liebe jutta dieser briet ist auch für cora, die 1989 im zuge der bka-razzien gegen die bamburger hafenstrasse abtauchte und tür alle frauen in der illegalität, Rr alle gefangenen (und ex-gefangenen) politischen frauen und für alle frauen, die mit uns sind.
obwohl wir uns nicht persönlich kennen, wollte ich dir schon länger schreiben. ich möchte mich an der von euch begonnenen oder wiederaufgenommenen diskussion um illegalität und perspektive beteiligen. und ich würde mich gerne mit dir und den anderen frauen über unsere erfahrungen austauschen. von dir und deinen freundinnen habe icb immer wieder etwas mitgekriegt, dadurch, dass unser weggehen zeitlich eng beinander lag. jetzt bist du zurück, und ich hoffte neben dem, dass es dir gut geht, dass du gut gelandet bist und deinen platz wieder gefunden hast, an dem du leben und kämpfen willst. ich sah in der "interim" das bild, als ihr zu hunderst zum gericht gezogen seid. wie ging es 4ir/euch in diesem moment?
ich will diesen weg eines offenen briefes nutzen, um meine erfahrungen aus der zeit in "exilien, "w/ie es in der "radikale zeiten" genannt wird, zu reflektieren und zur verfügung zu stellen. "exilien" umreisst einen zustand zwischen flucht und exil, einen übergangsort und -zustand.
dir zu schreiben, bewegt sich für mich zwischen dem bedürfnis, mich mitzuteilen und auszutauschen und der anstrengung, nicht zuviel preis zu geben, keinerlei hinweise zu geben, wo und wie ich mich bewege und bewegt habe. ich finde es richtig: hinweise auf aufenthaltsorte oder darauf, wie illegalität organisiert wird, dürfen nicht preisgegeben werden. ich verstehe nicht, wieso matthes sagt, er sei in den niederlanden gewesen.
das illegale terrain ist zwar viel zu lange tabuisiert worden. eine so weit wie möglich offene auseinandersetzung darüber finde ich wichtig, d.h. allerdings nicht, dass die konkreten umstände benannt werden müssen. auch für leute, die irgendwann selbst vor einer solchen entscheidung stehen, sind doch eher die prinzipiellen fragen von interesse.
ich bin immer wieder gefragt worden, wie es mir gehe, was ich die ganze zeit mache, was mein resumee sei, wohin mit der angst und ab ich mich alleine fühle, was zu beachten sei und vieles mehr. desbalb will ich versuchen, darauf in einer art zu antworten, die anderen auch etwas nützt. aber es fällt mir sehr schwer, allgemein zu bleiben. ich denke, jedes weg-sein ist anders, ist abhängig von den es tragenden strukturen und dem politischen hintergrund. aufjeden fall aber ist es kein nichts, kein vakuum, wo du nimsitzst und wartest, dass die zeit vergeht. irgendwann fängt ein eigenes leben an mit hochs und tiefs, eine eigene praxis mit stärken und schwächen, niederlagen und erfolgen.
ich weiss nicht, wie es bei euch gewesen ist. vier waren im knast und vier weg, so dass sich bestimmt mehr leute verantwortlich fuhlten. fur mich war es eine eher bittere erfahrung, einen regelmässigen kontakt bzw. auch einige grundvorraussetzungen wie wohnen, geld etc. als etwas konstantes, nicht nur ständig improvisiertes, zu schalTen. das stellt dich schnell vor die frage, auf was/wen du dich beziehst. ich denke, tür leute, die weggehen oder gingen, und schon wissen, was sie tun, zb, sich der raf anschliessen, ist das sicher anders. andere lassen sich im ausland nieder, wieder andere gehen zurück und manche leben seit jahren in einem zwischenstadium, was ich nicht nachvollziehen kann.
