GESTERN - HEUTE - MORGEN UND HOFFENTLICH AUCH NOCH ÜBERMORGEN!

Eine Reaktion auf Urmel (Ready or not?; Interim 415, Swing 2./3. 97 ) und Wawa der Waran (Nie fertig, stets bereit; Interim 427)

"Eigentlich müßten wir alle. die sich als "radikale und/oder revolutionäre Linke/r" verstehen, auf derartige Situationen vorbereitet und in der Loge sein, damit umzugehen" (gemeint ist Flucht etc.) Urmel in Interim 415

Vom Anspruch ist, wie Urmel schon in seinem Text sagt, diese Aussage absolut richtig. Und ich hoffe mit meinem Beitrag, mit dazu beizutragen, dass dieses immens wichtige Thema, wieder zum allgemeinen, also alle betreffenden Thema wird.

Das durch die beiden Reaktionen auf den Artikel in der radikal (11/95; Von der Bürde und Würde des Exils)sich wieder mehr Menschen ernsthafte Gedanken machen und diese auch zur Diskussion stellen - ein Aufruf also an alle, sich an der Diskussion zu beteiligen! Es wäre nämlich eine Illusion, zu glauben, das militanter Widerstand aufgehört hat zu exestieren.

In manchen Regionen der BRD erfährt er gerade jetzt erst sein richtiges Auftauchen und, von den in der Vergangenheit begangenen Fehlern, Lernendes.

Wer also nicht aufgehört hat ernsthaft an Veränderung zu glauben, für den/die bleibt Militanz eine aktuelle Sache. die, wenn auch nicht unbedingt heute, so doch für die Zukunft ihren Ausdruck finden kann, demnach also im Hintertürchen aufrechterhalten werden muß.

Es darf nicht angehen, das sich militante Strukturen auflösen, nur weil sie sich angeblich nicht dem aktuellen Zeitgeschehen anpassen lassen, wie immer so schön und entschuldigend daher gesagt wird. Vielmehr geht es gerade in der heutigen Zeit darum. diese Strukturen aufrecht zu erhalten. im realen. also nicht abgehobenen Wechselverhältnis ab und an eine Aktion zu machen, um den Prozess des miltanten Wiederaufbaus zu fördern (Liebe Grüße nach Tübingen!).

Und genau deshalb ist es wichtig, zu diskutieren und zwar sehr tiefgehend, um vieles vielleicht Vernachlässigtes der Vergangenheit im Umgang mit Flucht, "Exil", den Freundlnnenkreis und miltanten Widerstand nachzuholen und für die Zukunft zu verbessern. Und deshalb beginne ich mit einigen Sachen, die mir gerade an Urmels Text aufgefallen sind.

Du sagst auf S.13 der Interim 415 "Aus obigen Gründen finde ich den Satz der Gruppe wider den Knick:"es gab und gibt immer bessere Lösungen als sich zu stellen", in der Absolutheit auch nicht richtig". Damit stimme ich mit Dir überein. Nur finde ich Dein kommendes Bsp. nicht unbedingt richtig. Du gehst auf eine Beziehung mit Kind ein, merkst dabei an, das es wichtiger sein kann für diese Menschen da zu sein. Worum aber glaubst Du, daß dies nicht im Ausland möglich ist ? Ich glaube das es durchaus im "Exil" bessere Bedingungen geben kann - nicht geben muß. Und das ist meiner Meinung nach eine Frage der vorherigen Vorbereitung. Für den/die total Überumpelte/n ist es sicher schwierig eine Beziehung nach panikartiger Flucht aufrechtzuhalten, zumindest für die erste Zeit.

Ist es aber schon im Vorhinein geregelt worden und genauesten ausdiskutiert, wie Flucht ablaufen kann, in welchen Verhältnissen mensch Leben wird, können sich alle darauf einstellen und die Flucht wird nicht mehr zu einer "Entweder oder Entscheidung". Deshalb hier auch noch einmal für alle: Diskutiert mit euren Freundlnnen, Bekannten etc. das Thema Flucht, denkt nicht das es euch nicht auch einmal erwischen könnte. Geht es zur Übung auch mal durch für z.B. eine Woche in der ihr frei habt oder blau macht um euch selbst beobachten zu können, wie ihr das klarkriegt, mit z.B einem falschen Perso über die Grenze zu gehen.

Wenn also alles im Vorfeld einigermal3en geklärt wurde (mir ist bewußt dass es nicht so glatt läuft). so sehe ich die beste Lösung im "Exil". All diejenigen mit denen ich darüber gesprochen haben. stimmten mir hierbei zu. Der Großteil von ihnen ist nicht politisch aktiv!

