TITLE>Interim 440
Yo, yo, yo, es brummt mächtig in der interim. Da haben die Unglücklichen doch noch eine recht mächtige Diskussion losgetreten. In der letzten Ausgabe gab es mit den Beiträgen von MOMBAK sowie von den Mutlosen wieder soviel neues, daß ich auch heute wieder nicht dazu komme, mich explizit mit dem Ausgangstext der Unglücklichen auseinanderzusetzen. Aber so im Vorübergehen wird da auch einiges angesprochen...
Mächtig was ausgelöst hat wohl leider auch Kermit mit seiner Aufforderung, doch bitte mehr zwischen den Zeilen zu lesen ("Der Beiti der Hamburgerinnen kann (...) spätestens zwischen den Zeilen ganz gut gelesen und verstanden werden." interim 437, S. 8). Zu Herzen genommen haben sich das in der letzten interim (Nr. 438) sowohl die Mutlosen als auch MOMBAK - mit unterschiedlich spannenden Ergebnissen:
Die Mutlosen finden - in ihrem ansonsten durchaus brauchbaren Beitrag - zwischen den Zeilen der Unglücklichen eine Generalabrechnung mit dem Feminismus: "Vielmehr beschäftigen sie sich in einer abrechnenden Art und Weise mit dem Feminismus im allgemeinen. Immer, wenn sie von Identitätsfeminismus geredet haben, vermuteten wir, daß sie doch Feminismus meinen." (i 438, S. 16). Nun betonen die Unglücklichen in "Paul und Paula" ja eigentlich wirklich bis zur Erschöpfung die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Feminismen zu differenzieren. Indem die Mutlosen diese wichtige Argumentation so grundlegend ignorieren und einfach mal frech eine nicht zu belegende Behauptung aufstellen, denunzieren sie die von Kermit so geschätzte Methode des zwischen-den-Zeilen-Lesens als klar unbrauchbar: Zwischen den Zeilen steht erst mal nix. Genug Platz also für jeweils Interessierte, da alles und jedes reinzulesen, dem Text als solchem Gewalt anzutun. So betrachtet, eine dann doch wieder brauchbare Methode, sofern es einem nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung, sondern um Denunzation geht. immerhin, dazu scheint euer Mut zu reichen! Und dabei sollte mensch meinen, die Unglücklichen hatten wirklich genug Zeilen produziert, an denen mensch sich erst einmal abarbeiten kann...
Die identitätskritischen Überlegungen im Sinnentext der Mutlosen finde ich dann dafür ganz hilfreich. Viele wichtige Gedanken und Sätze, wenn es auch kaum neue Überlegungen sind: "Hier liegt vielleicht ein Ursprung
für die Politikunfähigkeit der radikalen Linken. Aus dem eigenen Bedürfnis nach einer sicheren und festen Identität fällt es schwer, sich mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zu konfrontieren." (i438, S. 17). (Da reiche ich und wohl auch die Unglücklichen euch die Hand. Laßt uns in dieser Richtung weiterdiskutieren!) Gegen Ende ihres Textes wird dann aber verständlich, wie sie zu ihrem Pseudonym kommen: Der ausführlich begründeten Kritik an identitären Politikformen (Obacht, ist euch da nicht der zweite Strang neben der Kritischen Theorie verloren gegangen?) zum Trotz tun sie dann so, als wäre nichts gewesen: Plötzlich ist der Bezug auf Identitäten wieder zwingend notwendig. Und zwar nicht nur in dem - von mir in der letzten interim schon beschriebenen - Sinne, darin gesellschaftliche Gegebenheiten zu sehen, die nicht ignoriert werden dürfen, will mensch nicht die Orientierung verlieren, sonders tatsächlich als notwendige Voraussetzung für politische Handlungsfähigkeit. Schau ich mich in der kläglichen RestSzene hier in der Stadt um, dann wird die Sinnlosigkeit dieses Beharrens auf Identiäten offensichtlich:
Sprachregelungen statt SelberDenken, uniformiertes Gehabe, der Zwang zu einem angeblich subversiven, sich - zumindest teilweise - selbst marginalisierenden Lebensstil - das alles hat doch immer weniger die Fähigkeit, Leute zu mobilisieren und zu integrieren. Wer sich in den identitären Weltvereinfachungstheorien, die sich auf so unbrauchbare (aber - und das ist ja wohl kein Zufall - ganz klar