vor diesem hintergrund konnte ich sehr gut verstehen, wenn matthes in der "interim" schreibt, dass er sich nur sehr schwer in diskussionen eingebunden Aihlte. einmal, weil dir so weit "weg" vom geschehen irgendwie die hände gebunden sind. wenn du konflikte und diskussionen unter genossinnen, auch im zusammenhang mit dir selbst, mitbekommst, beschäRigt dich das sehr, gleichzeitig aber kannst du nicht eingreifen. zum anderen die ewige zeitverschiebung: bis du was mitkriegst und dich äusserst, ist die diskussion schon wieder an einem ganz anderen punkt angelangt, oder bis du eine antwort erhälst, ist es für dich vielleicht auch schon wieder weiter gegangen. mir ist es immer wieder passiert, dass es falsch ankam, wenn ich mich äusserte, und interpretationen zurückkamen, die mit mir und meiner situation nur wenig zu tun hatten. ich denke, das liegt daran, dass eine lebendige auseinandersetzung den ganzen menschen braucht, also ein blatt papier, geschriebene oder übermittelte nachrichten keinen ersatz daRr sind. dein hintergrund, deine welt, deine empfindungen reduzieren sich auf ein extrakt. gesten, mimikeo, stimmungen, die konkrete gesprächssituation und -umgebung etc. fallen weg. das verstärkt die projektionsflächen, die sich sowieso schon aufmachen, wenn man getrennt ist.
immer wieder höre ich, dass die wildesten geschichten über mich im umlauf sind. vor dem hintergrund des nichteingreifen-könnens finde ich nur schwerlich einen umgang damit. eines sei hier nochmal ausdrücklich gesagt: ich hatte keine liebesbeziehung mit steinmetz, ich war auch nie mit ihm im bett. das scheint für die männer der linken eine wichtige frage zu sein. das gerücht hält sich wohl deshalb so hartnäckig weil sie sich an dieser vorstellung aufgeilen, weil eine frau mit einem mann, selbst einer abziehfigur des verfassungsschutzes, nur auf diese weise zu tun haben kann...
bei mir lag die schwierigkeit der kommunikation sicher zum einen auch daran, dass der staatsschutz sehr präsent war und z.b. die fritzlarerstrasse ständig observierte und terrorisierte, zum andern war es für mich aber auch eine erfahrung, dass wirkliche verantwortung und arbeit, auch emotional mitzudenken, von frauen getragen wurde. ich denke, dass es z.b. bei gefangenen und leuten, die von anderen abhängig sind, ähnlich ist. eine rolle spielte auch, dass viele, die vielleicht mit mir reden oder mir schreiben wollten, es als einen verstoss gegen die regeln der konspirativität ansahen, nach mir zu fragen. so wurde ich gerade im rhein-main-gebiet anscheinend zunehmend zu einem tabu-thema.
meine situation war auch davon geprägt. dass ich im sommer 1993 den politischen zusammenhang, in dem ich bis dahin gewesen war, verliess. der v-mann steinmetz war in bad kleinen aufgeflogen. diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass er soweit kam, haben bis heute keine ausreichende verantwortung dafür übernommen. der staat kaschierte seine krise, dass die regierung von weiterstadt gewusst und es zugelassen haben könnte und dass wolfgang grams in bad kleinen hingerichtet worden war mit diversen entlassungen, pressesperren und verdrehungen. und die linke half ihm noch dabei, indem sie schwieg. auf unserer gruppe lag ein starker druck, weil wir bei dem vertuschungstheater nicht mitmachen wollten, auch wenn wir nur am rande mit diesem steinmetz zu tun hatten. dakr wurden wir ofen angegriffen.
innerhalb dieser zugespitzten situation mussten wir unsere praxis reflektieren. wir hatten auch mit steinmetz zu tun gehabt, auch wenn wir "nur" mit ihm und seinem angeblichen zusammenhang diskutieren wollten, was nicht möglich war. auf jeden fall stellten wir einen kontakt mehr dar, den steinmetz benutzte, um sich anderen gegenüber integriert zu geben. obwohl einigen von uns an ihm etwas komisch vorgekommen ist, hatten wir nicht zusammen handeln können. nach bad kleinen bestand unsere hauptsächliche arbeit darin, gegen das schweig>en anzukämpfen, die geschichte zu recherchieren, aut'zuarbeiten und zu verötTentlichen. bei der herausgabe der broschüre "die niederlage der ra" und sie zu verändern, trennte ich mich erstmal.von der gruppe.
ich tauchte ab, um der gefahr zu entgehen, dass ich doch noch die lücke füllen sollte, die der regierung um steinmetz herum zu anfang ganz zu pass kam. ich hatte den fehler begangen das motorrad, das ehemals steinmetz gehört hatte, von seiner wohngemeinschaR zu kaufen. damit wird das verfahren gegen mich konstruiert, ich hätte sprengstofT für die weiterstadt-aktion transportiert. nachdem das öffentliche interesse an der rolle von steinmetz aber nur schwer abebbte, musste die lücke gefüllt werden. so war es wenig verwunderlich, dass im november 1995 tatsächlich haßbefeh! gegen mich erlassen wurde.
