Die Kritik
Anhaltspunkte der Kritik der beatagentur am Hate-Parade-Aufruf
sind:
Der Schluß: Linke Kulturkritik nähert sich
rechter Ideologie. Im Titel werfen die beatagentur-Leute den
Hate-Parade-VertreterInnen auch noch Verkrampftheit vor, was darauf
hinweist, daß die beatagentur - wie unser Bundespräsident
für 'Unverkrampftheit' plädiert.
Subversion?
Meine Kritik an dieser Kritik richtet sich selbstverständlich
nicht gegen die Schlauheit der auf den Höhenkämmen der
aktuellen Kultur surfenden beatagentur-Leute. Sie richtet sich
dagegen, daß die GenossInnen es sich verflucht leicht machen,
indem sie die von ihnen angetippten schlauen Ciedanken nicht zuende
denken. Ihr Standpunkt, obwohl mit aufgeblasenen Backen vorgetragen,
ist nämlich um keinen Deut weniger hilflos als der der
Hate-Parade-InitiatorInnen: Wer die kapitalistische Formbestimmtheit
eines ansonsten 'reinen' Inhalts Kultur, hier Techno, kritisiert, und
wer glaubt, diesen Dealt protestierend zurückgewinnen zu
können, ohne sich dabei Rechenschaft über den Inhalt dieses
Inhalts abzulegen, nämlich darüber, was Techno denn an
Befreiungspotential zu bieten hätte, der muß scheitern.
Daß Techno - wie Himbeereis und Sex - Lust verursacht, ist noch
kein subversiver Dealt. Auch daß Techno - wie Bommerlunder -
Rausch verursachen kann, steht noch nicht für Subversion. Also,
was reklamieren die beatagentur-Leute eigentlich im Namen welcher
Perspektive, wenn sie Techno vor den gegenkulturellen
Technokritikerhuien verteidigen? Und wieso verkrampfen sie sich
eigentlich so sehr angesichts des kleinen Wörtchens
"Haß'"? Als ich am Samstag die Fernseh-Feier des
gratis-Sexismus von umsonst und draußen präsentierten
Ärschen und Brüsten und wieder Ärschen und wieder
Brüsten und gelegentlich mal einem dekorativen Schwanz gesehen
habe, da hab' ich schon so etwas in dieser Art
empfunden.
Subversion!
Würde Techno die Assoziation der Verschieden- und Andersartige
befördern, hätte Techno auch subversive Kraft. Würde
Techno eine Art von Lust gewähren, die tatsächlich die
Grenzen berührte, mit denen im heutigen, ultramodernen
Kapitalismus säuberlich die Einschließung der Jungen,
Schönen, Leistungsbereiten, Verwertbaren und die
Ausschließung der Fremden, der Alten, Schwachen, Kranken,
derer, die nicht 'unverkrampft' sind, organisiert wird, ja dann
...
Politik der Gleichschaltung
Es wäre ja auch alles gar nicht so ärgerlich, wenn Techno
nicht 'politisch' daherkäme. Wenn die jungen RaverInnen sich
einfach auf der gleichen Ebene wie die sonstigen KonsumentInnen von
Pop schlicht amüsieren würden. Dann wäre Techno
einfach eine weitere Form von Konsum, wie das Rauchen und Berliner
Weiße Trinken, in die Badeanstalt gehen, etc. Kein Problem!
Auch dies geschieht massenhaft, und niemand, auch nicht 'die Linke'
regt sich eigens darüber auf. Das Problematische, das
Widerliche, das Unverdauliche an dieser "Bewegung" ist aber
für mich, daß sie sich als 'politisch' darstellt,
daß sie behauptet, den öffentlichen Raum als
öffentlichen Raum mit Öffentlichkeit zu erfüllen. Was
soll das für eine 'politische' 'Öffentlichkeit' sein, die
ohne Vermittlung, ohne Auseinandersetzung, nur durch einen zentral
durchgerechneten Beat gesteuert eine Verschmelzung ("love")
in Aussicht stellt, die jede anstrengende Aufmerksamkeit
gegenüber den konkreten Anderen überflüssig zu machen
verspricht? Sie artikuliert sich in paramilitärischer Sprache
("Parade" - selbst der rheinische Karneval hält keine
'Paraden' ab, sondern "Umzüge") und soll im
nächsten Jahr auf allen fünf Kontinenten stattfinden. Ein
Beitrag zur Monokulturalisierung dieses Planeten. Die der Love-Parade
eher günstig gestimmte TAZ zitiert eine junge Frau mit der
Äußerung:,paß es um nichts geht, ist eigentlich das
Politische." Na herzlichen Glückwunsch! Das ist dann im
wahrsten Sinn des Wortes eine wenn auch hübsch bunte -
gleichgeschaltete Öffentlichkeit. Ein großes Come-together
von lauter Monaden, die sich wechselseitig als Verstärker
benutzen, dabei aber überhaupt nichts miteinander machen: keine
Auseinandersetzung, kein Streit, keine Frage, kein Gegenstand. Die
Love-Parade ist das für den neoliberalen Kapitalismus
vollständig passende 'Opium' des jüngeren Teils 'des
Volkes'.
Surrogat für Befreiung und Assoziation. Wenn Ihr,
beatagentur-Leute, einen Kampf um kulturelle Hegemonie führen
wollt, dann müßt Ihr Euch erst mal fragen, für was
denn Eurer Meinung nach wer diese Hegemonie erlangen sollte. Kurz:
Ihr solltet Euch fragen, was eigentlich, außer unverkrampft und
cool-Sein, Ihr wollt!
Giulietta
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