Ich glaube. daß bei gründlicher Vorbereitung alle gelassener an die Sache rangehen und Situationen, wie sie um das Geschehen in Serlin scheinbar eskaliert sind, vermieden werden können. Auf eine Situation. die eine/n nicht vollkommen überrascht kann mit kühleren Kopf gegangen werden. Aber es muß vorausgesetzt werden, daß jene Leute, die sowas planen, wie das Komitee, dafür sorgen, daß sich das Umfeld mit Repression und den darauffolgenden Handlungen auseinandersetzt.

Und es geht auch immer um verantwortungsvolle und soweit möglich kollektive(re) Lebens-zusammenhänge. Dort, wo mensch sich wohl fühlt, keine Angst haben braucht seine Zweifel offen auszusprechen kann, gibts auch weniger Denunziation und Verrat. Was meiner Meinung nach aber noch wesentlicher ist als der psychologische Bereich, den Urmel für unser oftmaliges Scheitern und unsere Probleme ausmacht (Interim 415, S.16), ist die inhaltliche Beschäftigung mit Themen, die zur Repression führen können.

Das heißt für mich intensivst mit Leuten in Diskussion zu treten und bitte nicht abgehoben, sondern unter dem Eindruck, wie man sowas am besten seiner Freundin oder seinem Freund verklikert. Wer und welche nämlich überzeugt ist vom Deinem sozialrevolutionären Tun und Handeln, der oder die ist auch gefestigt, wenn der nette Zivilbulle anklopft und ein wenig Quatschen will. Genau in diesem Komplex bewegt sich bei mir die Diskussion über Aussagen und Beugehaft und es hat bisher prima geklappt, wo ich länger diskutiert habe. Den meisten hat es auch ziemlich Spaß gemacht sich konspimäßig zu treffen, wenn es auch nur zur Übung war (sollte natürlich im Ernstfall nicht lustig sein, sonst ist irgendwas falsch verstanden worden in der Diskussion!).

Wawa der Waran(WdW) schreibt in der Interim 427 unter Punkt 2 (S.19), Umfeld: Das dieses sah meist als sehr heterogenes Gehäufe darstellt mit unterschiedlichsten Ansichten und Positionen. Damit kann eine Umfelds-Identität auch nicht geschaffen werden, meiner Meinung nach muß mensch sie auch gar nicht schaffen. Es genügt, wenn einzelne unterschiedliche Positionen nebeneinander stehenbleiben, die vor Veröffentlichung aber mit ollen nach Risiken und nicht nach Inhalten durchdiskutiert werden sollten. Dadurch wird auch ermöglicht einen tieferen Blick auf die Sache zu kriegen, u.U. werden Ängste durch schriftliche Antworten den Schreiberlnnen genommen etc.

Unter Punkt 3 (S.20), Milifanz, fände ich es gut, wenn Du die "militanten Aktionen der radikalen Linken. die voll sind von Fehlern, Vngenauigkeiten und falschen (Selbst)- Einschätzungen" ein wenig genauer benennen würdest. Miir wird nicht klar was für Fehler Du meinst. mach das bitte noch mal konkreter, ruhig auch an Beispielen, damit wir vielleicht was daraus lernen.

Zu Punkt 4,(S.20): Ich lebe nicht in Berlin und habe wohl auch weniger infos als Urmel oder (WdW), kann demnach nicht allzuviel zu diesem Punkt sagen, ausser das Du im hinteren Abschnitt mit den verschiedensten Vermutungen kommst aus welchen Gründen, die gespannte Situation entstanden sein könnte. ohne es konkret zu machen. Deshalb kann ich nicht viel mit diesem Abschnitt anfangen, außer daraus zu lernen kontinuirlich mit "Umfeld" Diskussionen über solche Themen zu führen, dabei geht es nicht um sozialrevolutionär oder nicht, sonder drum "auf die Leute zuzugehen".

Die Ausführung. die Du zum Komitee machst finde ich ein wenig unzureichend. Das Komitee war für mich nicht irgendeine Wiederholung der Vergangenheit, sondern authentischer Ausdruck seine Ansprüche in die Wirklichkeit umsetzen zu wollen. Das dies nicht geklappt hat ist schade, aber macht das Projekt an sich nicht verkehrt. Der wesentliche Unterschied zwischen Komitee und anderen Gruppen lag doch darin. daß sie mehr als nur militante Symbolik umsetzen wollten, sondern konkret etwas kaputt zu machen, was sich nicht mehr so auf die Schnelle aufbauen läßt.

