schon zu Beginn des neuen Jahres bestätigt sich der blutige Kurs, den das Europaparlament durch Zustimmung zur Zollunion mit der Türkei mitzuverantworten hat: drei politische Gefangene im Sondergefängnis Ümraniye/Istanbul wurden von diensthabenden Wärtern mit Eisenstangen und -ketten erschlagen. Viele andere wurden schwer verletzt, manche schweben noch in Lebensgefahr. Anwälte und Angehörige haben weder zu den Verletzten noch zu anderen Zugang. Die Gefangenen hatten sich lediglich für die Einhaltung des ihnen gesetzlich zustehenden Schutzes gegen Polizeiübergriffe eingesetzt. Drei von ihnen mußten das mit ihrem Leben bezahlen.
Die Beerdigung am 8.1.1996, an der viele hundert Menschen teilnehmen wollten, wurde von den Sicherheitskräften verhindert. Die Leichen wurden beschlagnahmt und an unbekanntem Ort vergraben, Hunderte von Menschen währenddessen in einem Fußballstadion interniert. Metin Göktepe, Journalist der Zeitung "Evrensel", wurde festgenommen, geschlagen und zur Polizeiwache gebracht. In der gleichen Nacht fand man ihn erschlagen in einem Park.
Die türkische Regierung, die derartiges duldet, macht einem despotischen, faschistischen Terrorregime alle Ehre. Es ist zynisch, angesichts solcher Morde davon zu sprechen, sie habe "Probleme bei
der Einhaltung von Menschenrechten". Bereits im September 1995 war es zur Ermordung von drei politischen Gefangenen im Gefängnis in Buca/Izmir gekommen. Eine Regierung, die solche Massaker zuläßt, muß geächtet werden. Mit einem "Sicherheitsapparat", der offensichtlich von der Gestapo seine Lektionen gelernt hat, kann es keine Zusammenarbeit geben. Menschen, die diesem Terror ausgesetzt sind, brauchen Schutz und Solidarität. Die Bundesregierung muß sich fragen lassen, wie sie gedenkt, ihre militärische und Ausbildungshilfe für den türkischen "Sicherheitsapparat" den Angehörigen der Toten zu erklären. Weitere Rückendeckung und Unterstützung der türkischen Regierung bedeutet Mittäterschaft an einem mörderischen System."
(Presseerklärung vom 19.1.96)
Europa-Vertreter von Evrensel
Der Journalist Metin Göktepe (28), ein Mitarbeiter unserer Hauptredaktion in Istanbul, wurde in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1996 von staatlichen Sicherheitskräften ermordet. Er war am 8. Januar von Polizisten festgenommen und abgeführt worden, als er von der Beerdigung der Todesopfer im Istanbuler Gefängnis berichten wollte. Nach Augenzeugenberichten wurde Göktepe während und nach seiner Festnahme von Polizisten brutal zusammengeschlagen, obwohl er sich als Journalist auswies.
Metin Göktepe wurde bei der Ausübung seines Berufes von Polizisten ermordet. Dieser Mord an ihm ist nicht der erste Mord an einem Journalisten in der Türkei. Dutzende von oppositionellen Journalisten haben in der Türkei bei der Ausübung ihres Berufes mit staatlichen Repressionen zu kämpfen. Nicht nur Zensur, sondern auch Festnahmen, Haftstrafen und sogar Morde gehören zu Instrumenten staatlicher Verfolgungspolitik.
24 Ausgaben unserer Zeitung, die seit dem 7. Juni 1995 erscheint, d.h. fast jede 8. Ausgabe, wurde von Gerichten konfisziert. Viele unserer Mitarbeiter, darunter auch Metin Göktepe, wurden festgenommen. Die Anzahl der gegen unsere Zeitung anhängigen Gerichtsverfahren mit Verbotsforderung beläuft sich auf über 30. Wir sind aber trotzdem entschlossen, auch weiterhin von der Unterdrückung, Folter, staatlichen gelenkten Morden und dem Kampf für Demokratie zu berichten ...