identitätsproduzierende) Kategorien wie "Spießer", "Bonzen", "Macker" stützen, nicht mehr repräsentieit fühlt, räumt gerne - mensch mag's keiner/m verübeln - ihren/seinen Stuhl. Wer angesichts dessen weiterhin diese Identitätskonzepte hochhält, darf sich nicht wundern, eines Tages alleine dazusitzen. Dabei liegt die Alternative auf der Hand: Es braucht keine autonome Identität - läufst so und so rum, redest auf diese und jene Weise, lebst du in einem ex-besetzten Haus oder mindestens in einer WG., hörst du die richtige Musik etc.? - als Basis für politisches Handeln. Stattdessen kann ich mich doch mit Menschen immer wieder für einige Zeit auf ein gemeinsames politisches Handeln einlassen, das sich nicht auf Identitätskonstrukte gründet, sondern sich aus der jeweils veränderungsbedütfrtigen Sache ergibt. Das dadurch sich entwickelnde psychische und politische Vagabundieren ist möglicherweise eine notwendige Voraussetzung, um mit dem Denken in der Realität anzukommen. (Starker Satz! Ist aber leider geklaut. ) Ein Beispiel, um das dann erst mal abzuschließen: Während meiner Ausbildung habe ich eine Zeit lang in einem Seniorentreff gearbeitet. In der Zeit kamen die ersten Sparplane der Bundesregierung im Gesundheitsbereich an die Öffentlichkeit. Die Omas und Opas in dem Treff, Beschäftigte unterschiedlichster Herkunft und eben auch ich konnten uns - obwohl kein noch so eifrige Identitätsforscherin uns da jemals in die gleiche
Kategorie packen würde - ohne Probleme auf eine Protestresolution einigen, für die wir dann - je nach unseren Möglichkeiten -Unterschriften sammelten. Verständlich, was ich damit sagen wi11? (Eines sei nicht verschwiegen: Die Aktion war natürlich im Ergebnis nicht sehr erfolgreich! Krankheitsminister Seehofer ließ lediglich eine Sachbearbeiterin einen verharmlosenden Antwortbrief an unsere Initiative schreiben. Nun gut, das nächste Mal werden wir dann wohl doch wieder Steine schmeißen!!).
Auf einen verräterischen Fehler seien die Mutlosen noch hingewiesen: Die Kritik an identitären Politikkonzepten ist nun wirklich keine Erfindung der Frauenbewegung. Wenn die Mutlosen behaupten: "Aus feministischen Diskussionen sind identitaskritische Ansätze entstanden, die sich bis in gemischte linksradikale Szenen verbreitet haben" (i 438, S. 16), dann blenden sie zumindest marxistische und poststrukturalistische Theoriebildungen aus. Genannt seien nur Louis Althusser und Michel Foucault, die beide schon die Abgründigkeiten bürgerlicher Subjektkonstruktionen - Grundlage identitären Konzepte - thematisierten, als in der Frauenbewegung damit noch keine Bauchschmerzen hatte. Oder wie steht es mit der Kritischen Theorie, die ihr Mutlosen doch immerhin in eurem Text ausführlich referiert. Haltet ihr das auch für ein
Produkt der Frauenbewegung? Und auch die neuere Frauenbewegung hat die Identitätskritik keinesfalls selbstverständlich und aus sich heraus entwickelt, sondern vielmehr als Reaktion auf massive Kritik durch diejenigen Frauen, die durch diese Identitätskonstruktionen ausgegrenzt und sprachlos gemacht wurden.
Ich denke, an dieser Schwachstelle der Mutlosen wird ein Grundproblem in der Wahrnehmung von "Paul und Paula" sichtbar. Die Frauenbewegung bzw. der Feminismus wird an dieser und an anderen Stellen als imaginäres Ganzes in Schutz genommen gegen die Kritik der Unglücklichen. Ihr Lieben, das ist nicht notwendig! Denn weder die Unglücklichen noch eine sonstwie geartete emanzipatorische Kritik an Identitätskonzepten wendet sich gegen den Feminismus als solchen, sondern will vielmehr eine Spielart gegen eine andere stärken. Insofern ist es das hilflose Ergebnis einer fatalen Differenzieiungsunfähigkeit, wenn sich welche wie die Mutlosen schützend vor den Feminismus werfen, indem sie behaupten dieser habe dieses oder jenes geleistet. Lernt unterscheiden!
Nicht bloß einmal, sondern tatsächlich permanent zwischen den Zeilen zu lesen versucht dann schließlich MOMBAK. In klassisch aufklärerischer Tradition will sie/er dadurch dem Kern der Sache auf die Spur kommen. Mir scheint, dabei hat sie/er sich ordentlich verlaufen. Denn statt des Kerns findet sie/er jede Menge Spielraum zwischen den Zeilen, den sie/er dann mit einer endlosen Reihe von Verdrehungen und Unterstellungen füllt. Ich schenke es mir, dies im einzelnen nachzuweisen. Denn wer den Text der Unglücklichen nur annähernd gründlich liest, wird feststellen, daß MOBAK davon nicht viel verstanden hat - Unfähigkeit oder Absicht?
