ERST MAULKORB, DANN HANDFESSEL

Den folgenden Artikel haben wir, weil wir ihn richtig und wichtig finden aus der "Einsatz" vom November '97 geklaut. Schönen Dank auch!

 Die deutsche Justiz gebärdet sich mehr und mehr als Handlanger von Fujimoris Terrorregime in Peru. Während Bestrebungen laufen, das politische Betätigungs- und Redeverbot für den Europasprecher der MRTA, Isaac Velasco, amtlich zu machen, soll nach dem Willen der Hamburger Staatsanwaltschaft in Zukunft nicht einmal mehr solidarisch über den Widerstand der MRTA berichtet werden dürfen. Anfang Oktober 1997 leitete sie ein Ermittlungsverfahren gegen die Herausgeberin des Angehörigen Infos[1], Christiane Schneider, wegen "Billigung von Straftaten" (§ 140 Nr. 2, StGB) ein. Grund ist die Nr. 193 des Angehörigen- Infos, in der u.a. ein Kommunique der MRTA und ein Interview mit Norma Velasco abgedruckt wurde.
Nach der Verhängung des Maulkorbs gegen Isaac Velasco hatte dessen Anwalt geäußert, daß es nur noch ein winziger Schritt sei der Presse zu verbieten, zu schreiben, was Velasco sage. Dieser Schritt ist nun vollzogen worden. Aber dieses Verfahren richtet sich nicht nur gegen die Solidaritätsarbeit für die MRTA im allgemeinen, sondern auch gegen das Angehörigen- Info. Immer wieder ist versucht worden, der Publikation durch Kriminalisierung und Kleinverfahren ein Ende zu setzten, bislang ohne Erfolg. Ein Musterbeispiel der rechtsstaatlichen Absurdität ist auch diesmal geliefert: Nicht der Nachrichtensender CNN, der Spiegel oder sonst ein bürgerliches Medium, das Äußerungen von Velasco oder Erklärungen der MRTA verbreitete, wird verfolgt, sondern eine linke Publikation.
Aus dokumentarischen Zwecken ist hier das Kommunique und das Interview noch einmal abgedruckt.

 "Wir fürchten um ihr Leben"
Norma Velázco und Felicitas Cartolini als Vertreterinnen von Angehörigen der "Revolutionären Bewegung Tupac Amaru" (MRTA, s. Blow Up Nr. 17) sowie Hebe Bonafini, Sprecherin der argentinischen "Mütter von der Plaza de Mayo" machten jüngst in Berlin auf eine akute Gefahr für gefangene MRTA Mitglieder in Peru aufmerksam.

? Die Besetzer der Botschafterresidenz in Lima hatten vorallem die Freilassung der über 400 gefangenen MRTA- Mitglieder gefordert. Wie hat sich deren Situation nach der Stürmung der Residenz am 22. April verändert?

 Felicitas Cartolini: Seit die Residenz des japanischen Botschafters in Lima im Dezember von einem MRTA besetzt worden war, verweigerte die Regierung jeglichen Kontakt mit gefangenen MRTA- Mitgliedern. Auch nach der gewaltsamen Räumung der Residenz wurden weder Ärzte noch Vertreter des Roten Kreuzes, Repräsentanten der Kirche oder Familienangehörige zu ihnen gelassen. Dabei bedürfen einige dringend medizinische Hilfe. Wir wissen, daß die Gefangenen jetzt in ein Hochsicherheitsgefängnis nach Challapalca - 5120 Meter über dem Meeresspiegel - verlegt werden sollen. Die Haftbedingungen sind dort so grausam, daß wir den Tod unser Angehörigen befürchten müssen.

 ? Können Sie bestätigen, daß Mitglieder des MRTA- Kommandos nach der Stürmung der Residenz regelrecht exekutiert wurden?

 Felicitas Cartolini: Einige Geiseln haben ausgesagt, daß zwei oder drei Besetzer von Elitesoldaten hingerichtet wurden. In Peru nimmt die Armee keine Guerilleros gefangen, sondern exekutiert sie. So war es schon 1989 in Molinos, als 53 Guerilleros und 20 Campesinos hingerichtet wurden. Wir fordern von den Kirchen und der UNO, daß sie sich für die Aufklärung der Umstände des Massakers einsetzen. Die MRTA hat das Leben der Geiseln während der Besetzung respektiert und sich an die Genfer Konventionen gehalten. Das demonstriert den moralischen Unterschied zwischen der mörderischen Diktatur Fujimoris und der MRTA als Befreiungsbewegun.
 
