Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Kurdisches Exilparlament am 12. April in Den Haag gegründet_

Am 12. April fand in der niederländischen Hauptstadt Den Haag die Eröffnungsfeier des kurdischen Exilparlaments statt. Nach fünfmonatiger Vorbereitung, Durchführung von Wahlen in den Ländern Europas, den USA, Australien sowie den GUS-Staaten, in denen Kurden leben, sowie zahlreichen internationalen Gesprächen des Vorbereitungskomitees konnte die Gründung vonstatten gehen.

Zahlreiche Parlamentarier aus den europäischen Ländern, Organisationen und Institutionen sowie Gäste und die stark vertretenen internationalen Medien erlebten die Vereidigung der 65 gewählten Abgeordneten, darunter sieben weibliche Abgeordnete. Mitglieder des kurdischen Exilparlaments sind die sechs DEP-Abgeordneten des türkischen Parlaments, die im europäischen Exil leben. Abgeordnete wurden gewählt in Australien, in Europa, den GUS-Staaten sowie den USA. Sie gehören verschiedenen kurdischen Verbänden wie dem Frauenverband, dem Intellektuellenverband und dem Arbeiterverband, der ERNK usw. an. Vertreten sind je ein assyrischer und ein armenischer Abgeordneter, die von ihren Verbänden gewählt wurden. Die Eröffnungskonferenz wurde in kurdisch abgehalten.

Mehrere Stunden lang bekundeten Parlamentarier aller europäischer Staaten, aus der GUS und der Russischen Föderation, Vertreter von Parteien, von Sinn Fein und den Tamil Tigers sowie der Kurdischen Demokratischen Partei-Iran in Grußadressen ihre Solidarität und Unterstützung. Die Vertreter der KDP-Irans überreichten dem Exilparlament außerdem eine komplette Dokumentation der Verträge der kurdischen Republik Mahabad (1945 bis 1946). Aus der Bundesrepublik wurden Grußadressen von Steffen Tippach, MdB der PDS, Kambiz Behbahani, Bündnis 90/ Grüne, sowie von Hans Brandscheidt, medico international, vorgetragen. Vorgelegt wurden Grußadressen von Hatip Dicle, DEP-Generalsekretär und inhaftierter Parlamentsabgeordneter, von Abdullah Öcalan, Generalsekretär der Arbeiterpartei Kurdistans sowie vom Oberkommando der Volksbefreiungsarmee Kurdistans ARGK.

Auf einer Pressekonferenz forderte der Parlamentspräsident Ismet Serif Vanly ein Ende der deutschen Unterstützung für das türkische Regime und daß die deutsche Regierung sich ihrer Verantwortung bewußt wird: "In Kurdistan findet ein Völkermord mit deutschen Waffen statt. Niemand kann den Kurden übel nehmen, wenn sie darüber wütend sind." Der Parlamentspräsident sowie das Parlamentsmitglied Ali Sapan, Sprecher der ERNK in Europa, betonten, daß sie eine friedliche Lösung der kurdischen Frage wollen. Das Parlament begreift diese friedliche Lösung als dringlichste Aufgabe.

Nach der Eröffnung begann am 13. April die erste Sitzungsperiode des kurdischen Exilparlaments. Alle zwei Monate wird das Exilparlament zusammentreten, zunächst an unterschiedlichen Orten.

Erreichbar ist das Exilparlament unter der Adresse:

BIS DEP, Avenue Louise 129a, B-1050 Bruxelles, Belgien.

Fax: 003225393887.

(rub, Übersetzungen der Dokumente aus dem englischen: rub, S., S.T.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Eröffnungsrede von Parlamentspräsident Ismet Serif Vanly_

Ich möchte Sie willkommen heißen und begrüße Sie zum Eröffnungstag des Kurdischen Exilparlaments. Außerdem möchte ich Sie, unsere geschätzten Gäste, im einzelnen würdigen: die Freunde unseres Volkes, die Vertreter der Presse, die Patrioten Kurdistans und meine gewählten Kolleginnen und Kollegen.

Die Kurden sind ein altes Volk. Sie haben auf ihrem angestammten Land, Kurdistan, durch die Geschichte hindurch gelebt. In allen bemerkenswerten Entwicklungen der Region haben sie eine wichtige Rolle gespielt. Sie waren beteiligt bei der Errichtung von Weltreichen, Fürstentümern, Staaten und Zivilisationen.

Kurdistan, eine Landmasse, die ungefähr 550 Tausend Quadratkilometer mißt, ist gut ausgestattet mit natürlichen Reichtümern und stellt in diesem Sinne einen der reichsten Staaten des Mittleren Ostens dar. Diese Ressourcen zusammen mit der historischen Seidenstraße, die durch kurdisches Land verlief, machten die Gegend im Verlauf der Geschichte zu einem Preis für die Eroberer. Der Ansturm der Barbaren hat die Kurden daran gehindert, sich gesellschaftlich, kulturell und politisch zu vereinen. Beherrscht von anderen, wurde Kurdistan von verschiedenen Herren aufgeteilt. 1923 wurde es in Lausanne in vier Teile geteilt. 1639 teilten die Osmanen und das persische Herrscherhaus der Safeviden mit dem Vertrag von Kasri-Sirin das Land unter sich auf.

Es gibt etwa vierzig Millionen Kurden auf der Welt. Allen wurden die grundlegendsten Menschenrechte verwehrt. Einige haben Zuflucht jenseits der Grenzen Kurdistans gesucht. Von der Gesamtbevölkerung der Kurden lebt die Hälfte innerhalb der "politischen" Grenzen der eigentlichen Türkei.

_Die Völker Kurdistans und die religiösen Richtungen_

Zusätzlich zu den Kurden gibt es Assyrer und Armenier, die in Kurdistan leben. Auch sie haben unter den Eroberermächten gelitten. Der Politik des Teile-und-Herrsche unterworfen, haben die Völker Kurdistans zu Zeiten gegeneinander gekämpft und einander gezwungen, das gemeinsame Vaterland zu verlassen. Diese Faktoren haben dazu geführt, daß die Bevölkerung der Assyrer und Armenier klein geblieben ist. Heute stellen sie ungefähr zehn Prozent der Gesamtbevölkerung in Kurdistan.

Die Völker, die in Kurdistan leben, haben einen unterschiedlichen Glauben, verschiedene Religionen und einige Konfessionen. Eine riesige Mehrheit von Gläubigen sind Moslems. Diese Unterschiedlichkeit des Glaubens hat es den Eroberern Kurdistans ermöglicht, eine religiöse Gruppe gegen die andere zum beiderseitigen Schaden gegeneinander auszuspielen.

_Die Kurden, ihre Nachbarvölker und das Konzept der Demokratie_

Die Völker, die an der Peripherie Kurdistans leben, die Türken, Araber und Perser, sind nicht frei. Noch sind sie immun gegen die Auswirkungen der unterdrückerischen Herrschaft und Kriege, die ihre Regierungen gegen die Kurden vom Zaun gebrochen haben. Diese Völker können demokratische Rechte und Freiheiten erst genießen, wenn die Völker Kurdistans ihre Freiheit sichern und ihren Status als unterworfene Völker beenden.

Aus diesen Gründen macht eine demokratische Lösung des Problems die Institutionalisierung demokratischer Einrichtungen in den Ländern nötig, in denen die Kurden leben. Mit anderen Worten, die nationale Befreiungsbewegung, die sich in Kurdistan entfaltet, ist der Garant für die Demokratie im Mittleren Osten. Das ist sie ungeachtet des Begriffes "terroristisch", den unsere Gegner unserer Bewegung geben.

_Der Kampf um die Bildung der Nation und die Freiheit in Kurdistan_

Ahmede Xane war der erste Kurde, der gegen Ende des 17. Jahrhunderts von Kurdistan in Begriffen eines Nationalstaates dachte. Der Kampf der Kurden um den Besitz ihres eigenen Landes und ein Leben in Freiheit begann im frühen 19. Jahrhundert. Heute, ungefähr zwei Jahrhunderte später, dauern die Aufstände an, und sie werden es, bis wir unsere Freiheit gesichert haben.

Es ist eine traurige historische Tatsache, daß bis heute keiner der kurdischen Aufstände das gewünschte Ziel erreicht hat. Wann immer die Kurden sich erhoben, um am Freiheitskampf teilzunehmen, wurden sie gnadenlos ermordet. Millionen ihrer Verwandten wurden massakriert; noch mehr wurden gezwungen, ihr angestammtes Land gegen ihren Willen zu verlassen.

Wann immer diese Massaker und erzwungenen Auswanderungen stattfanden, wandte sich die Welt ab. Der Westen hatte Interessen in Kurdistan und im Mittleren Osten. Dies wurde sichtbar mit dem begrenzten Status, der den Kurden mit dem Vertrag von Sevres im Jahre 1918 gegeben wurde, der Selbstbestimmung für die Kurden versprach. Fünf Jahre später, in Lausanne, wurde auch dieser Status beseitigt, weil er mit den Interessen der Parteien, die daran beteiligt waren, kollidierte. Es sieht so aus, als ob sich heute nicht viel geändert habe. Wieder sind die Kurden Opfer von Barberei. Wiederum schaut die Welt weg. Als ob dies nicht genug wäre, unterstützen sogar einige wichtige Länder die Türkei ökonomisch, militärisch und politisch. Man kann daraus nur schließen, daß sie die Fortsetzung dieser Schlächterei wünschen.

_Nordwest-Kurdistan_

Als die Grundlagen der türkischen Republik gelegt wurden, wurde die Unterstützung der Völker Kurdistans gesucht. Der türkische Führer Kemal Atatürk und seine Freunde erhielten diese Unterstützung mit dem Versprechen, daß die neue Gemeinschaft den Kurden Partnerschaft und Freiheit zugestehen werde. Das Versprechen war schnell vergessen. Eine Besatzungstruppe marschierte in Kurdistan ein, um den Geist der Freiheit zu töten. Ein unerklärter Krieg tobte zwischen 1921 und 1938. Dann wurde eine Politik eingeschlagen, die sogar die Existenz der Kurden verneinte. Ein intensives Erziehungsprogramm zur Assimilierung der Kurden wurde bis aufs kleinste mit der Absicht ihrer Vernichtung eingerichtet. Als die Kurden Rechte forderten, wurden Tausende von ihnen umgebracht; viele weitere mußten ins Exil gehen.

