Metalltarif
Urabstimmung und Streik
sind der nächste Schritt
Eigentlich läuft alles so wie immer: Die IG Metall hat ihre Beweglichkeit mit Warnstreiks im ganzen Land demonstriert, die Metallkapitalisten bleiben davon scheinbar unberührt, und auch das Spitzengespräch des vergangenen Freitag zwischen Gesamtmetall und der IGM blieb ohne offizielles Ergebnis. Insofern also eigentlich nichts Neues. Trotzdem wird keiner sich hinstellen mögen und den Ausgang dieser Tarifauseinandersetzung voraussagen können. Am vergangenen Freitag beteiligten sich mehr als 20000 Arbeiter und Angestellte an zum Teil ganztägigen Warnstreiks allein in Hamburg, in Schleswig- Holstein waren es 70000, die zum größten Teil schon zum zweiten Mal in dieser Auseinandersetzung die Arbeit niederlegten. Die IG Metall berichtet dabei über die überdurchschnittlich hohe Beteiligung auch von Nichtorganisierten und der Angestellten. Diese erfreuliche Entwicklung blieb aber bislang ohne erkennbare Wirkung bei Gesamtmetall. Lediglich im Kfz-Handwerk in Schleswig-Holstein kam es am Ende letzter Woche zu einer Tarifvereinbarung: 2,5% mehr Lohn und Gehalt rückwirkend ab 1.2.94. IG Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller wertete das Ergebnis als klare Absage an "Null- und Minusrunden". Der ständige staatliche Lohnraub aus den jüngsten Bonner Beschlüssen sowie der betriebliche Sozial- und Lohnabbau haben das Faß zum Überlaufen gebracht. Das Ziel von Gesamtmetall, mit den Forderungen zu dieser Tarifrunde die Gewerkschaft an die Wand zu bekommen, ging bislang nicht auf. Trotzdem ist die Lage für die IG Metall keineswegs bereinigt; so ist das Kampfmittel des Warnstreiks praktisch für die meisten Betriebe, die schon mehrere Aktionen hinter sich gebracht haben, verbraucht. Der Vorstand wird vermutlich deshalb am 21. Februar über die Einleitung der Urabstimmung für den Streik im Tarifbezirk Südwesten abstimmen. IG-Metall- Vorsitzender Klaus Zwickel hat Gesamtmetall weitreichende Angebote gemacht, die die Unterschrift der IG Metall bekommen würden. Damit versucht der Vorstand, betriebliche Entwicklungen tariflich wieder einzufangen, denn betrieblich sind die Betriebsräte enorm unter Druck. Personalabbau und Streichung betrieblicher Leistungen zeigen ihre Wirkung z.B. bei weitgehenden Zugeständnissen zur Aufweichung des Normalarbeitstages. Hier ist die IG Metall, so Zwickel, bereit, die 35-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich vorzuziehen, wenn Beschäftigungsgarantien für einen bestimmten Zeitraum gegeben werden. Mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit soll durch entsprechende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates geregelt werden. Weiter bietet Zwickel Tarifverträge Óa la carte an, d.h. betrieblich kann unter verschiedenen Möglichkeiten gewählt werden. Der Erhalt des Flächentarifvertrages soll aber weiter bestehen bleiben. Somit sind für Zwickel betriebliche Öffnungsseln strikt abzulehnen. Unklarheit besteht in der augenblicklichen Lage in den Betrieben darüber, ob die beschlossenen Forderungen noch gelten oder schon geopfert worden sind. Spätestens bei der Mobilisierung für eine Urabstimmung muß klar sein, um was es genau geht. Bandbreiten bei der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sind angeboten, aber was sind die Grenzen, wie groß ist der Ausgleichszeitraum beim Abbummeln von Mehrarbeit? Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich sind Gesamtmetall signalisiert worden, wieviel Lohnsenkung will man dabei hinnehmen, was bedeutet das für die mittleren und unteren Lohngruppen? Was ist die Untergrenze für die IG Metall bei Lohnsenkung? Gesamtmetall will den Urlaub in eine Belohnung für Anwesenheit im Betrieb umgestalten. Die Stimmung in den Belegschaften signalisiert in dieser Frage den größten Widerstand. Der IG-Metall-Vorstand wäre gut beraten, an diesem Punkt festzuhalten. Quellen: Husumer Nachrichten, 12.2.94; Hamburger Abendblatt, 12./13.2.94; Politische Berichte 3/94 - (mie)
Vor 50 Jahre: Politischer Mord im KZ Neuengamme Am 14. Februar 1944 wurden Elisabeth und Gustav Bruhn, Hans Hornberger und Kurt Schill auf Befehl des Reichsführers- SS im Bunker des KZ Neuengamme gehenkt. Am 5. Januar 1944 war bereits ihr Kampfgefährte Walter Bohne, als er sich seiner Verhaftung widersetzte, von Gestapo-Sekretär Henry Helms in der Rothenbaumchaussee (Nähe Klosterstern) erschossen worden. Alle fünf hatten der Hamburger Widerstandsorganisation um Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen angehört und sich als Kommunisten für den Sturz des Naziregimes und die Beendigung des Krieges eingesetzt. Mit zahlreichen Mitstreitern wurden das Ehepaar Bruhn, Walter Bohne und Hans Hornberger im Herbst 1942 festgenommen und nach den Verhören bei der Gestapo der Nazijustiz übergeben. Unter dem Eindruck der schweren Bombenangriffe im Sommer 1943 auf Hamburg erhielten sie vom Generalstaatsanwalt Dr. Drescher für zwei Monate Hafturlaub. Sie gingen erneut in den Untergrund und konnten erst im Winter 1943/44 zusammen mit ihrem Helfer Kurt Schill aufgespürt werden. Nach der Ermordung Walter Bohnes beantragte die Hamburger Naziführung die polizeiliche Exekution der vier anderen Gefangenen. Auf Befehl Himmlers wurden die Häftlinge am 14. Februar 1944 im Bunker des KZ Neuengamme gehenkt. (Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und die VVN - Bund der Antifaschisten Hamburg führten am 13.2. eine Gedächtnisveranstaltung durch.)
Vorsitzender von Petrol-Is verurteilt Das Urteil darf nicht vollstreckt werden! Das Bundesvorstandsmitglied der Türk-Is (Türkischer Gewerkschaftsbund ) und Vorsitzender der Gewerkschaft Petrol-Is (Chemie- und Ölverarbeitung) aus der Türkei ist am 19.1. vom AntiterrorSondergericht in Istanbul zu 20 Monaten Haft verurteilt worden. Der Grund dafür liegt in einem Artikel, den er 1991 in einer Wochenzeitung, Yeni Ülke, veröffentlicht hatte. () Die Verurteilung des kämpferischen Petrol-Is-Vorsitzenden verfolgt das Ziel, die Arbeiterbewegung, die Angestellten sowie die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Türkei einzuschüchtern und ihre Gewerkschaften zu zerschlagen. Zunehmende Angriffe, Verhaftungen () und Ermordung kämpferischer Arbeiter- und Gewerkschaftsführer (kürzlich wurden in Diyarbakir und Batman zwei ehemalige Bevollmächtigte der Petrol-Is ermordet) beweisen das wirkliche Ziel der Regierung: Staatsterror auszuüben gegen Arbeiter, Angestellte und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zur Unterdrückung des Kampfes um "Arbeit! Brot! Freiheit!" () Es folgen über 100 Unterschriften unter den Aufruf, der sich an alle Kolleginnen und Kollegen, Funktionäre, Betriebsräte sowie DGB-Gewerkschaften richtet. Kontakt: Arbeiterkomitee für Solidarität und Einheit, Am Oelpfad 27, 44264 Dortmund, Fax: 0231/483621
Zum Tarifbruch erpreßt Der Boss der kleinen Hafenschiffahrtsfirma C.R. Eckelmann in Hamburg mit etwa 20 Mann wollte nicht länger den Hafentarif bezahlen. So gründete er eine Tochter und übertrug einen Vertrag, der bisher etwa 10 Arbeitsplätze ausmachte, an diese Tochter. Sodann holte er seine Arbeiter, ohne den Betriebsrat zu fragen, einzeln hoch und sagte, daß er wegen Arbeitsmangel entlassen müßte oder vielleicht ganz dicht machen muß. Er biete jedoch einen neuen Arbeitsplatz bei dem Tochterunternehmen an bzw. Weiterarbeit, aber einzelvertraglich unter Tarif. Dieses Tochterunternehmen zahlt aber keinen Hafentarif und wird vor allem die Arbeitszeit völlig flexibel handhaben. Die Einschüchterung gelang bei 5 Kollegen, die das Gespräch ohne Betriebsrat führten und einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Die ÖTV Abteilung Seehäfen forderte die Kollegen in einem Flugblatt auf, diesen Tarifbruch nicht mitzumachen, und wies darauf hin, daß ihr Arbeitgeber bereits zum 31.12.1978 aus dem Unternehmensverband Hafen Hamburg ausgetreten ist, um sich der Zahlung des Hafentarifes zu entziehen. Auch damals ist gelungen, C.R. Eckelmann zu zwingen, einen Haustarif abzuschließen. Die ÖTV wies darauf hin, daß der damals erkämpfte Haustarif nicht einmal gekündigt ist und daher für alle Arbeitnehmer gilt. -(obj)
Über das Ergebnis der Wahlen zum Studierendenparlament der Universität Hamburg
Es grünt so grün,
wo Studierende sich bescheiden.
Die Ausgangslage Vom 10. bis zum 14. Januar fanden an der Universität Hamburg die diesjährigen Wahlen zum Studierendenparlament (StuPa) der Universität statt. Zur Wahl stellten sich diesmal 10 verschiedene Listen, die in drei politische Hauptrichtungen zu gliedern sind: - Drei Listen, die zum bürgerlichen Spektrum zu zählen sind (Ring Christlich Demokratischer Studenten, Unabhängige Liberale, Realos jetzt). - Vier Listen, die dem rechten Flügel der GAL nahe stehen und seit einem Jahr das zentrale Organ der studentischen Interessenvertretung, den Allgemeinen StudentInnen Ausschuß (AStA) stellen (Grüne Hochschulgruppe, Fachschaftsliste, Frauenliste und Demokratische AusländerInnen Liste). - Drei Listen, die sich, mit unterschiedlichen Ansätzen, als gesellschaftliche Opposition verstehen, von dieser Position ausgehend zusammen im "Linken Oppositionsplenum" (LOP) Perspektiven für die studentische Interessenvertretung zu entwickeln suchen und deswegen gegenüber dem von der GAL gesponserten AStA in Opposition stehen. (Fachschaftsbündnis 94, juso-hochschulgruppe, LINKS) Die politischen Auseinandersetzungen während der Wahlwoche wurden in erster Linie durch die gleichzeitig stattfindende Streik- und Aktionswoche gegen die aktuellen Bestrebungen ("Eckwertepapier"), die Misere an den Hochschulen durch Zwangsmaßnahmen gegen Studierende, Zulassungsbeschränkungen und direktere Ausrichtung der Wissenschaften an Kapitalverwertungsinteressen zu >lösen<, bestimmt. (Berichte in der letzten und vorletzten Ausgabe) Eine wichtige Rolle spielte außerdem eine gleichzeitig vom AStA organisierte Abstimmung über das sog. Semesterticket. Hierbei handelt es sich um Zwangskarte für den HVV, die alle Studierende zum Preis von DM 209,- kaufen müßten. Die Hauptlinie der Auseinandersetzung bei dem Semesterticket verläuft zwischen einem vermeintlichen ökologischen Nutzen auf der einen Seite und vor allem sozialen Bedenken gegen eine gleichmäßige Umverteilung der Gelder, die bisher von den Studierenden einzeln an den HVV gezahlt wurden, auf alle; unabhängig davon, ob der Studierende konkret so ein Ticket kaufen möchte oder kann.