Zudem bin ich froher Hoffnung, daß die Unglücklichen uns in nur ein bis zwei Jahren eine umfassende Textarbeit vorlegen werden, die all diese Verdrehungen offenlegt. (Ein Beispiel sei uns allen doch noch gegönnt, weil es so offensichtlich MOMBAKs Unwillen zeigt, die Unglücklichen auch nur korrekt zu lesen: Die Reflexionen der Unglücklichen über das Selbstportrait von George Grosz kommentiert sie/er mit folgender Anschuldigung: "Und die subtile Annahme, das Bild könne nicht sexistisch sein, weil George Grosz von den Nazis verfolgt wurde, entspricht genau dem schwarz/weiß Denken, daß Ihr vorher noch zurecht kritisiert." Liest man dann erstaunt in der Bildbeschreibung der Unglücklichen nach, muß mensch feststellen, daß MOMBAK ein/-e dreiste/-r Lügner/-in ist. Denn dort steht in Absatz 103: "Selbstverständlich folgt aus der Tatsache, daß seine Bilder damals immerhin so subversiv waren, daß sie von den Nazis zensiert wurden, nicht, daß sie auch heute subversiv sind oder sonstwie politisch richtig wirken." Das ist das genaue Gegenteil dessen, was MAMBOK den Unglücklichen in den Mund legt. Ich will das mal ganz deutlich sagen: MOMBAKs diffamatorischer Auseinandersetzungsstil, der sich solcher Verdrehungen bedient, ist schlichtweg zum Kotzen! Wenn er/sie sich dann auch noch mit Floskeln wie "emanzipatorischer Politik" schmückt (was du machst, MOMBAK, ist davon das genaue Gegenteil!) und anderen rät, sich doch "bitte kürzer" zu fassen, dann ist das schlicht eine Frechheit!).
Statt endlos Verdrehungen MOMBAKs richtigzustellen, möchte ich sie/ihn lieber selbst zitieren: "Sexismus wird meiner Meinung nach aufgrund einer oberflächlichen und zur Etikette verkommenen "political correctness" nicht mehr offen ausgedrückt, sondern leise und subtil. Im Denken und Handeln wirkt die alltägliche Reproduktion des Patriarchats weiter." Wie wahrl! MOMBAKs Text ist der beste Beleg für ihre/seine eigene Behauptung, wenn mensch diese Phrase mal etwas gegen den Strich bürstet: Natürlich hat MOMBAK recht, wenn er/sie das Patriarchat als wesentliches Stukturmoment dieser Gesellschaft und sexualisierte Gewalt als Mittel zu dessen Durchsetzung herausstellt. Jedoch lediglich
dies zu betonen, ist eben genau Bestandteil der von ihr/ihm beklagten "oberflächlichen und zur Etikette verkommenen "political correctness". Dies wird dann offensichtlich, wenn - wie es bei MOMBAK der Fall ist - die scheinbar ach so patriarchatskritische Analyse bei dieser Feststellung stehenbleibt und sich dadurch als selbstgefälliges Nachgeplapperte offenbart. Denn MOMBAK muß sich schon fragen lassen: Wo widersprechen die Unglücklichen denn dieser Aussage? Ist es nicht so, daß sie darüberhinaus zu zeigen versuchen, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse noch tausendmal schlimmer, weil wesentlich vielschichtiger sind? Daß das Patriarchat nicht auf sexualisierte Gewalt reduziert werden kann? Lies nach in Kapitel 8 der "Legende von Paul und Paula"! Bleibt festzustellen, de MOMBAK hinsichtlich der "alltäglichen Reproduktion des Patriarchats" ganz Wesentliches verlorengeht mit ihrem/seinem schlichten Gesellschaftsbild. Und damit möchte ich den Unglücklichen zumindest mal an einer Stelle deutlich widersprechen: Es sind eben nicht nur "die HH und mit ihnen immer noch ein Teil der Szenefeministinnen", die seit geraumer Zeit die Perspektivlosigkeit der Szene zementieren (Paul und Paula, Absatz 176), sondern auch die MOMBAKs dieser Welt mit ihrer katastrophalen Auseinandersetzungs-Unfähigkeit und ihren brutal verkürzenden Erklärungen aus der bunten Welt des "Was ist was?". Das finde ich scheiße, persönlich! Und das ist ja bekanntlich politisch.
Just another MY.T.