Bundesverband Druck provoziert

erneut Scheitern der Schlichtung

Am vergangenen Dienstag hat die IG Medien die Verhandlungen zur 4. Schlichtungsrunde abgebrochen, weil der Bundesverband Druck (BVD) nicht zu konkreten Verhandlungen bereit war. Der Hauptvorstand der IG Medien teilte dazu am 3.5. mit: "Wenige Zahlen unterstreichen die >Sprachlosigkeit< der Unternehmervertreter. Nach Angaben des Schlichters haben die Schlichtungsgespräche bisher knapp 30 Stunden gedauert. Davon waren allerdings keine 4 Stunden gemeinsame Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien. Der Bundesverband Druck hat sich trotz mehrfachen Drängens der IG Medien geweigert, Verhandlungen aufzunehmen, und die Schlichtung dazu mißbraucht, die Verhandlungen zu verzögern, und versucht, ein Abschlußdiktat durchzusetzen. Daraufhin hatte die IG Medien keine andere Wahl, als eine Vertagung auf Montag, den 9. Mai, zu beantragen, um endlich zu Verhandlungen zu kommen. Der Schlichter, Professor Reiter, hatte sich diesem Antrag angeschlossen, hat aber auf seinen Vorschlag, die Verhandlungen am 9. Mai fortzusetzen, vom Arbeitgeberverband bis 16.00 noch keine Zustimmung erlangt. Die IG Medien sah darauf keine Möglichkeit mehr, den Stil der Nichtverhandlung und Sprachlosigkeit fortzusetzen. () Die IG Medien bleibt aber bei ihrer Aufforderung an den Bundesverband Druck, endlich und möglichst bald an den Verhandlungstisch zurückzukehren und vor allem die Bereitschaft zu entwickeln, auch wirklich in der Sache zu verhandeln."

Verhandlungsboykott des BVD Bis dahin hatte sich der BVD geweigert, über die Forderungen der IG Medien zum Manteltarif - v.a. über die Einführung eines Vorruhestandes für Nacht- und Schichtarbeiter - auch nur zu sprechen. Noch am Vormittag des gleichen Tages hatte er stattdessen eine Neuauflage seiner provokativen Forderungen eingebracht, die die Wiederinkraftsetzung des Manteltarifvertrages bis 1998 vorsahen bei gleichzeitigen betrieblichen Öffnungsmöglichkeiten wie der Einführung eines Arbeitszeitkorridors zwischen 35 und 39 Std. bzw. ab 1.4.95 zwischen 31,5 und 38,5 Std., der Möglichkeit der Abgeltung von Überstunden binnen dreier Monate ohne Zuschläge in Freizeit sowie der Öffnung des Samstags für die regelmäßige Arbeitszeit und der Einstellung von arbeitslosen Hilfskräften und über 50jährigen zu 90% des Talohns. Während der Schlichtungsrunde hatten die Arbeiter und Angestellten die Warnstreikaktivitäten verstärkt: Allein im Landesbezirk Nord beteiligten sich die Kollegen von Springer (Tiefdruck, Offsetdruck, Verlag), der Bergedorfer Zeitung, der Lüneburger Nachrichten, von Broschek, Claussen und Bosse in Leck, Stader Tageblatt, Cuxhavener Nachrichten, Bremervörder Zeitung und Fa. Borgardt in Bremervörde an Streikaktionen, in mehreren Firmen wurden Resolutionen gefaßt. Unter diesem Eindruck und angesichts der Vertagungsforderung der IG Medien handelte der BVD mit dem Schlichter einen neuen Vorschlag aus, der zumindest auf die Forderung nach der Samstagsöffnung und die untertarifliche Bezahlung von Arbeitslosen verzichtete. Der Manteltarif sollte bis Ende 1996 wieder in Kraft gesetzt werden, womit auch die von der IG Medien angestrebten Verbesserungen für Schichtarbeiter bis dahin von der Gnade der Kapitalisten abhängig wären. Die Tariflöhne sollten nach drei Nullmonaten ab 1.7. um zwei Prozent angehoben werden, was einer Erhöhung von 1,5%, auf die gesamte Laufzeit bezogen, entspräche. Wie der BVD ausdrücklich feststellte, sei dieses Papier "kein Verhandlungspapier, sondern ein Abschlußpapier". Mit anderen Worten, die Kapitalisten der Druckindustrie wollen weiter ein Tarifdiktat!

Schwierige Lage der IG Medien Die IG Medien fordert die vorbehaltlose Aufnahme von Verhandlungen über den Manteltarifvertrag und die Einführung eines Vorruhestands für Schichtarbeiter ohne Vorleistungen durch die Verschlechterung bestehender Tarifverträge und kein langfristiges Inkrafttreten des Manteltarifvertrages, das Verbesserungen wegen der Friedenspflicht von der Gnade der Unternehmer abhängig machen würde. Taktisch befindet sich die Gewerkschaft jedoch in einer sehr schwierigen Lage. Zum einen ist sie als kleine Gewerkschaft mit den Tarifvorgaben von ÖTV und IG Metall konfrontiert, die bereits bei Lohn und Arbeitszeitflexibilisierung gewisse Zugeständnisse gemacht haben. Entsprechend hetzt die Propaganda der Verlage und Medienkonzerne, der "linken Speerspitze der deutschen Gewerkschaftsbewegung" sei "der Kampf wichtiger als das Ergebnis", deshalb sei die Delegation "aus dem Saal gerannt", als der Schlichter den Schiedsspruch unterbreiten wollte (Südd. Zeitung, 5.5). In den Mitarbeiterinformationen der Axel Springer Verlag AG vom gleichen Tage werfen die Herren Prinz und Stumpfe der IG Medien "Gefährdung von Arbeitsplätzen" durch ihre Forderungen vor, " während die anderen großen Gewerkschaften in Einsicht der schwierigen Lage in Deutschland zu vernünftigen Abschlüssen bereit waren". Ein weiteres Handicap für die Gewerkschaft ist die unterschiedliche Lage in den großen Verlagshäusern, Zeitungsdruckereien und Mehrschichtbetrieben einerseits und der Vielzahl der Klein- und Mittelbetriebe andererseits, und dies sowohl was deren wirtschaftliche Situation, als auch was den Organisations- und Mobilisierungsgrad der Beschäftigten betrifft. Schließlich würde Ausweitung des Arbeitskampfes die Gefahr einer flächendeckenden Aussperrung seitens der Unternehmer heraufbeschwören. "Was haben die Biene und die IG Medien gemeinsam? Daß nämlich beide zugrundegehen, wenn sie wirklich zustechen. Die Biene verliert Stachel und Giftdrüse, die Gewerkschaft geht bankrott." So die höhnische Hoffnung des Handelsblatt-Kommentators Mundorf.

Tarifkommission lehnt Diktat ab Die Große Tarifkommission hat am Montag, den 9. Mai einstimmig den Schlichtungsvorschlag abgelehnt und beschlossen: 1. Die Streikaktionen werden in der bisherigen Form weitergeführt. 2. Die Mitglieder werden schriftlich über den Stand der Verhandlungen und den Wortlaut der Vorschläge informiert, es wird eine Mitgliederbefragung durchgeführt. 3. Die Tarifkommission beantragt vorsorglich beim Gewerkschaftsrat, der am 18.5. zusammentritt, die Ermächtigung zur Einleitung von Urabstimmungen. Wichtig scheint derzeit vor allem die Schaffung von Gegeninformation gegen die Hetze der Medienmonopole und die Organisierung von politischer Unterstützung für den Versuch der IG Medien, Pflöcke einzuschlagen gegen den weiteren Reallohnabbau und das Einreißen von tariflichem Schutz gegen die Arbeitszeitflexibilisierung. -(ulj)

Ein rassistischer

Gerichtsbeschluß

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat in der vergangenen Woche der Universität Hamburg untersagt, studienbegleitende Deutschkurse für nichtdeutsche bzw. nichtdeutschsprechende Studierende weiter abzuhalten. Der Eilbeschluß des Gerichtes soll auf diesem Wege die Kapazität des Studienganges Germanistik für deutsche Studierende erhöhen. Die Entscheidung hat sofortige Wirkung, muß also bereits für das laufende Semester umgesetzt werden. Die schriftliche Begründung des Gerichtes steht noch aus, mündlich wurde sie der Universität aber bereits mitgeteilt. - Damit wurde der Klage eines oder einer Studierenden stattgegeben, der oder die mit dem mangelnden Lehrangebot am germanischen Seminar unzufrieden war. Resolution der Univollversammlung vom 27.April 1994 Wir, die Studierenden der Universität Hamburg, sind empört über diesen rassistischen Beschluß. Wir greifen die Ausgrenzung nichtdeutscher Studierender an. An deutschen Universitäten werden nichtdeutsche Studierende systematisch ausgegrenzt, die Zulassungsquote ist auf 5% beschränkt. Den wenigen, die dennoch einen Studienplatz an deutschen Hochschulen erhalten, wird durch die alltägliche Diskriminierung und bürokratische Hindernisse das Studium massiv erschwert. Als Beispiele hierfür seien nur die Praktiken des Studentenwerkes, der Zulassungsstellen und der Jobberhöhle des Arbeitsamtes genannt. Das Studentenwerk bietet Zimmer an, die ausdrücklich nur für Deutsche bestimmt sind. Ebenso verfährt die Jobberhöhle bei der Vermittlung von Arbeitsmöglich keiten. Nichtdeutsche StudienbewerberInnen müssen im Gegensatz zu deutschen bei der Immatrikulation Einkommensnachweise erbringen. Der vorliegende Beschluß des OVG ist als Mittel zur rassistischen Ausgrenzung auf dem Wege zur Formierung der deutschen Volksgemeinschaft zu verste hen. Wir fordern die Universität Hamburg auf, sich dem Eilbeschluß des Oberverwaltungsgerichts entschieden zu widersetzen! Wir fordern alle Studierenden zur Solidarität mit rassistisch Ausgegrenzten auf! Wir fordern die Weiterführung der studienbegleitenden Deutschkurse am germanischen Seminar! Wir fordern Freien Zugang nichtdeutscher BewerberInnen zu den Universitäten und Fachhochschulen! Wir bekämpfen den rassistischen und nationalen Konsens, der auch in diesem Beschluß deutlich wird! Gegen den nationalen Konsens an deutschen Universitäten! Die Resolution wurde bei zwei Neinstimmen und wenigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. Mitglieder der Hochschul-Antifa, c/o AStA der Uni, Von-Melle-Park 5, 20146 Hamburg

Über 60000:

Vorrang für Bildung!