Das Ergebnis Das Erfreulichste dieser Wahlen besteht in der erneut hohen Wahlbeteiligung (knapp 20%). Die Streikbewegung sowie die Marketingschlacht des AStAs - von der GAL bezahlt - für das "Semesterticket" haben die allgemein politische Aufmerksamkeit an der Uni verstärkt und die gestiegene Wahlbeteiligung bewirkt. Obwohl der amtierende AStA bislang durch hochschulpolitische Inkompetenz brillierte, indem die dort arbeitenden Menschen sich kaum mit dem "Eckwertepapier" (Stichwort: Hochschuldeform mit Zwangsmaßnahmen) kritisch beschäftigt haben; obwohl die "AStA-Koalition" den Beitritt zu dem studentischen Dachverband (fzs - freier zusammenschluß der studentInnenschaften) ablehnt; obwohl der amtierende AStA mit der Einrichtung eines "Evaluationsbüros" (Bewertung der Lehre) Schwierigkeiten hat, sich vom RCDS zu unterscheiden; obwohl die Einführung eines "Semestertikkets" für 209,- DM eine unsoziale Frechheit, verkehrspolitisch dürftig und von der sog. Ökobilanz her äußerst fraglich ist, ist es diesem AStA wieder gelungen, eine parlamentarische Mehrheit zu erhalten. Durch "Wahlkampf Óa la Waschmittelwerbung" nicht nur für's Semesterticket und die Fähigkeit, den Anschein zu erwecken, eine fortschrittliche Politikkonzeption zu vertreten, kann die "grüne Quadriga", bestehend aus "Grüne Hochschulgruppe", "Fachschaftsliste", "Frauenliste" und "Demokratische AusländerInnenliste", in dem nächsten StuPa mit 25 von 47 Sitzen die absolute Mehrheit stellen. Die juso-hochschulgruppe hatte unter dem rufschädigenden Verhalten der Herren Scharping und Voscherau zu leiden und büßte - unverdient - deshalb zwei Sitze ein. Das Fachschaftsbündnis 94 errang für seine wackere Basisorientierung und die solide Arbeit gegen das "Eckwertepapier" erfreulicherweise aus dem Stand 5 Sitze. Die Liste LINKS (siehe auch Kasten) hat von über 600 Menschen die Zustimmung für konsequente Kritik an herrschenden Verhältnissen und das Entwikkeln fortschrittlicher Entwicklungsoptionen insbesondere auf den Gebieten Antirassismus, Hochschul- und Wissenschaftspolitik und Friedenspolitik erhalten und wird in dem nächsten StuPa mit vier Menschen vertreten sein.
Wie weiter Die Streik- und Aktionsbewegung hat an der Hamburger Uni die hochschulpolitische Entwicklung wieder zum Thema gemacht. Einigkeit bestand darin, die geplanten Zwangsmaßnahmen (Studienzeitverkürzungen, Zwangsexmatrikulation, Studiengebühren) abzulehnen, erhöhte Finanzen für die Universitäten zu fordern sowie mit der Entwicklung eigener Reformvorstellungen zu beginnen. Uneinigkeit ist darüber vorhanden, in welchem gesellschaftlichem Kontext die Subjekte der Hochschule agieren, wie diese Gesellschaft in ihren Grundverhältnissen beschaffen ist und ob der Aktion Analyse und Kritik des gesellschaftlichen Zusammenhanges vorangehen sollten. Diese Versäumnisse müssen deshalb schnellstmöglich Thema sein und in den entsprechenden Arbeitszusammenhängen (Streik- bzw. Aktionsrat, Fachschaftsrätekonferenz, StuPa) überwunden werden. Die Liste LINKS wird sich an dieser Arbeit beteiligen. Da der von der GAL gesponserte AStA zwar an Stimmen, aber nicht an Gedankenschärfe und fortschrittlichen Politikkonzepten gewonnen hat, wird die Liste Links sich auch nicht an dem im April neu zu wählenden AStA beteiligen können - schon allein aus der Tatsache heraus, daß dies von den GALAblegern, die im StuPa die absolute Mehrheit haben, aus "gutem" Grund nicht gewünscht ist. Die Stärkung der Arbeit des LOPs wird deswegen für die Gewinnung von Perspektive wichtiger werden und die Lektüre der regelmäßig erscheinenden LOP- Zeitung (Das Dröge Blatt) aufschlußreich und unterhaltsam bleiben. (Martin Wittmaack)
Könnt ich mit einem Schlächtergriff Ihnen die Mißachtung aus der Brust reißen! aus Ibsens Peer Gynt
Tatsächlich läßt ein Moment des Irren an solchen Produkten kaum sich übersehen, das allerdings wohl gerade das Ferment ihrer Wirkung ist. T.W.Adorno zu den Pamphleten faschistischer Splittergruppen in "Meinung Wahn Gesellschaft", ges. Schr. Bd 10.2
"Beruf Neonazi"
Film über Faschismus oder faschistoider Film?
Anfang Februar gelang es dem Programmkino Metropolis, an zwei von vier geplanten Terminen den umstrittenen und zeitweilig verbotenen Film Beruf Neonazi von Winfried Bonengel mit öffentlicher Ankündigung vorzuführen. Am 1.2. wurde zunächst versucht, den Film gegen den Widerstand einer Gruppe von Blockierern zu zeigen. Als dies nicht gelang, entwickelte sich eine gereizte Diskussion. Die Blockierer waren weder durch Beschimpfungen und die Androhung von Polizeigewalt noch durch das Argument, man müsse sich mit den Faschisten beschäftigen, zu bewegen, die öffentliche Vorführung zuzulassen. Viele Zuschauer warfen ihnen Bevormundung und Arroganz vor, einige verglichen die gewaltsame Behinderung (Trillerpfeifen, Böller und Verdecken der Projektion) mit SA- und SS- Methoden. Später legten einige Zuschauer selbst Hand an und drängten die Blockierer aus der Projektionslinie. Der Film konnte dann ungestört gezeigt werden. In Beruf Neonazi folgt Kamera und Mikrofon dem Neonazi Althans nach Kanada zu Ernst Zündel, in sein "deutsches Jugendbildungswerk", bei seiner Arbeit (Spendenbriefe öffnen, Propaganda drucken), bei Treffen mit anderen Naziführern, zu einem Streitgespräch mit seinen Eltern, bei einem Ausflug nach Auschwitz und auf eine Kundgebung vor Anhängern. Worauf der Film nicht eingeht: Althans kommt aus dem Kühnenflügel der FAP. Er wird der Führung der GdNF (Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front) zugerechnet. Dabei handelt es sich um den faschistischen Netzwerkserver, der die z.T. aus taktischen Gründen zersplitterte radikale Rechte wieder unter einen Hut zu bringen sucht.; Seit seinem 13. Lebensjahr stand er in Kontakt mit den Altnazis Remer und Krämer+ und wird in rechts-reaktionären Kreisen her umgereicht. Von den sich als links begreifenden Zuschauern finden sich in der anschließenden Diskussion nur zwei, die den Film ohne Einschränkung als schlecht bezeichnen. In den übrigen Reaktionen schwanken die Empfehlungen darüber, welchem Publikum der Film zugemutet werden darf, zwischen: "keine Bevormundung" und "unter 16 Jahren problematisch". Ein breiter Konsens besteht darüber, daß es Bonengel durch filmische Mittel gelungen sei, Althans zu entlarven. Als Schlüsselszene wird eine Bildsequenz genannt, die den in der Mittagssonne brütenden Althans in Auschwitz zeigt, der sich gerade ein Wortgefecht mit einem jungen Amerikaner geliefert hat. Eine der spontansten Reaktionen, Althans wie einen "sympathischen Spinner" empfunden zu haben, wird mit breiter Zustimmung als ganz unverständlich zurückgewiesen.
Faschismus als profitables Medienereignis? In der bundesweiten Debatte um den Film wurden dem Vorwurf der Inszenierung eines gefährlichen Agitators die Folgen von Zensur und die Notwendigkeit von schonungsloser Aufklärung entgegengestellt. Micha Brumlik (TAZ) verwendet z.B. das Argument, man müsse sich mit den Abgründen der menschlichen Psyche beschäftigen. Zur Untermauerung dieser These zitiert er Sigmund Freud, der natürlich das gleiche fordert und darauf verweist, daß sich unsere schlimmsten Träume in wirklichen Verbrechen und in wirklichen Kriegen wiederfinden. Die Frage, ob die Formulierung Freuds auf den Traum von einem ausländer- und judenreinen Führerstaat anwendbar ist, ob ein solcher Tagtraum ein Spiegelbild verborgener Wünsche ist oder vielmehr aus deren Verdrängung und einer verformten Austragung innerer Konflikte heraus entsteht, wird von Professor Brumlik nicht erörtert. Jedenfalls geht es bei dem Bonengel- Streit u.a. um die Frage, ob der Film ein Forum für faschistische Ideologie oder ein Anstoß zur Reflexion über sie ist. Einfach und vernünftig klingt Ingo Hasselbachs Antwort auf diese Frage: " ich habe ausgesprochen gut von den Journalisten gelebt da sind unglaubliche Summen zusammengeflossen, mit denen wir Computer gekauft und Propagandamaterial hergestellt haben Eine Sache ist sicher, daß man Neonazis nicht endlos Redefreiheit einräumen, sie im Fernsehen ihre Phrasen verbreiten lassen sollte Es sollten mehr Hintergrundberichte gemacht werden, ohne einzelne Neonazis zu sehr in den Vordergrund zu stellen Als ich noch in Szene war, konnte ich manchmal zur besten Sendezeit eine Viertelstunde unkommentiert reden Nach jedem solchen Film hatten wir gewaltigen Zulauf von Leuten, die meinten: War ja Spitze! Genau meine Meinung!" (in HR, 13.1.94). Hasselbach ist jener Exnazi, der Bonengel zum Fachautor für deutschen Neofaschismus machte (Die Abrechnung, Aufbau-Verlag) und dem Bonengel im Gegenzug den Um- bzw. Aufstieg vom Edelnazi zum Exnazi- Promi ermöglichte. Ohne seinen Beichtvater zu nennen, hat Hasselbach damit die befürchtete Eigendynamik von Produkten wie Beruf Neonazi getroffen. Demnach lassen sich Nazisprüche so gut verkaufen, daß Nazis und Medienmacher gleichermaßen in finanziellen wie in Fragen des Mediendurchbruchs zufriedengestellt werden können. Ob Hasselbach aus Überzeugung, aus Eifersucht oder eher zufällig so sprach, weil das Stimmungsfähnchen gerade gegen Bonengel stand, wie einst nach Mölln gegen Nazis, sollte für die Bewertung der Werke seines Koautors zweitrangig sein. Als Auseinandersetzung mit Neofaschismus haben sie sich so oder so erledigt.