Die kurdische Opposition, die niemals völlig verschwand, begann im Jahre 1970 aufzublühen, und engagierte sich im Kampf um die Rechte der Kurden. Die nationalen Befreiungskämpfe, die sich weltweit in jenen Jahren entfalteten, steigerten auch die Hoffnungen der Kurden. Auf der anderen Seite gebrauchte der türkische Staat Gewalt, um das Zusammengehen der Kurden zu zerschlagen. In einigen Regionen erklärte die Regierung den Ausnahmezustand. Dann fand ein Putsch statt, mit dem das Militär 1980 die Macht übernahm, das den totalen Krieg gegen die Kurden erklärte. Tausende von Kurden fanden sich hinter Gefängnismauern wieder. Hunderte von ihnen starben in Haft unter Folter.

Aber nichts hielt den nationalen Befreiungskampf auf, und er wuchs in großen Sprüngen. Heute ist das Volk von Kurdistan gereift, es hat seine eigenen politischen, militärischen, ökonomischen und kulturellen Einrichtungen. Niemals zuvor in seiner Geschichte war es der Einheit und der Freiheit so nahe.

Jahre der Vergewaltigung haben über 10 Millionen Kurden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um in Städten der westlichen Türkei, verschiedenen Ländern Europas, in den GUS-Staaten und soweit entfernten Gegenden wie Amerika und Australien Zuflucht zu suchen. Die Vergewaltigung hat die Form willkürlicher Inhaftierung, der Folter und des offenen Mordes angenommen. Das ländliche Kurdistan wurde gnadenlos angegriffen: Dörfer zerstört, Berge bombardiert, Weiden vermint, Wälder in Brand gesetzt, bisweilen wurden Gegenden für die örtliche Bevölkerung vollständig abgeriegelt. Es ist diese bewußte Politik, die ökonomische Stagnation über die Region brachte und die Kurden zwang, sich im Ausland niederzulassen.

Die Kurden, die Zuflucht im Ausland gesucht haben, stehen vor sozialen, politischen und kulturellen Problemen. Sie unterstützen den kurdischen Befreiungskampf und würden gerne nach Hause, nach Kurdistan, zurückkehren. Dennoch haben sie eine Reihe von Institutionen, die ihnen dienen und sie repräsentieren. Aber sie fühlen die Notwendigkeit einer höheren Institution, die sich mit den größeren Themen, mit denen sie konfrontiert werden, auseinandersetzt.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, das der Mangel an Freiheit in Kurdistan den Kurden nicht erlaubt hat, ihr eigenes Parlament zu errichten. Aber seit 1992 haben die Forderungen des Volkes eine solche Körperschaft notwendig gemacht, auch wenn sie im Exil besteht. Ein Schritt in diese Richtung wurde in Südkurdistan gemacht. Die Zeit für einen ähnlichen Schritt in Nordkurdistan ist gekommen.

Den Kurden ist nicht erlaubt, sich über die Grenzen hinweg zu verbinden; auch ist es ihnen nicht erlaubt, sich frei auszudrücken: beide Aktivitäten sind gesetzlich verboten. Da dies der Fall ist, ist es absurd zu erwarten, daß die Kurden in den Nationalversammlungen der Länder, in denen sie leben, vertreten werden.

Wenn einige Kurden manchmal erreichten, daß die Interessen ihrer kurdischen Wähler eine Stimme fanden, wurden sie ebenso schnell zum Schweigen gebracht. Die Belastung, zu der das Leben der kurdischen Parlamentsmitglieder wurde, ist öffentlich bekannt bei den Mitgliedern dieser Versammlung. Die kurdischen Parlamentsmitglieder, die Mitglieder von HEP bis DEP, wurden ermordet, eingekerkert und gezwungen, Zuflucht im Ausland zu suchen. Die Mitglieder der letzten Gruppe sind nun unter uns. Sie haben an der Bildung dieses Parlaments teilgenommen.

Wie alle Völker haben auch die Völker Kurdistans das natürliche Recht, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, und sie müssen dies durch eine parlamentarische Institution tun, die Einigkeit symbolisiert.

Es folgen die Tatsachen, die die Bildung des kurdischen Exilparlaments herbeigeführt haben.

_1._ Das kurdische Exilparlament wird den ersten Schritt zum kurdischen Nationalkongreß darstellen. Es ist offen für Menschen und Institutionen mit politischen Ambitionen. Es arbeitet auf der Grundlage des nationalen Interesses bei der Leitung verschiedener Gruppen. Sein Ziel ist, ihre Interessen umfassend zu vertreten.

_2._ Das kurdische Exilparlament weist alle Formen fremder Besatzung Kurdistans zurück. Es betrachtet den Nationalen Befreiungskampf unseres Volkes als legitim. Als repräsentative Körperschaft respektiert es das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, erkennt internationale Übereinkünfte an und wird Verbindungen herstellen, um die politischen und gesetzlichen Angelegenheiten, die sich darauf beziehen, zu ordnen.

_3._ Das kurdische Exilparlament, geleitet von dem Willen des Volkes, will eine demokratische und politische Lösung. Auf dieser Grundlage führt es seine Geschäfte.

_4._ Das kurdische Exilparlament unternimmt Schritte, die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und Sicherheitsinteressen der Völker Kurdistans zu ordnen.

_5._ Das kurdische Exilparlament repräsentiert die Völker Kurdistans und den Kampf auf der internationalen Bühne und unterhält mit dieser Absicht diplomatische und politische Verbindungen.

_6._ Das kurdische Exilparlament repräsentiert ohne Unterschied die Menschen Kurdistans, die gezwungen wurden, in der Diaspora zu leben. Es geht ihre politischen, sozialen, kulturellen und Bildungsprobleme an. Dazu wird es innerhalb des Rahmens der internationalen Gesetze in Verbindung mit den geeigneten Institutionen treten.

_7._ Das kurdische Exilparlament arbeitet auf der Grundlage der einfachen Mehrheit. Es macht keinen Unterschied zwischen Nationalität, Glauben und Geschlecht. Es verteidigt das Recht der Völker auf ihre Identität und darauf, sich selbst zu repräsentieren. Es respektiert die Gedankenfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung.

_8._ Das kurdische Exilparlament wiedersetzt sich dem Kolonialismus, fremder Besatzung, Faschismus, Rassismus und Diktatur. Es strebt nach Frieden, Gleichheit und Freundschaft unter den Völkern auf der Grundlage beiderseitigen Nutzens. In Kurdistan befürwortet es eine Gesellschaft, die Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte respektiert.

Wir danken denen unter Ihnen, die unsere Vorbereitungsarbeit für dieses Parlament unterstützt haben. Wir danken nicht nur den Personen, sondern auch den Institutionen. Wir danken Ihnen nochmals für die Teilnahme an der Eröffnung unseres Parlaments, für die Unterstützung unseres Kampfes und für die Zusendung ihrer Gruß- und Solidaritätsbekundungen. Natürlich danken wir auch den Vertretern der Presse.

Wir laden die demokratische Öffentlichkeit überall auf der Welt ein, den Befreiungskampf der Völker in Kurdistan zu unterstützen und freundschaftiche Beziehungen zu ihrem Exilparlament aufzunehmen.

Wir begrüßen Sie erneut und geben unserer Hoffnung auf eine friedliche Lösung dieses anhaltenden Konflikts innerhalb des Rahmens der Prinzipien der unveräußerlichen Rechte der Völker auf Selbstbestimmung Ausdruck.

(12. April 1995)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Abdullah Öcalan: An das kurdische Exilparlament_

Sehr geehrte Volksvertreter und verehrte Freunde,

ich grüße Sie und wünsche Ihnen Erfolg. Ihr Schritt ist Ausdruck des politischen Willens des kurdischen Volkes in dieser historischen Phase, und es ist ein grundlegender Schritt.

Die Periode, in der wir uns im Moment befinden, so schwierig sie ist und so begrenzt unsere Möglichkeiten auch sind, gibt dem freien Willen des kurdischen Volkes Ausdruck. Wenn wir diesen Kampf führen, ist es auch unsere Pflicht, die politische Vertretung zu haben, die dem entspricht. Unsere harte Arbeit pflastert den Weg zur Schaffung des Kurdischen Exilparlamentes und dieses ist ein Meilenstein zum Nationalparlament in unserer Heimat.

Zweifellos könnte in einem föderalen Parlament mit unseren Nachbarn, basierend auf den Prinzipien der Gleichheit und des gegenseitigen Respekts, der Wille des kurdischen Volkes frei ausgedrückt werden. Wo jedoch die chauvinistische Unterdrückung soweit geht, daß allein die Éußerung einiger Worte in unserer Sprache zu schweren Strafen führt, wo jeder Ausdruck der Identität streng verboten ist, dort ist der Respekt gegenüber einem nichtrepräsentativen Parlament nutzlos.

Deswegen ist der Schritt, den Sie jetzt getan haben, richtig, auch wenn er etwas spät kommt. Wenn die Bedingungen ein Volk zwingen, einen Kampf um seine Identität zu führen, dann ist selbstverständlich auch ein Nationalparlamentes für die Entwicklung notwendig.

Ihre gewissenhaften Bemühungen bewirkten die Bildung des Kurdischen Exilparlaments, die zu einer wirklichen Vertretung im Nationalparlament führen werden.

Dieses Parlament wird das Forum sein, in dem wichtige Diskussionen und Debatten über bedeutsame Ereignisse in unserem Land ihren Platz haben und zu greifbaren und geeigneten Ergebnissen führen werden. Bedeutungsvollen Diskussionen in diesem Forum in Zukunft zu führen, ist genauso wichtig wie alle Arten von Diskussionen auf ehrliche und gerechte Art und Weise zu führen. So wird diese Institution die Konstituierung des freien Ausdrucks des Willen unseres Volkes sein. Es ist klar, daß die Auseinandersetzungen über vielfältige Problemstellungen zu geeigneten Entscheidungen und deren Umsetzung führen werden. Das Kurdische Exilparlament ist unter den gegenwärtigen Umständen ein Schritt vorwärts, auch wenn die Beteiligung auf die kurdische Diaspora beschränkt ist. Das Parlament wird die Befähigung haben, über kurdische Belange zu sprechen.