 

? Haben die "Mütter von der Plaza de Mayo" versucht, das Blutbad in Peru zu verhindern ?

 Hebe de Bonafini: Während der Besetzung haben wir uns zwölf Tage lang in Lima aufgehalten. Zweimal täglich haben wir uns bei Präsident Fujimori als Vermittlerinnen angeboten. Wir stießen allerdings nur auf kaltes Schweigen. Während der ganzen Zeit fühlten wir uns durch peruanische Polizeikräfte bedroht und verfolgt. Jetzt wollen wir eine Millionen Unterschriften gegen die Verlegung der Gefangenen nach Challapalca sammeln. Unsere Solidarität als Mütter der Verschwundenen in Argentinien, die wir seit 20 Jahren gegen staatlichen Terrorismus kämpfen, gilt den peruanischen Müttern, die sich dem Fujimori-Regime widersetzen. Niemand kann uns verbieten, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren.

 ? Genau das versuchte aber die deutsche Bundesregierung, indem sie Maria Fernández Rojas, Mutter eines ermordeten MRTA- Mitglieds, die Einreise verweigerte. Welche Erfahrungen haben Sie mit deutschen Behörden gemacht ?

 Norma Velázco: Das Auswärtige Amt verweigerte Maria Fernández Rojas die Einreise mit der Begründung, ihr Besuch belaste die deutsch-peruanischen Beziehungen. Daraufhin sagte auch der Unterausschuß für Menschenrechte des Bundestages einen vereinbarten Termin ab. Als wir in Bonn demonstrierten, wurden wir von Sicherheitskräften mehrfach körperlich bedroht und abgewisen.

 ? Welche Hintergründe hat das demonstrative Desintresse der Bundesregierung an den Menschenrechten in Peru ?

 Hebe de Bonafini: Wir haben und bereits mehrfach in der Bundesrepublik aufgehalten, aber die Bundesregierung hat sich einem Gespräch stets verweigert. Sie spricht viel von Frieden, liefert aber permanent Waffen an die Regierung, die damit die Völker unterdrücken. Es ist überdeutlich, wo die Prioitäten der Bundesregierung liegen: Bei den wirtschaftlichen Interessen, nicht bei den Menschenrechten.

 ? Welche Aktionen planen Sie, um die Rechte der MRTA- Gefangenen in Peru zu wahren ?

 Felicitas Cartolini: Wir werden bei den Vereinten Nationen in Genf ein Dokument einreichen, das die Situation in Peru dokumentiert und zum handeln auffordert. Auch in Peru existieren bereits Menschenrechtsgruppen, die vielfältige Aktivitäten unternehmen. Der nächste Schritt soll sein, eine Organisation nach dem Vorbild der argentinischen "Mütter von der Plaza de Mayo" zu gründen.

 Quelle: Neues Deutschland, 18.6.97

 Komitee der Familienangehörigen der politischen Gefangenen in Peru

 An die nationale und internationale Öffentlichkeit
An die Nicht-Regierungsorganisationen
An die internationale Presse
An die Regierungen
An die Völker der Welt

 Die Familienangehörigen der politischen Gefangenen in Peru klagen die grausamen, entwürdigende und unmenschliche Behandlung der Gefangenen durch die Regierung Fujimoris an. Nach der totalen Inkommunikation mit den Gefangenen innerhalb der letzten 6 Monate steht nun eine Verlegung in das Hochsicherheitsgefängnis Challapalca an, was die Grausamkeit noch unterstreicht. Das Gefängnis liegt 5120 Meter über dem Meeresspiegel. In diesem Breitengrad und der Höhe ist ein Überleben menschlicher Wesen praktisch unmöglich, was einem Todesurteil gleichkommt und einem Mord an unseren Familienangehörigen bedeutet. Wir als Mütter, Schwestern und Familienangehörige fordern die Solidarität von Männern und Frauen, die die Menschenrechte verteidigen, um gemeinsam zu verhindern, daß diese Verlegung durchführt wird, die die Auslöschung der politischen Gefangenen bedeutet. Keiner Mutter und keinem Familienangehörigen sollte es je verwehrt sein, die Verbrechen an seinen Kindern anzuklagen. Felicitas Cartolini, verwitwete Cerpa, Vertreterin des Komitees der Familienangehörigen