Schau mir in die Augen Kleines Angenommen, Bonengels Film - vorgeblich der Versuch zu entlarven - sei nur aus antifaschistischen Motiven entstanden und verbreitet worden. Dann arbeiten seine Befürworter mit einer Reihe von Voraussetzungen, die sehr an autoritäre Stereotypen erinnern: .Man kann einem guten Redner ruhig stundenlang das Wort erteilen, wenn man ihm tief in die Augen zoomt, wird er sich schon selbst entlarven. .Extreme gesellschaftliche Strömungen kann man schon verstehen und beeinflussen, wenn man ihren Wortführern genau zuhört. .Das deutsche Publikum kann durch eine Konfrontation mit faschistischen Reden desensibilisiert werden. .Wenn die Deutschen gewußt hätten, was Hitler vorhatte, wäre das alles nicht passiert. .Kommentare und Analysen nehmen die Schlüsse, die das Publikum selbst ziehen kann, vorweg und sind daher überflüssig. .Faschismus entsteht in den Arbeitszimmern seiner Wortführer. .Der Zuschauer kann besser hinter die Kulissen schauen, wenn Kamera und Interviewer aus dem Blickfeld verschwinden. (Lauscht nicht der Autoritäre so mit Entsetzen und Faszination der konsequenten Formulierung dessen, was ihn insgeheim selbst bewegt?) Die andere Variante: Bonengels Film übernimmt die Funktion, das Bild der extremen Rechten wieder etwas vom gesellschaftlichen Mainstream abzurücken. Wenn es noch Meinungsäußerungen gibt, vor denen man sich anständig ekeln kann, braucht man selbst kein so mieses Gefühl zu haben, den politischen Rechtstrend mitzumachen oder zu dulden. Auf der anderen Seite bleibt man auch bei Laune und der Rechtstrend in Schwung, wenn ab und an mal konsequente, gut formulierte rechte Positionen aufgetischt werden. Kandidaten für diese Variante sind z.B. Leute, die meinen, man dürfe den Rechten nicht die Thematisierung >dringender Probleme< wie Asyl und Kriminalität überlassen. Althans ist zwar kein Produkt von Bonengel. Der Unsinn aber, den Althans verbreitet, bekommt erst durch die >intelligenten< filmischen Mittel den Schein von Schärfe und Gewicht. Indem sie sich um eine detailgetreue Darstellung bemühen, bringen sie die Attitüden des mißratenen Waldorfschülers erst in eine massenwirksame Form: .Die eigenen Führerqualitäten für ein nationalsozialistisches Deutschland zu erwägen, sich selbst mit Heydrich zu vergleichen, bleibt solange ein Sandkastenspiel, solange der Redner sich nicht tatsächlich in repräsentativer Form in der Öffentlichkeit breitmachen kann. .Althans Bekenntnis, seine nationalsozialistische Gesinnung nicht verstekken zu brauchen, wirkt nur dadurch überraschend, daß sich jemand wie Bonengel so penetrant um sie bemüht. .Sein Geschrei auf folgsames Kleingemüse, jeder müsse sich seine Position erst hart erarbeiten, sich erst hinter dem letzten Arbeiter anstellen, gewinnt im Film erst seine trügerische Plausibilität. Tatsächlich ist er sich vor der Kamera nicht zu schade, wie eine emsige Arbeitsbiene Flugblätter zu falten und einzutüten. Damit das Kleingemüse aber genau spürt, wo oben und unten, und das Bild vom Hintanstellen nicht überstrapaziert, muß Althans immer ganz Herrenmensch sein. Der Film unterstützt ihn dabei mit Kräften! Was der faschistischen Ideologie immanent ist: totale Unterwerfung als eine Regel zivilisierten und anständigen Benehmens, ist auch diesem Film immanent. Fast jede Bildsequenz beginnt mit den vorbereiteten Reden von Althans, die Fragen an ihn setzen immer später ein und sind so leise, daß der Zuschauer sie kaum versteht. Das einzige Streitgespräch, das eine Identifikation mit einem Antifaschisten erlaubt, findet in Auschwitz über die technische Möglichkeit der Gaskammern statt. Der Film gibt hier alles her, um die Pointe von Althans zu unterstützen: Sein Gesprächsgegner ist nicht vorbereitet, rechnet damit, daß Althans sich hinter seiner Sonnenbrille versteckt und schreit ihm das ins Gesicht; Althans bleibt eiskalt, nimmt die Brille ab und redet gut Englisch. Unglücklicherweise schreit der Amerikaner ihm später noch seinen Stolz gegenüber den kamerascheuen Auschwitz-Besuchern ins Gesicht; Nach dem >zeternden< Amerikaner wird er von Fliegen umschwirrt, um genervt, kühl grinsend ins Mikrofon murmeln zu dürfen: "diese Flugläuse ausrotten sollte man die! "; der gelähmte Blick der Kamera in sein Gesicht, die kleinlaute Stimme des Interviewers, das filmisch in Szene gesetzte Gewicht autoritärer Reden, die ganze braune Scheiße als Schein für das reale Bedürfnis, sich den Selbstbehauptungszwängen im Kapitalismus einmal entzogen zu fühlen; wie bei einer Managertherapie im nachgestellten KZ sich von einem Herrenmenschen damit einmal gründlich einseifen lassen! Eine beliebtes Motiv des Realismus ist die dümmliche Eitelkeit von Menschen. Sie springt dem Betrachter förmlich entgegen, wenn er sich fragt, was den Portraitierten wohl bewegt haben mag, sich >diese Blöße< zu geben. Aus der unvermeidlichen Not des Realisten, seine Modelle zu einer charakteristischen Haltung motivieren zu müssen, wird eine Tugend, indem sich die Motive für deren Zurschaustellung preisgeben. Ebenso lassen sich Extrovertiertsein, Offenheit und Selbstbewußtsein einer >Persönlichkeit< mit Ausstrahlung darstellen. Das die Abbildung ermöglichende Motiv mag auch hier Eitelkeit sein, doch haben >weltmännische Sicherheit< und >Zwanglosigkeit< des Modells schon so auf den Künstler eingewirkt, daß auch sein Stil davon nicht unberührt bleibt. Vom Künstler subjektiv empfundene Charakterzüge werden so auf Kosten einer beim Portraitieren sowieso nur mangelhaft einhaltbaren Distanz betont. Nicht die Eitelkeit des Portraitierten, sondern die die Darstellung verformende Bewunderung des Künstlers drängt sich dem Betrachter dabei auf. Während also das tägliche Portrait von Kohl im Fernsehen i.d.R. soviel Distanz wahrt, daß die Betrachter sich je nach Gemüt mal identifizieren können, mal angewidert fühlen, zwingt der Künstler, der sich auf sein Modell >einläßt<, die Betrachter, an seiner Faszination teilzuhaben. Im Film wird diese Eigenheit expressionistischer Portraits durch den allmächtigen Pseudorealismus hochtechnologischer Abbildungsmethoden kaschiert: Trotz der Beliebigkeit der Darstellung glaubt der Zuschauer sich vor das Modell selbst versetzt. Vermutlich hat im Dokumentarfilm die Gewöhnung an diese Abbildungsmethoden ohne Reflexion darüber stattgefunden, welche Charaktertypen mit ihnen darstellbar sind. Zwar zeigt Bonengels Film, daß Althans seinen Antisemitismus, Autoritarismus etc. offen darlegt=. Einen Hinweis auf andere Motive für diese Offenheit als die ebenfalls offen dargelegte Absicht der Propagierung von Judenhaß, Führerkult, etc. gibt der Film nicht. Damit folgt er nur der Logik des Faschisten, er verschaffe seinem Antisemitismus, seinem Autoritarismus und seinem Vernichtungswahn wie einem natürlichen Bedürfnis Luft und habe auch die Courage, dies öffentlich vor laufender Kamera zu tun. Verborgen bleibt bei aller Empörung über seine >Unverschämtheit< der Analcharakter, dessen Selbstgefühl sich aus einer reinen Abwehrhaltung schöpft. Der zu Schau getragene Charakter läßt für den arglosen Betrachter daher auch nichts Pathologisches erkennen, er kann sich nur an seinen rabiaten Meinungsäußerungen reiben. Entscheidend für den Analcharakter ist aber ja, daß primäre Triebkräfte nicht in neurotischen Symptomen, sondern in Charakterzügen münden. Nicht weil er auf solche Psychologisierung verzichtet, ist der Film so schlecht, sondern weil er den Eindruck vermittelt, Althans habe sich psychologisch entlarvt, und dem identifizierenden Betrachter als Lösung nur die Verdrängung solcher rabiaten >Regungen< anbietet. Vor lauter Respekt kommt Bonengel auf die naheliegendste Frage, die die inszenierte aufdringliche Nähe zu Althans hätte rechtfertigen und die Aura des Teuflischen hätte zerstäuben können, nicht zu sprechen: Was treibt einen Teenager dazu, sich mit Nazionkel Remer abzugeben, anstatt seine tolle Ausstrahlung an Gleichaltrigen zu exerzieren? Gelegenheit hätte Bonengel dazu z.B. beim gemeinsamen Gespräch mit den Eltern gehabt. Sie hätten die väterlichen Ermahnungen zur Gewaltlosigkeit und die mütterlichen Anekdoten aus seiner Kindheit, denen zufolge der Sohn schon immer zu Extremen neigte, etwas auflockern können. Vermutlich stand da aber der Respekt, der das Gespräch ermöglichte, im Weg.
Adorno schrieb einmal zu der Funktion von Fernsehproduktionen: Der Druck, unter dem die Menschen leben, ist derart angewachsen, daß sie ihn nicht ertrügen, wenn ihnen nicht die prekären Leistungen der Anpassung, die sie einmal vollbracht haben, immer aufs neue vorgemacht und in ihnen selber wiederholt würden. Freud hat gelehrt, daß die Verdrängung der Triebregungen nie für die Dauer gelingt und daß daher die unbewußte psychische Energie des Individuums unermüdlich dafür vergeudet wird, das, was nicht ins Bewußtsein gelangen darf, weiter im Unbewußten zu halten. Diese Sisyphusarbeit der individuellen Triebökonomie scheint heute "sozialisiert", von den Institutionen der Kulturindustrie in eigene Regie genommen, zum Vorteil der Institutionen und mächtigen Interessen, die hinter ihnen stehen. () Je vollständiger die Welt als Erscheinung, desto undurchdringlicher die Erscheinung als Ideologie. Bonengel macht es uns mit seinem respektvollen und distanzlosen Portrait vor, wiederholt, was im täglichen Ducken vor vorgesetzten >Persönlichkeiten< selbstverständlich ist, und - wie es aussieht - gibt es einen starken Bedarf daran. Nicht der Portraitierte würde sich daher vor einem bewußten Publikum entlarven, sondern das latent faschistoide Medium Film, mit dem sie beide, Althans wie Bonengel, groß rauskommen wollen. -(Stefan Dzialas) (1) siehe auch Drahtzieher im braunen Netz, Edition ID-Archiv; (2) Otto Ernst Remer: ehem. Kommandeur des "Wachbataillons Großdeutschland", wurde zur Kultfigur in Neonazikreisen stilisiert; Willi Krämer: ehem. Sonderreferent von Reichspropagandaminister Goebbels; (3) Althans propagiert schon seit Jahren Antisemitismus als ein "absolutes Axiom".