Unsere Partei, die PKK, und unsere Volksarmee, die ARGK, schätzen und unterstützen Ihre Bemühungen. Lassen Sie mich nachdrücklich betonen, daß dies kein PKK-Parlament ist. Es ist ganz klar, daß ein Parlament nicht einer einzigen Partei angehören kann. Einer Partei anzugehören und einem Parlament anzugehören sind zwei verschiedene Dinge. Man sollte nicht der Propaganda des Feindes, die nur auf Lügen basiert, glauben. Besonders unsere Freunde sollten mit unserer Unterstützung der Propaganda entgegentreten, daß dieses Parlament eine PKK-Veranstaltung sei. Mit oder ohne PKK gibt es eine Notwendigkeit für dieses Parlament. Wir unterstützen nur eine Anstrengung. Es ist unsere Pflicht, diese weiterzuentwicklen und zu stärken. Wir glauben, daß sich in naher Zukunft Einzelpersonen mit verschiedenen Meinungen und verschiedene Organisationen anschließen werden. Offensichtlich werden in diesem Parlament verschiedenen Standpunkte repräsentiert.

Verehrte Vertreter des Volkes und Freunde, wir glauben, daß in dem oben skizzierten Rahmen bedeutungsvolle Debatten stattfinden und die daraus resultierenden Entscheidungen Einfluß auf die Zukunft haben werden. So wie wir es bisher getan haben, werden wir auch weiterhin auf Ihrer Seite bleiben, solange Sie am richtigen Weg und an Ihren eigenen Entscheidungen festhalten.

In diesem Zusammenhang sehe ich Ihre Arbeit optimistisch. Ich glaube, daß Ihr Schritt ein entscheidender Schritt vorwärts ist. Ich wünsche Ihnen Erfolg und überbringe Ihnen meine Grüße.

(Abdullah Öcalan, Vorsitzender der Arbeiterpartei Kurdistan)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Weitere Grußadressen schickten u.a.:_

Ali Garzan, ERNK-Repräsentant für Europa; Zentrales ARGK-Oberkommando, ARGK-Oberkommando Botan; ARGK-Oberkommando Erzurum, Partiya Serxwebuna Kurdistan; Assyrian Associations in Europe; Bruno Aigner, Präsidentssekretär des österreichischen Parlaments; Dr. Herbert Berger, Renner-Institut Österreich; Teddy John Franck, Kommunistische Partei KPML Schweden; Yvette Jaggi, Bürgmeisterin von Lausanne; Dr. Karl Schramek, Sekretär für Internationales der SPÖ; Heinz Stehr, DKP BRD; Stan Newens MEP England; Pauline Green, MEP England; Edgard Pisani, MEP Frankreich; Prof. Göran von Bonsdorff, Präsident des arabischen Instituts Finnland; Romesh Chandra, Mitglied des indischen Parlaments; Angelika Beer, MdB BRD; Harold Pinter, Schriftsteller, England; Baroness Joyce Gould, House of Lords England; Friedel Grützmacher, MdL Rheinland-Pfalz; Vicki Bourne, Senatsmitglied Australien; Sid Spindler, Senatsmitglied Australien; Fede Latronica, Präsident der italienischen Delegation des Europäischen Rates; Prof. Dr. Lothar Bisky, PDS BRD; Ursula Scleicher, MEP Belgien; Etienne Pinte, Mitglied des französischen Parlaments; Fabienne Bougnonroiron, Parlamentarier Schweiz; Parlament von Katalonien; Annelize Ec van der der Stoel, Parlamentarierin Niederlande; Maartje van Putten, MEP Niederlande; Alice Mahon, Parlamentarierin England; Kirsten Jensen, MEP Belgien; Kjell Magne Bondevik, Parlamentarier Norwegen; Tove Kari Viken, Parlamentarier Norwegen; Helen Martens, Südafrikanische Botschaft; Michel Rocard, MEP Belgien; Henning Gjellerod, Parlamentarier Dänemark; George Oberhaidinger, Parlamentarier Österreich; Kaci Kullmann Five, Parlamentarier Norwegen; Poul Qvistjorgens, Parlamentarier Dänemark; Tom Meghay, MEP England; David Martin, MEP England; Eva Bulling-Schröter, PDS-MdB BRD; Amke Dieter-Scheuer, MdB Grüne/Bündnis 90 BRD; Luis Jalandon, National Demokratic Front of Philippines; Maja Vicki, Human Rights Institute Schweiz; Maja Bloem, Parlamentarierin Niederlande; Bernie Malone; MEP Irland; Lord Avebury, Präsident des Human Rights Comitee des britischen Parlaments; Dr. Klaus Engelhardt, EKD BRD; M. Monacteqe, Mitglied des Russischen Parlaments, Sigrun Steinborn, MdA Berlin (PDS), BRD; Irene Crepaz, Mitglied der österreichischen Delegation beim Europäischen Parlament; Theodore Pangalos, PASOK Griechenland; Hans-Otto Wiebus, IG Medien BRD; Dr. Helga Adler, Bund demokratischer Wissenschaftler BRD; Angeline Frankhauser, Parlamentarierin Schweiz; Dr. Heinz Fischer, Präsident des österreichischen Parlaments.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Vorbereitungskomitee in Norwegen, Katalanien, Portugal_

Das Vorbereitungskomitee des kurdischen Exilparlaments hat in einem Brief an die ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats USA, Rußland, Frankreich und China, an die OSZE, den Europarat und das Europaparlament gegen die türkische Invasion in Südkurdistan protestiert und forderte, daß die genannten Gremien sich für den sofortigen Abzug der türkischen Truppen aus Südkurdistan und eine politische Lösung für die kurdische Frage einsetzen.

Am 23. März führten Abdurrahman Dürre und Nizamettin Toguc vom Vorbereitungskomitee des Exilparlaments ein Gespräch mit dem norwegischen Außenminister Tore Gondal. Gondal erklärte, daß er sich für eine politische Lösung einsetzen werde und Norwegen in diesem Zusammenhang küftig mehr Druck auf die Türkei ausüben werde. Außerdem äußerte Gondal große Erwartungen an das Exilparlament.

Am 24. März fand in Norwegen eine Pressekonferenz des Vorbereitungskomitees statt, der großes Interesse entgegengebracht und die gut besucht wurde. Anschließend führten Dürre und Toguc Gespräche mit dem Innen- und Justizminister Oystein Melcan, dem Vorsitzenden der nowegischen OSZE-Delgation, Erik Solheim von der Sozialistischen Partei, und mit Vertretern aller norwegischen Parteien. Ihnen wurde versprochen, daß Druck auf die Türkei für eine politische Lösung ausgeübt werde.

Nach ihrem Besuch in Spanien fuhren Zübeyir Aydar und Ali Yigit vom Vorbereitungskomitee für das Exilparlament in den ersten Apriltagen nach Katalanien. Sie führten Gespräche mit dem Parlamentspräsidenten Jucquin Xican, der Vorsitzenden der außenpolitischen Kommission, Magda Oranick, und Vertretern der katalanischen Parteien. Sie verurteilten einhellig die Gewaltpolitik der Türkei und bekundeten ihre Solidarität mit dem Kampf des kurdischen Volkes.

Am 3. April fuhren Abdurahman Dürre und Nizamettin Toguc zu Gesprächen nach Portugal weiter. Sie wurden in Lisabon mit einer offiziellen Feier vom Vorsitzenden der außenpolitischen Kommission, Antonio Pereira, und 23 Vertretern aller Parteien empfangen. Sie forderten den Abzug der türkischen Truppen aus Südkurdistan und erklärten, daß sie sich für eine politische Lösung einsetzen werden. Am nächsten Tag führten Toguc und Dürre ein Gespräch mit dem Verantwortlichen für Außenpolitik der Kommunistischen Partei Portugals, Domingo Lopez, und dem Europaabgeordneten Miguel Urbano Rodrigez.

Quellen: KURD-A, 1.4. und 3.4.95 - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_"Der Schlüssel für Demokratie in der Türkei liegt in Kurdistan"_

_Ali Garzan:_ _"Wir erwarten Schritte, die ein Ende des Blutvergießens erleichtern"_

Der Europasprecher der ERNK, Ali Garzan, nahm Anfang April in einer umfangreichen Erklärung die Stellung zu der türkischen Invasion in Südkurdistan und zu den jüngsten Umbildungen in der türkischen Regierung. Er betonte dabei erneut die Bereitschaft der PKK zu einer politischen Lösung. Hier die Erklärung im Wortlaut.

Der neue Außenminister des türkischen Spezialkriegsregimes, Erdal Inönü, wurde auf seiner Europareise nicht gerade herzlich empfangen, er traf auf heftige Proteste der humanitären und demokratischen Öffentlichkeit. Gleichzeitig ging der stellvertretende Ministerpräsident Hikmet Cetin hinter einer sozialen Maske versteckt nach Belgien. Das Ziel ihrer Reise war es, den Faschismus, Militarismus und die Besatzung in Südkurdistan als "Demokratie" und "Verteidigung" zu verkaufen und Komplizen für den Völkermord zu suchen.

Die neue DYP-CHP-Koalition ist eine Fortsetzung der vorherigen DYP-SHP-Koalition. Der einzige Unterschied ist, daß der frühere stellvertretende Ministerpräsident Erdal Inönü mit dem früheren Außenminister Hikmet Cetin den Posten getauscht hat. Die Kurdenpolitik der DYP ist genauso wie die der SHP, genauso wie die der CHP und genauso wie die der faschistischen MHP und Türkes'.

Die DYP-SHP-CHP Koalitionsregierung ist eine Regierung des Spezialkriegs, das ist ihre eigentliche Aufgabe. Seit 1991 steigert sie den schmutzigen und keine Regeln einhaltenden Spezialkrieg. Dieser Krieg wurde zu einem Spezialkrieg, der die gesamte kurdische Nation und Geografie ganz offen zum Feind erklärte. Der Spezialkrieg zerstörte und verbrannte über 3000 Dörfer, vertrieb die BewohnerInnen und verwüstet die gesamte Natur. Das ist ein faschistischer und sich immer mehr ausbreitender Völkermord. Durch Konterguerillamorde wurden tausende kurdische ZivilistInnen ermordet. Die legalen Parteien wurden verboten, die demokratische Presse zum Schweigen gebracht. Alle, die sich für eine demokratische und friedliche Lösung einsetzen, werden systematisch terrorisiert.

