Leider Xmal verarscht
Göttingen/Ahaus. Dank der 30.000 Polizisten und einer rosa-grünen Verarschungsstrategie sind die sechs Castorbehälter einigermaßen „sicher" in Ahaus angekommen. Sicherlich war der 20. März ’98 kein rosiger Tag für den Anti-Atom-Widerstand, wohl aber für das angekratzte Image von der rosa-grünen Regierungsfähigkeit. Denn Deutschlands einziger grüner Polizeipräsident Wimber und der sozialdemokratische NRW-Innenminister, Kniola, haben unter Beweis gestellt, daß sie im Lehrbuch des Kapitalismus soviel gelernt haben, daß sie gemeinsam einen Castortransport unspektakulär und ohne große öffentliche Kritik ins Ziel bringen können. Ihre Strategie war sogar besser als die von Niedersachsens „Knüppel aus dem Sack"-Glogowski, auch Kanther könnte sich von dieser Lehrstunde in Widerstands- und Volksverarschung noch eine Scheibe abschneiden. Einzig positives Signal des Anti-Atom-Widerstandes war, daß trotz so kurzfristiger Mobilisierungszeit fast 10.000 Atom-GegnerInnen nach Ahaus kamen und zum regulären Abfahrtstermin wohl wirklich das angestrebte „zweite Gorleben" vollbracht gewesen wäre.
Die Bürgerinitiative ist im festen Glauben an den Rechtsstaat in so ziemlich jede Falle reingelaufen, die ihr gestellt wurde. Dazu ist natürlich vor allen Dingen der vorgezogene Transporttermin zu zählen, der zwar nicht zu erwarten war, aber mit dem zumindest hätte gerechnet werden müssen. Ein nicht verzeihbarer Fehler ist es aber Verhandlungen mit der Polizei zu führen und zu glauben, diese würde sich auf jeden Fall an die Vereinbarungen halten. Bis zuletzt hatte dadurch die Staatsmacht Einblick in die Widerstandsstrategien und konnte so treffend gegen unvorbereitete Widerstandscamps vorgehen. Weiterer Kritikpunkt ist das offensichtliche Verlassen auf die angekündigte „Deeskalationsstrategie" der Polizei. Bei 30.000 Polizisten und einem Transport der unbedingt und möglichst schnell sein Ziel erreichen soll, kann sich jeder einigermaßen politisch denkende Mensch ausrechnen, daß „Deeskalation" nur ein Wort für ein gutes Image in der Presse ist. Die Polizei wird entweder aus politischen Gründen zur „Deeskalation" gezwungen oder sie muß „deeskalieren", weil sie sonst eine entsprechende Gegenwehr erhält. Von einer entsprechenden Gegenwehr war leider nicht viel zu hören. Eine „Deeskalation" aus politischen Gründen war allerdings auch auf keinen Fall zu erwarten, das beweist Gorleben, wo viel mehr Presse und Öffentlichkeit interessiert war, das beweist aber auch die gezielte Hetzkampagne gegen „autonome Gewalttäter" im Vorfeld, sozusagen als präventive Legitimation für Knüppelorgien und Wasserwerfer. Letztendlich ist es der Polizei sogar gelungen, brutale Einsätze als „Ausrutscher einzelner Einheiten" zu verkaufen, da sie viele Seiten ihres gewaltsamen Vorgehens verbergen konnte. Bleibt zu hoffen, daß entsprechende Schlüsse im Anti-Atom-Widerstand gezogen werden.
Trotz des nicht so erfolgreichen Auftakts in Ahaus, steht am Ende das Ergebnis, daß Ahaus keine echte, billigere Alternative sein wird. Schade, daß es trotz der hunderten von Festnahmen und zig Verletzten von Ahaus, keine Antwort in Münster gegeben hat, die noch einmal gezeigt hätte, daß der Anti-Atom-Widerstand nicht alles hinnimmt.
In Göttingen wurde zeitgleich ein gute Tradition fortgesetzt. So demonstrierten bereits am 19. März ’98 rund 200 Menschen gegen den Castortransport. Da sich die ersten Reihen vermummt hatten, ging die Polizei mehrfach mit Schlagstöcken gegen die Demospitze vor. Am Tag X selbst folgten ca. 300 SchülerInnen dem Aufruf von Antifa Jugend Aktion (AJA), Antifa Jugendfront (AJF), Roter Jugend und Antifa Jugend Northeim. Im Gegensatz zum letzten Jahr hielt sich die Polizei etwas zurück, d.h. sie knüppelte diesmal nicht in die Demo, um mehrere SchülerInnen zu verletzten.