TERMINE
Do, 17.2.Rußland nach den Wahlen - Analyse und Ausblick. Referent: Nikolaj Portugalov, Moskau, ehemaliger Berater von Gorbatschow. Veranstalter: Deutsch-Russische Gesellschaft in Hamburg e.V. und Evangelische Akademie. 19.00 Uhr, Evangelische Akademie, Esplanade 15. Eintritt 5,- DM.
Do, 17.2.Lohnverzicht sichert keine Arbeitsplätze. Für eine offensive Tarifpolitik! Gesprächsrunde der MLPD. Einleitungsbeitrag, Berichte aus verschiedenen Betrieben über die Stimmungen und Meinungen der Kollegen u.a. zum VW- und Chemieabschluß, zur Metall- und ÖTV-Tarifrunde, zu den jeweiligen Entlassungsplänen und der Nichtübernahme der meisten Auszubildenden. Für die volle Durchsetzung der aufgestellten gewerkschaftlichen Forderungen! Für einen offensiven Kampf um jeden Arbeitsplatz! Diskussion über gemeinsame Forderungen und ihre konkrete Durchsetzung unter der Losung: "Um uns selber müssen wir uns selber kümmern". 19.00 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58
Di, 22.2.Podiumsdiskussion zum Bildungsabbau u.a. mit Boris Lotze (GAL), Hartmut Engels (CDU), Horst Bethge (PDS). 19.30 Uhr, Peter-Petersen-Schule.
Di, 22.2.Gewaltfreie Intervention in Mostar. Nur ein Versuch? Dia-Vortrag über die Erfahrungen mit der gewaltfreien Intervention Sjeme Mira (Friedenssaat). VeranstalterInnen: DFG/VK HH. 20.00 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58
Mi, 23.2.Die Stadtteilinitiative Hamm für Freizeit und Kultur e.V. lädt zur Diskussionsveranstaltung ein zum Thema Bewohner/innen planen ihren Stadtteil: Hamm-Süd. 18.00 Uhr, Schule Osterbrook, Osterbrook 17
Do, 24.2."Täter-Opfer- Rolle" - Auseinandersetzung mit feministischer Theorie zur Rolle der Frauen im Faschismus. Referentin: Gabriela Walterspiel aus Freiburg. 19.30 Uhr, Veranstalterin/Ort: Frauenkulturhaus Harburg, Küchgarten 10
Fr, 25.2.Vorbereitungstreffen für den FrauenStreikTag. 16.00 Uhr. Konferenzraum A/B (Fahrstuhlebene R5) der ÖTV, Gewerkschaftshaus, Besenbinderhof 60
Sa, 26.2.Bundesweiter Aktionstag für die Freiheit von Irmgard Möller. Menschen, die sich an dem Aktionstag in Hamburg beteiligen wollen, wenden sich bitte an: Initiative für die Freilassung von Irmgard Möller, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg, Tel. 446095, Fax 4108122, Di und Do von 17.00 bis 19.00 Uhr.
Ab Sa, 26.2.Ausstellung politischer Gebrauchsgrafik von Marc Rudin, einem Schweizer Grafiker, der lange Jahre im Libanon und in Syrien im politischen Exil lebte. Eröffnung am 26.2., 17.00 Uhr, Veranstaltung und Referat um 19.00 Uhr. Die Ausstellung dauert bis zum 25.3., täglich 10.00 bis 19.00 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58
Sa/So, 26./27.2.Jahrestagung der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden. 11.00 Uhr, Curio-Haus.
Mi, 2.3.Arbeitskreis Bildungspolitik der PDS/LL. 17.00 Uhr, Palmaille 24
Sa, 5.3.Lesung mit Maryam Djoun aus ihrem neuen Buch "Leben im Kalten Paradies". 19.30 Uhr, Veranstalter/Ort: Stadtteiltreff AGDAZ in der Bücherhalle, Fehlinghöhe 16
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Aus Schlagzeilen wurden Brandsätze. Unter diesem Titel fand im Herbst 1993 eine Veranstaltung über die Verantwortung der Medien für Rassismus in der Gesellschaft statt. TeilnehmerInnen waren Fachleute aus den Medien, wie z.B. Klaus Bednarz (Moderator von Monitor, WDR), Jürgen Bischoff (Vorsitzender der Deutschen Journalistenunion in der IG Medien), Michael Jürgs (Chefredakteur von Tempo), Romani Rose (Zentralrat deutscher Sinti und Roma), Wilhelm Sternburg u.a. Die Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände (AGfJ), die Demokratische Jugendpresse Hamburg (DJPH) und die "Falken" haben die Veranstaltung dokumentiert und eine Broschüre erstellt. Auf 36 Seiten sind alle Redebeiträge der ReferentInnen nachzulesen. Zusätzlich enthält die Dokumentation Interviews, die die DJPH mit einigen RednerInnen geführt hat, Presseausschnitte über die Veranstaltung, eine Menge Fotos und einen Artikel zur Jugendarbeit im Umgang mit Gewalt. Die Broschüre ist für 5,- DM (plus Porto) erhältlich bei: AGfJ, Alfred-Wegener-Weg 3, 20459 HH, Tel. 316568.
Junge Freiheit von Nationalkonservatismus bis Neofaschismus, herausgegeben vom Antifaschistischen Broschürenkollektiv, Winter 1993/94. Die 80seitige Broschüre kostet 5,- DM (ab 5 Exemplaren 30% Rabatt) plus Porto und ist u.a. zu beziehen bei: GNN-Verlag, Güntherstr. 6a, 22087 Hamburg.
Zur Ausstellung: Abstraktion in Deutschland. Die fünfziger Jahre
Das Konkrete in der
abstrakten Malerei
ie Fotografie, die im letzten Jahrhundert erfunden wurde, sollte zunächst naturwissenschaftlich genutzt werden; daß sie auch im Bereich der Kunst ihre Konsequenzen haben würde, ja sogar selbst sich zum künstlerischen Medium entwickeln sollte, das mochte 1839 noch niemand vorhersehen. Für die Malerei, die sich gerade von den Ateliers der Akademien und Universitäten befreit hatte und nun ihre Bilder in den Städten, auf der Straße, in der Natur suchte, war die Fotografie zunächst bloß Hilfsmittel zur Skizzierung. Den Wandel der Produktivkräfte zur Industrie, die Entwicklung der Städte zu Metropolen, das soziale Elend im Zwiespalt der Klassengegensätze, die neue herrschende Klasse wohlhabender Bürger: das wollte eine Malerei festhalten, die nicht nur diese Lebendigkeit dokumentiert, sondern dieses auch im künstlerischen Material selbst reflektiert. Doch die Fotografie schien besser geeignet zu sein, das neue gesellschaftliche Leben zu dokumentieren; ihre Verwendung in Illustrierten und Zeitungen zeigte das. Die Gegenständlichkeit verlor die Malerei an die Fotografie, die Bewegungsdarstellung mußte sie an den Film abtreten. Die räumliche und zeitliche Wirklichkeit war nun vollständig mit den Techniken der Fotografie und des Films erfaßbar - für die Malerei gab es nur den Ausweg ins Unsichtbare. Der Kubismus versuchte dies in der gleichzeitigen Darstellung mehrerer Perspektiven und Bildebenen; der Surrealismus schuf die phantastische Welt zerfließender Gegenstände und Traumbilder; gegen die Widerspruchslosigkeit einer Fotografie versuchte die politische Kunst, durch Montage und Karikatur die Widersprüche des Sozialen darzustellen. All diesen Stilen war ein expressionistisches Moment zueigen: statt abbildlicher Genauigkeit erhielt der künstlerische Ausdruck den Vorteil. Flächigkeit und grobe Pinselführung in der Form und Abkehr von der Gegenständlichkeit im Inhalt wurden zu Kennzeichen des Espressionismus. Der Expressionismus der Künstlervereingungen "die Brücke" und "der blaue Reiter" war noch vergleichsweise konkret. Erst durch den Einfluß des sowjetischen Konstruktivismus und des Designs der Bauhausschule verlor der Expressionismus seine Gegenständlichkeit: oft hießen die Bilder bloß "Komposition"; das Material - Leinwand, Farbe, Pinselführung - wurde mehr und mehr zum Bildinhalt. Statt spontaner Ausdruck stand die bewußte Anordnung von Bildelementen im Vordergrund. Auf der anderen Seite entwickelte sich das "action painting", mit dem die Malhandlung selbst in das Bildzentrum rückte, die wilde und freie Handhabung der Farbe, die gegossen, verspachtelt und verschmiert wurde. Wenn die Malerei in Deutschland nach 1945 an den abstrakten Expressionismus anknüpfte, ist das nicht als eine innerästhetische Entscheidung zu werten: nur scheinbar hat die abstrakte Malerei nichts mit den konkreten sozialen Zuständen zu tun. An zwei Bildern der Ausstellung können nicht nur die Extreme der abstrakten Malerei deutlich gemacht werden, sondern ebenso die radikale und konkrete inhaltliche Stellung zur Gesellschaft. Fritz Winters (1905- 1976) Große Komposition auf weißem Grund (1956) führt vom Titel in die Irre: der "weiße Grund" bildet die letzte aufgetragene Farbschicht, er überdeckt eine Linienkonstruktion aus lebendigen Farben; der gespachtelte Farbauftrag läßt zudem das Weiß viel gröber erscheinen als den gepinselte Untergrund: wie ein Leichentuch zieht sich das Weiß über das Bild. Die Farbe Weiß wirkt hier zerstörend, übermalend - in seiner Helligkeit wirkt das Weiß wie eine Verblendung im buchstäblichen Sinn. Nur unregelmäßig sind Flächen freigelassen worden, aber auf dem Weiß bilden sich schon wieder neue Flächen: das übermalte Bild ist nicht mehr zu erkennen, während das neue noch nicht zu erkennen ist. Ist dieses nicht auch als Anklage gegen den Umgang mit der deutschen Vergangenheit zu lesen? Auch im Borkenbild Blau (1958) von Gerhard Hoehme (1920-1989) - ein Beispiel für "action painting" - findet sich das Weiß als Deckfarbe wieder: auch hier überwächst das Weiß untere Farbschichten. Das Blau, bis zum "blauen Reiter" die Symbolfarbe der Romantik, das auch bei Winter eine tragende Rolle spielt, überdeckt ein grelles Rot; einer dünnen Eisschicht gleich, die trotz der Kälte schützt. Die abstrakte Malerei der 50er Jahre ist Ausdruck der Sprachlosigkeit: daß die Grauen des Krieges und vor allem der nationalsozialistischen Massenvernichtung der Kunst keine Gelegenheit mehr bieten, hier gegenständlich einzugreifen. Im beredten Schweigen der Abstraktion zeigt sich die Überlegenheit der Malerei gegenüber der Fotografie. Die Dimension des Schrekkens ist durch die Fotografien von Leichenbergen nicht faßbar; vielmehr gewöhnt diese Fotografie an den Schrecken und macht den Mord zur bloßen Information. Für sich genommen, kann ein Foto nicht kritisch sein, zwingt den Betrachter nicht von sich aus zur Reflexion. Dieses kritischreflexive Element scheint in der abstrakten Malerei gerettet zu sein: wer erst einmal bereit ist, die Abstraktionsebenen zu überschreiten, wer hier mit den Augen denkt, der kann sich bis zum 4. März im BAT KunstFoyer von der inhaltlichen Konkretion der abstrakten Malerei im Deutschland der 50er Jahre überzeugen lassen. Die Ausstellung ist kostenlos. -(rob)
Privatisierung?