Unser Vorsitzender Abdullah Öcalan und die kurdische Seite hatten mit einem Waffenstillstand gezeigt, daß es eine Alternative zum Krieg gibt. Doch die faschistische völkermörderische türkische Spezialkriegsarmee kennt nichts anderes als blinde Gewaltpolitik und militärische Lösung. Die Regierung ist die Marionette dieser Konterguerillaarmee. Die Medien und die türkischen Institutionen stehen in ihrem Dienst. Die sich als "sozialdemokratisch" bezeichnenden Parteien sind Juntaanhänger, militaristisch, chauvinistisch und rassistisch. Alle natürlichen menschlichen und nationalen Rechte sowie die demokratischen Rechte des kurdischen Volkes, einschließlich seines Namens und seiner Identität, werden mit Füßen getreten. Aus diesem Grund sagt unser Parteivorsitzender immer "Wir sind zum Frieden wie zum Krieg bereit".

Wir als nationale Befreiungsbewegung sind offen für den Frieden, für einen beidseitigen Waffenstillstand und eine politische Lösung. Wir nehmen nur unser legitimes Widerstandsrecht in Anspruch, weil unserer kurdischen Nation von der Gegenseite durch Spezialkrieg, Völkermord und Vernichtung dazu gezwungen werden. Jede andere Nation würde in unserer Situation das gleiche tun.

Die jüngste türkische Okkupation in Südkurdistan ist ein Angriff, der sich gegen den Status Quo Südkurdistans und gegen die gesamte kurdische Nation richtet. Die türkische faschistische Diktatur will mit der faschistischen Saddam-Diktatur eine Schicksalgemeinschaft bezüglich Südkurdistan bilden, also im Grunde auf ganz Kurdistan abzielend. Die Absicht der türkischen Spezialkriegsarmee ist es, sich in Südkurdistan festzusetzen und auch die Saddam-Armee dahin einzuladen. Das heißt, das Ziel dieser Okkupation ist nicht nur die PKK, sondern ganz Kurdistan anzugreifen.

Die ganze Welt, die Öffentlichkeit und die demokratischen und humanitären Kreise haben das von der türkischen Konterguerilla-Republik verfolgte Ziel und ihre Methoden begriffen. Es ist ihnen in zehn Jahren schmutzigen Krieg in Nordkurdistan nicht gelungen, Erfolge zu erzielen. In Nordkurdistan gibt es eine Doppelmacht, die Landgebiete sind größtenteils unter der Kontrolle unserer Guerillaarmee.

Die faschistische türkische Okkupationsarmee, die in Nordkurdistan nicht in der Lage ist, ihre Autorität zu sichern, ist in Südkurdistan im Sumpf versunken. Sie hat in den 15 Tagen Krieg in Südkurdistan keine Erfolge erzielt und mußte harte Schläge durch unsere Guerillakräfte einstecken. Den meisten Schaden hat die türkische Armee der kurdischen Zivilbevölkerung beigebracht. Sie bombardiert die Ortschaften aus der Luft und terrorisiert die ZivilistInnen. Sie hat schon mindestens 15 Menschen ermordet.

Unser Hauptkampfgebiet ist Nordkurdistan. Was haben diejenigen, die dauernd von der "Integrität und Unteilbarkeit des Territoriums" der Türkischen Republik reden, überhaupt in Südkurdistan zu suchen? Sie können diese Operation des faschistischen Völkermords und der Okkupation nicht als "Terrorismusbekämpfung" verkaufen. Der türkische Staat ist selbst der größte Terrorist, denn er zerstört, besetzt, verleugnet und betreibt Völkermord und Massaker.

Erdal Inönü, der zum Außenminister gemacht wurde, um die chauvinistische Propaganda für ein terroristisches Okkupationsregime zu betreiben, ging auf eine Tournee nach Deutschland, Frankreich und USA, um sich Zustimmung für die Mord-, Okkupations- und Völkermordoperation zu sammeln. Doch er ist nicht auf das erwartete Interesse gestoßen. Die deutsche Presse und Öffentlichkeit blieb gleichgültig oder protestierte. Er hat seine Gespräche hinter verschlossenen Türen als Geheimverhandlungen über die faschistischen Massakerpläne weitergeführt.

Die Welt hat die Doppelgesichtigkeit und Demokratiefeindlichkeit des türkischen Staates begriffen und reagiert mit heftigen Protesten und Kritik.

Die militärische, politische und ökonomische Unterstützung der westlichen Staaten für die Türkei unterstützt den faschistischen und völkermörderischen Krieg und ermutigt die türkische Armee und Regierung, weiterhin zu keiner friedlichen, demokratischen Lösung bereit zu sein.

Diejenigen, welche die PKK, ihren Vorsitzenden Abdullah Öcalan und die kurdische Bewegung, die für eine demokratische Lösung, für Frieden, für einen Waffenstillstand, für ein Referendum u.ä. Lösungswege offen sind, als "terroristisch" diffamieren, unterstützen die Angriffe auf die kurdische Nation und die Okkupation direkt und indirekt, womit sie Kurdistan und dem ganzen Mittleren Osten das Schlimmste antun. Sie betreiben Feindschaft gegen die Nation von 40 Millionen KurdInnen, befürworten die Verschärfung des Spezialkriegs und erschweren dadurch auf jeden Fall eine Lösung.

In der Türkei gibt es keine Demokratie, es gibt nur Militarismus. Damit das Problem richtig verstanden wird: wir erwarten Schritte, die ein Ende des Blutvergießens, der täglichen Verschärfung der Gefechte, des Völkermordes und der Zerstörung erleichtern.

Wir werden Südkurdistan für die türkische Okkupationsarmee zu einer Falle und in einen Sumpf verwandeln. In Nordkurdistan werden wir unseren Widerstands- und Verteidigungskampf noch weiter entwickeln. Wir führen diesen Kampf, um den Völkermord und die Massaker zu stoppen und unsere legitimen nationalen Rechte zu erreichen. Wir sind jederzeit zu einer Lösung bereit. Es ist die türkische Seite, die von der Gewalt und dem Versuch einer militärischen Lösung Abstand nehmen muß. Die Türkische Republik muß sofort aus Kurdistan abziehen. Wir werden uns ihr entgegenstellen und sie wird teuer dafür bezahlen müssen. Die Probleme der Türkischen Republik werden noch zunehmen. Die Vernünftigen merken, daß die Politik, an der die Türkische Republik heute beharrlich festhält, ihnen nichts bringen kann.

Erdal Inönü und Hikmet Cetin sind Figuren des Spezialkriegs, die es verdienen, mit leeren Händen zurückkehren zu müssen. Wir hoffen, daß ihre neuen Taktiken, mit denen sie Zustimmung und Unterstützung zu bekommen versuchen, nicht belohnt werden. Die europäischen Völker und die Öffentlichkeit machen zu Recht Druck auf diejenigen, die den Staatsterrorismus und den Völkermord offen oder heimlich unterstützen.

Die derzeitige türkische Regierung hat sich in türkischen Chauvinismus und Faschismus geflüchtet. Im Westen tritt sich auf demagogische und doppelgesichtige Weise als "demokratisch" auf, um ihre Interessen zu sichern, sobald sie in die Türkei zurückkehren, ist alles wieder vergessen. Der Öffentlichkeit ist das bewußt.

Alle Waffen, die der türkische Staat (von der NATO, den USA, Deutschland u.a. Staaten) bekommen hat, werden gegen die eigene Opposition eingesetzt, vor allem gegen die Kurden, unter welchem Vorwand auch immer.

Die Ministerpräsidentin Tansu Ciller gab dies in ihrer Rede am 4.4.1995 selbst zu. Sie sagte: "Alle Waffen, die wir bekommen haben, setzten wir auch ein, und wir bitten niemanden dafür um Genehmigung". Das war eine klare Antwort an die Verantwortlichen der USA und Deutschlands. Auch diejenigen, die diese Waffen gegeben haben, wußten ganz genau, daß sie gegen KurdInnen eingesetzt werden. Wir hoffen, daß die westliche Presse und Öffentlichkeit die Verantwortlichen für diese Tragödie noch mehr angreifen.

Wir führen einen legitimen und den internationalen Regeln entsprechenden nationalen Befreiungskampf, zu dem wir gezwungen sind. Nachdem die Türkei uns durch Völkermord, Vernichtung und Zerstörung und Leugnen unserer Existenz dazu zwingt, müssen wir unbedingt auf diese Weise reagieren. Durch Unterstützung des faschistischen türkischen Regimes kann alles noch verlängert werden, doch am Ende wird der Zusammenbruch des türkischen Völkermörderregimes stehen.

Wir wollen noch einmal die Worte unseres Vorsitzenden wiederholen: "Wir sind zum Frieden wie zum Krieg bereit". Wir werden als Volk und Nation unseren kollektiven Widerstandskampf gegen diejenigen, die weiter auf einer militärische Lösung beharren, bis zum Sieg weiterführen.

Quelle: KURD-A, 5.4.95

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Krieg in Südkurdistan._ _ARGK meldet über 500 getötete türkische Soldaten_

Die türkischen Invasoren haben dem Volk in Südkurdistan 400 Waffen und andere Militärausrüstung abgenommen und diese, nachdem sie für das türkische Fernsehen gefilmt wurde, der KDP übergeben.

Inzwischen sind auch die Gefechte zwischen der KDP und der PUK wieder voll entflammt. Die Stadt Pencewini, die zuvor von der KDP erobert worden war, kam am 26. März wieder unter die Kontrolle der PUK. Die KDP versucht, Erbil zu erobern, wurde aber von der PUK zurückgeschlagen. Dabei wurden ca. 100 Peschmergas der KDP und vier der PUK getötet.

Auf dem Sehit Mustafa-Hügel in Haftanin wurde am 28.3. eine Stellung der türkischen Armee von der ARGK angegriffen. Laut abgehörtem Funkverkehr der türkischen Armee sollen bei dem Gefecht sechs der 50 dort stationierten Soldaten getötet worden sein.

Bei dem Angriff der Volksbefreiungsarmee auf eine Stellung der türkischen Armee auf dem Kesan-Hügel sind viele Soldaten geflohen, 24 wurden bei dem Gefecht getötet. Die Guerilla eroberte den Hügel und erbeutete vier G-3-Gewehre, 20 G-3-Magazine, sieben Raketenwerfer und große Mengen Munition und Handgranaten.

Auf der Habur-Brücke in der Nähe von Zaxo wurde ein Panzer der türkischen Armee von der Guerilla angegriffen und zerstört. Alle Insassen wurden getötet.