ich habe "hier" viele tolle frauen getroffen, die mir geholfen haben. dadurch habe ich erlebt, wie es sein 1;arm, wenn wir uns wirklich aufeinander und unsere stärke beziehen. dass wir ausbrechen können aus der reproduktion der frauenverachtung, die uns die patriarchale gesellschaft einimpR. ich habe meine eigene st;irLe und selbstvertrauen ganz anders wieder gefunden. sehr geholfen hat mir dabei auch die auseinandersetzung mit der PKK. doch dazu möchte ich dir später noch mehr schreiben.
iiber die unterschiedlichen dynamiken "hier" und zuhause ernüchterte ich ziemlich schnell, als jemand im dezember 9S mit briefen von mir und diskussionsmaterial festgenommen worden war. entgegen der absprache war das zeug weder versteckt noch verkleinert worden, sondern den bullen fast schon hingetragen worden. gegen mich wurde ein neues verfahren eröffnet, das mit auszügen aus den briefen gebastelt wurde, wie die bundesanwaltschaft es brauchte: mitgliedschaß in einer terroristischen vereinigung, weil ich mich bei der pkk ausbilden lassen wolle und zurückkehren wolle, um eine neue guerilla aufzubauen.
dieses folge-verfahren geht eindeutig auf eigene fehler zurück. wenn ich höre, dass manche leute mit diesen oder jenen anderen nichts zu tun haben wollen, weil die so viele fehler machen, kann ich diese haltung nicht verstehen. erstens machen meistens diejenigen fehler, die etwas tun. wer nur zuhause sitzt, kann keine fehler machen. zweitens kommt niemand revolutionär auf die welt. fehler zu machen, ist das eine, nicht aus ihnen zu lernen, ist das wirklich katastrophale, meine solidarität gilt genauso den leuten vom komitee, wo auch fehler gemacht wurden, wie euch von der "radikal". letztlich geht jede verhaftung aut't'ehler zurück.
die verschränkung von liebesbeziehungen und funktionen muss eigentlich vermieden werden. es geht sowieso nicht, zu versuchen, solche beziehungen über die distanz hinweg weiterzuleben, nicht nur wegen ilern sicherheitsrisiko nicht. heute denke ich über liebesbeziehungen grundsätzlich anders nacn. sie bieten fier mich, und ich denke, auch für alle, den scheinbar individuellen ausweg, anstatt unsere kraß in die anstrenping zu verlegen, gemeinsam eine andere perspektive zu finden. neben ihrem exklusivitätscharakter schliessen sie sich für mich auch deshalb mit befreiung und veränderung aus, weil sich darin die partiarchale rollenverteiiung zwischen männern und frauen wiederholt. ich habe erst ganz, ganz wenige männer getroß'en, die sich mit ihrer eigenen frauenunterdrückung wirklich auseinandersetzen wollen. die erkennen, welchen beitrag zum ältesten widerspruch im bestehenden system aus riicksichtslosigkeit, materialismus und habgier sie damit leisten.
im dezember 1995 stand für mich eine neue entscheidung an, zusammen mit dem haRbefehl wegen weiterstadt und dem neuen verf'ahren kam der druck, dass der staatsschutz die fahndung intensivierte. ich wusele also im abgetaucht-sein erneut abtauchen, in jedem von diesen schritten haben sich für mich die vorhergegangenen trennungen und abschiede wiederholt. lebte ich die erste zeit noch stark im
zurückgelassenen kontakt mit meinen leuten von früher, beschäRigt mich nun fast ausschliesslich, was ich jetzt weiter machen werde.