- Nein danke!!!
In den Lokalberichten Hamburg Nr.3 erschien unter dem Titel "Hamburgs kommunale Krankenhäuser sollen marktfähig werden" ein Artikel zur organisatorischen Umstrukturierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK). Dieser Artikel enthält nach meiner Auffassung einige zu problematisierende gewerkschaftspolitische Positionen, auf die ich in einer Vorbemerkung kurz eingehen möchte. Daran schließt sich ein Artikel aus der letzten Ausgabe der Hamburger Krankenhauszeitung der ÖTV, die Zeitung, an, die im Dezember 1993/Januar 1994 herausgekommen ist.
Die Beschreibung der Entwicklung des Gesundheitswesens unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) teile ich grundsätzlich. Bleibt vielleicht noch anzumerken, daß meines Wissens die Hamburger SPD weder auf innerparteilicher Ebene noch auf Bundesratsebene Einspruch gegen das parteienübergreifend verabschiedete GSG erhoben hat. (Ich lasse mich aber liebend gern eines Besseren belehren!). D.h. weniger, als sie es sonst gerne tut, kann die Hamburger SPD in diesem Fall auf eine Bundesentwicklung verweisen, die sie aus Verfassungsgründen nun mal leider nachvollziehen müßte, sie übernimmt vielmehr durch die Umstrukturierung des LBK und, wie schon angekündigt auch des UKE, eine aktiv vorantreibende Rolle. In aller Regel macht mich so etwas erst mal stutzig, denn in diesen beiden Fällen alleine sind die Beschäftigungsverhältnisse von über 20000 KollegInnen betroffen. Des weiteren ist es natürlich richtig, daß die ÖTV sich auch in den vorigen Jahren an einer Demontage des öffentlichen Dienstes beteiligt hat, indem sie der Ausgliederung einzelner Betriebseinheiten aus der öffentlichen Verwaltung zugestimmt hat. Nur sind solche Haltungen ja nicht ehern, schlechte Entscheidungen lassen sich ja auch verändern. Auch die Forderung nach einem "schlanken Staat", also die Privatisierung ursprünglich hoheitlicher Aufgaben, zähle ich dazu. Außerdem waren auch andere Entscheidungen innerhalb der ÖTV immer umstritten, also "DIE ÖTV" schlechthin gibt es gar nicht. Ich denke eher, wir müssen uns fragen, was mögliche "linke" Positionen in diesem Konflikt sein könnten. Lassen wir uns auf die Rationalität des entstehenden Marktes ein, dann haben wir kaum eine Chance, fortschrittliche Gesundheitspolitik in absehbarer Zeit durchzusetzen. Nur, wenn wir die sich dahinter verbergende Rationalität in ihrer Brutalität aufdecken, könnte es möglich sein, Alternativen aufzuzeigen, müßten wir uns nicht Gedanken machen, um eine möglichst rechnungsgünstige Zusammensetzung der abrechenbaren, zu erbringenden Leistungen der einzelnen Krankenhäuser. Meiner Beobachtung nach stimmt es auch nicht, daß, "die ÖTV zur Zeit dabei (sei), die Kolleginnen und Kollegen über die Wenns und Abers so zu informieren, daß sie ihre Forderungen nennen können."(Zitat Lokalberichte Nr. 3) Es findet derzeit wohl schon so etwas wie eine "Funktionärsdiskussion" auf der Ebene des Abteilungsvorstandes Krankenhäuser statt, und selbstverständlich gibt es engagierte ÖTV-KollegInnen, die in ihren Häusern die Angelegenheit diskutieren, aber eine echte Mitgliederdiskussion, wie sie wirklich notwendig wäre, gibt es nicht. Ein Vorschlag zu einem Vorgehen findet sich in dem unten abgedruckten Artikel. Der Bezirksvorstand hat sich hier, wie auch weitestgehend im Landesbetrieb Pflegen und Wohnen, für eine Linie entschieden, die da heißt "Anstalt des öffentlichen Rechts". Letztlich liegt das ganz auf der Linie des Bezirksvorsitzenden Rolf Fritsch, der schon seit einigen Jahren einer Regionalisierung der tarifvertraglichen Strukturen das Wort redet. Deswegen denke ich, daß es die Aufgabe von "Linken" sein könnte, die brutale Logik des GSG aufzudecken, die der Umstrukturierung immanenten Gefahren der Privatisierung aufzuzeigen, eine innergewerkschaftliche und -betriebliche Diskussion einzufordern und diese an entscheidenden Punkten zu polarisieren. Damit votiere ich nicht für voluntaristische Aufstände, denke aber auch nicht, daß es "von der Reaktion der Arbeitgeberseite (abhängt) , ob alle in die Anstalt mitkommen oder sich eine Bewegung gegen das >Übergeleitet-Werden< entwickelt". (Zitat Lokalberichte Nr. 3) Ich habe vielmehr den Eindruck, daß diese überaus wichtige Aufgabe von dem Verhalten der kritischen, "linken" Kräfte innerhalb der Gewerkschaft ÖTV abhängen wird. -(L.)
Landesbetrieb Krankenhäuser Ginge es nach dem Willen Heinz Lohmanns, Geschäftsführer des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), und einigen Köpfen des Bezirksvorstandes der ÖTV, wird es den LBK in der jetzigen Form bald nicht mehr geben. So kann man zumindest die Diskussionen der letzten Wochen deuten. Es ist nicht das erste Mal, daß der Hamburger Senat versucht, die Organisationsstruktur des LBK zu ändern. Die Zusammenfassung der staatlichen Hamburger Krankenhäuser in dieser Form gibt es erst seit 1981. Der @ 26 der Landeshaushaltsordnung (LHO) ermöglichte die Einrichtung eines solchen Betriebes. Ziel der Zusammenführung war es, "auf der Grundlage des kaufmännischen Rechnungswesens und eines Wirtschaftsplans innerhalb der Verwaltung eine wirtschaftliche Betriebsführung zu ermöglichen." Die Bildung des LBK und erst recht die folgenden Énderungen haben wirtschaftliche Gründe. In den Achtzigern zog sich der Bund aus der Finanzierung kommunaler Krankenhäuser zurück. Folge: eine stärkere finanzielle Belastung der Kommunen. In nachfolgenden Gesetzen, wie dem Gesundheits-Reformgesetz von 1988, wird das "Wirtschaftlichkeitsgebot" besonders hervorgehoben. Im allgemeinen ist damit die Anwendung betriebswirtschaftlicher Rechnungsverfahren gemeint. Außerdem verbirgt sich dahinter die Vorstellung, daß ein privatwirtschaftliches System effizienter arbeiten könne als die öffentliche Hand. Nach Diskussionen in den Jahren '86/87, '89 schuf der Senat '91 Fakten: * Der LBK bleibt weiterhin ein LHO-Betrieb. * Es wird ein Verwaltungsrat gebildet, mit drei ArbeitnehmervertreterInnen und fünf ArbeitgebervertreterInnen. Er soll die GeschäftsführerInnen der Krankenhäuser einsetzen, die Pflegesätze aushandeln und die Abschlußbilanzen kontrollieren. * Zur Durchführung der täglichen Aufgaben wird eine Geschäftsführung bestellt. In den Krankenhäusern sind die Direktorien eigenverantwortlich zuständig. In einem Papier aus dem Abteilungsvorstand Krankenhäuser hieß es schon im Mai '91: "Der Verwaltungsrat trägt in seiner Konstruktion nicht zu einer realen Demokratisierung bei, er kann lediglich zu einer Verbesserung der Information der Beschäftigten, der Personalvertretungen und der Gewerkschaften führen." Weiter wurde eingeschätzt: "Die ÖTV hatte als Alternative zu einem Arbeitgeber-dominierten Verwaltungsrat ein Aufsichtsgremium unter maßgeblicher Einbeziehung von Nutzern (z.B. Patienten- und Verbraucherinitiativen, DGB, Umweltverbände etc.) zusätzlich zur Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbank vorgeschlagen. Diese ÖTV-Initiative ist um so wichtiger, als das Senatskonzept eine weitere Beschneidung der bürgerschaftlichen (Etat-)Rechte vorsieht und die öffentlichen Krankenhäuser sich immer mehr zur demokratisch unkontrollierten Zone ent wickeln." Fast prophetisch am Schluß: "Besonders problematisch ist die häufig wiederholte Ankündigung, daß die organisatorischen Veränderungen rechtsneutral und offen sind. Zwar spricht sich das Papier gegen eine Privatisierung des LBK aus, nicht aber gegen eine private Rechtsform der staatlichen Krankenhäuser. Ist die Umorganisierung erst einmal weit fortgeschritten, wird der Appetit des dann etablierten LBK-Managements auf mehr Selbständigkeit (z.B. Kreditwesen) wachsen. Der Schritt zu einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH ist nur mehr winzig - für die Beschäftigten aber von größter Bedeutung (Tarifverträge, soziale Leistungen, Mitbestimmung). Das Mindeste, was die ÖTV in dieser Hinsicht erwartet, ist eine klare Absichtserklärung des Senates für eine Rechtsform des LBK im öffentlich-rechtlichen Rahmen." Schneller als gedacht, zwei Jahre später, setzt der Senat diese "Salami-Taktik" um. Damals ging es um eine Veränderung der Führungsgremien, jetzt um eine neue Rechtsform des Landesbetriebs Krankenhäuser. Wie vorausgesehen, haben die Führungsgremien ihre Kompetenzgrenzen erreicht und fordern mehr: In einem LBK-Diskussionspapier von 1993 heißt es: "Der LBK hat zwar einen eigenen Wirtschaftsplan, dieser ist jedoch Teil des Haushaltsplanes der FHH (Freie und Hansestadt Hamburg). Der LBK ist damit weder ein vollständig kaufmännisch arbeitendes Unternehmen, noch ist er typische Verwaltung." Konsequente Folgerung: "Im Hinblick auf Größe und Finanzkraft sowie die betrieblichen Aufgaben ist es erforderlich, den LBK vollständig als Unternehmen im kaufmännischen Sinne zu führen." Ganz unverblümt Punkt 4: Dort fordern sie eine größere Flexibilität des Arbeitsrechts und der Vergütung. Künftig soll der Landesbetrieb Krankenhäuser als eigenständiger Arbeitgeber auftreten und nicht mehr an den BAT gebunden sein, also ein Haustarifvertrag abgeschlossen werden. Deswegen sollen auch die Stellenbewertungen nicht mehr an den öffentlichen Dienst gebunden sein, sondern vom Landesbetrieb Krankenhäuser bestimmt werden. Gehälter der Krankenhausdirektorien sollen frei vereinbart werden und alle Mitarbeiter/innen "angemessene" "leistungsgerechte" Vergütungen erhalten. Spätestens hier sollten wir die Ohren spitzen. Denn die LBK-ManagerInnen fordern eine völlige Ablösung des Landesbetriebs vom öffentlichen Dienst. Da der BAT nicht mehr gelten soll und der Landesbetrieb Krankenhäuser als Arbeitgeber die Stellen bewerten will, hängt die erreichbare Entlohnung von der Kampfkraft der gewerkschaftlich Organisierten ab. Bisher haben die kampfstarken Bereiche der ÖTV für die Angleichung der schwächeren gesorgt. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Krankenhäuser eben nicht kampfstark sind. (Die aufgrund des Pflegenotstands angehobenen Vergütungen sind nicht auf ewig garantiert!). Ein Eckpfeiler gewerkschaftlicher Solidarität fiele weg. Weitere Forderungen der LBK-Führung sind: * Selbständige Kreditaufnahme. * Eigentum an Grundstücken und Beleihungsmöglichkeit. * Größere Flexibilität bei der internen Aufbau- und Ablauforganisation. * Uneingeschränkte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr. * Selbständiger Abschluß von Verträgen mit anderen Wirtschaftsunternehmen. * Konkurrenzfähige Organisations- und Kostenstruktur. Sowohl im dritten als auch im letzten Punkt werden bereits heute weitreichende Énderungen unter der derzeitigen Organisationsform des Landesbetriebs Krankenhäuser durchgeführt. Zum Beispiel die Einführung der >integrierten Abteilungsleitung<. In den anderen Punkten wird ein völlig eigenmächtiges Handeln des Landesbetriebs noch durch die Bürgerschaft und (manche) Mitbestimmungsrechte der ArbeitnehmerInnen verhindert. Aber diese Hürden auf dem Weg zu einem >rechtlich selbständigen Unternehmen< sollen bald genommen sein. Erster Schitt zu einem quasi-privaten Anbieter von Gesundheitsleistungen soll die Einrichtung einer Anstalt öffentlichen Rechts sein. Der Senat müßte sein geheucheltes Bekenntnis zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Dienstes nicht einmal aufgeben, denn diese Anstalt käme nur durch ihn zustande. Es gibt schon ein durch die Gewerkschaft ÖTV abgesegnetes Experiment: Die Umgestaltung der kommunalen Abfallwirtschaft in die Anstalt "Stadtreinigung Hamburg". In der Diskussion darüber wurde klar: * Auf der Grundlage eines Gesetzes wird eine Anstalt errichtet. * Sie wird von der FHH mit Eigenkapital ausgestattet, welches weiterhin grundsätzlich zum städtischen Vermögen gehört. * Anders als der LHO-Betrieb ist die Anstalt nicht an Bürgerschaftsentscheidungen über den Haushalt gebunden, sondern führt ihre Geschäfte unabhängig (allerdings haben Übergangsregelungen bereits dem LHO-Betrieb eine Weiterführung von begonnen Projekten in ein neues Haushaltsjahr ermöglicht). * Kontrolle durch einen Aufsichtsrat, in dem zu einem Drittel ArbeitnehmervertreterInnen sitzen. * Überführung aller Arbeitsverhältnisse in die Anstalt. * Voraussichtlich Anwendung des Hamburger Personalvertretungsgesetzes. Die Überführung des LBK in eine Anstalt öffentlichen Rechts scheint demnach unproblematisch zu sein. Guckt mensch sich die Punkte genauer an, werden Befürchtungen wach: * Für Betriebseinheiten, die nicht über Pflegesätze finanziert werden, ist der Senat in Zukunft nicht mehr verantwortlich. Damit wären z.B. die Betriebskindergärten von Schließung bedroht. * Gleiches gilt für den Investitionsanteil der FHH an Hamburger Krankenhäusern. Auch hier kann sich der Senat leichter aus der Verantwortung ziehen. Bei der angespannten Haushaltslage ist das sehr wahr scheinlich. * Ab 1996 werden die Kosten der Krankenhäuser ausschließlich über die Festbeträge der Krankenkassen getragen (wg. GSG). Gesundheitspolitische Aufgaben, die über diesen Markt nicht zu finanzieren sind, werden sich nur schwer öffentlich einklagen lassen. * Ein neuer Tarifvertrag muß ausgehandelt werden. Die Kampfkraft der ÖTV im Krankenhaus-Bereich ist eher schwach. Da im Senat nicht der Weihnachtsmann sitzt, ist auf Geschenke nicht zu hoffen. * Knapp 15000 Arbeitsplätze fielen direkt aus dem öffentlichen Dienst weg. Auch wenn für die KollegInnen ein individuelles Rückkehrrecht ausgehandelt wird, ist dies bei einer großen Beschäftigtenzahl kaum zu realisieren. * Weiterhin müßte auch erst ausgehandelt werden, ob das Hamburger Personalvertretungsgesetz in der jetzigen oder in veränderter Form gelten soll. Natürlich kann der Senat jetzt schon Veränderungen, die politisch durchsetzbar sind, in einem LHO-Betrieb umsetzen. Die Kämpfe gegen die Privatisierungen der Krankenhaus-Wäschereien sind sicher noch vielen KollegInnen in Erinnerung. Dieser Rechtsformwechsel hat noch nicht die vom LBK-Management gewollten Konsequenzen (siehe o.a. Zitate). Trotzdem bleibt zu fürchten, daß die Umwandlung des LBK in eine Anstalt öffentlichen Rechts ein Schritt zu einer umfassenden Privatisierung wäre. Die Bundesgesetzgebung (z.B. GSG) trägt dazu bei, den kommunalen Spielraum in der Gesundheitspolitik einzuschränken. Eine Rechtsformveränderung, in der Errungenschaften des öffentlichen Dienstes erhalten bleiben, ist nur dann erreichbar, wenn viele KollegInnen für Kampfaktionen mobilisiert werden. Dies ist nur möglich, wenn es eine breite Diskussion auf allen Mitgliederebenen der ÖTV gibt. Abschließend sollte dann eine Abteilungsversammlung die Entscheidung über den weiteren Weg in dieser Angelegenheit haben. Dies entspricht vielleicht nicht unbedingt dem Wortlaut der ÖTV-Satzung, aber mindestens der Idee der innergewerkschaftlichen Demokratie. (The avenger)
Chemie-Tarifabschluß '94
Katastrophe für
Beschäftigte
1. Der Pilotabschluß Am 11.1.94 wurde im Tarifbezirk Nordrhein im Schlichtungsverfahren (Schlichtungskommission paritätisch von IG Chemie und Arbeitgebern ohne neutralen Vorsitzenden besetzt) einstimmig ein Tarifabschluß für die westdeutsche Chemieindustrie vereinbart. Dieser Abschluß gilt nach gemeinsamem Verständnis als Pilotabschluß, der für alle anderen westdeutschen Tarifbezirke übernommen werden soll. Weil bei dem Abschluß auch Vereinbarungen im ungekündigten Manteltarif betroffen sind, muß für diese Teile des Pilotabschlusses die Manteltarifkommission der IG Chemie zustimmen. Die Zustimmung, für die eine Erklärungsfrist bis zum 26.1.94 besteht, gilt als sicher. Unter diesen Voraussetzungen gilt der Abschluß in seiner heutigen Substanz (mit möglichen leichten Abweichungen bei bezirklichen Tarifverträgen) für die gesamte westdeutsche Chemieindustrie mit etwa 1760 Betrieben und zur Zeit noch ca. 700000 Beschäftigten.
2. Die AusgangslageStruktur der Chemieindustrie Die Chemieindustrie hat eine große Bandbreite unterschiedlicher Betriebsgrößen. Absolut dominierend sind nach wie vor die drei Großkonzerne in der Nachfolge der IG Farben Bayer, BASF und Hoechst Der Druck kleinerer und mittlerer Unternehmen, die höhere Tarifabschlüsse meist schlechter verkraften können, auf niedrigere Lohnabschlüsse nimmt jedoch zu, auch verbunden mit Drohungen, aus dem Arbeitgeberverband auszutreten bzw. in Branchen mit geringeren Tarifen zu wechseln. Unterschiedlich ist ebenfalls die wirtschaftliche Situation in den Teilbranchen innerhalb des Chemiesektors. Während z.B. der Pharmabereich oder die Grundstoffgüterindustrie starke Umsatzund Gewinnverluste erleiden, profitierten Konzerne, die ihr Hauptgeschäft im Bereich des Privatkonsums haben (wie z.B. die Beiersdorf AG Hamburg), von dem vorübergehenden Nachfrageboom durch die deutsche Vereinigung. In der Chemieindustrie gibt es seit einigen Jahren eine starke Rationalisierung, der Zehntausende von Arbeitsplätzen (in Deutschland, aber auch im Ausland) zum Opfer gefallen sind. Allein 1993 wurden in der Chemiebranche in Westdeutschland etwa 26000 und in Ostdeutschland ca. 18000 Arbeitsplätze vernichtet. "Selbst bei Stabilisierung von Erträgen und Investitionen" wird es "zu einem weiteren Beschäftigungsabbau" kommen, so die Prognose der ChemieArbeitgeber (in ihrer Zeitschrift Standort 1/1994 , Seite 6). Insgesamt ist die Lage der Chemieindustrie trotz aktueller Umsatzeinbußen und z.T. struktureller Probleme (Grundstoffindustrie) verglichen mit der Gesamtwirtschaft jedoch eher positiv. Nach wie vor werden hohe Profite erwirtschaftet, wenn auch der Zuwachs sinkt, und in den letzten Jahren werden hohe Rücklagen aus den Profiten gebildet.