Den 27.4. wird man sich in Hamburg merken: Ab morgens ging im Verkehr nichts mehr, denn über 60000 Schüler, Lehrer, Studenten, Referendare, Lehrlinge, Eltern waren überall in der Stadt auf den Beinen, um dem Hamburger Koalitionssenat aus SPD und STATT Partei die Forderung entgegenzuhalten: Vorrang für Bildung bei den Haushaltsberatungen!

Am Nachmittag des 27.4. begann das hamburgische Landesparlament damit, den Stadthaushalt für die nächste Legislaturperiode zu beraten. Rund 30 kleine Zubringerdemonstrationen in allen Stadtteilen führten zur Moorweide, von wo sich die größte Bildungsprotestdemonstration, die Hamburg je erlebt hatte, zum Rathaus bewegte. GEW, SchülerInnenkammer, AStA und Aktionsrat der Studenten der Uni, 457 Hamburger Rektoren hatten gemeinsam zu dem Protest aufgerufen. "Was haben wir Euch getan, daß Ihr uns so behandelt", und "Bildung für alle" - das konnte man auf den zahlreichen Transparenten des bunten Protestzuges lesen. Straßensozialarbeiter, Kinderspielplätze, Stadtteilbüros, Kirchengemeinden, Drogenberatungsstellen und Jugendwerkstätten - der Aufruf des Aktionskomitees "Armes Hamburg" ist von rund 70 Initiativen und Einrichtungen unterzeichnet - führten anschließend eine eigene Protestdemonstration durch (s. Bild). Der Protest wurde so groß, weil zuvor der Senat die Nerven verlor und etwas in der Bundesrepublik Einmaliges veranlaßte: Er ließ der GEW eine Verfügung zukommen, in der ihr untersagt wurde, zu der Demonstration aufzurufen. Er ordnete sofortige Vollziehung an und drohte ein Zwangsgeld von 50000 DM an. Das tat er nicht, weil nach herrschender Rechtsprechung Beamte während der Arbeitszeit nicht an Demonstrationen teilnehmen dürfen, sondern "weil die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" durch den Aktionstag "während der Unterrichtszeit die ordnungsgemäße Durchführung von Unterricht verhindern". Und er zitierte den @3 des "Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" (SOG), ein Gesetz, das gegen innere Aufstände gemacht ist und sogar den Einsatz von Handgranaten und Maschinengewehren vorsieht. So etwas kannte man bisher nur von diktatorischen Bananenrepubliken. Unter dem Motto: Das lassen wir uns nicht mehr gefallen! protestierten die Betroffenen. An der Uni Hamburg sollen 25% der Gelder für Bücher, Computer und andere Sachmittel und 15% der Erstsemesterplätze gestrichen werden, in der Schulbehörde sollen 8% der Lehrerstellen weggekürzt werden und (fast) alle Lehrer ein Stunde mehr arbeiten, die Referendare bedarfsdeckenden Unterricht machen, ganze Schularten (Höhere Handelsschule, Aufbaugymnasium, Berufsvorbereitungsklassen) soll es in Zukunft nicht mehr geben. Insgesamt sollen bis 1997 1280 Lehrerplanstellen von heute weggekürzt werden - dabei sind bis zum Jahr 2000 37400 Schüler = 24,9% mehr zu versorgen (verglichen mit 1991). 77 Punkte umfaßt allein das Kürzungspapier des berufsbildenden Bereichs. Bei Kindergärten fehlen 19000 Plätze, im Bezirk Harburg ist der Versorgungsgrad nur 59,3%. Der Senat soll den Selbstkostenanteil der Eltern von 11 auf 13% anheben - so daß dann ein Kindergartenplatz pro Kind durchaus 600 DM kosten kann. 1994 soll die Sozialbehörde am meisten Kürzungen hinnehmen: allein 12,6 Mio. DM = 19,4%. Es wird gesagt, der Hamburger Haushalt habe ein Riesenloch. So rächt sich denn die falsche Politik des Senats, der in den vergangenen Jahren, als Hamburg wegen der Vereinigung boomte und nahezu 2 Mrd. DM mehr als vorausgeschätzt einnahm, keine Rücklagen bildete. Dennoch empfinden es viele als Widerspruch, daß gleichzeitig Zeitungsüberschriften wie "Hamburgs Wirtschaft besser als im Bund" (Hamburger Abendblatt) oder "Experten: öffentlichen Dienst ausweiten" (Handelsblatt) erscheinen. Immerhin könnte Hamburg allein 360 Mio. DM mehr einnehmen, wenn die Betriebs-Steuerprüfungen regelmäßig erfolgen und die Gewerbesteuer auf das Niveau von München und Frankfurt angehoben werden würde (macht 90 Mio. DM mehr). Aber der Senat und die Handelskammer Hamburg, die Lobby der Wirtschaft, wollen den Umbau, der "den staatlichen Personaleinsatz künftig auf die Bereiche konzentriert, in denen hoheitliche Aufgaben zu erfüllen sind" (Handelskammer). Ein erster Erfolg war der Demonstration schon vor ihrem Stattfinden beschieden: Der Senat entschied, daß 330 durch Pensionierungen freiwerdende Lehrerstellen 1995 nachbesetzt werden sollen. Da aber noch am Abend nach der Demonstration die Schulsenatorin Raab erklärte, daß an der Kürzung von rund 1000 Lehrerplanstellen bis 1997 trotz steigender Schülerzahlen festgehalten werden soll, sind weitere Proteste vorprogrammiert. Horst Bethge

Geld für Bildung ist Zukunftsinvestition

Unter dies Motto stellte die AG Bildungspolitik der PDS/Linke Liste Hamburg ihre Erklärung zur Demonstration.

Protest lohnt sich! Schon vor der heutigen Demo hat der Senat die ursprüngliche Planung, 330 freiwerdende Lehrerstellen zu streichen, revidiert; die Stellen werden wieder besetzt. Protest hat 1988 ein Stückchen Arbeitszeitverkürzung für LehrerInnen gebracht. Protest hat in Frankreich zweimal zur Rücknahme eines beschlossenen Gesetzes geführt. Protest hat in Rheinhausen und Bischofferode die Schließung hinausgezögert und höhere Abfindungen erreicht. Protest hat zur Schließung des Umweltverpesters Boehringer geführt. Es gibt keinen Sachzwang für Kürzungen im Bildungsbereich. Es gibt einen Sachzwang für Investitionen: <In den nächsten zehn Jahren steigen die Schülerzahlen um 30000 bis 40000. Für die nächste Legislaturperiode sind daher 1000 neue Lehrerstellen erfor derlich. <In der Elektronik rechnet man heute mit einer Halbwertzeit des Wissens von zwei Jahren. In zehn Jahren ist durchschnittlich die Hälfte unseres Wissens veraltet. Lebenslanges Lernen ist die Devise - und nicht Bildungsabbau. <Weltweit wird mehr Geld im Bildungswesen investiert, denn Humankapital ist gefragt, nicht die Vernichtung von Rohstoffen und Naturzerstörung. <Die Bundesrepublik gibt nur 5% des Bruttosozialprodukts für Bildung aus. Länder wie Dänemark dagegen 13%, und das ist bekanntlich ärmer. <Durch die wissenschaftlich-technische Entwicklung wird immer mehr Arbeit automatisiert und mechanisiert. Arbeitsplätze werden vernichtet. Der öffentliche Dienst muß gerade bei dieser Entwicklung Arbeitsplätze schaffen - und nicht abbauen und kürzen. <Uns geht nicht die Arbeit aus: Im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, im Freizeit- und Kulturbereich gibt es neue Aufgaben durch die gesellschaftliche Entwicklung. Die Arbeit am Menschen und mit ihm wird immer wichtiger. <Nicht intelligentes Sparen ist angesagt, sondern intelligente gesellschaftliche Lösungen. Nicht Privatisierung, sondern Ausweitung öffentlicher Dienstleistungen, bezahlbar u.a. durch Abschöpfung der Produktivitätszugewinne. Wir lassen uns die Vision nicht nehmen, daß alle Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung befreit werden und daß sich alle Menschen allseitig entwickeln. Wenn man diese Utopie konkreter werden lassen will, braucht man Bildung für alle. Deshalb muß ein Reformklima geschaffen und müssen grundlegende Bildungsreformen eingeleitet werden. Die Frage ist nicht, welche Bildung wir uns leisten können, sondern welche Bildung wir brauchen, um menschlich überleben zu können auf einer wohnlichen Erde, und zwar für alle. Darum wenden wir uns auch vehement gegen das Umbaukonzept der konservativen Bundesregierung, die die Krise nutzt. Sie will eine Elitebildung für wenige und für alle anderen nur eine Grundbildung. Sie will gewachsene Ansprüche an das Bildungswesen zurückschneiden und Bildungsbereiche privatisieren. Wer das Geld hat, kauft sich Bildung, und für die anderen ist gerade so viel Bildung vorgesehen, daß sie funktionieren und Ruhe halten. Ein neues Nationalbewußtsein als Sozialkitt soll entwickelt werden. Bundeskanzler Kohl auf dem CDU-Parteitag: "Anderswo, wo die jungen Leute besser erzogen sind als hier, nehmen sie Haltung an bei der Nationalhymne und beim Hissen der Fahne." Der Standort Deutschland sei in Gefahr, die Konkurrenz zu Japan und den USA zu verlieren. Darum müßten Schulen und Hochschulen, Gymnasien und Fachschulen umgebaut werden, damit sie "effektiver" werden. Weder der Wirtschaftsstandort Deutschland noch Hamburg ist durch zu hohe Staatsausgaben für Bildung oder fehlende Eliteförderung gefährdet. Bildung für den Standorterhalt ist auch nicht unsere Devise, sondern Bildung für den Erhalt der Demokratie, die gefährdet ist, Bildung für die Bewältigung der sozialen und ökologischen Probleme. Hamburg hatte ein fortschrittliches Bildungswesen, Integration sollte die Entwicklungsrichtung sein. Gesamtschulen, doppeltqualifizierende Ausbildungsgänge, Integration Behinderter, Förderung für benachteiligte Jugendliche: Bei aller Unzulänglichkeit der Umsetzung lag hier immerhin der Grundgedanke "Bildung für alle" zugrunde. Was ist daraus geworden? Kürzungen im Bildungsbereich verschärfen soziale Auseinanderentwicklung - darum protestieren wir heute und werden das weiter tun müssen!