ich hatte mich, bevor ich gegangen war, bereits mit der pkk auseinandergesetzt, und es stand als möglichkeitRr mich von anfang an im raum, dort hinzugehen. als ich im juli meine stellungsnahme schrieb, war ich noch nicht dort, weil meine endgültige entscheidung noch nicht feststand. abzutauchen, einfach nur. um der verfolgung zu entkommen, kann ein anfänglicher schutz sein. aber der raum muss sich dann auch genommen werden, um eine weiterreichende entscheidung zu treßen. du kannst dich nicht ewig von einzelnen treffen alle paar monate nähren und abhängig machen, kannst nicht ewig warten. der weg "zurück", auch wenn er mit knast behaftet ist, ist immer möglich, ebenso der weg, sich in einem "exil"land niederzulassen. ich fand es tretend, wie matthes in seinem beitrag sein wiederauftauchen beschreibt. es setzt irgendwann ein doppelleben ein: an das zuhause, die freundinnen dort, die politische lage dauernd zu denken, aber nicht eingreifen zu können, und gleichzeitig den alltag in der neuen umgebung, die ja nicht automatisch ein anderes land sein muss, zu organisieren, darin anzufangen zu leben. irgendwann musst du diese spaltung für dich beenden.
ein sehr wichtiger und heikler punkt war für mich, mein bedürfnis nach ehrlichen und offenen beziehungen mit anderen menschen zu regeln, ich konnte mich aus sicherheitsgründen nicht offenbaren, was verunmöglichte, dass sich andere verhältnisse einstellten. dieser schwierigkeit stand ich z.b. des öfteren gegenüber, wenn ich auf wohnungssuche war. wegen der rasterfahndung wollte ich keine wohnung bei einem hausbesitzer oder einer immobilienfirma anmieten. auch von untermiete z.b. bei einer studentin, die in urlaub fährt, ist abzuraten, weil es rasterprogramme gibt, mit denen die strom- und wassereinzahlungen abgeglichen werden, ab die betreffende person wirklich studiert, also anwesend ist und ihre scheine macht. Falls tine differenz festgestellt wird, schaut der staatsschutz mal vorbei. das wollte ich gerne vermeiden. in wohngemeinschaften zu leben, geht aber auch nicht, weil es eine unheimliche belastung ist, eine geschichte vorzugeben und diese auf engem raum auch nach aussen hin zu leben.
ich machte aber auch die erfahrung, dass mich viele menschen unterstützten, die ich zuvor gar nicht gekannt habe und die mit linksradikaler politik eigentlich nichts zu tun haben. ich stellte fest, dass das wissen über den untergang, auf den die menschheit zusteuert, wenn es so weitergeht, überall präsent ist, aber auch der wunsch und die suche nach anderen wegen. die ohnmacht, die sich breit macht angesichts der ungeheuren dimension einer veränderung, hat sich manchmal durch unterstützung für mich und die pkk in energie und hoffnung gewandelt.
am anfang erschrack ich jedesmal, wenn ich mehrere autotüren gleichzeitig zuschlagen hörte, oder wenn mehrere leute gleichzeitig auf der strasse schnelle bewegungen machten. ich hatte immer die assoziation: jetzt kommt die verhaftung. mit der zeit legte sich das. es gab natürlich situationen, gerade wenn es um kontakte mit leuten von zuhause ging, die heikel waren. einmal sass ich in einem cafe und wartete. plötzlich kamen zwei uniformierte bullen in die an das cafe angrenzende bäckerei. sie standen nur da und warteten. der laden war ziemlich voll. ich hatte wahnsinniges herzklopfen. als ich sah, dass sie wirklich nur kuchen holten, atmete ich erleichtert auf und schmunzelte in mich hinein.
nach einem halben jahr cirka bist du richtig angekommen. dir ist vertraut, dich in verschiedensten klamotten und situationen zu bewegen, bist es gewobnt, deine umgebung genau zu betrachten. eine freundin von mir aus meinem neuen leben war beeindruckt, als ich ihr sagte, ich hätte im zug nicht die ruhe, wn zu lesen, weil ich alle aufmerksamkeit meiner umgebung schenke. sie selbst liest im zug bände.
ich war also plötzlich wieder ngt anmache konfrontiert, ohne wie gewohnt reagieren zu können. denn es kann immer konsequenzen haben, wenn du dich verbal oder tätlich zur wehr setzt. und auffallen willst du ja in deiner situation, gesucht zu werde, partout vermeiden. wie ein magnet wirkte die unsicherheit in mir selbst, über das nicht stimmige ludere, als ab mir jede an der nasenspitze ansehen würde. dass ich "verkleidet" bin. die unsichere ausstrahlung spürten die typen sofort, und setzten gleich nach. oder auch wenn etwas nicht geklappt hatte, es mir einfach schlecht ging oder ich krank war. sofort hatte ich die ganze konfrontation mit den männern am hab. ich habe mir dann die alten regeln der selbstverteidigung ins gedächtnis geholt, die ja nicht erst beim körperlichen, sondern schon im kopf anfangen. und so eine sicherheit wiedererlangt, die auch ohne "lederjacke" auskam.
