1992 geriet die Bremer Polizei durch Berichte über Mißhandlungen von afrikanischen Flüchtlingen bundesweit in die Schlagzeilen. Insbesondere Angehörigen des 3. Reviers und Fahndern der 'Sondergruppen zur Bekämpfung der Straßen- und Rauschgiftkriminalität' wurden willkürliche Festnahmen, Mißhandlungen durch Elektroschocks, Schläge und Tritte vorgeworfen. Betroffene berichteten Ober Injektionen, rassistische Beleidigungen und Demütigungen, tägliche Razzien, Diebstähle und Sachbeschä digungen. Eine vom Anti-Rassismus-Büro (ARAB) in Zusammenarbeit mit betroffenen Afrikanern organisierte Kampagne gegen diesen rassistischen Polizeiter ror führte zu heftigen Reaktionen. Brachten ein Bericht im Fernsehmagazin Monitor, eine Pressekonferenz mit mehreren RechtsanwältInnen, eine Broschüre und eine tausendköpfige Demonstration doch eine Tatsache an die Öffentlichkeit, die zunächst keine/r so recht wahrhaben wollte. Demnach waren Flüchtlinge nicht nur bedroht durch faschistische Mörder und deutschnationale Bürger, die der "Das Boot ist voll" Propaganda Brandanschläge und Pogrome folgen ließen, sondern sie waren auch mit alltäglicher rassi- stischer Gewalt seitens des Staates und seiner Organe konfrontiert.
Die Reaktion der verantwortlichen Senatoren und politischen Parteien liß nicht lange auf sich war- ten. Die Vorwürfe wurden pauschal ohne Kenntnis der Details, zurückgewiesen. Dem ARAB und den Rechts-anwältInnen wurde eine Nähe zur "Drogenmafia' unterstellt Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mobilisierte zu einer Gegenkundgebung auf dem Bremer Marktplatz, um den 'Linksextremisten, die den Rechtsstaat herausfordern' das Handwerk zu legen. Dabei diffamierte der Bremer GdP-Chef Schulz jene Betroffenen, die sich an die Öffentlichkeit gewandt hatten, als Lügner und schlechte "Schauspieler'. Polizeibeamte jammerten öffentlichkeitswirksam über harte Arbeitsbedingungen, ausufernde Kriminalität und eine zunehmend gewalttätige Klientel, der man kaum mehr gewachsen sei. I n einem regelrechten Propagandafeldzug wurde die Polizei zum Opfer stilisiert. Die wahren Täter waren demnach nicht prügelnde Polizisten, sondern skrupellose 'ausländische Kriminelle". Die Diskussion um rassistische Polizeigewalt wurde umgedreht und in den Zusammenhang der seit Jahren tobenden Debatte um die sog. 'Ausländerkriminalität" gestellt. Die Betonung einer angeblich erhöhten Kriminalitätsneigung von 'Ausländern', ihre angeblich besonders hohe Gefährlichkeit und Brutalität ist dabei seit langem ein Lieblingsthema der law-and-order Fraktion. Während polititische Demagogen vom Schlage der Herren Borttscheller, Kanther und Schröder nach wie vor nicht in der Lage sind, zu erklären, was der Begriff der sog. 'Organisierten Kriminalität' eigentlich bedeuten soll, wiederholen sie gebetsmühlenartig, daß 'Organisierte Kriminalität' eine Domäne von 'Ausländern' sei. Ihnen werden ganze Kriminalitätsbereiche zugeordnet, sie werden verantwortlich gemacht für ein diffuses Gefühl zunehmender 'Bedrohung'. Hartes und brutales Vorgehen der Polizei wird nicht nur geduldet, es wird gefordert. Anhand einfachster Kriterien wie Alter, Aussehen und Herkunft überzieht die Polizei ganze Gruppen von Menschen mit einem Dauerterror. Die Hautfarbe bestimmt den Verdacht. Je 'ausländischer" eine Person zu sein scheint, je unsicherer ihr rechtlicher Status ist, desto mehr ist sie systematischer Schikane ausgesetzt. Das beginnt mit ständigen Personalienkontrollen, Festnahmen, Razzien in Flüchtlingsunterkünften und Diskotheken, die bevorzugt von Nichtdeutschen besucht werden. Der Schritt nu Beleidigungen, Schikanen auf der Wache und schließlich zu Prügeln und regelrechten Folterpraktiken ist dann meist nicht mehr weit. Auch wenn dies von Politikerlnnen und Polizeiführern immer wieder geleugnet wird: Es ist eine Alltagserfahrung von vielen Menschen, die keinen deutschen Paß besitzen oder 'ausländisch" aussehen, daß sie häufig, zum Teil sogar permanent, von der Polizei schikaniert und drangsaliert werden. Das hat mit Kriminalitätsbekämpfung nichts, mit Rassismus aber sehr viel zu tun.