Studentische Streik- und Aktionswoche

"Laßt uns die Sparschweine zur

Sau machen" - aber wie?

Vom 2. bis 6.5. haben die Studierenden der Uni gestreikt, um gegen die vom Senat geplanten Mittelkürzungen im Wissenschaftsbereich zu protestieren. Allein 1995 soll die Universität Personalkosten in Höhe von 6,99 Mio. DM einsparen. In Verbindung mit weiteren Streichplänen, der Nichtbesetzung freier Stellen und Umverteilung zugunsten profitträchtiger Bereiche an anderen Hochschulen (z.B. technische Betriebswirtschaft an der Fachhochschule) müssen, geht es nach dem Willen des Senats, an der Universität bis 1997 350 bis 400 ProfessorInnenstellen nach dem Rasenmäherprinzip gestrichen werden - das entspricht ca. 10% des wissenschaftlichen Personals. Da man schlecht Strom und Heizung abstellen kann, muß zudem der Etat für Sachmittel für Forschung und Lehre (Bücher, studentische Hilfskräfte - nach Behördenlogik Dinge und kein Personal -, Dienstreisen etc.) halbiert werden. Schulsenatorin Raab bezeichnet die Hamburger Variante der "Haushaltsentlastung" als "intelligentes Sparen" - wie sieht dann wohl dummes Sparen aus? Obwohl der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) als gewählte Interessenvertretung der Studierenden im Vorfeld der Aktionen praktisch gar nicht über die aktuelle Lage informiert hat, geschweige denn Diskussionsvorschläge für eine fortschrittliche Wissenschaftsentwicklung veröffentlicht hat, und deshalb viele Studierende von den geplanten Aktionen vorher nichts wußten, fanden zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen statt: Straßenblokkaden, ein Happening beim Tennisturnier am Rothenbaum, Verteilung gentechnisch hergestellter Intelligenztabletten vor Burger King usw. Doch auf der Vollversammlung, auf der über eine Fortsetzung des Streiks entschieden werden sollte, zeigte sich, daß auf Grund unzureichender inhaltlicher Diskussion und Information der Frust unter den Aktiven groß ist: ">Streik ist nicht das richtige Mittel, um auf die Misere aufmerksam zu machen<, beschlossen rund 1500 Studenten gestern während einer Vollversammlung im Audimax." Zwar gibt die Morgenpost vom 7.5. die Abstimmungsfrage falsch wieder - es wurde "lediglich" mit großer Mehrheit beschlossen, den Streik nicht fortzusetzen und sich auf Aktionen ohne Streik zu beschränken, doch ist zu befürchten, daß ein Antrag, Streik zum prinzipiell ungeeigneten Mittel des Protests zu erklären, eine Mehrheit hätte finden können. Erfreulich hingegen ist, daß sich die Vollversammlung gegen den entschiedenen Widerstand des grünen AStAs dafür entschieden hat, daß dieser dem bundesweiten studentischen Dachverband "freier zusammenschluß der studierendenschaften" (FZS) beitreten soll, um so die überregionale Zusammenarbeit und Perspektiventwicklung im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftsentwicklung zu verbessern. Um den Frust und die relative Erfolglosigkeit der Aktionen zu überwinden, ist es notwendig, über die einfache Ablehnung von Zwangsmaßnahmen und "Sparpolitik" hinauszukommen und von eigenen Entwicklungsoptionen ausgehend gegen eine Politik der Gewinnorientierung und Entwicklungsfeindlichkeit zu opponieren. Eckpunkte hierfür sind: Beendigung der Verschwendung wissenschaftlicher Ressourcen als Destruktivkraft (vor allem für Rüstung). Gleichberechtigte Einflußmöglichkeiten für alle von Entscheidungen Betroffenen. Wissenschaftliche Ausbildung und Berufsqualifikation müssen sich an der humanistischen Gestaltung der Lebensbedingungen orientieren. Die Arbeit an der Lösung gesellschaftlicher Probleme ist finanziell wie sozial abzusichern. Die Arbeit für eine solche Entwicklungsoption von Hochschulen und Wissenschaft sollte auf allen Ebenen des Engagements von Studierenden, WissenschaftlerInnen und des Technischen und Verwaltungspersonals an den Hochschulen in Kooperation mit demokratischen Bewegungen geleistet werden. -'Kirsten Radüge, Liste "Links"

Kritikverbot und Freiheit

der Kunst. Ein Bericht

Dieser kleine Bericht handelt von linker Zensur als vermeintlichem Schutz künstlerischer Freiheit. Sicher wäre es falsch, das hier dokumentierte Zensurverhalten einer taz-Redakteurin für die ganze tageszeitung zu verallgemeinern. Vielleicht wäre es möglich, über diesen Bericht einmal die offene Frage nach den Grundlagen linker Kunstkritik in die Diskussion zu bringen. Freitag, 6. Mai. Im Auftrag der tazHamburg begebe ich mich zur Kampnagelfabrik, um dort einem Konzert von F.M. Einheit und Caspar Brötzmann sowie dazu gelesenen Texten von Werner Schwab zu lauschen. Einheit gehört zu als links geltenden Musikbands wie "Abwärts" oder "Einstürzende Neubauten", der Gitarrist Brötzmann - und seine Band "Massaker" - ist hingegen eher unbekannt. Durch seinen aggressiven Umgang mit Sprache hat sich Werner Schwab als Skandalautor einen Namen gemacht und wird vor allem im linksbürgerlichen Theaterbetrieb gelobt. Vorbelastet war der Konzertabend durch das Gerücht, auf der Bühne würden fünfzig Hühner geschlachtet werden - es stellte sich später heraus, daß die Hühner schon tot waren, was die Bestialität der Sache meines Erachtens kaum schmälert. Als Rezension des Konzerts entsteht folgender Text: "Was der Mensch sei, wollte Diogenes einst wissen. >Ein felloses Wesen, das auf zwei Beinen geht<, so die Antwort. >Da habt Ihr Euren Menschen<, erwiderte der Philosoph und schleuderte über den Marktplatz von Athen ein gerupftes Huhn. Was im heutigen Kunstbetrieb unter >Happening< fallen würde, brachte Diogenes damals den Titel des Zynikers ein. Und zwischen diesem Zynismus und heutigem Happening ist die Brücke leicht zu schlagen: das im Zynismus enthaltene griechische >kyon< heißt >Hund< - und >Junge Hunde im Mai< das Motto, unter dem auf Kampnagel auch F.M. Einheit, Caspar Brötzmann sowie Barbara Neureiter und Peter Kreider (beide Gruppe "Babylon") ein besonders zynisches Happening veranstalteten. Das Ganze war als Gedenklesung für den am Neujahr gestorbenen Werner Schwab gedacht, der in manchen Kreisen als Schriftsteller gilt. Begeistern kann sich am Schwabschen Werk vor allem der Kleinbürger, der hier einen Ort findet, seine Erfahrungsarmut, seine Éngste, auch seine Dummheit zu sublimieren. Ésthetisch läßt man sich auf eine Sprache ein, die nicht spricht, sondern die hinrichtet; die schlachtet, gleich den von Kreider auf der Bühne zerfleischten fünfzig Hühnern. Als Kunst huldigten Einheit und Gitarrist Brötzmann den Fetisch Lärm, das akkustische Moment an Barbarei in der Zivilisation. Der Zynismus eines Diogenes wurde als Farce wiederholt, als totaler Nihilismus, als Verachtung allen Lebens. Dem Toten - nicht dem Tod - zollt man Respekt als Nekrophilie; die Psychoanalyse ahnt hier schwere Störung in der Analphase, die kritische Theorie sieht die tote Dingwelt der Waren widergespiegelt wie in Schwabs Texten die Kommunikationslosigkeit unter den Menschen. Erbärmlich für eine Szene, die sich einmal als links verstand und auf Kritik berief. In den inhaltslosen vergewaltigten Musen hat man sich ein Reservat eingerichtet, welches anders - Stichwort >Beruf Neonazi< - nicht länger haltbar war. Noch fehlt hier Widerstand, genügend Haß und Rache für die Opfer. Noch fehlt der Faustschlag ins Gesicht dieser Kunst." Sonntag mittag ist der Text in der Redaktion, gegen Nachmittag dann ein Anruf, bei dem mich die zuständige Redakteurin über Kürzungen informiert: man könne das nicht so schreiben, und ich hätte ja gar nicht gesagt, was im Konzert eigentlich passierte. Auf meine Erwiderung, daß außer Lärm und Hühnerzerfleischen nichts passierte, hieß es, Lärm könne doch was Schönes sein. Sie jedenfalls möge Lärm; Lärm, so weiter, sei atonale Musik. Daß zwischen atonaler Musik und Lärm eventuell ein Unterschied besteht, wollte nicht eingesehen werden: ich hätte wohl einen konventionellen Kunstbegriff, der mit der taz nicht vereinbar sei. Außerdem würde ich mein journalistisches Handwerk nicht beherrschen, wenn ich nicht schriebe, was von Einheit und Brötzmann aufgeführt wurde. Es folgte der Hinweis, das ganze Textende zu streichen (hier kursiv): vor allem der letzte Satz klänge, so die Redakteurin, nach Bücherverbrennung. Die Erwähnung des Bonengel- Films schien ihr ebenso fehlplaziert wie die "vergewaltigten Musen". Außerdem seien die Hühner ja alle verpackt und tiefgekühlt gewesen (ach so, füge ich in Gedanken hinzu, dann war das also gar nicht so schlimm, daß auf der Bühne mit Gedärmen rumgesaut wurde). Zunächst mit den Kürzungen einverstanden, melde ich mich eine halbe Stunde wieder und erbete, den Artikel nicht zu veröffentlichen. Das ginge nicht mehr, und ich solle mir doch erst einmal die jetzt von ihr gekürzte Version anhören: herausgestrichen waren nun alle kursiven Sätze. Der "Psychoanalyse"Satz wurde zum Beispiel deshalb herausgestrichen, weil die Redakteurin als studierte Psychologin die Psychoanalyse für Quatsch hält; in einer Kunstrezension sei kein Platz für "unbewiesene Theorien". Mit den Kürzungen und vor allem der Bravur der redaktionellen Argumentation nicht einverstanden, erreiche ich den Rückzug des Artikels. Das Problem künstlerischer Freiheit ist bisher nur dort diskutiert worden, wo Kunst inhaltlich offensichtlich ins Gegenteil der Verherrlichung von Unfreiheit sich verkehrt - beispielsweise im BonengelFilm wie auch bei politisch inkorrekten Musiktexten. Tabuisiert scheint aber die Kritik an der künstlerischen Form, am Material und an der Technik von Kunst. Wo die Kunstrezeption der Linken von Punk, Trash, Industrial, Hardcore dominiert wird, scheint dieses Tabu nicht unbedenklich zu sein. (A. Richards)