Mehmet Calli, Europa-Vertreter von Evrensel, 9.1.96
Italien
Seit Anfang 95 schreibe ich Catarina Spano, politische Gefangene aus dem Kollektiv "Wotta Sitta", Italien. Das sehe ich auch als den eigentlichen Grund für die Razzia, die am 9.11.95 bei mir gemacht wurde.
Ich bin seit Ende September mit einem Studi-Austauschprogramm in Pavia (bei Mailand) und wohne dort in einem StudentInnenwohnheim. In diesem Wohnheim fand auch die Razzia statt.
Am 9.11.95 um 9.00 Uhr morgens wurde ich durch heftiges Klopfen an der Tür geweckt. Als ich aufmachte, standen drei B., einer mit gezogener Waffe, vor der Tür bzw. Schon mitten im Zimmer. Sie sagten, sie hätten einen anonymen Anruf erhalten, daß ich Waffen in meinem Zimmer versteckt hätte. Das ist einer der Vorwände, der es den B. (D.I.G.O.S.) ermöglicht, eine Razzia ohne Durchsuchungsbefehl zu machen. Nachdem sie "sporadisch" unters Bett und in den Schrank geguckt hatten, wendeten sie sich sofort ihrem eigentlichen Interesse zu und machten sich über das Regal mit Ordnern und Büchern und den Altpapier-Stapel her.
Die Razzia dauerte etwa 45 Minuten. Ich konnte meine Zimmernachbarin dazuholen, die dann auch mit auf die Wache kam, wo ich noch einmal ca. 3 Stunden festgehalten wurde, bis die B. die mitgenommenen Papiere "aussortiert" hatten. Am Ende wurden insgesamt 14 Hefte und Broschüren beschlagnahmt und ein Ermittlungsverfahren wegen Besitzes "illegaler Schriften" eingeleitet.
Hauptsächlich wurden mehrere Ausgaben der Reihe "texte" (Dokumentation von Texten und Diskussionen der italienischen politischen Gefangenen) der Gruppe 2 und Zusammenstellungen mit Texten der politischen Gefangenen aus AD (Frankreich) beschlagnahmt, aber auch einige Broschüren zur allgemeinen politischen Entwicklung in Italien sowie das Heft "Jeder Tag ist der 25. April".
Das ganze Manöver ist offensichtlich eine Reaktion auf meine Diskussion mit Catarina und mein Interesse an der politischen Entwicklung in Italien. Ein Einschüchterungsversuch, der auf die Auseinandersetzung/Solidarität mit den politischen Gefangenen zielt. Auch wenn die Methoden in den verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich sind, geht es ihnen doch immer um dasselbe Ziel, die Gefangenen zu isolieren, die Auseinandersetzung mit ihnen zu erschweren und zu kriminalisieren.
(Achim, Wuppertal)
Das Ernie-Lotches-Verteidigungskomitee veröffentlichte den folgenden Aufruf zur Solidarität:
An die Menschen aller Nationen:
Ernie Lotches ist ein Mitglied der Klamath-Modoc Indian Nation, welcher gegenwärtig in Oregon im Todestrakt sitzt. In seinem Verfahren, wo sich offenkundig die Ungerechtigkeit durchsetzte, wurde Ernie Lotches fälschlicherweise einer Tötung überführt.
Die Modoc-Menschen sind bekannt für ihre mutige Standhaftigkeit in der Verteidigung ihres Landes gegen US-Soldaten im Jahre 1972-73. Kapitän Jack's Gruppe von 53 Kriegern und ihren Familien - Frauen, Kinder und Alte - hielten die Regierungstruppen, die in Kriegsstärke und Waffen großartig ausgerüstet waren, für 180 Tage in dem Lavabett von Nord California, bis zu ihrer endgültigen Gefangennahme, auf. Kapitän Jack wurde durch die Regierungsautorität ein lächerliches Verfahren geboten, und er wurde am 3. Oktober 1973 exekutiert. Seine Leute wurden von Oregon nach Oklahoma verbannt.