Bei einem Gefecht zwischen der Volksbefreiungsarmee Kurdistans und der türkischen Invasionsarmee in der Gegend von Erbil wurden 17 Soldaten getötet und ein ARGK-Kämpfer verletzt.

_Erklärung der Volksbefreiungsarmee Kurdistans_ _zur türkischen Invasion in Südkurdistan_

Die Erklärung Nr. 2 des ARGK-Militärrats vom 27.3.95 stellt fest:

"In den ersten acht Tagen kam es in Südkurdistan zu insgesamt 69 Gefechten zwischen der Armee der türkischen Republik und den Einheiten der ARGK. An allen Punkten, an denen die türkische Armee die Grenze überschritten hat, kam es zu Gefechten. Den Meldungen der Guerilla und dem Abhören des Funkverkehrs der türkischen Armee zufolge konnten wir bisher nur über 25 dieser 69 Gefechte gesicherte Informationen bekommen. Bei den 25 Gefechten wurden 516 türkische Soldaten getötet. 21 ARGK-KämpferInnen sind gefallen und 12 verletzt worden. Infolge der Angriffe des türkischen Staates, der alle internationalen Abkommen ignoriert, wurden außerdem 12 ZivilistInnen ermordet und acht verletzt. Die im Kampfgebiet tätigen internationalen Hilfsorganisationen erklärten jedoch, daß die Zahl der Opfer unter den ZivilistInnen noch viel höher ist ...

Der türkischen Armee gelang es nicht, in die Bergregionen Südkurdistans vorzudringen, mit Ausnahme von Zaxo. Die an manchen Stellen aus der Luft gelandeten Soldaten wurden durch die Guerilla bewegungsunfähig gemacht. Die türkische Armee konnte nur an bestimmten Punkten aus der Luft mit schnellen Eingreiftruppen und begleitet von Panzern landen. Unsere Guerillaeinheiten haben sie jedoch geschlagen. Die Armee der Türkischen Republik kann sich nicht gegen die zahlreichen Angriffe und Hinterhalte unserer Guerillaeinheiten schützen und hat deshalb jeden Tag hohe Verluste.

Entgegen den offiziellen Verlautbarungen der Türkischen Republik ist ihrer Armee nicht möglich, sich selbst in Südkurdistan zu halten. Die türkische Armee, die sich nicht einmal in Nordkurdistan schützen kann, ist in Südkurdistan schon überhaupt nicht dazu in der Lage. In Südkurdistan befinden wir uns auf einem Terrain, wo wir sie ganz einfach schlagen können. Unsere Guerilla, die der türkischen Repbulik jeden Tag hunderte Verluste beibringt, wird ihre Armee in kürzester Zeit aus Südkurdistan verjagen. Unsere Guerillaeinheiten werden das garantiert verwirklichen und ihre Stärke wieder einmal der ganzen Welt beweisen."

_Demonstration in Erbil_

In der südkurdischen Stadt Erbil demonstrierten am 27. März 20000 Menschen gegen die Invasion der türkischen Armee in Südkurdistan. An der Demonstration beteiligten sich 20 verschiedene Gruppen und Organisationen, nicht jedoch die KDP und die PUK. Während der Demonstration setzte die KDP ihre Angriffe auf die Stadt weiter fort. Bei der Demonstration, die mit einer Kundgebung vor dem Gebäude der UN endete, wurden Parolen für die PKK und den Befreiungskampf gerufen.

Quellen: KURD-A, 28. bis 31.3.95 - (K.)

_Weitere Berichte_

Nach einem für die türkische Armee verlustreichen Gefecht auf dem Kesan-Hügel in Haftanin ermordeten türkische Soldaten in einem nahegelegenen Dorf den Bauern Rojhat, nachdem sie ihn vor den Augen der Familie gefoltert hatten, durch Schüsse, verletzten einen weiteren Bauern und verschleppten einen Bewohner.

Am 30. März drang die irakische Armee mit 4000 Soldaten und 80 Panzern in südkurdisches Gebiet ein. Dadurch verschärften sich die schon länger andauernden Gefechte zwischen der irakischen Armee und der PUK in diesem Grenzgebiet noch mehr. Bei dem den ganzen Tag andauernden Gefecht wurden nach Informationen örtlicher Quellen 163 Soldaten der irakischen Armee getötet und vier Panzer von der PUK erbeutet. Die irakische Armee beschoß zivile Dörfer in der Gegend mit Artillerie.

Am 30. März wurden 150 türkische Soldaten in der Gegend Kani Masi-Xanke auf ihrem von der ARGK erzwungenen Rückzug erneut angegriffen. Viele Soldaten flohen in Panik, viele wurden getötet. Bei dem Gefecht sind die ARGK-Kämpfer Firaz und Reber gefallen. Die ARGK erbeutete fünf deutsche G-3 Gewehre mit 14 Magazinen und 1200 Stück Munition u.a. Militärmaterial.

Am 31. März wurde die Straße zwischen Habur und Zaxo von der Guerilla kontrolliert. Sie führte Personenkontrollen und Agitation durch und verbrannte ein türkisches staatliches Fahrzeug.

Die türkische Armee griff im gleichen Gebiet die Dörfer Tirbanis, Ormane und das Dorf Iniske bei Amediya mit Artillerie an. Außerdem bombardierte sie die Berge Metina aus der Luft.

Zur gleichen Zeit wurden 500 Soldaten der türkischen Armee in Iniske bei Amadiye von der ARGK angegriffen. Es kam zu heftigen Gefechten bis zum Abend. Die türkische Armee wurde in dem Gebiet zwischen Kela Kurmiye und Kani Masi in Metina von der Guerilla zum Rückzug gezwungen.

Am 1. April demonstrierten 2000 Menschen in Köysancak mit Fahnen der ERNK und ARGK und Bildern von Abdullah Öcalan gegen die türkische Aggression und für die PKK.

Am 2. April wurden türkische Soldaten in der Gele-Schlucht von der ARGK angegriffen, bei dem bis zum Abend andauerndem Gefecht wurden nach Schätzungen der Guerilla 80 Soldaten getötet.

Nördlich von Gowend wurde die türkische Armee ebenfalls von der Guerilla zurückgeschlagen.

Bei einem Gefecht in Xapuske ist ein Guerillakämpfer gefallen.

Richtung Erbil marschierende türkische Soldaten wurden von der ARGK angegriffen, dabei wurden sieben Soldaten getötet.

Im Gebiet Xankurke kam es zu heftigen Gefechten zwischen den Invasoren und der ARGK.

Vom Dorf Dee nach Süden marschierende Soldaten der türkischen Armee und "Dorfschützer" wurden von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen. Die "Dorfschützer" weigerten sich daraufhin weiter zu marschieren. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den "Dorfschützern" und den Soldaten, die daraufhin die "Dorfschützer" entwaffneten.

Am 3. April wurden im Dorf Sersing in Iniske vier Bauern und drei Hirten von Soldaten der türkischen Armee mißhandelt und durch Schüsse ermordet. Bei der Beerdigung am nächsten Tag kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Trauernden und Insassen eines Fahrzeugs des Türkischen Roten Halbmonds, bei dem fünf Trauernde und drei Türken aus diesem Fahrzeug getötet wurden.

Die sich auf zwei Hügeln in der Sinap-Schlucht zurückziehenden türkischen Soldaten wurden von der Guerilla angegriffen. Sie flohen, ohne das Feuer zu erwidern, und ließen ihre Ausrüstung zurück.

_Internationale Reaktionen_

Der Außenminister der Russischen Föderation protestierte am 30. März mit einer Erklärung gegen die Invasion der türkischen Armee in Südkurdistan und insbesondere gegen ihre Angriffe auf ZivilistInnen. Er forderte eine politische Lösung für die kurdische Frage.

Am gleichen Tag erklärte der niederländische Außenminister Hans van Mierlo im Fernsehen, daß die Lizenzen für den Waffenhandel und die Produktion in der Türkei seit dem 23.3. von der niederländischen Regierung wegen der Intervention aufgehoben wurden.

Quellen: KURD-A, 1.4., 3.4., 5.4. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Proteste und Demonstrationen gegen die türkische Invasion_

Am Samstag, dem 1. April, kamen mehrere zehntausend kurdische Leute und wenige deutsche FreundInnen aus ganz Deutschland, den Niederlanden und Belgien zur zentralen Großdemonstration nach Düsseldorf gegen die Invasion des türkischen Militärs in Süd-Kurdistan. Es war nur drei Tage moblisiert worden. TV-Sender meldeten "über 20000" bzw. "mehrere zigtausend", die Veranstalter zählten 60000 Leute. Die Forderungen der Demonstration waren:

-- Türkei und die Besatzungsmächte - Raus aus Kurdistan!

-- Stoppt die Wirtschafts- und Militärhilfe an das türkische Regime!

-- Anerkennung aller Kurdinnen und Kurden als Kriegsflüchtlinge!

-- Völlige politische, soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der kurdischen ImmigrantInnen!

-- Anerkennung der kurdischen Identität!

-- Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes!

Bei dem dreistündigen Marsch im Regen durch die Düsseldorfer Innenstadt schwenkten fast alle TeilnehmerInnen kleine ERNK-Fähnchen, riefen Parolen für die PKK und gegen deutsche Waffenlieferungen an das türkische Regime. Es wurden auch große Fahnen der ERNK und der Guerilla ARGK, große Transparente mit Bildern gefallener GuerillakämpferInnen und des Generalsekretärs der PKK, Abdullah Öcalan, und Tafeln mit den Worten "Einzige Lösung ist die PKK" getragen. Auch Ampeln, Stadtbusse u.a. wurden entlang der Demoroute mit ERNK-Fähnchen geschmückt.

Die Polizei verhielt sich während der ganzen Demonstration sehr zurückhaltend, sie sprerrte praktisch nur den Verkehr ab, damit der lange Demonstrationszug ungehindert passieren konnte. Nur in Ingoldstadt wollte ein großes Polizeiaufgebot die KurdInnen an der Abfahrt mit ihrem Bus hindern. Die KurdInnen sollten ihre Ausweise zeigen, sonst dürften sie nicht abfahren. Als sie sich aber kollektiv weigerten, gab die Polizei nach mehreren Stunden auf und behinderte die Abfahrt nicht mehr.