das hat mir auch kraft gegeben, die zum teil scbon vorhersehbaren reaktionsmuster der typen, vor allem bullen, zöllner, kontrolleure etc. zu riutzen, das mag vielleicht sehr nach prostitution klingen, aber aus der objektiven schwäche dieser form der illegalität würde ich das immer einsetzen.
für das beziehen aufeinander als frauen reicht aber nicht die biologische tatsache aus, frau zu sein. wie ingrid strobl mal ein buch titelte: frausein allein ist kein programm. neben vielen frauen, die mich'stärkten, traf ich auch andere. für eine frau, die ich traf, war meine anwesenheit wahrscheinlicb eine überforderung. auf jeden fall resultierte daraus ein objektverhältnis zu mir, in dem icb gar nichts mehr übernehmen konnte, jede frage, jede information, die icb haben wollte, bedeutete gleich, dass sie es Rir mich übernahm. mir ging es dazu sehr zweispältig. ich war natürlich froh, unterstützung zu kriegen, aber ich spürte auch diesen falschen dreh, mit dem ich nicht umzugeben wusste. ihr eigener alltag kam völlig zu kurz, sie schlief nur noch wenig. plötzlicb hatte sie ein misstrauen gegen mich. sie zweifelte, ab ich überhaupt ein umfeld hfitte. ich wurde mit einem bullenverdacht konfrontiert und einer befragung durch ihre bezugsgruppe ausgesetzt. in einem moment, wo für mich dies der einzige kontakt war, war das eine absolute bedrohung. nach der beschlagnahme meiner briefe war das der für mich hhteste moment.
die frage, abzutauchen, kann keine pauschal beantworten, es hängt doch immer mit der konkreten situation und dem politischen hintergrund der kriminalisierung zusammen, mit der perspektive für die illegalität und einer tragfähigen struktur dafür. auch wenn euer zurückgehen im verhältnis zu der zu erwartenden höhe des knastes verständlich war, drückt es für die heutige politische situation aus: dass es wie in der legalität auch, hier eigentlich keine konkrete perspektive gibt. denn sonst hütet ihr euch oder ich mich dem angenommen oder angeschlossen, oder es hätte zumindest einen anderen einfluss auf die zeit gehabt.
ich fand gut, dass in der "radikale zeiten" bzw. der "radikal" nochmal eine auseinandersetzung um das terrain illegalität begonnen hat. ich denke, auch die ganz einfachen praktischen tips und hinweise sind nützlich. entgegen allen früheren verherrlichungen ist es eine daseins- und lebensweise, die verdammt viel anstrengung kostet und aus der heraus zu kämpfen, eine wirklich vertrauensvolle und handlungsfhhige struktur braucht, die eine politische vision und einen weg siebt. denn von hier aus ein bisschen an legalen projekten mitzuarbeiten, kann zwar momentweise auch gut sein. langfristig möchte ich aber dann doch, wenn das meine politische arbeit ist, auch legal leben. ich denke, die prozesse hier und in der legalität haben einfach andere geschwindigkeiten, andere anforderungen, aber auch andere möglichkeiten, als dass man/t'rau sich von hier aus, einem legalen prozess anschliessen könnte. eigentlich kannst du nur hier kämpfen, wenn du auch mit anderen zusammen hier lebst, die gemachten fehler in der praxis überwindest... deshalb würde ich heute nicht mehr alleine gehen. ich weiss nicht, wie eure erfahrungen waren, ihr wart ja immerhin zu viert?