Ernies Geschichte und die Umstände seines Verfahrens markieren gerade ein anderes Kapitel in den fortgesetzten Angriffen und Genoziden an indigenen Menschen. Wir fragen gerade nach Unterstützung der Menschen aller Nationen, ob native oder nicht-native, daß diese Geschichte ein gewaltig anderes Ende haben wird als Ernies mutiger Vorgänger Kapitän Jack.
Die Umstände, welche Ernie zum Tode erklärten, sind diese:
Am 22. August 1992, beim Warten, die Straße in der Innenstadt von Portland zu überqueren, näherte sich Ernie ein staatlicher, für das Gebiet zuständiger Sicherheitsbeamter ..., welche Ernie zu einer heftigen Auseinandersetzung provozierte. Ernie wurde von ihm in die Situation gebracht, keine andere Alternative zu haben, als die Pistolenschüsse, die auf ihn abgegeben wurden, zu erwidern. Er schoß nur, um sein Leben zu verteidigen, nachdem der Beamte wiederholt zuerst auf ihn gefeuert hatte.
Alle Beweise, eingeschlossen die Aussagen der Augenzeugen, die geprüft haben, daß Ernie nur in Selbstverteidigung schoß, wurden von dem Gerichtsvorsitzenden in seinem Verfahren unterdrückt. Hinzuzufügen ist, Beweise, die die Inkompetenz des Sicherheitsbeamten hätten zeigen können, seine Vorliebe für gewalttätige Konfrontationen und sein Mangel an Training mit der Waffe, die er trug, wurden auch unterdrückt. Der Gerichtsvorwitzende wurde schon 1975 im Fall von Dennis Banks und Kenny Loud Hawk in Portland, Oregon, für seine erwiesenen anti-indigenen Gefühle vermerkt.
Mitglieder von ethnischen Minderheiten wurden allesamt vom Gericht ausgeschlossen, und rassistische Befangenheit war das vorherrschende Thema während des ganzen Verfahrens. Der rassistische Fanatismus und die Voreingenommenheit, die jetzt das ganze Oregoner Justizsystem durchdringt, wurde chronisch in dem "Bericht über das höchste Oregoner Gericht Sonderdezernat für rassistische und ethnische Angelegenheiten im Justizsystem", initiiert von dem im Ruhestand lebenden höchsten Richter, Edwin J. Peterson, aufgeführt.
Ernie ist jetzt seit über zwei Jahren im Todestrakt, eingesperrt in eine 7 mal 9 Fuß große Zelle, für 23 Stunden und 20 Minuten für jeden Tag seines Lebens. Es ist ihm nicht erlaubt, die spirituellen Zeremonien seiner Leute - das Schwitzen, einen Medizinball, Salbei, oder Zeder zum Einräuchern - wahrzunehmen. Es ist ihm nur erlaubt, eine Pfeife zu haben, die ihm gebracht wird, wenn es möglich ist, und die er zurückgeben muß. Es ist ihm nie erlaubt, die Erde zu berühren oder die lebenden Dinge der Erde, aus denen die native Menschen ihre Lebenskraft ziehen.
Ernies Fall ist am Anfang des direkten Instanzenweges beim Obersten Oregoner Gericht. Wir fragen nach Unterstützung der Menschen aller Nationen, ein vollständiges Ermittlungsverfahren zu verlangen und zu verfolgen und die Diskriminierung lächerlich zu machen, welche ihn zum Tode verurteilt hat.