Auf der Schlußkundgebung auf dem überfüllten Platz vor dem Schauspielhaus forderte zuerst ein Vertreter der ERNK die Aufhebung des "PKK-Verbots" und erklärte, daß die KurdInnen sich durch dieses Verbot an nichts hindern lassen. Er forderte den deutschen Staat auf, seine Unterstützung für den Völkermord in Kurdistan einzustellen. Es folgten u.a. eine Rede der ERNK in deutscher und in türkischer Sprache, eine Erklärung des Zentralkomitees der PKK zur türkischen Invasion und der militärischen Lage in Südkurdistan und zum Befreiungskampf in ganz Kurdistan, eine Rede von Otto Wiebus, Vorsitzender der Deutschen Journalisten Union, und von Peter Berens, IG-Metall. - (K.)

_Demonstation in Hamburg_

In Hamburg kamen am 30. März 1200 Menschen, davon ungefähr 300 Deutsche, zur Demonstration gegen die türkische Invasion in Südkurdistan. Der Polizei gelang es trotz massivem Aufgebot nicht, die zahlreichen Fahnen der ERNK, PKK und ARGK und Transparente mit dem Bild des PKK-Generalsekretärs A. Öcalan wegzunehmen, filmte aber mit mehreren Kameras. Bei der Abschlußkundgebung verbrannten die DemonstrantInnen eine deutsche und eine türkische Fahne. Auf der Kundgebung sprachen u.a. Sprecher der aus Kurdistan zurückgekehrten Beobachterdelegation aus Hamburg. (KURD-A, 31.3. - (K.))

_Demonstrationen gegen die Invasion weltweit:_

In _Australien_ demonstrierten am 1. April 200 KurdInnen in Sydney gegen die türkische Invasion in Südkurdistan. Sie trugen Fahnen der ERNK und riefen Parolen für die PKK.

In _Frankreich_ kamen 5000 Menschen zu einer Demonstration am 1. April in Paris gegen die türkische Invasion in Südkurdistan.

In _Bolognia, Italien,_ protestierten verschiedene italienische Organisationen mit einer Kundgebung. TeilnehmerInnen der Beobachterdelegation, die während des Newroz in Kurdistan war, hielten eine Rede und forderten zum Tourismusboykott auf.

Am gleichen Tag gab es in _Ungarn_ in Bukarest eine Demonstration.

Am 4. April protestierten 150 KurdInnen vor der türkischen Botschaft in _Moskau_ mit PKK- und ERNK-Fahnen und Apo-Bildern gegen die Invasion in Südkurdistan und für den Befreiungskampf. Die Polizei griff nicht ein.

In _Rumanien_ zündeten KurdInnen am 2. April drei Lastwagen aus der Türkei an. Der Schaden belief sich auf 500000 Dollar, verletzt wurde niemand.

Quellen: KURD-A, 1. bis 5. April - (K.)

_Veranstaltungen:_

Am 2. April veranstalteten der _Bulgarisch_-kurdische Freundschaftsverein und der Verein für den Kampf gegen Faschismus in Sofia eine Veranstaltung zu Kurdistan, mögliche Lösungsweg und über die Invasion in Südkurdistan. Bei der Veranstaltung sprachen Parlamentarier, Historiker, Schriftsteller und Journalsiten.

In _Kazikistan_ fand am 2. April in Alma Ata eine Newroz-Veranstaltung statt. In dem mit 1600 Menschen überfüllen Saal sprach der Mittelasienvertreter der ERNK und der Abgeordnete für das kurdische Exilparlament, Nadir Nadirof. Anschließend gab es ein umfangreiches Kulturprogramm.

KURD-A, 4. und 5.4. - (K.)

_KurdInnen besetzten UN-Gebäude in Genf_

Am 28. März besetzten 300 KurdInnen aus Protest gegen das Schweigen der UN zur Invasion des türkischen Regimes in Südkurdistan das Gebäude der Vereinten Nationen in Genf. Sie wurden von der Polizei angegriffen, wobei sechs BesetzerInnen verletzt wurden. Die KurdInnen blockierten die Straßen in der Nähe des Gebäudes und wurden mit Wasserwerfern und Tränengas von der Polizei angegriffen. Am Abend wurde dann eine Delegation der DemonstrantInnen vom stellvertretenden Vorsitzenden der Menschenrechtskommission, N. Gomez Trado, empfangen.

Quelle: KURD-A, 29.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Großbritannien: Kampagne für ERNK-Sprecher Kani Yilmaz_

Unter der Losung "Verteidigt die Kurden - verteidigt die Menschen- und Bürgerrechte in Britannien und Europa" ist in Großbritannien eine Solidaritätskampagne für den inhaftierten ERNK-Sprecher Kani Yilmaz und gegen die auch in diesem Land zunehmende politische Verfolgung von Kurdinnen und Kurden entstanden. Kani Yilmaz sitzt jetzt seit dem 26. Oktober 1994 in Großbritannien in Haft, die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe fordert seine Auslieferung an die BRD, um ihm hier den Prozeß zu machen wg. angeblicher "Rädelsführerschaft" bei Anschlägen. Die Trägerinnen und Träger der Kampagne sammeln u.a. Unterschriften unter einen offenen Brief an den britischen Premier Major, in dem sie die Freilassung von Kani Yilmaz fordern. Bis Anfang April hatten 67 Abgeordnete des britischen Ober- und Unterhauses und des Europaparlaments, 100 Unterstützer der "Kurdistan Solidaritäts-Kampagne" und fast 3000 Kurdinnen und Kurden, die in Großbritannien im Exil leben, den Brief unterzeichnet. Wer die Kampagne unterstützen will oder sonstige Informationen sucht, wende sich an:

_Kurdistan Information Centre_ 10 Glasshouse Yard London EC1A 4JN

Fax: 071-250-1317. - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Ab in die Isolationshaft ...?_

In der vorletzten Ausgabe hatten wir über die bundesweiten Razzien berichtet, die die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das LKA Baden-Württemberg mit 85 Beamten durchgeführt hat, um 1 kurdischen Politiker, angeblich ein "PKK-Funktionär", zu "überführen". Inzwischen liegt der Redaktion auch die Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft vor, in der die Verhaftung dieses Kurden stolz mitgeteilt wird. Der Kurde dürfte, wie in solchen Fällen in diesem Lande üblich, in schwerste Isolation gesperrt sein. Interessant: Auch die Bundesanwaltschaft nennt - sieht man einmal von den pauschalen wüsten Beschuldigungen ab - _nicht eine einzige konkrete_ _Straftat_. Hier die Presseerklärung der Bundesanwaltschaft:

"Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes am 17. März 1995 Haftbefehl gegen den 28jährigen türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit Mehrmet K. wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (129a StGB) erlassen. Der am 16. März in Ulm vorläufig festgenommene Beschuldigte befindet sich in Untersuchungshaft.

Ihm wird im Haftbefehl zur Last gelegt, sich spätestens seit März 1994 als Gebietsverantwortlicher für das PKK-Gebiet Ulm an einer terroristischen Vereinigung innerhalb der Führungsstrukturen der PKK mitgliedschaftlich beteiligt zu haben. Er ist professioneller Kader der Partei und führt einen Parteidecknamen. Gemeinsam mit den Verantwortlichen für die PKK-Gebiete Freiburg, Nürnberg, Stuttgart und München organisierte er die Parteiarbeit der PKK einschließlich sogenannter "aktionistischer Aktivitäten" in der Parteiregion Bayern/Süd und setzte dort die Anweisungen der "Europäischen Frontzentrale" um. Der Beschuldigte zeichnet vermutlich auch für die jüngsten Anschläge der PKK gegen türkische Einrichtungen in Süddeutschland verantwortlich.

Die Ermittlungen, mit denen das Landeskriminalamt Baden-Württemberg beauftragt ist, dauern an."

Quelle: Pressemitteilung der BAW, Karlsruhe, 17.3. - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_München: Gesinnungsurteil gegen Kurdistan-Solidarität_

Vor der Staatsschutzkammer in München fand am Donnerstag, den 6.3.95, der Prozeß gegen Max Brym wegen des Vorwurfes der PKKUnterstützung statt. Brym hatte im August '94 als Versammlungsleiter einer Kurdistan-Solidaritätskundgebung des Münchner Bündnis gegen Rassismus mehrmals "Es lebe Apo!" gerufen.

Vor dem Gericht protestierte das Münchner KurdistanSolidaritätskomitee mit einem Transparent mit der Aufschrift "Gesinnungsprozesse wie in der Türkei" gegen die Kriminalisierung der Kurdistansolidarität. Auch während des Prozesses waren bis zu 30 Menschen aus Solidaritätsinitiativen als Beobachter anwesend.

In seiner Verteidigungsrede führte Brym aus, er habe Apo hochleben lassen, da dessen Friedensvorschläge die einzige Lösung zur Beendigung des Krieges in Kurdistan sind. Brym sieht in seinem Ausruf also einen Protest gegen die deutsche Außenpolitik mit ihrer Beihilfe am Völkermord in Kurdistan. Die Parole habe auch deeskalierend auf der Kundgebung gewirkt, da die Polizei drohte, wegen der verbotenen Parole "Es lebe die PKK" einzugreifen und durch die neue Losung die PKK-Rufe aufhörten. Der polizeiliche Einsatzleiter hatte damals nichts gegen diese Parole einzuwenden, da er der Meinung war, mit Apo sei die Abkürzung für Außerparlamentarische Opposition gemeint und Brym es versäumt hätte, ihn über die wahre Bedeutung aufzuklären.

Bezeichnend für die Geisteshaltung des Staatsanwaltes waren auch Éußerungen, wie: "Sie müssen hier auf jedes Wort achten. Es ist gefährlich, Dinge im Zusammenhang mit Kurdistan zu sagen", worauf von einem Zuhörer der Zuruf "Wie in der Türkei!" kam. Auch verstieg sich der Staatsanwalt zu der Behauptung, Brym könne sich nicht auf die freie Meinungsäußerung berufen, denn im Falle von Heil-Hitler rufenden Rechtsextremen würde er eine Verfolgung fordern. Gegen diesen Vergleich des Völkermörders Hitler mit dem Anführer einer Befreiungsorganisation protestierte Anwältin Angelika Lex auf das Schärfste. In seinem Schlußwort erwiderte Brym die Vorwürfe des Staatsanwaltes, die PKK und Öcalan seien Terroristen, mit dem Beispiel des Friedensnobelpreisträgers Arafat und des Staatschefs Mandela, die auch vor wenigen Jahren noch als Terroristen galten. Anwältin Lex wies darauf hin, daß es nicht verboten ist, Rosa Luxemburg als Gründerin der in der BRD verbotenen KPD hochleben zu lassen und dies im Falle von Öcalan, dem Gründer der PKK, nicht illegal sein könne.