TERMINE

Sa, 14.5.Lieder gegen Rassismus mit Marcia/Rojas (Folklore aus Chile), Sangit & Mohai (Jazz-Rock), Los Chilenos (Salsa aus Lateinamerika), Patricio (Gesang aus Lateinamerika), Punkrock aus Deutschland. Veranstalter: Chilenische Jugend- und Kulturinitiative e.v. Eintritt: 7,-. Haus für Alle, Amandastr. 58, Parterre, 20.00 Uhr.

So, 15.5.Videoveranstaltung Antifaschismus heißt Internationalismus: Keine Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands! Kein Urlaub im Folterstaat Türkei - keine Mark für den Krieg! Veranstalter: Bündnis gegen das Verbot der PKK und der kurdischen Vereine, Bad Bramstedt. Ort: Bad Bramstedt, Lohstücker Weg 13, 15.00 Uhr.

bis 2.6.Wider der Krieg - Fotoausstellung von Helmut Hoffmann, Oldenburg. Veranstalter: Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V. Ort: Hamburg-Haus Eimsbüttel, Doormannsweg 12. Öffnungszeiten Mo bis Sa von 10 bis 22 Uhr, So von 14 bis 21 Uhr (an Feiertagen geschlossen). Im Rahmen der Ausstellung findet ein Rahmenprogramm statt (siehe dazu letzte Ausgabe).

14./15.5.Gewerkschaftspolitische Konferenz der PDS/Linke Liste. Tagungsort: Bürgerhaus Wilhelmsburg, Mengestr. 20, S-Bahn Wilhelmsburg. Eröffnungsplenum um 11.00 Uhr. Anschließend fünf Arbeitsgruppen: "Gibt es nichts mehr zu verteilen? Sozialismus in einer Klasse?" "Neue Tendenzen in der Produktivkraftentwicklung - Chancen und Bedrohung." "Prävention statt Reparatur - Zukunft des öffentlichen Diensts." "Gegen Massenarbeitslosigkeit - Arbeitszeit verkürzen, zweiten Arbeitsmarkt entwickeln, beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik durchsetzen." "Sind die Gewerkschaften noch zu reformieren, oder gehen alle Grundsätze über Bord - die Reform- und Grundsatzdebatte in den Gewerkschaften aus linker Sicht."

Mo, 16.5.Ostermarsch 1994 für Frieden und Entmilitarisierung im Superwahljahr 1994 "Militär löst keine Probleme - von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen" . Ein Film (45 min.) von Rainer Tichy (Hamburger Handwerker Initiative für den Frieden) und Redebeiträge von Gisela Wiese (Pax Christi), Hans-Peter de Lorent (GEW), Angelika Beer (Bündnis 90/Grüne) und Markus Gunkel (PDS/Linke Liste Hamburg) sowie mit Tenkin Sengül (Türkei), der Lieder singt, die keine Aufenthaltserlaubnis brauchen. Sendetermin: Offener Kanal Hamburg, 18.00 Uhr. Weitere Sendetermine sind am 17.5., vormittags; 23.5., 17.00 Uhr; 24.5., vormittags.

21.5.-23.5.Pfingstcamp der SDAJ: Widerstand gegen Rechts mit Workshops, Diskussionsrunden, Rock gegen Nazis, Kultur usw. Ort: Bottrop, Alte Jugendherberge, Bischoffsondern. Eintrittskarten kosten 25,-/40,

Do, 26.5.Umdenken im Haus für Alle Antifaschismus in Theorie und Praxis - ein historischer und aktueller Querschnitt mit Rolf Surmann als Referenten. Vortragsreihe in zwei Folgen an je acht Abenden. 1. Folge: 1918- 1945. Veranstalter: Haus für Alle e.V. in Kooperation mit Umdenken e.V. Anmeldung: Umdenken, Tel.: 3895270. Teilnahmebeitrag für acht Abende: 20,- DM. Ort: Haus für Alle, Amandastr. 58, 1. Stock, Raum 13. Wöchentlich jeweils donnerstags 19.30-21.30 Uhr.

Fr, 27.5.Die Kommunistische Plattform lädt ein zum Thema Plattform im Kreuzfeuer: "deutliche verfassungsfeindliche Ziele" (Geheimdienst), "Wer die Plattform angreift, greift die PDS an" (Bisky), "Problematische Tendenzen in der PDS" (Gysi), "Zwei Parteien unter einem Dach" (Gehrcke). Heinz Marohn, Sprecher der KPF, macht dazu einige notwendige Anmerkungen. Veranstaltungsort: "Münze", Münzplatz 1 (Nähe Postamt Hühnerposten), 19.30 Uhr.

Sa, 28.5.Internationale Frauen Disco mit "Cueros Calientes". Eintritt: 10,-/5,- DM. Haus für Alle, Amandastr. 58, Parterre, 21.00 Uhr.

Sa, 28.5.Unterwegs - Lieder und Geschichten vom Reisen. Im Handgepäck ein Akkordeon, Musik, Literatur und die Sehnsucht vom Reisen und Unterwegssein. Mit Stefan Goreiski (Musik) und Michael Grill (Texte). Stadtteiltreff AGDAZ in der Bücherhalle Steilshoop, Fehlinghöhe 16, 19.30 Uhr.

Sa, 28.5.Veranstaltung der MLPD Hamburg Die Lehre von der Denkweise und die Verwirklichung des echten Sozialismus. Referent: Peter Borgwardt, Mitglied des ZK der MLPD. Haus 3, Stadtteilzentrum in Altona, Hospitalstraße, 19.00 Uhr.

Mo, 30.5."Umdenken" im Haus für Alle, Amandastr. 58, Parterre, Die "Somalisierung" der Afrika-Politik durch die westlichen Demokratien, Leitung: Dr. Benjamin Leunmi/Kamerun, Afrikanische Union in Hamburg. Veranstalter: Haus für Alle e.V. in Kooperation mit Umdenken e.V., 19.30 Uhr.

Mi, 1.6.Das Figurentheater "Die Complizen" gastiert mit dem Stück Lilli, Flosse und der Seeteufel in Steilshoop, Hörsaal der Gesamtschule. Die Schule ist erreichbar mit den Bussen 268, 272 und 118 bis Cesar-Klein-Ring oder Alfred-Mahlau-Weg. Die Aufführung wird vom Stadtteiltreff AGDAZ organisiert. Der Eintritt kostet 2,- DM pro Karte (Kinder ab 5 Jahre), die Eintrittskarten sind ab dem 2. Mai im Cafe (AGDA) neben der Bücherhalle in der Fehlinghöhe 16 erhältlich, Öffnungszeiten Mo-Do 17 bis 22.00 Uhr, Fr 16 bis 23.00 Uhr, Sa 17 bis 20.30 Uhr, So 14.30 bis 22.00 Uhr.

Do, 2.6.Veranstaltung der PDS/Linke Liste Basisgruppe Wandsbek Festung Europa mit Ulla Jelpke. Erich-Kästner-Gesamtschule, Hermelinweg, Farmsen, 19.30 Uhr.

Do, 2.6.DKP-Veranstaltung zu den Europawahlen Für ein Europa der Menschen - gegen ein Europa der Monopole, Redner: Leo Mayer, München, Siemens-Betriebsrat, Europakandidat auf der offenen Liste der PDS, Mitglied des Parteivorstandes der DKP. Ort: Zorba, Jarrestraße (gegenüber Kulturfabrik Kampnagel), 19.30 Uhr (Einlaß 19.00 Uhr), Schalmeienkonzert des Schalmeienzuges Hamburg Ernst Thälmann ab 19.00 Uhr vor dem Lokal.