manche typen interpretieren mein herumschauen gleich als anmache ich automatisierte es, gefährliche stellen zu meiden wie zentrale bahnhöfe mit all ihren kameras und zivibullengegenden, wo streifen rassistische personalkontrollen machen oder wegen drogen unterwes sind
ich kann mir vorstellen, dass nicht in allen ländern die bevölkerung so gehirngewaschen ist wie in deutschland. dort ist die fahndung ja wirklich über jahrzehnte in die hirne gepumpt. dass z.b. in einer kneipe die bedienung die bullen anruf, wenn gäste sich über einen stadtplan beugen. aber ich finde es sinnvoll, egal wo jemand ist, möglichst das höchste sicherheitslevel zu berücksichtigen. schliesslich soll tier europäische raum angeglichen werden. diese vorsicht hat dort eine grenze, wo man beginnt, sich dadurch selbst völlig zu lähmen. wichtig ist für mich hier, dies genau auszuloten, es existiert auch ein zusammenhang zwischen deiner inneren verfassung und deiner wirkung nach aussen. deshalb hast du hier, abgetaucht, die verantwortung, allein schon, um dich selbst nicht zu gefährden, ruhig, ausgeglichen und gesammelt zu sein. dns ist angesichts der umstände nicht immer leicht, aber das fand ich die grösste herausforderung: in der anspannung locker zu bleiben oder zu werden, selbstkontrolle zu lernen.
es gab für mich auch phasen, in denen nur noch eins zählte: bis zum nächsten termin auszuhalten. einfach nur die zeit rumzubringen. die schwere und einsamkeit schien mich zu erdrücken, ich versuchte mir mit hilfmittel wie einern kleinen kalender, der jeden tag eine beschäRieung oder entspannung vorsah zu hellen. auch lernte ich dabei, gemachte fehler nicht gegen mich selbst zu richten und mich damit fertig uwl neunter zu machen. das hiltt nämlich nicht, sondern aus ihnen zu lernen.
in der "radikale zeiten" ist ein beitrag erschienen zur frauenspezifischen situation auf der flucht. fur meine begriffe stellte der beitrag zu sehr unsere weibliche seite als opfer heraus. viel zu wenig ging er darauf ein, was wir in diesem illegalen leben auch ailles starkes mit und über uns selbst erfahren und lernen.
sicherlich ist es, illegal, also gesucht und vielleicht sogar noch ohne andere papiere unterwegs zu sein und das vielleicht auch noch in kleidern, in denen frau sich nicht gewohnteweise bewegen kann, eine einichr;inl;ung. ich hohe auch die erfahrung gemacht, wie bei ein bisschen schminke. den typen gleich der sabber ausm mundnutend l;iut't, als seien sie wirklich auf knopfdruck konditioniert. ich will damit nicht in die frauenfeindlichetheorie einstimmen. die besagt, frauen, die einen kurzen rock tragen, seien selbst schuld, wciin sie vcrgewalti t wiirden. ich empfand den unterschied schon extrem, wie eine äussere wirkung von den typen gleich in ihre patriarchalen skala eingereiht wird: als würde ich signale aussenden, dass ich am gingia!en rollenspiel interessiert sei. fur mich war das absurd, weil sich durch das outfit mein inneres natürlich nicht geändert hatte.
in dem beitrag wird auch gesagt, dass es illegal schwieriger ist, sich zu mehren gegen die anmache, die unahrheiten, behstigend, einengend, manchmal auch bedrohlich, manchmal lächerlich, in jedem fall aber unwissend ist. ich habe es teilweise anders erlebt. zu hause hatte ich einige jahre in einem feministischen selbstverteidigungsverein trainiert. das hat mir geholfen, der alltäglichen gewalt gegen uns viel selbstbewusster zu begegnen. ich möchte an dieser stelle meiner trainerin und allen frauen, mit denen ich zusammen trainieren konnte, aus ganzem herzen für diesen, Rir mich wichtigen raum, danken. die anmachen reduzieren sich tür mich ziemlich. das heisst nicht. dass das grundsätzliche gewalt- und unterdrückungsverhältnis aufgehoben wäre. nur weil frau eine selh:tverteidiuungsstrateeie hat, die ihr niitxl. filier es ist hilfreich und wichtig, dass frauen und mädchen lernen. sich zu üehren. sich nicht nur in die passivfe opferrolle fügen, die wiederum eigentlich nur ein produkt und eine erhndung der patriarchalen geschichte ist. es ist unsere sozialisation. die kontinuität der scheiterhaufen. die aber nicht unserer wirklichen stärke und fähigkeiten entspricht.