Das Gericht verurteilte Brym zu 20 Tagessätzen zu 20 DM, was unter den vom Staatsanwalt geforderten 90 Tagessätzen zu 30 DM lag. Die Urteilsbegründung ist allerdings ein politischer Angriff gegen die gesamte Solidaritätsbewegung. Mit seinen Ausrufen, so der Richter, hätte Brym den Kurden zeigen wollen, daß nicht alle Deutschen die Verbote der PKK für richtig halten. Hierin sei eine Ermutigung und somit eine Unterstützung im Sinne des Vereinsgesetzes zu sehen. Gegen dieses Gesinnungsurteil nach türkischen Muster will Brym Revision einlegen. Es gilt nun, gegen diese Kriminalisierung von Kritik am PKK-Verbot und der deutschen Kurdistanpolitik zu protestieren!

(NiB, aus: CL-Netz)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Eine Initiative aus Kassel für eine politische Lösung in Kurdistan_

Die im folgenden dokumentierte Resolution für eine politische Lösung in Kurdistan fanden wir im CL-Netz, wo sie mit der Bitte um Unterstützung und Weiterverbreitung verschickt wird. Die Redaktion schließt sich dem gerne an. Wer die Resolution unterstützt oder weitere Infos haben will, wende sich bitte per Fax an: AStA der GhK, c/o StudentInnengruppe Kurdistan, Fax: 0561-84247, Tel. AStA der GhK 0561-8043161 oder 8042885.

_Politische Lösung für Kurdistan_

_Aufruf zu einem radikalen demokratischen Wandel in der Türkei_

1. Bedingungslose Einhaltung der Menschen- und Völkerrechte in Kurdistan (Südosttürkei, Nordirak) und in der Türkei.

2. Anerkennung der kurdischen Kultur und Sprache.

3. Sofortige Aufhebung des Ausnahmezustands in den kurdischen Gebieten und Amnestie für alle kurdischen und türkischen politischen Inhaftierten.

4. Sofortiger Abzug der türkischen Invasionstruppen aus Südkurdistan (Nordirak) und Nordkurdistan (Südosttürkei).

5. Auflösung der paramilitärischen Einheiten und Dorfschützersysteme in Kurdistan.

6. Anerkennung der PKK als Befreiungsbewegung des kurdischen Volkes. Ausdrückliche Aufforderung der UnterzeichnerInnen an die türkische Regierung, einen politischen Dialog mit der PKK zu beginnen.

7. Presse- und Meinungsfreiheit für die kurdischen und türkischen oppositionellen Zeitungen in der Türkei und BR Deutschland.

8. Keine Abschiebung von KurdInnen, türkischen Oppositionellen und Kriegsdienstverweigerern in den Folter- und Kriegsstaat Türkei.

9. Sofortiger Stopp jeglicher deutscher Waffenlieferungen.

10. Aufhebung des Verbots der kurdischen Vereine und Wiederherstellung der Presse-, Organisations- und Versammlungsfreiheit der kurdischen Exilbevölkerung in der BR Deutschland.

11. Die Bundesregierung soll die Bemühungen um den Aufbau eines kurdischen Exilparlaments unterstützen und offizielle Beziehungen zu diesem aufnehmen.

12. Die Beziehungen zwischen BR Deutschland und der Türkei sollen an die oben genannten Punkte geknüpft werden.

Wir sind solidarisch mit allen KurdInnen, die für Freiheit und Selbstbestimmung eintreten.

Alle emanzipatorischen, internationalistischen, demokratischen Gruppen und Parteien sind angesprochen, in einen ernsthaften solidarischen Dialog miteinander zu treten.

Kassel, im April 1995

_UnterzeichnerInnen:_

StudentInnengruppe Kurdistan an der GhK, AStA der Gesamthochschule Kassel (GhK), Deutsch-Kurdische Gesellschaft (Kassel), Feministische Antifa Kassel (Fantifa).

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_NRW-Jusos gegen Schnoors Kurdenverfolgung_

Der Landesverband der Jusos in NRW hat am 3. April scharf gegen die Aufhebung des Abschiebestopps durch Landesinnenminister Schnoor (SPD) protestiert. Hier die Erklärung.

_Abschiebeentscheidung rückgängig machen!_ _Aufhebung des Abschiebestopps für Kurden ist menschenverachtend._

Mit großer Bestürzung reagiert der JUSO-Landesverband NRW auf die Entscheidung des Innenministers Herbert Schnoor, den Abschiebestopp für Kurden noch vor Ostern aufzuheben. "Die Begründung von Schnoor ist pervers", so urteilt die JUSO-Landesvorsitzende Svenja Schulze. "Schnoor hat seine Entscheidung nicht nach Prüfung der Verfolgungssituation von Kurden in der Türkei, sondern nach der Lage des Wahlkampfes in Nordrhein-Westfalen getroffen. Wenn die CDU im Wahlkampf gegen die kurdischen Asylsuchenden hetzt, ist das menschenverachtend. Wenn ein SPD-Innenminister im vorauseilendem Gehorsam sogleich den Abschiebestopp für Kurden aufhebt, ist das nicht weniger menschenverachtend."

Gerade von Herbert Schnoor hatten die JUSOS eigentlich erwartet, daß er bei seiner ehemals klaren Haltung bleibt und den Abschiebestopp so lange, wie aufgrund der Lage in der Türkei erforderlich, aufrecht erhält: "Die türkische Armee fällt in den Irak ein, um dort ihren Völkermord an der kurdischen Bevölkerung fortzusetzen, und benutzt dazu Waffen aus deutscher Produktion. Gleichzeitig setzt der Innenminister die nach Deutschland geflüchteten Kurden der Verfolgung in der Türkei aus. Herbert Schnoor verläßt damit sozialdemokratische Politik und die Beschlußlage der SPD."

(aus: CL-Netz)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Komitee für Grundrechte zum Kurdistan-Konflikt_

Das "Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V." in Köln hat sich mit einer Erklärung zum Kurdistan-Konflikt geäußert. In der Erklärung, die sich "an türkische, kurdische und deutsche Landsleute und an die Bundesregierung" wendet, heißt es u.a.:

"Wir rufen dazu auf, bereits hier in Deutschland mit der Friedensarbeit zwischen Kurden und Türken zu beginnen. Das früher oftmals gute Verhältnis zwischen diesen Völkern darf nicht durch Gewalt gegen Personen und Sachen belastet werden. Vielmehr müssen wir alle daran arbeiten, daß auch von Deutschland Friedensimpulse in die Türkei gelangen und nicht etwa Impulse weiterer Verfeindung ...

Mit aller Deutlichkeit sagen wir, die deutsche Bundesregierungnach dem Grundgesetz verpflichtet, dem Frieden in der Welt zu dienen - hat im Gegensatz zu ihren Friedensbeteuerungen und ihrem Anspruch, internationale Verantwortung nun verstärkt übernehmen zu wollen, bisher die Politik der Militarisierung des türkisch-kurdischen Konflikts unterstützt. Sie hat sich außerdem parteiisch gegen die hier lebenden Kurden gewandt, indem sie pauschalisierend diese in den Augen der Bevölkerung als potentielle oder tatsächliche Terroristen darzustellen versuchte.

... bedroht sie ... die hier lebenden Kurden mit Abschiebung. Ohne Rücksicht auf die verheerende menschenrechtliche Situation in der Türkei und die aktuelle Großoffensive des türkischen Militärs, die den Charakter eines Genozids an der kurdischen Bevölkerung annimmt, drängen der Bundesinnenminister und die Landesinnenminister auf sofortige Abschiebungen. Wir fragen uns, ob diese Politik nicht als Beihilfe zum Mord angeklagt werden muß ... Den türkischen und kurdischen Landsleuten müssen ... volle Bürgerrechte ... zugestanden werden ..."

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_BUKO: 19. Bundeskongreß 25. bis 28. Mai in Wuppertal_

Der "Koordinierungsausschuß" des Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen hat uns gebeten, auf den nächsten BUKO-Kongreß hinzuweisen, was wir hiermit tun. - (rül)

Der 19. Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen findet vom 25. bis 28. Mai 1995 in Wuppertal im Kommunikationszentrum DIE BÖRSE, Viehhofstraße 125, 42117 Wuppertal statt. Diesjähriges Thema wird sein: "Entwicklungsman(n)iePatriarchat und Solidaritätsbewegung". Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Anmeldungen sollten bis spätetens 2. Mai an die Geschäftsstelle des BUKO, Nernstweg 32-34, 22765 Hamburg, Telefon (040) 393156, Fax: 3907520 gerichtet werden.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_MED-TV auf Sendung!_

Am 30. März hat der kurdische Fernsehsender MED-TV mit den Testsendungen begonnen. MED-TV ist über Satellit in 20 Ländern, auch in der Türkei und in Kurdistan, zu empfangen. In Deutschland kann der in kurdischer, türkischer und englischer Sprache sendende Fernsehsender in der Zeit von 18.00 bis 21.00 Uhr empfangen werden.

Der türkische Staat hat gleich am ersten Tag versucht, zu verhindern, daß die Leute MED-TV anschauen. So wurden zum Beispiel in Kurdistan in der Kreisstadt Maden in der Provinz Elazig die Gäste eines Kaffeehauses festgenommen, weil dort im Fernsehen MED-TV eingeschaltet wurde.

Quelle: KURD-A, 31.3.95 - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Neue Zeitung: "Yeni Politika" (Neue Politik) erschienen_

Am 13. April, einen Tag vor Ostern, erschien in Istanbul und Europa die erste Ausgabe einer neuen Zeitung: "Yeni Politika" (deutsch: Neue Politik). Gleich die erste Ausgabe wurde erneut von der Polizei noch im Druckhaus beschlagnahmt. Die Beschlagnahme erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Staatssicherheitsgerichts. Nach der Beschlagnahme wurde eine zensierte Neuauflage gedruckt und verbreitet. Nur in Europa erschien die Zeitung unzensiert. In Deutschland ist die Redaktion der Zeitung unter der folgenden Anschrift zu erreichen:

Tigris Presse- und Verlags-GmbH Friedhofstr. 78 63263 Neu-Isenburg

Tel. 06102-320081 Fax: 06102-320082

(rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_ARGK-Bilanz März 1995_

Das Pressebüro der Volksbefreiungsarmee Kurdistans veröffentlichte die folgende Bilanz der Gefechte und ihrer Aktionen in Nordkurdistan (türkischer Teil) im März 1995. (Nicht berücksichtigt in dieser Bilanz sind die Ergebnisse der Gefechte gegen die türkischen Invasionstruppen in Südkurdistan.)