3.6.-5.6., AntiRa-Seminar der SchülerInnenkammer. Anmeldung (möglichst schnell, da die Teilnehmerzahl auf 20 begrenzt ist) bis spätestens 27.5. an: AntiRa AK, c/o SchülerInnenkammer Hamburg, Brucknerstr. 1, 22083 Hamburg, Tel.: 29842634. Kostenbeitrag für das Seminar: 20,- DM. Anfahrtsbeschreibung, Adresse und genaue Zeiten werden mit der Anmeldebestätigung zugeschickt.

Sa, 25.6. Hearing der Kommission Programmatische Erneuerung des Parteivorstandes der DKP zu dem Thema Die sozialistische Alternative zum realen Kapitalismus. Das Hearing findet statt im Haus für Alle, Amandastr. 58, 10.00 Uhr. Anmeldungen bitte an den DKP-Bezirksvorstand Hamburg, Tarpenbekstr. 66, 20251 Hamburg, Tel.: 4804900, Fax: 4804210, der die Konferenzunterlagen gegen 10,00 DM Kostenerstattung versendet.

Gregor Gysi Deutschland, der Nationalismus und die europäische Einigung unter diesem Titel fand am 25. März 1994 die Auftaktveranstaltung mit Gregor Gysi zum Superwahljahr 1994 in Hamburg statt. Rund 1000 Menschen aus den unterlichsten linken Spektren, mehr als der Saal fassen konnte, kamen zu dieser Veranstaltung und hörten sich an, was die PDS/ Linke Liste zu Deutschland nach dem Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten und zu Europa zu sagen hat. Es gab viele Fragen und - auch wenn die PDS/Linke Liste nicht für alle Probleme eine Lösung parat hat - kluge und vorwärtsweisende Antworten. Ein Dokumentarfilm von Rainer Tichy - Das Video eignet sich gut für Veranstaltungen in den verschiedensten Gruppen zur Vorbereitung der Europawahl und der Bundestagswahl und ist zu erhalten über den Landesvorstand der PDS/Linke Liste Hamburg, Palmaille 24 (gegen einen Beitrag von ca. 39,50 DM). Vorab läuft der Film am Mo, 25.4. im Offenen Kanal.

Wir ernten nicht

eure faulen Früchte

Erst hetzen, dann kürzen, dann Arbeitsdienst?

Am 28. April kippten Vertreter/innen der bundesweiten Arbeitsgruppen gegen Erwerbslosigkeit und Armut faules Obst vor die Gebäude der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in Köln. Diese Aktion war Auftakt für eine "Kampagne gegen jede Art von Zwangsdiensten und soziale Kahlschlagstrategien der Unternehmerverbände und deren Lobbyisten im Parlament". Menschen aus Hamburg, die die Kampagne mittragen, schickten den folgenden Artikel.

() Die Bundesregierung plant mit ihrem Gesetzesvorhaben (Beschäftigungsförderungsgesetz 94), ArbeitslosenhilfebezieherInnen zu unbezahlten "Gemeinschaftsarbeiten" oder zu "Ernteeinsätzen" in der Saisonarbeit einzusetzen. Wer dies ablehnt, dem soll die Arbeitslosenhilfe gesperrt werden. Diese Zwangsdienste stehen in Zusammenhang mit der (auf Druck der Bundesregierung) verschärften Praxis vieler Sozialämter, SozialhilfebezieherInnen zu Arbeiten in öffentlichen Einrichtungen wie Gartenämtern, Schwimmbädern, Kliniken, Friedhöfen etc. zu zwingen. Sie erhalten dafür zu ihrer Sozialhilfe zwischen einer und vier DM pro Stunde "Mehraufwandsentschädigung". Wenn sie diese Arbeiten ablehnen, wird ihnen die Sozialhilfe gestrichen. Der besorgten liberalen Öffentlichkeit wird das Ganze als Beschäftigungsprogramm verkauft, denn wer will heutzutage nicht mehr Arbeitsplätze? Aber in Wahrheit wird damit rassistische Heuchelei betrieben! Dieselbe Regierung, die mit Regierungsabkommen die dreimonatige Ausbeutung von Ausländern in der Saisonarbeit selbst organisiert hat, begründet Zwangsarbeit für deutsche Arbeitslose nun mit dem hohen Anteil von Ausländern bei diesen Arbeiten. So wird die Angst vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg bewußt gegen Ausländer gewendet. Einmal mehr zeigt sich hier, wo die eigentlichen Brandstifter sitzen. Die Bezahlung für Saisonarbeit liegt noch unter der Höhe der Arbeitslosenhilfe, die im Durchschnitt weit unter 1000 DM beträgt. Oft genug müssen wir noch ergänzende Sozialhilfe beantragen, um überleben zu können. Löhne noch unterhalb dieser Grenze sind an sich schon ein Skandal. Daß wir aber mit staatlicher Gewalt in solche Arbeitsverhältnisse gezwungen werden sollen, ist als ein offener Schritt in Richtung Arbeitsdienst zu werten - mit dem Ziel, noch härteren Druck auf die gesamte Lohn- und Gehaltsstruktur auszuüben. Wir warnen alle noch Beschäftigten und Gewerkschaften davor, solchen Maßnahmen in Stammtischlaune zuzustimmen, weil so angeblich die faulen Arbeitslosen zur Arbeit rangekriegt würden. Die jüngste Entlassungswelle hat wieder einmal gezeigt, wie schnell jeder selbst arbeitslos werden kann und demnächst vielleicht mit dem Spaten zum morgendlichen Appell antreten soll. Nur gemeinsamer Widerstand von Beschäftigten und Erwerbslosen kann die weitere Auflösung regulärer Beschäftigung und Einführung von Zwangsarbeitsverhältnissen aufhalten. Jeder abhängig Beschäftigte sollte begreifen, daß die Höhe der Sozialeinkommen ein gesellschaftlicher Schutz vor ungesicherter und nichtexistenzsichernder Arbeit und damit vor dem eigenen Abstieg ist. Deshalb müssen Erwerbslose und Beschäftigte gemeinsam kämpfen für Existenzgeld und garantiertes Mindesteinkommen, für radikale Arbeitszeitverkürzung und gegen Zwangsarbeit. ()

Dieses Gesetz ist ein Angriff auf alle abhängig Beschäftigten Die Bundesanstalt für Arbeit muß als Ergänzung zu diesen Löhnen pro Arbeitstag und Arbeitslosem 25,- DM draufzahlen. Die lohnabhängigen Versicherungszahlen subventionieren damit unfreiwillig Ausbeuter, die Hungerlöhne unter'm Existenzminimum zahlen. Durch dieses Gesetz wird nicht ein einziger Arbeitsplatz geschaffen, es wird kein einziger von uns dadurch eine dauerhafte Beschäftigung finden, aber Hunderttausende ausländische KollegInnen werden um ihre letzte Verdienstmöglichkeit betrogen. Schlimm genug, daß sie solche Arbeiten annehmen müssen; ohne sie werden sie vollends ins Elend getrieben. Dieses Gesetz ist ein weiterer Eingriff in die Tarifautonomie, denn mit staatlicher Gewalt werden Arbeitsverhältnisse erzwungen und zementiert, die gegen die - durch Gewerkschaften und Arbeiterbewegung - erkämpften Rechte wie Tarif- und Qualifikationsschutz verstoßen. Die staatliche erzwungene Garantie nichtexistenzsichernder Arbeit treibt nicht nur einen weiteren Keil zwischen uns und die noch Beschäftigten, sondern unterhöhlt die einzige Macht, die Gewerkschaften gegenüber Unternehmen haben: Organisation und Streik der abhängig Beschäftigten für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Staatliche Zwangsarbeiter in privaten Betrieben sind faktisch Streikbrecher. Die Einführung des Statistikmodells in der Sozialhilfe bekommt mit der staatlich erzwungenen Garantie nichtexistenzsichernder Löhne ihren eigentlichen Sinn: Die Festsetzung der Sozialhilfe richtet sich nämlich nach den Einkommens- und Konsumverhältnissen der untersten Lohngruppen, die durch solche Zwangsgesetze immer weiter nach unten gedrückt werden. Auf einer Linie mit diesen beschriebenen Tendenzen liegen auch weitere Maßnahmen des Gesetzes: - die Begrenzung der Lohn- und Gehaltsbemessung auf 80% der Tarife für ABM - die Ausdehnung des verfassungswidrigen @249h (Umwandlung von Lohnersatzleistungen in Lohnkostenzuschüsse bei Kürzungen von Arbeitszeit und Lohn) auf den Westen - die Einführung von "Gemeinschaftsarbeiten" (vorerst "freiwillig") für Alg- und Alh-BezieherInnen - die Privatisierung der Arbeitsvermittlung - die Fortführung des Beschäftigungsförderungsgesetzes (Erlaubnis befristeter Arbeit, Leiharbeit etc. - weitere Flexibilisierung der Arbeits- und Maschinenlaufzeiten durch die "zügige Verabschiedung" des "Arbeitszeitrechtsgesetzes"