Besonders deutlich 'wird dies an der pauschalen ' Klassifizierung von Schwarzen als "Drogendealern'. Abgesichert durch den Kurs der Bremer Innensenatoren van Nispen (von 1991 bis 1995) und Bortt-scheller, ermutigt von der breiten politischen Rückendeckung durch SPD, CDU, FDP, DIE GRÜNEN, hat die polizeiliche Praxis gegenüber Schwarzen inzwischen immer weitreichendere Ausmaße angenommen. Platzverweise und Gebietsverbote treffen Afrikaner allein deshalb, weil sie sich in den "falschen Gebieten' der Stadt aufhalten. Eine Politik der NO-GO-AREAS hat Einzug gehalten: Schwarzen wird der Aufenthalt im Ostertor, Steintor, Am Dobben und am Hauptbahnhof untersagt, weil sie dort Drogengeschäfte tätigen würden. Willkürliche Festnahmen, das Verschleppen zur Wache wo sich die Betroffenen regelmäßig nackt ausziehen müssen - und die Vergabe von Brechmitteln gehören zum Standard. Rund 600 Mal ist das Brechmittel Ipecacuanha zwischen 1992 und 1997 verabreicht worden - fast ausschließlich an Afrikaner. Offiziell sollen damit verschluckte Drogenpäckchen durch Auskotzen sichergestellt werden. In Wahrheit handelt es sich um ein Instrument mit dessen Hilfe die Betroffenen in unglaublicher Weise gequält werden. Wer das Zeug nicht 'freiwillig" schluckt, bekommt es per Nasensonde zwangseingeflößt sofern Drohungen, Fesselungen und Schläge als Zwangsmaßnahmen nicht ausreichen. Das ist rassistische Realität 1997.
Es ist eine Tatsache, daß bei allein 400 Anwendungen zwischen 1992 und August 1994 in 200 Fällen keine Drogenpäckchen gefunden wurden. Noch deutlicher kann kaum werden, wie 'großzügig' Bremer Polizeibeamte mit ihrem Handwerkszeug zur Sache kommen. Es ist eine Tatsache, daß die polizeiliche Brechmittelvergabe laut amnesty international (ai) eine "grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung' darstellt und daß sie zu 90 % gegen Schwarze zum Einsatz kommt. Es ist eine Tatsache, daß sie gesundheitsschädlich ist, daß mehrmals Notärzte Gegenmittel gegen unstillbares Erbrechen spritzen mußten, daß Betroffene danach tagelang im Krankenhaus lagen. Und es ist eine Tatsache, daß der Bremer Senat an 'dieser Prozedur festhält, obwohl das Oberlandesgericht Frankfurt zu dem Schluß gelangt ist, daß "die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln nicht von der Strafprozeßordnung gedeckt" und somit rechtswidrig ist.
Das ARAB bat seit 1992 den rassistischen Terror der Polizei öffentlich gemacht. Es sind rassistische Fahndungs- und Kriminalisierungsmethoden der Polizei, die trotz detaillierter Kritik, trotz einer. Reihe von Strafanzeigen Betroffener, trotz der breiten öffentlichen Diskussion fortgesetzt werden. Anstatt diese Praktiken einzustellen, anstatt die daran teilhabenden Ärzte und Polizeibeamten zu suspendieren, wird versucht, KritikerInnen und Betroffene durch Diffamierung und Kriminalisierung einzuschüchtern. Ein junger Afrikaner, der 1996 Mißhandlungen im Zuge einer Brechmittelvergabe öffentlich gemacht hatte, bekam im Juni 1997 erneut Brechmittel verabreicht Diesmal mit der Erläuterung durch den Arzt, daß er 'im vergangenen Jahr viel Scheiße gebaut" hätte. Dem ARAB wurden vier Strafverfahren wegen "Volksverhetzung" an den Hals gehängt, inclusive mehrerer Hausdurchsu-chungen und der 14-monatigen Beschlagnahme der Dokumentation "Polizisten, die zum Brechen reizen" während die Polizei mit der entsprechenden politischen Rückendeckung weitermachen kann, wie bisher. Wenn Pressekonferenzen, Strafanzeigen, detaillierte Kritik in Form von Mißhandlungsprotokollen, Dokumentationen, ärztlichen und juristischen Gutachten, wenn Stellungnahmen von amnesty international (ai), wenn Urteile eines OLG Frankfurt an dieser unmenschlichen und rassistischen Praxis der Bremer Polizei nichts ändern können, dann ist der Zeitpunkt gekommen, auf anderen Wegen Solidarität mit den Betroffenen zu demonstrieren! Dann ist der Zeitpunkt gekommen, gemeinsam gegen diese Politik des Rassismus, der Ausgrenzung und der Ungerechtigkeit auf die Straße zu gehen!
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