ich will birgit hogefeld energisch widersprechen. weder ihr im "radikal zusammenhang noch ich wurde uin die illegalitt "getrieben". das ist immer noch ein schritt, den du selbst macht. weder bei euch noch bei mir ging es dem staat darum, uns in die eskalation zu treiben. im gegenteil,,eine geeinte linke, die in der lage ist, mit den verschiedensten widersprüchen und widersprüchlichkeiten auch untereinander produktiv umzugehen und die verschiedensten kampfmittel konstruktiv einzusetzen, mit einer entschlossenen und gefassten perspektive, das ist das, wovor sie - der staat am meisten angst haben. ich finde es richtig, erst mal jedes terrain zu verteidigen, nichts aufzugeben. jede aufgabe trägt wieder zu einer schlechteren ausgangsvorraussetzung bei.
ich habe aufgehört in diesen festen schematas zu denken, von wo nach wo und in welcher reihenfolge etwas zu laufen hat. daraus ist für mich auch der weg zur pkk vorstellbar geworden. für mich war es von anfang an eine auseinander.setzung damit, dass mein weggehen nicht nur ein verstecken vor der repression ist. wenn wir internationalistinnen sind, kann unser stärken, um die schwäche zu überwinden, doch nicht nur - oder gerade nicht nur - innerhalb der eigenen nationalen grenzen verlaufen. ich bin in der zeit hier von vielen darauf angesprochen worden, was ich denn ausgerechnet bei der pkk wolle, sie sei doch"..die kategorisierung reichte von: hierarchisch, autoritär, arabisch-fanatisch-fundamentalistisch zu anti-semitisch, personenkult betreibend, stalinistisch usw. ich glaube das solange nicht, bis ich es mit eigenen augen gesehen habe.
es gibt vieles, was mich dort anzieht, die lösung der frauenfrage r.b., von der sie sagen, sie sei genauso eine männerfrage und die sie in angriff nehmen. durch die realen schritte der veränderung und die machbarkeit der veränderung strahlen sie tur mich ein prinzip der möglichkeit und der hoffnung aus, des erfolgs und des auswegs aus der absoluten sinnlosigkeit des kapitalismus. und natürlich gestalten sie das nach ihren konkreten bedürfnissen, ihrer lage, kultur und geschichte. Rr uns aus der metropole ist von dort nichts einfach kopierbar. wohl aber einiges lernbar, am aller wenigsten die ausbildung an den waß'en mich interessiert viel mehr die politische fähigkeit, zu mobilisieren, zu organisieren und den kampf zu führen. auch die frage der strukturen finde ich wichtig. von partei verspreche ich mir Rr uns zwar nicht die lösung, aber eines ist auch klar: die unverbindlichkeit und befindlichkeit in der linksradikalen muss überwunden werden.
ich kann hier auch nicht darüber sprechen, was dort vielleicht alles nicht gut oder unzulänglich ist. einmal weil ich es noch gar nicht weiss. dann, weil ich nicht davon aussgehe, dass dort die heile, reine welt ist, und alles einfach zum idealsten verläuß. und zum dritten weil ich, gemessen mit den ansprüchen, die an die pkk gestellt werden, unsere eigene geschichte in grund und boden stampfen müsste...ich denke nur, dass aus den erfahrungen, die in der deutschen und z.t. auch in der europäischen linken gemacht wurden und die immer wieder zeigen, dass wir im vorgegebenen muster verhangen bleiben und nicht anders sind, als das, was wir kritisieren, ist es kaum vorstellbar, dass wir uns aus eigener kraft aus der misere ziehen. von der pkk zu lernen heisst für mich, von menschen zu lernen, die einen anderen kulturellen, historischer aber auch ökonomischen hintergrund haben, und die in den letzten zehn jahren sehr viele fortschritte in ihrem kampf erzielt haben. ich habe mich gefreut, dass ich von ihnen aufgenommen werde. an welchem anderen ort auf der erde wäre das heute noch denkbar? ich werde meine verantwortung nach besten krähen wahrnehmen, das, was ich in kurdistan mit eigenen augen sehe, erlebe und lerne den menschen zuhause mitzuteilen und eintliessen zu lassen in unseren kampf um eine gerechte und menschwürdige zukunA.
liebe jutta und liebe anderen frauen und genossinnen, wenn ihr mir in form eines offenen briefes antwortet, würde mich das sehr freuen. ich wode das bestimmt mitbekommen und wenn ich es schaffe, werde ich zunlckschreiben, selbst wenn es lange dauern sollte.
machts gut und viel kraft für euch und alles, was ihr tut! andrea wolf
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