"1. In diesem Monat haben wir insgesamt 110 Aktionen durchgeführt, davon waren 11 Aktionen Straßenkontrollen und 41 Aktionen Hinterhalte. Bei diesen Aktionen wurden insgesamt 749 Soldaten, darunter 9 hochrangige, getötet und 92 Soldaten verletzt. Außerdem wurden 40 "Dorfschützer" und ein Sohn eines "Dorfschützer"Führers getötet und 17 verletzt. Sechs Agenten, Konterguerillas und Kollaborateure wurden getötet und sechs verletzt. Insgesamt zehn Personen, vier "Dorfschützer", zwei Angehörige von "Dorfschützern" und vier Agenten wurden von uns gefangen genommen und werden noch verhört.

2. In diesem Monat sind 109 ARGK-Kämpfer und -Kämpferinnen als Märtyrer gefallen. 29 ARGK-Kämpfer und -Kämpferinnen wurden verletzt und werden im Rahmen der Möglichkeiten der Volksbefreiungsarmee Kurdistans behandelt.

3. Von den Kräften der türkischen Armee haben unsere Guerillakräfte in diesem Monat erbeutet: drei Kalaschnikows, 75 Stück Kalaschnikow-Munition, drei Kalaschnikow-Magazine, vier Handgranaten, 403 Gewehre, sieben G-3-Magazine, eine B-7-Waffe, zwei B-7 Raketen, sieben B-7-Raketen, eine G-3-Rakete, eine MG3-Waffe, 365 G-3 Gewehre, 220 Stück G-3 Munition mit Tasche, einen MG-3 Ersatzlauf, zwei M 18 tragbare Waffen, eine 14er Pistole, neun Stück 14er Munition, zwei Waffen, drei Magazine, 150 Stück Munition für M-18, 600 Stück Munition für M-4, drei B-7 Raketen, eine G-3 Rakete, ein Fernglas, ein Fernglas für M-16, 7,5 Millionen TL, acht Jagdgewehre, ein Scheinwerfer, vier Armbanduhren, 27 Rucksäcke, einen Schlafsack, elf Taschen, drei Decken, zwei Fotoapparate, einen Koppel, sechs Parkas, Militärausweise etc.

4. In diesem Monat haben wir vom Feind zerstört: 26 Militärfahrzeuge, elf Panzer, drei Spezialteamfahrzeuge, sieben Armeefahrzeuge, zwei Armeebusse, drei PKWs, ein Gebäude der Sicherheitsbehörde, sechs Häuser von "Dorfschützern". 21 Ölbohrstellen wurden in die Luft gejagt, vier Trafos zerstört und Institutionen des Feindes wurden beschossen.

5. Die von den Guerillakämpfern und -kämpferinnen erfolgreich durchgeführten Aktionen der Volksbefreiungsarmee Kurdistans haben Panik beim Feind und seinen Kollaborateuren ausgelöst und Kämpfe und Auseinandersetzungen unter den "Dorfschützern" ausgelöst."

Quelle: KURD-A, 3.4.95 - (K)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Dokumentiert: ai u.a. gegen Abschiebungen_

"ai rügt Kurden-Abschiebepraxis. Rechtsschutz-Zusagen türkischer Behörden 'keine Garantie'." Unter dieser Überschrift berichtete die _Frankfurter Rundschau_ am 11. April über Proteste von amnesty international, den "Kritischen Polizisten" und anderen Organisationen gegen die von Kanther, Beckstein und anderen betriebenen neuerlichen Abschiebungen von Kurdinnen und Kurden. Wir dokumentieren den Artikel.

BERLIN, 10. April (afp). Die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international (ai) hat ihre Kritik an der Aufhebung des Abschiebestopps für Kurden in die Türkei bekräftigt. Die von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) und einigen Bundesländern vorgesehenen Regelungen zum Rechtsschutz von Mitgliedern der Kurdischen Arbeiterpartei PKK in ihrer Heimat seien keine Garantie, sagte ai-Vorstandsmitglied Michael Maier-Borst am Montag in Berlin.

Die Absichtserklärungen von Verfolgerstaaten dürften in keinem Fall zum Maßstab für asyl- und ausländerrechtliche Entscheidungen werden. Das von Nordrhein-Westfalen, Berlin und Baden-Württemberg geplante Verfahren, abgeschobene PKK-Mitglieder bei ihrer Ankunft in der Türkei von Vertretern des türkischen Menschenrechtsvereins IHD betreuen zu lassen, belege letztlich, daß diese Menschen dort gefährdet seien. Maier-Borst betonte, daß der IHD es in der vergangenen Woche abgelehnt habe, an dem von einigen Bundesländern beschlossenen Verfahren mitzuwirken. In einer Erklärung des stellvertretenden IHD-Vorsitzenden Ercan Kanar hieß es, der Menschenrechtsverein sei nicht in der Lage, Abgeschobene durch Rechtsbeistand nachhaltig vor Verfolgung durch staatliche Behörden zu schützen. Dazu seien zunächst grundlegende Énderungen der türkischen Strafprozeßordnung und der Rechtsordnung sowie die Abschaffung der Todesstrafe erforderlich.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten warf dem nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Schnoor vor, abgelehnte kurdische Asylbewerber aus Wahlkampfgründen zu einer "entmenschlichten Verhandlungsmasse" gemacht zu haben.

Aus: _Frankfurter Rundschau_, 11.4.1995

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 8, 20.4.1995

_Guerillaaktionen in Nordkurdistan 27. März bis 3. April_

Unsere Übersicht über die Aktionen der kurdischen Guerilla in Nordkurdistan ergibt dieses Mal: Mindestens 88 getötete türkische Soldaten und weit über 30 getötete "Dorfschützer" binnen einer Woche allein in Nordkurdistan bei nur geringen eigenen Verlusten der Guerilla. Hier die Berichte im einzelnen.

_27. März_

Um 4 Uhr morgens wurde die Kasernen in Besure Brujne am Fuß der Cudi-Berge von der ARGK angegriffen. Das Gebäude wurde größtenteils zerstört. Zwei Hubschrauber transportierten in zwei Flügen die Leichen der getöteten Soldaten ab, deren Zahl nicht bekannt geworden ist.

_29. März_

In Mardin Dorf Xuske 13 Schafe. Die "Dorfschützer" verfolgten die Guerilla und wurden dabei angegriffen. Bei dem den ganzen Tag andauernden Gefecht wurden 29 "Dorfschützer" getötet. Die Guerilla hatte keine Verluste.

Auch im "Dorfschützer"-Dorf Kemirdo kam es zu einem Angriff der Guerilla, über dessen Ausgang zunächst nichts bekannt wurde.

In den ebenfalls in Mardin gelegenen Dörfern Kete und Mantara hat die Volksbefreiungsarmee Kurdistans Stellungen von "Dorfschützern" angegriffen. Bei den Gefechten wurden vier "Dorfschützer" getötet und sechs verletzt.

In der Nähe von Zivinga Sipi wurde die türkische Armee von der Guerilla angegriffen. Zwei Soldaten wurden getötet, einer verletzt.

In der Nähe von Silopi wurde ein Militärfahrzeug von der Guerilla durch eine Panzermine zerstört. Neun Soldaten wurden getötet.

_30. März_

In Haftanin, in der Nähe der Grenze zu Südkurdistan, wurden die Militärstationen Gabar, Sikaftiyan und Bekara gleichzeitig von der ARGK mit schweren Waffen und Raketen angegriffen. In Bekara wurden drei Soldaten getötet, in Sikaftiyan nach Schätzungen der Guerilla 30, während dort viele in Panik geflohen sind. Von der Militärstation Gabar erbeutete die Guerilla 450 Stück Munition und 12 Magazine für deutsche G-3-Gewehre und B-7-Raketen.

Im Dorf Ismailka in Batman-Kozluk wurde das Haus des örtlichen Militärkommandanten von der Guerilla angegriffen. Der Kommandant und zwei hochrangige Soldaten wurden getötet. Als das Militär mit Panzern und mehreren Fahrzeugen eingreifen wollte, fuhren sie in einen Hinterhalt der Guerilla. Bei dem Gefecht wurden ein Panzer und drei Militärfahrzeuge zerstört und 23 Soldaten getötet.

_31. März_

Im Gebiet Besta wurde die Kaserne Disa Res von der ARGK beschossen und stark zerstört.

In Cukurca wurde die Kaserne von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen. Das Gebäude wurde von 21 der 25 Geschosse getroffen und größtenteils zerstört. Auch die Hubschrauber auf der Piste der Kaserne wurden durch Beschuß beschädigt und zerstört. Nach Informationen des von der ARGK abgehörten Funkverkehrs wurden 18 Soldaten getötet und viele verletzt.

Auf der Landstraße Cizre-Nusaybin führte die Guerilla Kontrollen und Agitation durch. Die beiden Reporter Fatih Saribas (Reuther) und Kadir Gürsel (A-FP) wurden bei der Kontrolle aufgegriffen. Das ARGK-Pressebüro erklärte, die Guerilla habe über Funk Informationen über die beiden eingeholt, woraufhin die türkischen Staatskräfte eingegriffen hätten. Deshalb habe sie die beiden Reporter mitgenommen, um sie in Sicherheit zu bringen. Sie seien bei guter Gesundheit und in Sicherheit als Gäste der ARGK.

Auf der Bircella-Alm am Fuß des Gabar-Berges kam es zu einem heftigen Gefecht zwischen der türkischen Armee und der ARGK.

_3. April_

Die Landstraße Eruh-Siirt wurde ab 11 Uhr vormittags von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans kontrolliert. Die Guerilla führte Personenkontrollen und Agitation durch. Ein Panzer und Militärfahrzeuge der türkischen Armee wurden während der Kontrolle beschossen, der Panzer und zwei der Fahrzeuge wurden zerstört.

Quellen: KURD-A, 28. März bis 5. April 1995 - (K.)