Wenn ich hier tanzen darf, ist das meine "RAVEOLUTION"
++++++ Euphorische Anmerkungen zur Hate-Parade ++++++
Nun sind sie vorbei, die Love- und Hate-Parades des 12. Juli, und
auch in den linken WGs, die zähneknirschend Party-Besuch aus
anderen Städten bei sich duldeten, geht der geruhsame
Szene-Alltag der Sommerpause weiter. Nur zum Interim-Holen alle zwei
Wochen wird noch ins Ex gegangen, ist ja sowieso tagsüber immer
dicht.
Diejenigen, die sich am 12. Juli nicht mit einem Stapel
Quetschenpaua-Kassetten verbarrikadiert haben, sondern - dem alten
Motto treu geblieben - und "Raus auf die Straße' sind,
konnten sich sowohl von dem emanzipatorischen Gehalts des
unverkrampften Originals an der Siegessäule als auch von der
alternativen Kopie im In-Kiez von Berlin-Mitte überzeugen. Aber
was machen die, die nicht da waren? Z.B. B.Z. lesen, da hat
kulturpessimist in vielen bunten Bildern und Schüttelreimen
erfahren können, was los war in der Hauptstadt der
Jugend-Bewegung. Alle anderen lesen Interim.
Im Vorfeld war viel geschrieben worden. Die großmäuligen
Ankündigungen von Punks (Chaos-Tage in Berlin) und Autonomen
(gezielte Angriffe auf ...?) zur Love-Parade fielen
erwartungsgemäß ins Wasser, weshalb die Berliner Polizei
auch nur mit knapp über 1000 Bullen präsent war. Sie sind
folgerichtig nicht der Rede wert. Plädoyiert wurde aber auch
für eine Teilnahme an der Hate-Parade des DJ Trauma XP, um den
.Kampf um kulturelle Hegemonie" emstzunehmen. Dafür wurden
viele schlaue Argumente gefunden, und die klangen dann in zumindest
meinen Ohren gar nicht so stumpf und dumpf, wie das Techno-Wummem
sonst immer geklungen hatte. Die Musik ist gut, aber die Autonomen
noch nicht so weit? Nein, spätestens seit radical rave hat sich
das Wissen, das Techno nicht "an sich" böse ist, dumm
macht, usw. auch bei uns herumgesprochen - trotz Tod und Mordschlag.
So machten sich die undogmatischen Autonomen also auf den
beschwerlichen Weg von Ravenix nach Ravewatt und die meisten hatten
schon bei der Wahl einer anlaßangemessenen Kleidung große
Probleme. Hate-Parade ohne Haßkappe? Das leuchtete noch ein,
aber so ganz ohne schwarzes T-Shirt wollten viele dann doch nicht
"raven". So ging Durchschnittsautonömchen also zum
ersten Mal im Leben auf ein Techno-Spektakel ... und blieb skeptisch.
Aber die Hoffnung auf ein bißchen kulturelle Hegemonie l
Randale / Szenetratsch (Nichtszutreffendes bitte streichen) hatte
sich schnell in Beats aufgelöst. Denn schon bei den ersten
Metern vor dem Bunker leitete der erste Redebeitrag mit einem
postmodemen (?) "Hallo Ihr Schwanzlutscher!' zum ersten
Techno-Inferno über. Bis zum Schluß der Parade blieb dann
Zeit, sich über dieses Statement Gedanken zu machen. War das
eine Bemerkung "gegen die Kommerzialisierung von Techno"?
Oder gegen die "Schließung des Bunkers?" Auch die
hoffnungslos besoffenen Punks, die sich während der Hate-Parade
mottogerecht gegenseitig auf die Fresse hauten, halfen da nicht
weiter. Chaostage, na klar.
Auf dem Weg durch das Scheunenviertel, gegen dessen Ausverkauf
getanzt werden sollte, gesellten sich Schaulustige und andere
unverkrampfte Ausverkäuferlnnen dazu, und so kam es zu einer
echten Premiere: der nicht mal besonders laut skandierte Spruch
"Leute laßt das Glotzen sein" zog besonders am
Schluß der Veranstaltung zusehends Interesse an. Dort tanzten
ausgelassene junge Leute zu dem Slogan "Fuck Commertial
Love" und bekamen immer wieder Szene(n)-Applaus. An den
Hackeschen Höfen kamen wir auch vorbei. Da sagte jemand aus den
Lautsprechern: "Leute, macht keinen Streß, bleibt
friedlich." Das wußten wir doch selber, schließlich
haben wir am 1. Mai dort auch nur einen (dafür aber echt
wütenden) Redebeitrag gehalten.
Bis zum Alexanderplatz kam es zu einer regelrechten Symbiose mit
denjenigen Raverlnnen, die die Love-Parade aus unerfindlichen
Gründen bei McDonalds vermuteten - und der Erfolg war zum
Greifen nahe: endlich mal war die Linke nicht isoliert, sondern Teil
einer großen, glücklichen Bewegung, die auch noch zu
unseren Beats tanzte. Underground und Oberfläche fielen dort
zusammen in ein großes schwarzes Wahmehmungsloch, denn im
Tohuwabohu des dortigen Kulturoptimismus habe ich den Überblick
verloren, wer wo wie was gerade gegenkulturiert. Das fand ich etwas
schade, wo doch alles so vielversprechend angefangen hatte.
Ich bin dann nach Hause gegangen und habe doch noch Quetschenpaua
gehört. Macht ja nichts, nächstes Jahr ist ja auch noch ein
Jahr, um mittels Techno den Verhältnissen die eigene Melodie
vorzuspielen, um sie zum Tanzen zu bringen.
post modernum: Die Idee ist gut, aber die Welt schon viel weiter.
Jedenfalls fällt mir - als jemand, der
eigentlich nicht jedes platte Anti-Techno-Klischee dreschen wollte -
nach diesem 12. Juli nichts irgendwie
konstruktives mehr ein, als es einfach sein zu lassen.
Gabba the Hut
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