3. Forderungen der IG Chemie und Reaktionen In einem internen Papier der IG Chemie vom 10.12.93 sind nach dem Scheitern der ersten Verhandlungen die Forderungen der IG Chemie und die Position der Arbeitgeber gegenübergestellt. Die Arbeitgeber vertreten, auch unter dem Druck von BDA und BDI sowie speziell von Gesamtmetall, eine harte Konfrontationslinie. Sie propagieren eine Nullrunde, Kompensation möglicher Nominalerhöhungen durch Kürzung anderer Tarifbestandteile, längere Laufzeiten und eine Ablehnung jeder Garantie von Beschäfti gungssicherung. Die IG Chemie fordert einen "Ausgleich der Preissteigerungsrate" sowie "Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung". Verglichen mit den Forderungen anderer DGBGewerkschaften ist das Forderungsvolumen äußerst gering. Der schlechten IG ChemieTradition entsprechend, wurde auf eine konkrete Forderung, auf eine soziale Komponente oder gar weitergehende Perspektiven (Reallohnsicherung, Anteil am Produktivitätsfortschritt etc.) von vornherein verzichtet. Die Erkämpfung von Beschäftigungsgarantien wurde, ebenfalls im Gegensatz zu anderen Gewerkschaften, genauso abgelehnt. Verbunden mit den bereits chronischen Problemen der Tarifpolitik der IG Chemie (extrem sozialpartnerschaftliche Orientierung, Vermeidung möglichst jeder Kampfoder gar Streikaktion, extreme Zentralisierung der Tarifpolitik, nur formale Einbeziehung der Vertrauensleute in den (Groß)Betrieben) ist es nicht verwunderlich, daß es unter den Mitgliedern eine verbreitete Unzufriedenheit, eine nur einschränkte Kampfbereitschaft gibt und daß es nach dem Scheitern der Verhandlungen doch sehr schnell zu einer Einigung in der Schlichtung kam.
Das Ergebnis
4. Entgelt Die Laufzeit des Tarifvertrages wurde auf 15 Monate verlängert. Für die ersten drei Monate (November 93 bis Januar 94) gibt es keine EntgeltErhöhung, ab Februar 94 kommt es für 12 Monate zu einer Erhöhung von 2%. Das 13. Monatsentgelt (bisher 100% des Monatslohns, geregelt in bezirklichen Tarifverträgen) wird auf dem Stand von 1993 für 2 Jahre bis Ende 1995 eingefroren, wird also nicht um 2% erhöht. Auf der Grundlage des Jahres Entgelts in der Chemieindustrie bedeutet dieser Abschluß tatsächlich 1,49 Prozent (für 1994) und ca. 1,25-1,3 Prozent (für 1995, je nach Tarifabschluß 1995).
5. Einstiegsbezüge Mit diesem Tarifabschluß gibt es meines Wissens zum ersten Mal in Westdeutschland in einer Branche die Möglichkeit für die Arbeitgeber, Bezüge für neu eingestellte Mitarbeiter unter den geltenden Tariflohn zu senken: Im einzelnen gilt: - untere Lohngruppen (E1-E9): 95% vom Tarifsatz für ein Jahr bei unbefristeten Verträgen, - höhere Lohngruppen (ab E 10): 92,5% vom Tarifsatz für 1 Jahr ebenfalls bei unbefristeten Verträgen, - sogenannte "Langzeitarbeitslose", die länger als 6 Monate arbeitslos sind, werden mit 90% des Tarifsatzes ohne Zeitbegrenzung (d.h. nicht auf ein Jahr befristet) auch bei unbefristetem Vertrag entlohnt.
6. Arbeitszeit Mit diesem Tarifabschluß wurde, auch das ein Novum oder höchst selten praktiziert, in einen bestehenden ungekündigten Manteltarifvertrag eingegriffen. Der @2, Abschnitt 1, Ziffer 3 des MTV vom 24.6.92 wurde wie folgt verändert: Der "Zeitkorridor" für eine abweichende wöchentliche Arbeitszeit für einzelne Arbeitnehmergruppen wurde von 2 auf 2,5 Stunden erweitert. Die Arbeitszeit wird damit weiter differenziert, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden kann also auf 35 Stunden ohne Lohnausgleich verkürzt oder auf bis zu 40 Stunden mit höherem Entgelt, aber ohne Mehrarbeitszuschlag verlängert werden. Bei Einigung von Arbeitgeber und Betriebsrat kann also in einem Unternehmen für größere Betriebsteile oder auch für eine ganze Belegschaft eine verlängerte Arbeitszeit (oder eine verschleierte Form der Kurzarbeit) vereinbart werden.
7. "Beschäftigungssicherung" Bestandteil des Tarifabschlusses ist eine "verbindliche Verabredung" über Beschäftigungssicherung auf betrieblicher Ebene. Wörtlich heißt es, daß an Betriebsräte und Geschäftsleitung eine "Empfehlung" geht, "Möglichkeiten zu prüfen", Entlassungen durch einen Maßnahmekatalog zu verhindern. Als Maßnahmen, die in jedem Fall für den Arbeitgeber unverbindlich bleiben, werden u.a. flexible Arbeitszeiten, Freizeitausgleich von Mehrarbeit, verlängerte Kurzarbeit und längere Weiterbildung genannt.
Kurzfristige Folgen
8. sozial In einem Flugblatt der IG Chemie vom 11.1.94 wird der Abschluß als Erfolg propagiert, mit dem eine "Nullrunde abgewehrt" und ein "Zuwachs in schwieriger Zeit" erreicht wurde. Tatsächlich bedeutet der Abschluß nur eine minimale nominale Erhöhung der Löhne, und das heißt einen starken Reallohnverlust für alle Beschäftigten. Besonders negativ betroffen sind die unteren Entgeltstufen, konkret sind das viele Ungelernte, Ausländer und Frauen. Außerdem hat der Abschluß, da die IG Chemie 1994 Vorreiter der Tarifrunde war, sehr negative Signalwirkung für die Lohnrunde in allen anderen Branchen, besonders für IGM, ÖTV oder HBV.
9. politisch Politisch setzt der Tarifabschluß ein deutliches Signal für Arbeitszeitverlängerung. Das widerspricht einmal der eigenen Programmatik, verbal tritt die IG Chemie nach wie vor für die 35StundenWoche ein. Allerdings wurde mit dem MTV die derzeitige wöchentliche Arbeitszeit für mehrere Jahre auf 37,5 Stunden eingefroren. Mit dem jetzigen Tarifabschluß wird den Arbeitgebern jedoch zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, für ganze Betriebe (bei Zustimmung des Betriebsrates) eine Arbeitszeitverlängerung durchzusetzen. Zum anderen behindert das massiv den Kampf anderer DGBGewerkschaften für eine Verkürzung der Arbeitszeit (HBV, IG Medien) bzw. begünstigt die Durchsetzung der geplanten Arbeitszeitverlängerung z.B. im Öffentlichen Dienst. Die Argumentation für Arbeitszeitverkürzung, angeregt etwa durch das VWModell (so kritikwürdig dies auch im einzelnen ist), wird dadurch konterkariert.
10. innergewerkschaftlich Der Abschluß ist weiter ein Signal in der (praktischen und theoretischen) Auseinandersetzung im DGB für eine extrem sozialpartnerschaftliche Politik. Die IG Chemie versucht, mit der geplanten Fusion mit der IG Bergbau und der Gewerkschaft Leder ein starkes rechtes Gegengewicht gegen linke, aber auch kämpferisch reformorientierte Kräfte im DGB, die auf eine stärkere gewerkschaftliche Autonomie setzen, zu schaffen. Das gilt für die Propagierung rechtssozialdemokratischer gesellschaftspolitischer Positionen (z.B. in der Energiepolitik, in der GenTechnologie), die bis zur direkten Interessenvertretung von Profiten in der Chemieindustrie (z.B. in der Pharmaindustrie) reicht. Die IG Chemie befindet sich in der großen Illusion, mit extremer Sozialpartnerschaft der organisatorischen und politischen Krise der DGBGewerkschaften entgegentreten zu können. In Wirklichkeit ist die Basis für eine solche Politik finanziell längst nicht mehr gegeben, praktisch führt die Demobilisierung der eigenen Mitglieder zu Unzufriedenheit, Frustration und auch zu Austritten. Auch die IG Chemie hat 1993 bundesweit etwa 50000 Mitglieder verloren. Partiell vorhandene Aktionsbereitschaft in der aktuellen Tarifrunde (in Hamburg z.B. Demo von 400 Beschäftigten bei Jurid, Versammlung auf dem Hof von 300 Leuten bei der Norddeutschen Affinerie, 1600 Protestkarten bei Beiersdorf an die Geschäftsleitung übergeben) wurde nicht genutzt bzw. durch den Abschluß enttäuscht.
Strategische Konsequenzen
11. Allgemeingültigkeit von Tarifverträgen Die IG Chemie verkauft den Tarifabschluß als Erfolg, weil damit der "Flächentarifvertrag gesichert" worden sei. (Flugblatt vom 11.1.94) Dies ist insofern unzutreffend, weil die Allgemeingültigkeit des Flächentarifvertrages formal gar nicht zur Disposition stand, dessen Sicherung also auch gar kein Erfolg sein kann. Im Gegenteil, was die IG Chemie als "Erweiterung der Handlungsfelder für die betriebliche Ebene" feiert (ebenda), setzt gerade die Tendenz fort, Entscheidungen über die Umsetzung der Tarifpolitik auf die betriebliche Ebene zu verlagern. Abhängig von der Stärke der Betriebsräte wird so die Spaltung bzw. Auseinanderentwicklung der Betriebe innerhalb einer Branche verstärkt. Wer den Arbeitgebern die Möglichkeit gibt, in einzelnen Betrieben die Arbeitszeit zu verlängern, stärkt sicher nicht die Bindewirkung von Flächentarifverträgen, ganz abgesehen von der Verschlechterung des nichtgekündigten Manteltarifs mit diesem Tarifabschluß. Als richtige Konsequenz muß gefordert werden, Standards im Interesse aller Beschäftigten (z.B. die Dauer der Arbeitszeit) allgemeingültig in Tarifverträgen festzulegen und Abweichungen davon auf betrieblicher Ebene streng zu normieren und nur bei Zustimmung der Betroffenen und der Tarifparteien zuzulassen.
12. Einstieg in die Tarifabsenkung Die angebliche "arbeitsmarktpolitische Initiative" (Tarifexperte Hans Terbrack: "erstmals (wurde) ein arbeitsmarktpolitischer Beitrag (vereinbart), der Arbeitslosen zugute kommt") entpuppt sich bei näherer Betrachtung als das genaue Gegenteil: Mit dem Tarifabschluß dürfte nicht ein Arbeitsplatz gesichert werden, da die ChemieArbeitgeber jede diesbezügliche Garantie abgelehnt haben. Finanziell lohnt sich die Entlassung älterer Beschäftigter und die Einstellung neuer Mitarbeiter allemal. Schlimmer noch, die Senkung der Eingangsbezüge unter Tarif spaltet die Belegschaften noch weiter auf. Der Tendenz zu einer allgemeinen Senkung des Tariflohns (in West, aber auch besonders in Ostdeutschland) wird damit Tür und Tor geöffnet. Und schließlich wird damit Bestrebungen in die Hände gearbeitet, den Lohn für Beschäftigte des sogenannten 2. Arbeitsmarktes noch weiter zu kürzen. Gesellschaftspolitisch bedeutet dies eine Verstärkung zur "2/3Gesellschaft" und konjunkturpolitisch eine massive Beschränkung konsumptiver Nachfrage.