Das Ziel ist die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte und soziale Kontrolle Ein Jahr lang habt Ihr uns nun mit verschärften Kontrollen und Drohungen unter Druck gesetzt, habt uns öffentlich verleumdet und als Schmarotzer dargestellt, habt das Denunziantentum in der Bevölkerung angestachelt - in einer Zeit, in der Deutsche wieder Ausländer verbrennen - sollen wir die nächsten sein? Ist das vielleicht die Logik Eurer Marktwirtschaft, daß immer mehr Menschen einfach überflüssig werden? Zuerst habt Ihr uns versprochen, daß unsere mageren Einkommen nicht gekürzt werden, weil Ihr 1 Mrd. im Kampf gegen den "Leistungsmißbrauch" einsparen wolltet. Dann seid Ihr aber gar nicht gegen die wirklichen Leistungsmißbraucher vorgegangen - die Reichen, Steuerhinterzieher, Unternehmer, Sklavenhändler, Leiharbeitsfirmen. Ihr habt lieber gleich uns verdächtigt und verleumdet. Und was ist dabei herausgekommen? Heute müßt Ihr kläglich zugeben, daß die ganze Hetzkampagne so gut wie nichts eingebracht hat, wo bleiben eigentlich die Entschuldigungen für all die ungerechtfertigten und entwürdigenden Verdächtigungen? Aber selbst wenn Ihr so zwei Milliarden eingespart hättet: Daß Ihr unsere Einkommen nicht kürzen wolltet, war sowieso nur eine weitere von Euren dreisten Lügen, die für uns schon zum Alltag gehören. Und tatsächlich folgt schon der nächste Schlag. Erst hetzt Ihr in der Öffentlichkeit gegen uns, dann schikaniert Ihr uns und höhlt systematisch unser Existenzminimum aus! Ihr kürzt das Arbeitslosengeld, die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe. Aber das reicht alles noch nicht! Je klarer es wird, daß ihre Marktwirtschaft nie wieder genug gesicherte Arbeit für alle schaffen kann, desto unerbittlicher wollt Ihr den Menschen einbleuen, daß ausschließlich Lohnarbeit die einzige gesellschaftlich anerkannte Einkommensquelle sein darf! Je geringer die Chancen sind, eine existenzsichernde Arbeit zu finden, desto schärfer organisiert Ihr den gesellschaftlichen Druck, arbeiten zu gehen. Und langsam wird uns auch der Sinn dieser ganzen Veranstaltung immer klarer: Unsere Phantasie und Kreativität, unsere Solidarität und unsere Tricks, uns ein einigermaßen ausreichendes Einkommen zu verschaffen - aus der Not geboren, die mageren Almosen, die Ihr uns zugesteht, ein wenig aufzubessern -, haben langsam ein Ausmaß erreicht, das zum Sand im Getriebe Eurer Verwertungsmaschinerie zu werden droht. Ihr fürchtet die "Unregierbarkeit" der Armutsbevölkerung in den Stadtteilen, die Eure eigene Politik permanent und bedrohlich wachsen läßt. Eure bisherigen Versuche, mit der Deregulierungspolitik der 80er Jahre massenhaft Arbeitsverhältnisse einzuführen, von denen man kaum noch leben kann und die jegliche Kraft zum Widerstand rauben, sind an dieser Höhe der Sozialeinkommen gescheitert. Deshalb greift Ihr nun diese Sozialeinkommen an, um eine Schneise zu schlagen für das massenhafte Hereinbrechen billiger, nichtexistenzsichernder Arbeit. Ihr wollt beides: unsere billige Arbeitskraft und die soziale Kontrolle über uns. Und wo der stumme Zwang der Verhältnisse uns nicht in Eure Ausbeutungsarbeitsplätze preßt, helft Ihr mit staatlich verordneter Zwangsarbeit und Arbeitspflicht nach. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, Arbeit um jeden Preis, lieber Arbeit finanzieren als Arbeitslosigkeit! Kontakt: Das Büro, Thadenstr. 118, 22767 Hamburg, Tel. 4322124

Hinz und Kunzt

Mittel zu

welchem Zweck?

In der letzten Ausgabe haben wir versprochen, in Sachen Hinz und Kunzt noch einmal zu recherchieren. Was geschieht mit dem eingenommenen Geld? Wer bestimmt Inhalt und Gestaltung der Zeitung? Welche Einflußmöglichkeiten haben die Betroffenen, die die Zeitung verkaufen? Ein Telefongespräch mit der Redaktion brachte Klarheit. Die "feste Mannschaft" der Zeitung besteht derzeit aus sechs ehemaligen Obdachlosen sowie dem "Chefredakteur" und dessen "Assistentin". Für die sechs ehemaligen Betroffenen hat sich die Sache gut angelassen: Alle haben feste Arbeitsverträge, ein festes Monatsgehalt und eine Wohnung. Das ist erst einmal natürlich gut - aber was tut Hinz und Kunzt für all die anderen noch Obdachlosen oder Wohnungslosen? Kurz gesagt: wenig bis nichts. Zwar können diese die Zeitung verkaufen (siehe Interview in der letzten Ausgabe), aber darüber hinaus erfahren sie keinerlei Unterstützung und haben auch keinerlei Mitspracherecht, was Gestaltung oder Inhalt der Zeitung angeht. Den Inhalt bestimmt einer der Redakteure, über die Verwendung der finanziellen Mittel - diese sind nicht unbeträchtlich, neben dem Verkauf gibt es Einnahmen für Anzeigen, Spenden und Sponsoren - entscheidet lt. Auskunft "die Mannschaft", also jene eben genannten. Und wie zu erfahren war, habe man beschlossen, zunächst einmal "Rücklagen zu bilden", da ja "schließlich auch bei geringerem Absatz Gehälter zu zahlen seien". Hört sich das etwa so an, als habe man vor allem die eigene Sicherheit und das eigene Wohl im Auge? Ein Schelm, wer solches denkt hier herrschen inzwischen ganz einfach die Gesetze der Marktwirtschaft. Aber man fragt sich doch: Was ist das eigentlich für eine Zeitung, die sich "Obdachlosenzeitung" nennt, de facto aber so gut wie nichts mit dieser Problematik zu tun hat? Natürlich, sie wird durch Obdachlose verkauft - aber hätte sich z.B. die Morgenpost einfallen lassen, zu den gleichen Kriterien den Verkauf an Obdachlose zu vergeben, wäre sie dann auch eine Obdachlosenzeitung? Und eine Zeitung, die inzwischen vor allem an die Auflage denkt, mit populistischen Inhalten daherkommt, bei der es um die Betroffenen höchstens auf 2 bis 3 von durchschnittlich 40 Seiten geht - was veranlaßt sie, für sich in Anspruch zu nehmen, sich der Obdachlosenproblematik zu widmen? Vor allem aber: Was haben die nach wie vor Betroffenen außer den paar Mark, die sie durch den Verkauf "verdienen" (und hier gibt es gleich Überlegungen der Sozialbehörde, jenen die Unterstützung zu streichen, da sie ja "Geld verdienen") von diesem Projekt? Sie sind, auf den Punkt gebracht, nützliche und willige Verkaufskräfte, außerdem verkauft sich eine Zeitung, die an das Gewissen der Vorübergehenden appelliert, natürlich besser. Für manche sind die 1,50 DM, die sie für die Zeitung ausgeben, ein kleines Opfer, um das eigene Gewissen zu beruhigen - und wem nützt eine hohe Auflage? Den Obdachlosen? Wohl kaum - also den Zeitungsmachern? Was sich da unter der Oberhoheit des Diakonischen Werkes abspielt, sollte man auf jeden Fall im Auge behalten. Und sich einmal fragen, warum nicht endlich einmal wirklich etwas für die Betroffenen getan wird. -(jes)

Nachbetrachtung zum 1. Mai

Große Beteiligung am

Internationalen Block!