Wir brauchen Menschen, die uns zur Hand gehen, die Wahrheit bekanntzumachen. Wir brauchen Leute, die Flugblätter verteilen, Aufrufe, so daß Ernies Geschichte erzählt wird, national und international. Wir brauchen unterstützende Resolutionen von allen Gruppen, die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen. Wir brauchen die Geschenke aller begabten Menschen aller Nationen. Wir brauchen Leute, welche Solikonzerte und finanzielle Unterstützung für Ernies Verteidigungskosten organisieren, genausogut wie individuelle Gelder von denen, die's können. Wir brauchen ein legales Verteidigungsteam, welches den Weg der indigenen Menschen und den Krieg, der gegen sie und ihren Weg zu leben geführt wird, seit ihrem ersten Kontakt mit den Europäern vor 500 Jahren, ein Krieg, der fortgeführt wird von denen, die heute die Position der Macht innehaben, versteht.
Wir würden gerne danach rufen, das Recht der US-Regierung in Frage zu stellen, ein Mitglied der souveränen indigenen Nation zu exekutieren.
Um diesen Kampf zu unterstützen, nimm Kontakt mit Ernie Lotches Verteidigungskomitee auf.
Mitakuye Oyasin
Schreibt oder ruft an:
Office of the Governor,
254 State Capitol
Salem, OR 97310
(503)378-3111
Spenden an:
Ernie Lotches Defense Fund
P.O. Box 3022
Salem, OR 97302
Solidaritätsbriefe an:
Ernie Lotches, #3649258
Oregon State Penitentiary
2605 State St.
Salem, OR 97310
Die Kampagne Tawfik Ben Ahmed Chaovali hat Ende des letzten Jahres eine kleine Broschüre herausgegeben:
Ein palästinensischer Gefangener in Österreich
Tawfik Ben Ahmed Chaovali ist ein politischer Gefangener aus dem palästinensischen Widerstand. Seit über 10 Jahren sitzt er in österreichischen Kernkern, unter schwersten Bedingungen, gefangen. Nach einem gescheiterten Fluchtversucht werden seine Haftbedingungen enorm verschärft, er wird von der Außenwelt praktisch abgeschnitten. Nach einem Hungerstreik formiert sich eine Kampagne, um die Solidarität mit politischen Gefangenen an seinem Beispiel konkret werden zu lassen. Das eisige Schweigen, das über 10 Jahre währte, wird somit durchbrochen. Die Ziele der Kampagne: endlich normale Haftbedingungen, freies Besuchsrecht, Überstellung von den Sonderhaftbedingungen in den sog. "Normalvollzug". Diese Forderungen können jedoch nur eine Zwischenlösung sein: die Freiheit für ihn wie für alle politischen Gefangenen muß durchgesetzt werden.
Die Broschüre enthält Redebeiträge einer Veranstaltung und einer Demonstration.Sie kann bestellt werden bei:
Kampagne Tawfik Ben Ahmed Chaovali
Stiftgasse 8,
A-1070 Wien, Österreich.
Kurz vor Drucklegung erreichte uns noch die folgende Meldung:
Seit dem 15.1.1996 ist das Kollektiv der baskischen politischen Gefangenen im unbefristeten Hungerstreik. Die Forderung dieses Kampfes ist die Zusammenlegung aller baskischen Gefangenen in die Gefängnisse des Baskenlandes.
Zur Zeit befinden sich etwa 100 Menschen aus dem Kollektiv von 600 Gefangenen in einem 15tägigen Hungerstreik. Alle 15 Tage wird eine neue Gruppe von Gefangenen den Streik weiterführen. Dies soll fortgesetzt werden, bis die Forderungen erfüllt sind.
Nicht nur innerhalb der Gefängnisse, sondern auch draußen streiken Angehörige und Freunde der Gefangenen. Diese begannen am 23.12.95 in einer Kirche in Donostia mit einer Gruppe von 15 UnterstützerInnen, die sich dann wöchentlich abwechseln.
Teil dieses Kampfes war auch eine Großdemonstration für die Zusammenlegung am 31.12.95 mit 40000 Menschen in Bilbao.