13. Risiko verlängerter Arbeitszeit Die durch den Tarifabschluß eröffnete Möglichkeit, für ganze Betriebe die Arbeitszeit zu verlängern, ist gesellschaftspolitisch ein sehr negatives Signal gegen weitere Arbeitszeitverkürzung. Betriebliche Regelungen gegen die Interessen der Beschäftigten sind zu befürchten. Eine weitere Differenzierung der Arbeitszeit in den Betrieben wird die Folge sein. Schon jetzt arbeiten die außertariflichen Angestellten generell länger (häufig 39 Wochenstunden), die Tarifbeschäftigten 37,5 Stunden. Künftig werden ganze Belegschaften 40 Stunden arbeiten. Dies stärkt die Kräfte (z.B. in der Regierung, bei der SPD und in den Unternehmerverbänden), die mobil für eine Arbeitszeitverlängerung machen. Auch die ohne Zwang erfolgte Öffnung des Manteltarifs könnte den Kapitalisten neue Nahrung geben, die auf weitere Tariföffnungsklauseln drängen. Stand: 18.1.94 Holger Zerrahn Vertrauensmann der IG Chemie bei der Beiersdorf AG Hamburg; Mitglied im Vertrauensleutevorstand; Mitglied der AG Betrieb & Gewerkschaft der PDS/Linke Hamburg
Ca. 800 Versicherungsangestellte demonstrierten am 1.2.94 durch die Hamburger Innenstadt, um den Arbeitgeberverband Versicherungen wieder zu Verhandlungen zu zwingen. Hintergrund ist, daß die DAG am 1.12.93 allein das Arbeitgeberdiktat von 2% bei 15 Monaten Laufzeit unterschrieben hat. Dies war einer der schlechtesten Tarifabschlüsse des Jahres 1993, der von den Kapitalistenverbänden prompt zum Pilotabschluß für 1994 erklärt wurde. Die Gewerkschaft HBV weigert sich, diesen Abschluß zu unterschreiben, und ruft bundesweit zu Aktionen auf. So nahmen z.B. am 3.2. in Stuttgart 600 Versicherungsbeschäftigte an Warnstreiks und Demonstrationen teil. -(res)
Aufruf zur Hamburger Mieterdemonstration
Montag, den 21. Februar 1994, um 17.00 Uhr
Am Congress Centrum anläßlich des Bundesparteitages der CDU.
Unter dem Motto: Kohl sitzt es aus, die Mieter baden es aus!
Deshalb demonstrieren wir alle am 21.2.1994 um 17 Uhr Mieterverein Hamburg, Dachverband Hamburger Mieterinitiativen und Mieterverein MIETER HELFEN MIETERN
Kohl auf dem Gänsemarkt Vom 20.-23. Februar 1994 führt die CDU ihren Bundesparteitag im CCH durch. Aus diesem Anlaß suchen Kanzler Kohl und andere Polit-Spitzen der CDU, wie es in einer Pressemitteilung heißt, im Rahmen eines "CDU-Schaufensters auf dem Gänsemarkt" das "Gespräch mit dem Bürger". Weiter heißt es: "Hier sollen Bundespolitiker und Bürger miteinander ins Gespräch kommen." Für das geneigte Publikum soll es "Punsch und Thüringer Bratwurst" geben. -(a.g.)
Links wurde anläßlich der letzten Wahlen zum StuPa der Uni von Menschen aus verschiedenen linken Gruppen gegründet: Aktive aus der Offenen AusländerInnenliste, Fachschaftsräten, der Linken Liste und anderen Initiativen haben sich zusammengeschlossen, um durch eigene Tätigkeit, die begründet ist in Analyse und Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse, zur Veränderung dieser Verhältnisse beizutragen, statt sich mit verbaler Kritik und verweigerndem Verdruß zu begnügen. Hauptthemen der Arbeit sind Antirassismus, Hochschul- und Wissenschaftspolitik sowie Friedenspolitik als entscheidende Herausforderungen dieser Zeit. Wer genaueres wissen oder gar mitarbeiten möchte, kann sich bei Martin, Tel. 7101594, erkundigen oder zu unserem Treffen, das jeden Dienstag ab 18.30 Uhr im AusländerInnenreferat des Uni AStA stattfindet, kommen. Da StudentInnen bekanntermaßen nicht mit Reichtümern gesegnet sind und wir unsere Arbeit aus eigenen Mitteln finanzieren, würden wir uns ebenfalls über finanzielle Unterstützung freuen (Martin Wittmaack, Hamburger Sparkasse, BLZ 20050550, Kt.Nr.: 1228/457014)
Wer ist Ewald Althans?
"Ich bin kein Verführter, ich bin der Verführer";
wald Bela Althans ist einer der Führungskader der "Gesinnungs gemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), der zentralen Organisation des "Kühnen-Flügels" der Nazibewegung. Die GdNF besteht aus vielen, zumeist regionalen Organisationen, die nach außen als unabhängig dargestellt werden, in Wirklichkeit jedoch über die GdNF miteinander verbunden sind und von der GdNF-Führung gesteuert werden. Zu den GdNF-Gruppen gehören z.B. die verbotene "Deutsche Alternative" und hier aus Hamburg die "Nationale Liste" des als Chef der GdNF geltenden Christian Worch. Althans unterhält in München das "Deutsche Jugend-Bildungswerk" und den Laden "Althans Vertriebswege und Öffentlichkeitsarbeit" (AVÖ) als Teilstrukturen der GdNF. Der AVÖ-Laden ist ein öffentlicher Anlaufpunkt für Münchner Faschisten. Von dort aus wird neuere Propaganda als auch solche aus dem "3. Reich" vertrieben.+ Von dort aus ist Althans auch an der Vorbereitung der jährlichen "Rudolf-Heß-Gedenkmärsche" beteiligt. Er erfüllt damit eine wichtige Vernetzungsaufgabe für die GdNF. Ein weiterer Schwerpunkt von Althans' Arbeit liegt in der sog. "Revisionismuskampagne". Diese Kampagne leugnet den Holocaust der Nazis an den europäischen Jüdinnen und Juden. Es geht dabei um die Reinwaschung des NS-Faschismus als Teilbedingung für die Wiederzulassung der NSDAP, die immer Kühnens erklärtes Etappenziel war. Althans war wesentlich beteiligt an der Organisierung verschiedener "revisionistischer" Tagungen 1990 und 1991 in München.= Althans Ansichten sind stark auf den Nationalsozialismus fixiert. Seine Zukunftsgesellschaft bezeichnet er als "nationalsozialistisch", er ist gegen JüdInnen, "weil sie Imperialisten sind, sie wollen die Deutschen zu Sklaven machen"@, und "Hitler ist für mich ein Held"./ In letzter Zeit lief es für Althans nicht so gut. Erst entzog das Kreisverwaltungsreferat München ihm am 2. September 1993 die Gewerbeerlaubnis für seinen AVÖ-Laden wegen der Verbreitung neonazistischer Propaganda, dann kamen zu einem aus seinem Umfeld organisierten Aufmarsch ("Keine Ausländer in der Polizei", "Gegen ein Ausländerwahlrecht") am 30. Oktober nur 10 "Kameraden", die die Polizei dann freundlichst vor AntifaschistInnen in Sicherheit brachte.( Und ob sein Film "Beruf Neonazi" ihm mehr Propaganda-Erfolg als strafrechtliche Konsequenzen einbringt, ist auch noch nicht ausgemacht. Hoffen wir für ihn das Schlechteste! -(F) (1) Althans, zitiert nach SPIEGEL 18/92, S. 110. (2) Antifa Info-Blatt, Nr. 20b, Berlin, Nov. 1992, S. 11. (3) Autorenkollektiv: Drahtzieher im braunen Netz. Der Wiederaufbau der "NSDAP". Berlin/Amsterdam 1992, S. 20-26. (4) zitiert nach Antifa Info-Blatt, Nr. 20b, Berlin, Nov. 1992, S. 12. (5) zitiert nach SPIEGEL 18/92, S. 110. (6) Antifaschistische Nachrichten 24/93, Köln, S. 8.
VVN/BdA erstattet Strafanzeige Die VVN - Bund der Antifaschisten, Landesvereinigung Hamburg, erstattete beim Generalstaatsanwalt bei dem Hanseatischen OLG Strafanzeige gegen Ernst Zündel, Bela Althans u.a. wegen Beleidigung, Verunglimpfung, Volksverhetzung (@130 StGB), Bildung einer kriminellen Vereinigung (@129) und Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (@86). Anlaß ist der Film Beruf: Neonazi. In einer Presseerklärung heißt es: "Der Film ist eine Darstellung der Ziele und Aktivitäten der von Zündel und Althans maßgeblich geführten Neonaziorganisationen. Offen werden die Ziele als >nationalsozialistische< bezeichnet. Bela Althans erklärt, er wolle >orthodoxen Nationalsozialismus<; er vergleicht sich im Verhältnis zu Zündel mit Himmler und Heydrich. In langen Sentenzen wird die straffe Organisation und der militärische Gehorsam der Mitglieder deutlich Insgesamt ist der Film eine offene Propagierung der Nazi-Ideologie der von Zündel und Althans geführten Organisation." Weiter fordert die VVN - Bund der Antifaschisten, daß die für den 15.2. bzw. 19.2. vorgesehene Aufführung des Films in Sat1 (Spiegel-TV) und Vox unterbunden und die Kopien des Films als Tatmittel beschlagnahmt werden müssen. (Mitteilung der VVN - Bund der Antifaschisten vom 11.2.)
OFFENE LANDESVERSAMMLUNG DER PDS/LINKE LISTE HAMBURG Thema: WAHLEN '94
Tagesordnung:
Diskussion zum Europawahlprogramm der PDS mit zwei Einstiegsbeiträgen von Horst Bethge und von Mitgliedern der Hamburger Jungsozialisten Wie kann und sollte die Hamburger Linke - auch außerparlamenrisch - in das Wahlkampfjahr 1994 eingreifen? Verschiedenes
Eingeladen sind alle Menschen, die an einer gemeinsamen Diskussion und Verständigung zum Wahljahr '94 interessiert sind.
Sonnabend, 19.2., 12.00 bis 18.00 Uhr Palmaille 24, Nähe S-Bahn Königstraße
Lokalberichte HamburgNr. 4/1994, 17.Februar 1994 Herausgeberkreis: Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik (AGG), Arbeitskreis Azania, Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen (AG/R), Hochschul-Antifa, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. - Redaktionstreffen und Redaktionsschluß für Artikel und Zuschriften: Montag, 28. Februar, 17.30Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo 39,- DM (Förderabo: 46,80,-), zu zahlen auf das Konto GNN-Verlag, HASPA, BLZ20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Güntherstr. 6a, 22087 Hamburg, Tel. 2204278, Fax: 2297419. V..i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH