Essa Moosa: Nicht einmal Mandela war so isoliert wie Öcalan MHA, Mesopotamische Nachrichtenagentur, 23. Januar 2005
In den 1980er Jahren nahmen Sie als Rechtsanwalt die Interessen Ihres Mandanten, Nelson Mandela, wahr. Später arbeiteten Sie auch politisch zusammen. Wie haben Sie Nelson Mandela kennen gelernt? Können Sie unseren Lesern etwas über seinen Prozess erzählen? Damals,
als die weiße Regierung an der Macht war, war in Südafrika
die Kultur des Nationalismus weit verbreitet. Grundlage dieser Weltanschauung
waren die Apartheid und der Rassismus. Nelson Mandela stellte sich gegen
diese Weltanschauung. 1952 berief er den Afrikanischen Nationalkongress
(ANC) ein. Dort richtete er auf der Grundlage der gefassten Beschlüsse
an die Öffentlichkeit einen Aufruf, der den Charakter eines „Freiheitsmanifestes“
hatte. In dem Aufruf formulierte er die demokratischen Prinzipien eines
freien Südafrikas. Kurz darauf wurde gegen die Organisatoren des
Kongresses, unter denen sich auch Nelson Mandela befand, ein Verfahren
eröffnet. Die von ihm formulierten demokratischen Prinzipien wurden
als „Vaterlandsverrat“ charakterisiert. Einige Jahre später
wurde der ANC, aber auch andere Parteien, verboten und ihnen die politische
Betätigung untersagt. Daraufhin beschloss der ANC die Aufnahme des
bewaffneten Kampfes, den er so lange fortführte, bis ihm wieder Eintritt
in die politische Arena gewährt wurde. Wie wurde der Aufruf Mandelas, die Waffen schweigen zu lassen und eine friedliche Lösung für den Konflikt zu suchen, vom Staat beantwortet? Wie gestalteten sich die Friedensbemühungen Mandelas während seiner Haftzeit? Zuerst
wies der Staat das Friedensangebot weit von sich. Viele waren gegen eine
friedliche Lösung. In dieser Zeit nahm Mandela mit den im Ausland
befindlichen Verantwortlichen des ANC Verbindung auf. Er überzeugte
sie davon, dass ein Frieden nicht den Ausverkauf der eigenen Ideale und
Ziele bedeuten muss. Er rief die Führung des ANC zur Rückkehr
nach Südafrika und zur Niederlegung der Waffen auf, damit sich diese
am politischen Leben des Landes beteiligen. Im Gegenzug ließ die
Regierung immer mehr politische Gefangene frei, später auch Mandela
selbst. Mandela, der die Friedensgespräche führte, konnte seine
Organisation von dem eingeschlagenen Kurs überzeugen. Zwar gab es
keine schriftliche Übereinkunft mit der Gegenseite. Vielmehr schritt
dieser Prozess der Annäherung unabhängig voneinander voran.
Gibt es Ihrer Meinung nach Ähnlichkeiten zwischen den Fällen von Abdullah Öcalan und Mandela? Nelson Mandela war nicht derartigen Isolationshaftbedingungen ausgesetzt, wie dies bei Abdullah Öcalan der Fall ist. Dennoch ist es gut möglich, dass es auch in seinem Fall zu ähnlichen Entwicklungen kommen kann. Dies hängt jedoch davon ab, inwieweit Öcalan Verbindung mit der Regierung aufnehmen kann bzw. wie sehr er dazu entschlossen ist. Ich sehe jedenfalls keinen Grund, weshalb das nicht möglich sein sollte. Zwar war auch Mandela auf einer Gefängnisinsel gefangen, er hatte jedoch die Möglichkeit, Kontakt zu anderen Gefangenen zu pflegen. Dies ist Öcalan nicht möglich. Früher war der ANC verboten und seine Führer waren als Terroristen diskreditiert. Einige frühere Freiheitskämpfer bzw. als Terrorist gebrandmarkte Führer von Befreiungsbewegungen sind heute Präsidenten ihres Landes. Wir sehen also, dass nichts unmöglich ist. Herr Paech, Sie beschäftigen sich schon länger mit einer Lösung der kurdischen Frage. Wie bewerten Sie die diesbezüglichen Entwicklungen?
Vor zwei Jahren kam ich in die Türkei und bereiste die Gegend um
Wan (Van) und Culemêrk (Hakkari). Das war in der Zeit des Wahlkampfes.
Die Bevölkerung war einem enormen Druck ausgesetzt. Eine derartige
repressive Atmosphäre war auch bei der letzten Wahl festzustellen.
Ein demokratischer Umgang war nicht existent. Mein erster Eindruck aus
den Gesprächen mit Vertretern von zivilgesellschaftlichen Organisationen
ist jedoch, dass die jetzige Regierung dazu eine positivere Haltung einnimmt.
Zwar setzen sich die Menschenrechtsverletzungen weiterhin fort, die jetzige
Regierungspartei scheint jedoch aus den Erfahrungen gelernt zu haben und
bewusster zu handeln. Leider musste ich dennoch feststellen, dass sich
die Mentalität und das Denken der türkischen Regierung nicht
wirklich geändert haben. Wie sehen Sie die politischen Hintergründe der gegen Abdullah Öcalan angewandten Isolationshaft?
Isolation ist eine Methode, um oppositionelle Führer über Jahre
hinweg von ihrem Volk zu trennen. Gleichzeitig soll dies die Auflösungserscheinungen
ihrer Organisationen forcieren. Mit dieser Methode soll die Persönlichkeit
dieser Führer gebrochen werden, weshalb ich diese Methode als „weiße
Folter“ bezeichne.
Ja, wir werden sie fortsetzen. Unsere Absicht ist Fakten zu diesem Thema
zu sammeln. So widerspricht, für meine Begriffe, das gegen ihn verhängte
Urteil dem internationalen Recht, da seine Entführung illegal war.
Ein solches Vorgehen ist nicht durch internationales Recht gedeckt. Würde
man eine solche Missachtung dulden, könnte jeder Staat der Welt seine
Oppositionellen aus dem Ausland entführen und verurteilen. |