An der Demonstration zum 1. Mai nahmen vielleicht 8000 Menschen teil, also etwa genausoviel wie im Vorjahr. Politische Bewertung Der Internationale Block. Der Internationale Block umfaßte über die Hälfte der DemoteilnehmerInnen, also zwischen 4000 und 4500 Menschen. Damit stellt er seit Jahren das größte Potential auf der Demo. Es ist ein ermutigendes Zeichen, daß der Block wieder so groß war, wo zur Zeit immer noch viele linksradikale Strukturen zusammenbrechen oder sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Wenigstens einmal im Jahr wollen immer noch viele Menschen revolutionäre Standpunkte öffentlich vertreten (Forderungen des Internationalen Blocks, s. Lokalberichte Nr. 8/94). Erfreulich auch, daß innerhalb des Internationalen Blocks ein eigenständiger autonom-anarchistischer Block mit ca. 400 Leuten beteiligt war. Noch letztes Jahr war die Beteiligung dieses Spektrums sehr viel geringer. Der gewerkschaftliche Demoteil. Die Einzelgewerkschaften; sind derzeit nicht in der Lage - oder nicht willens -, zum 1. Mai viele GewerkschafterInnen zu mobilisieren. Die Zahl ihrer TeilnehmerInnen sank auch dieses Jahr wieder. Diese schwache Beteiligung führt auch zu einer Schwächung des kämpferischen Teils der Gewerkwegung. Eigentlich sollten die Gewerkschaften aus einem starken und großen 1. Mai Kampfkraft schöpfen und ihre eigene Stärke repräsentieren. Die Bereitschaft dazu von seiten der Gewerkschaftsbasis nimmt allerdings in einem erschreckenden Maße ab. Das schadet nicht nur der Gewerkschaftsbewegung, sondern im Endeffekt allen linken, fortschrittlichen Bestrebungen. Die eigene Kundgebung des Internationalen Blocks. Dieses Jahr war es nötig, nach der gemeinsamen Mai-Demo eine eigene Kundgebung durchzuführen, da der DGB a) zu keinerlei Kooperation mit dem Internationalen Block bereit war und b) die DGB-Kundgebung durch die Einladung Scharpings zu einer SPD-Wahlveranstaltung gemacht werden sollte (s. Lokalberichte Nr. 8 und 9/94). Allerdings war die eigene Kundgebung auch nicht der Renner. Nachdem sich erst mehrere tausend Menschen vermelt hatten, verließen diese den Platz schnell wieder und gingen nach Hause oder zu Scharping. Ursachen? Die Bereitschaft, längeren Reden zuzuren, ist stark gesunken; das Gefühl, das alles schon mal gehört zu haben, treibt uns nach Hause. Die Möglichkeit, einen eigenen politischen Ausdruck zu haben, ist vermutlich mit einer Demo größer als mit einer Kundgebung. Hinzu kamen technische Probleme und Unklarheiten bezüglich des Kundgebungsablaufes. Kurz und schlecht: Irgendwann wurde die Kundgebung vorzeitig beendet, weil kaum noch ZuhörerInnen da waren. Aber wir lernen daraus, und nächstes Mal wird es besser. Der Scharping-Auftritt. Scharping mußte unter lautem Pfeifen und Eierwürfen reden. Nur ein Großaufgebot Zivilpolizei und eine lautstarke Anlage machten seinen Auftritt überhaupt möglich. Allerdings wurde es nichts mit der Wahlshow: der "Talk" mit Scharping fiel aus, und die Presse berichtete, wenn überhaupt, dann auch von den massiven Protesten gegen Scharping. Der Auftritt als Anwalt des "kleinen Mannes" und "Geschaftsfreund" wurde ihm jedenfalls gründlich verdorben. Und beim nächsten Mal? Es ist zu hoffen, daß der DGB aus diesem 1. Mai lernt und frühzeitig den Internationalen Block einlädt, um gemeinsam den Mai zu organisieren. Der Internationale Block hat gezeigt, daß er in der Lage ist, selbständig zu agieren, wenn er muß. D.h. sollte der DGB erneut keine RednerInnen der Innalen ArbeiterInnenbewegung zulassen oder gar nicht mehr demonstrieren wollen, kann der Internationale Block handeln. Allerdings, da 1995 vorlich kein Wahljahr ist, sind die Chancen größer, daß der DGB keinen SPD-Reaktionär als Redner einladen wird. Für einen weiteren revolutionären 1. Mai! (F - AG/R) (1) Wenn hier von den Einzelgewerkschaften und dem DGB gesprochen wird, so meint das jeweils die Vorstände dieser Gewerkschaften. Und die Vorstände auch nur insoweit, als sie nach außen einheitlich auftreten. Wir wissen, daß die Gewerkschaften aus vielen mehr bestehen, und auch, daß es da linke, klassenkämpferische Positionen gibt. Auch in den Vorständen ist dies der Fall. Jedoch werden diese Positionen für uns nicht sichtbar, solange sie sich nicht selbst öffentlich machen. Unsere Absicht ist es in keiner Weise, per se allen GewerkschaftsfunktionärInnen klassenkämpferische Standpunkte abzusprechen. Nur sind wir, als in der Tat weitgehend Außenstehende, darauf angewiesen, das zu bewerten, was die offiziellen Verlautbarungen aussagen. Gemeint ist damit in keinem Fall ein Pauschalurteil über alle GewerkschafterInnen.

Bundesregierung setzt Rüstungs

lieferungen an die Türkei fort

Am 4. Mai hat die Bundesregierung den am 7. April verhängten offiziellen Rüstungslieferstopp an die Türkei wieder aufgehoben. Außenminister Kinkel erklärte, daß die von Menschenrechtsorganisationen Ende März 1994 vorgelegten Fotos kein Beweis für den Einsatz deutscher Waffen in Kurdistan seien. Die Aufhebung des Lieferstopps war zu erwarten. Die Bundesregierung braucht keine Beweise dafür, daß die türkische Armee massenhaft deutsche Waffen und anderes Kriegsgerät - seit Jahren durch Fotos, Filme und Augenzeugenberichte belegt - gegen das kurdische Volk einsetzt. Das wissen Kinkel, Kohl, Rühe usw. weitaus besser als wir. Sie wissen auch, daß die Türkische Republik den Krieg in Kurdistan nicht weiterführen könnte ohne die militärische, finanzielle und politische Unterstützung durch Staaten wie die BRD. Die Türkei steht nahe vor dem wirtschaftlichen Ruin. Über 50% des Staatshaushaltes werden für den Krieg in Kurdistan aufgewendet. Die Inflationsrate wird in diesem Jahr die 100%-Schwelle übersteigen. Trotz drastischer Preiserhöhungen, des Einfrierens der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst, Massenentlassungen, Privatisierung bzw. Schließung von Staatsunternehmen und anderer Sparmaßnahmen rechnet der türkische Staat für 1994 mit einem Rekorddefizit von 13,6 Mrd. US-$. Da ist es für die Türkei lebensnotwendig, daß die westlichen Staaten einen Großteil der Kosten für den Krieg in Kurdistan übernehmen. Führend hierbei ist die BRD, die, wie die Zeitschrift Wehrtechnik schreibt, "das einzige Land im Bündnis (ist), das ständig und fortlaufend seit 1964 dem Partner Türkei Ausrüstung in Form von Nato-Verteidigungshilfe, Materialhilfe und Sonderhilfe leistet, und zwar im Unterschied zu den USA unentgeltlich". Die genaue Höhe der BRD-Hilfen ist geheim. Offiziell hat bzw. wird die Türkei von der BRD allein im Rahmen des Abkommens Materialhilfe III von 1990 bis Ende 1994 kostenlos Kriegsgerät im Wert von 1,5 Mrd. Mark bekommen. Zusätzlich soll die Türkei u.a. vom Auswärtigen Amt jährlich 86,6 Mio. als sogenannte Verteidigungshilfe erhalten und in den Jahren 1985 bis 1991 als Rüstungssonderhilfe Waffen im Gegenwert von 3,6 Mrd. Mark bekommen haben. Über 12000 Menschen tötete die Türkei in den letzten Jahren in Kurdistan, weit mehr als 1000 kurdische Dörfer und 60 kurdische Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht, 2,6 Millionen Kurden aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben. Täglich werden Menschen in Kurdistan von der türkischen Armee, Polizei und Geheimdiensten verhaftet, gefoltert, ermordet, deportiert, oder sie verschwinden spurlos. Diesen Völkermord unterstützt die Bundesregierung mit Waffen und Geld. Ergänzend dazu unterstützt sie den Krieg gegen das kurdische Volk durch die Verbote kurdischer Organisationen und Vereine und die Verfolgung hier lebender Kurden. Die letzten Wochen haben gezeigt, daß die gegen Kurden angewendeten Verfolgungsmaßnahmen zunehmend die ganze kurdische Bevölkerungsgruppe betreffen. -(bab) Handelsblatt v. 30.11.93, Frankfurter Rundschau v. 8.4. und 5.5., Neues Deutschland v. 24.1. und 2.2.94

Aktionen gegen

neofaschistische

Wahlwerbung

Was ist die Aktion "braune Tonne"? Die "braune Tonne" ist ein brauner Behälter, in dem Sie "Ihre" faschistische Wahlpropaganda abgeben können. Die "braune Tonne" ist eine Aktion, an der sich jede/r beteiligen kann - je mehr, desto besser - denn dadurch wird das Zeichen gegen rechts immer deutlicher. Natürlich wird die "braune Tonne" nicht alleine dastehen, sondern wir auch - so ist Zeit für Diskussion und Informationen. Wir möchten, daß Sie sich gegen rechts engagieren! Der Aktionskreis "Braune Tonne" ist zu erreichen über: Phlox, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg. (Wir werden weiter informieren.)

M Die Koordination antifaschistischer und antirassistischer Initiativen verschickte Ende April einen Offenen Brief an die Programmdirektion von Alster Radio, Jazz Welle Plus, Klassik Radio, OK- Radio, Radio Hamburg, RTL Nord, SAT 1 Regional, Premiere sowie die Hambursche Anstalt für neue Medien (HAM). Die bevorstehende Europa- und Bundestagswahl wirft die Frage nach dem Verhalten der Hamburger Privatsender erneut auf. Vor der Bürgerschaftswahl hatten neun in Hamburg zugelassene Privatsender zusammen mit HAM eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie sich verpflichteten, ihre Einnahmen aus rechtsradikalen Wahlkampf-Spots den Opfern ausländerfeindlicher Gewalt zu spenden. Im Offenen Brief wird diese Erklärung im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen als "mehr als unzureichend" kritisiert. Die Koordination fordert die Privatsender auf, keine Wahlspots von rechtsextremen und faschistischen Parteien zu senden, und sie fordert die Rundfunkanstalten und Privatsender, die per Rundfunkverordnung zur Ausstrahlung verpflichtet werden können, auf, gegen rassistische Wahlspots gerichtlich bis zur letzten Instanz zu gehen. Alle Anstalten wurden aufgefordert, die Gewissensfreiheit von Beschäftigten zu respektieren, die sich weigern, an der Herstellung und Verbreitung von Wahlspots mit rechtsradikalen Parolen beteiligt zu werden.