Den Schluß von Deinem Text finde ich nicht unbedingt angebracht. Warum soll militante Praxis vorläufig das "Privafvergnügen" von einigen wenigen Menschen sein, wenn bspw. in und um Gorleben eine ganze Region hinter Militanz (zumindest gegen Sachen. da sägte sogar der Pastor !) steht und nach einer im Frühjahr von RTL aufgegebenen Meinungsuntersuchung 10% der Befragten Gewalt gegen die Castor-Transporte bewilligten. Auch der Durchbruch in die Bonner Bannmeile stieß auf Sympathie.

Zum Komplex Komitee:

ich empfand die Auflösung der militanten Gruppe Komitee politisch nicht zwingend. In dem Auf lösungspapier steht, das sie ihrer Verantwortung gerecht werden müssen und somit die Auflösung erklären. Sie erklären diesen Schritt mit begangenen Fehler, die sie gemacht haben. Nur, wer macht keine Fehler und ist es nicht das nach Vorne blickende, wenn aus Fehlern gelernt wird und diese damit für die Zukunft ausgeschlossen werden können?

Ihr wolltet doch gerade Orientierungspunkte für die Linke setzten und ihr habt ja auch ziemlich viel Sympathie trotz nicht gelungener Sprengung geerntet (u.a. das militante Aufgreifen eures Projekts durch autonome Kleingruppen und das Kollektiv (:::) in Berlin). Mit den konkret Beschuldigten könnten Absprachen gemacht werden, inwiefern sie zum Weitermachen stehen.

Unter Umständen könnten sie zur einer inhaltlichen Auseinandersetzung aus dem "Exil" mitbestimmen was läuft. Denn oberste Priorität haben die Inhalte, die militante Durchführung ist mehr eine technische Frage an der nicht unbedingt alle beteiligt sein müssen.

(...)Die wichtigste Praxis einer Zelle ist politische Diskussion. Nur eine Gruppe, In der eingestandene und verdrängte Ängste, Spannungen In den Beziehungen untereinander diskutiert werden, die ständig die Entwicklung In der eigenen Region, In der SRD, In Europa analysiert,(...), die - kurz gesagt - In einem kollektiven Dlekueeloneproze5 4eren arbeitet, die Zersplitterung von privat und politisch von "Innen" und "außen" aufzuheben, wird ein Ganzes. Sie wird zu einer revolutionären politischen Praxis fähig.(...)'

Revolutionärer Zorn Nr.5, Praxis-Sondernummer 1987

Von den Genossinnen aus dem "Exil" hat mensch bisher wenig gehört - es wäre im Interesse aller, wenn hierzu ein wenig mehr gesagt werden würde. z.B. die Frage, ab es Interesse gibt einen Kampf ums Zurückkommen zu führen.

Gruppen wie das Komitee könnten in der Zukunft auf lokaler Ebene eine wichtige Rolle spielen. Indem sie integraler Bestandteil einer Bewegung von Unten werden, sind sie Instrument, für etwas größere Dinger.

Der Text, "Militant und bewaffnet ins nächste Jahrtausend", Interim 428 (S.25-29) spielt hierauf an und ich teile deren Positionen. In Zukunft sollten die Kämpfe eingebettet sein in die sozialen Bereiche, jene ökonomischen Stützen des Systems und sich davon militante Kämpfe ableiten. Gruppen wie Komitee, existent in verschiedenen Städten könnten in einer Bewegung für die militante Durchsetzung von Forderungen wie "Bleiberecht für alle" oder "Für eine Gesellschaft ohne Knäste" sorgen und damit ein ideales dialektisches Verhältnis aufbauen.

Revolutionäre Zellen eingebettet in eine soziale Basis könnten die Kämpfe mit vielen nach vorne treiben und angemessen an Zeit und Ort radikalere Aktionen initiieren. Dafür ist es meiner Meinung nach wichtig die militanten Bewegungen der Vergangenheit zu analysieren und in einer breiten Diskussion um Ziele sozialrevolutionärer Politik zu verankern.

Und das ist gerade auch die Aufgabe der älteren Genossinnen, zu denen ich mich nicht zählen kann, die aber nach Interim-Fragebogen zu einem hohen Prozentsatz auch diesen Artikel lesen werden ( nach Interim 426 sind ca.83% der Leserinnen über 21 Jahre).

Ich gehöre zu den Neuen, bin aber trotzdem sehr interessiert an der Auswertung vergangener Kämpfe.

Da es meist sehr schwierig ist mit Älteren in intensivere Diskussionen zu gelangen, schlage ich einfach vor, daß über den schriftlichen Weg zu machen, damit vielleicht auch noch Jüngere in einigen Jahren diese Diskussionen auf Papier haben.

Die Vergangenheit diskutieren - Gedanken und Praxis für Heute und Morgen Liebe Grüße an die Gefangenen und Geflohenen!

DER KAMPF GEHT WEITER!

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