M Seit Sommer besteht im Zustellerbereich Hamburg-Ost eine Antifa-Gruppe in der Deutschen Postgewerkschaft. Die DPG hatte bereits im Bürgerschaftswahlkampf allen Zustellern Rechtsschutz für den Fall angeboten, daß sie das Austragen von faschistischen Postwurfsendungen verweigern. Die DPG wird wohl auch diesmal dazu aufrufen, faschistische Wahlwerbung mit dem Vermerk "zurück an Absender" an die Post zurückzugeben, auch wenn diese Sendungen von der Post vernichtet und eben nicht zurückgestellt werden. Diese Aktion wird von der DPG nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur Aktion Braune Tonne gesehen. Quelle: Mitteilungen des Bündnisses "Kein Fußbreit den Faschisten", c/o Hochschul-Antifa (AStA-Büro), Von-Melle-Park 3, 20146 Hamburg

Demo gegen Abschiebung Gegen die Ausweisung des Studenten Gwantoro Sugeng demonstrierten am 2. Mai 300 StudentInnen zur Ausländerbehörde. Dort wurde von einem Behördenvertreter nochmals erklärt, daß mann die Abschiebung unbedingt durchziehen wolle. Gwantoro soll nach Indonesien abgeschoben werden, weil zu Studiumszwecken eine Aufenthaltshöchstdauer von 10 Jahren vorgesehen sei. Gwantoro studiert jedoch erst im 4. Semester Betriebswirtschaftslehre. Zuvor mußte er aus gesundheitlichen Gründen ein Chemie-Studium abbrechen. Er braucht noch 1 Jahr, um sein Diplom zu machen. Dies ist für die Ausländerbehörde, die Gerichte und den Petitionsausschuß der Bürgerschaft jedoch kein Grund, seine Aufenthaltsgenehmigung um ein Jahr zu verlängern. Am 25.4. entschied das Oberverwaltungsgericht letztinstanzlich die Abschiebung, da das "öffentliche Interesse dafür spricht, die Aufenthaltsbewilligung zu versagen". Gegen diesen staatlichen Rassismus wehren sich die KommilitonInnen von Gwantoro. "Zeigt Eure Solidarität, indem Ihr eine Postkarte an die Freie und Hansestadt Hamburg, Ausländerbehörde, z.Hd. Hrn. Bornhöft, Amsinckstraße 28-34, 20179 Hamburg, schickt!" -(F)

Demo gegen Kürzungen im Bildungs- und Erziehungsbereich

Unter dem Motto "Schafft die Schulen ab - sie kosten nur Geld" hatten die GEW und die SchülerInnenkammer am 27. April zu einer Demo gegen die vom Senat diskutierten Kürzungen im Bildungs- und Erziehungsbereich aufgerufen. Es erschienen ca. 50000 SchülerInnen, LehrerInnen und StudentInnen, letztere in bedrohlich verschwindender Anzahl (ca. 4000). Nach volksfestlich anmutendem Eierwerfen auf PolizistInnen, die sich an den Seiten des kleinen schwarzen Blockes aufhielten, begann ein reges Schmeißen von Eiern auf alles (un)mögliche. Bis auf die Geschädigten, PassantInnen und ZuschauerInnen aus Bürofenstern, störte sich kaum jemand an diesen nicht sehr produktiven, sportlich aber oft beeindruckenden Würfen. Auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz angekommen, wurde die Demo von einem witzig-bis-zum-Ende gelaunten Radio-Hamburg-Moderator Stefan Heller begrüßt. Dieser, als politisch denkender Mensch nicht oft ausgezeichnete Moderator, unterhielt nun die Demo musikalisch und sprachlich ("ein dreifaches >Buh< den Eierwerfern"). Den VeranstalterInnen schien es zu gefallen, sie ließen dem kommerziellen Stadtsender erstmal über längere Zeit Raum zur Selbstdarstellung und Werbung. Ein wenig offensiver und ernsthafter wollten ca. 500 Menschen mit ihrer Wut über den Senat umgehen: Sie zogen weiter in Richtung Rathaus, wo die dortigen Verantwortlichen als Vertreter für Gespräche und Verhandlungen ihre VollzugsgehilfInnen mit Absperrgittern, Dokumentationstrupps und Wasserwerfern hatten antreten lassen. Angesichts dieses "offenen" und "verständnisvollen" Verhaltens der VertreterInnen der KürzerInnen im sozialen Bereich kam es zu kleineren Auseinandersetzungen an den Absperrgittern. Ein eiligst dazugekommener Lautsprecherwagen der GEW bemühte sich, den Leuten, die sich "schändlicherweise" ohne Abmeldung in Richtung Rathaus abgesetzt hatten, zu erklären, daß dieses Verhalten dem Gesamteindruck der Demo in der Öffentlichkeit schade und somit unsolidarisch sei. Folgsam setzte sich der Zug der Abtrünnigen wieder in Bewegung, um am Gerhart-Hauptmann-Platz den Radio- Hamburg-Wagen zu besetzen und einen Redebeitrag zu halten. Anschließend zog mensch wieder zurück zum Rathaus. Dort hatten sich inzwischen aggressive Polizeikräfte formiert. Mittels Greiftrupps wurden während längeren Auseinandersetzungen 9 Personen festgenommen.

Zur Bewertung der Demo Eine gelungene Mobilisierung erbrachte mal wieder eine große, insgesamt erfolgreiche Demo in Hamburg. Strafandrohungen wie 50000 DM gegen die GEW oder Verfolgung der dem Unterricht fernbleibenden LehrerInnen wurden ignoriert. Kritisch anzumerken ist zum einen das Verpflichten von Radio-Hamburg als Unterhaltung während der Abschlußkundgebung, zum anderen das Verhalten der VeranstalterInnen zu den Auseinandersetzungen am Rathaus. Radio-Hamburg hat sich in der Vergangenheit nicht als Vertreter unserer Interessen hervorgetan. Es ist ein kommerzieller Stadtrundfunk, und entsprechend geht es den dort Verantwortlichen nicht um eine bestimmte Politik, sondern um Werbeeinnahmen. Insofern wird ihre Freude über die Werbung für den Sender groß gewesen sein. Stefan Heller und Crew standen dort, weil sie von ihren ArbeitgeberInnen dafür bezahlt werden, und nicht aus Sympathie für die Sache an sich. Dementsprechend ist es unerträglich, daß Heller ein Mikro hatte, um Redebeiträge zur Sache zu halten. Dafür gibt es sicherlich qualifiziertere Menschen. An sich ist die Maßnahme, Abschlußkundgebungen interessanter zu gestalten, zu begrüßen. Musik von Radio-Hamburg und im Gegenzug Redezeit bzw. eine Sendung der VeranstalterInnen im Programm von Radio Hamburg. Nicht jedoch Redebeiträge von Stefan Heller zu der Demo. Von den Solidarität einfordernden GEW-LehrerInnen war während der Auseinandersetzungen nichts zu hören, außer den Anschuldigungen gegen die DemoteilnehmerInnen, die zum Rathaus wollten. Zu begreifen, daß Betroffene das Recht einfordern, den Verantwortlichen im Rathaus nahe zu sein, sie ihre Wut spüren und hören zu lassen, ist ihnen wohl nicht möglich. Wasserwerfer und Dokumentationstrupps scheinen für sie ein adäquates Mittel zur Politikdurchsetzung und Protestabwicklung, dagegen war nichts aus den GEW-Lautsprechern zu vernehmen. Stattdessen wird mit erhobenem Zeigefinger eingegriffen gegen die eigenen MitdemonstrantInnen. Warum nicht einfach deren eigene Meinung und Verhaltensweise zulassen? Die sozialen Kahlschläge der letzten Jahre erfordern, sich nicht mehr einschüchtern zu lassen, sondern so laut zu werden, daß wir gehört wer den. Dazu bedarf es kämpferischer Demos, die offensiv einfordern, was ihr Recht ist, die sich nicht mehr auf den von den KahlschlägerInnen festgelegten Wegen des Protestes bewegen. Dem Senat muß klargemacht werden, daß er seine Maßnahmen nicht ungestört beschließen kann, daß mit radikalerer Empörung zu rechnen ist, wenn er seine Beschlüsse weiterhin ohne Rücksicht auf die Betroffenen durchzieht. Er muß wissen, daß wir die Ursache für die Rücknahme der Kürzungen in Frankreich sehr wohl kennen. (Sc - AG/R)

Podiumsdiskussion der PDS/Linke Liste

Umbau des Sozialsystems

und Massenarbeitslosigkeit

Gregor Gysi, Uli Podszuweit (Sozialler), Bernt Kamin (Betriebsrat), Richard Detje (Sozialschaftler) u.a.

24. Mai 94, 19.30 Uhr

Curio Haus, Rothenbaumchaussee 13

Deutsche Wirtschafts interessen an der Türkei Für die deutschen Konzerne hat die Türkei "Brückenkopffunktion" hinsichtlich ökonomischer Expansion in die GUS- Staaten, im Mittleren Osten und dem zentralasiatischen Raum und als Nato- Partner - wenn nötig und möglich - hinsichtlich politisch/mitärischer Einmischung und Destabisierung in diesen Regionen. Diese Interessen werden durch die kurdische Unabhängigkeitsbewegung und die damit verbundene Schwächung der Türkei gestört. Im folgenden eine Zusammenfassung der Wirtschaftsinessen der BRD an der Türkei aus dem Länderbericht des Handelsblatts vom 13.4.94. Als wichtigste Gründe für deutsche Investitionen in der Türkei werden die niedrigen Lohnkosten, der große Binnenmarkt von rund 60 Millionen Einwohnern, die liberalen gesetzlichen Rahmenbedingungen wie keine Zwänge für Kapital- und Gewinntransfer sowie hinsichtlich der Wertschöpfung im Inland, die Nähe zur Europäischen Union mit relativ geringen Transportkosten und die Brükkenkopffunktion der Türkei zur Markterschließung der asiatischen Märkte und der Märkte des Schwarzmeerraumes genannt. Für die Türkei ist Deutschland der wichtigste Handelspartner. Von Januar bis November 1993 wurden Waren im Wert von 5,61 Mrd. DM nach Deutschland exportiert und Waren im Wert von 6,63 DM importiert. Bei den Direktinvestitionen in die Türkei liegt die BRD nach Höhe des Kapitaleinsatzes mit 1095,30 Mio. US-$ hinter Frankreich, den USA und der Schweiz an vierter Stelle, hinlich der Zahl der Unternehmen mit 447 an erster Stelle. Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen haben, wie das Handelsblatt euphorisch feststellt, "ein einzigartiges Umfeld geschaffen": eine deutsche Kolonie von fast 70000 Personen. Die Schwerpunkte der BRD-Direktinvestitionen liegen in den Branchen Elektro-, Kraftfahrzeug-, Chemie- und Pharmaindustrie. Größter deutscher Produzent ist Siemens mit einer Gruppe von Joint-Ventures. Größtes Unternehmen auf dem Nahtelmarkt ist Unilever mit einem Jahresumsatz von 800 Mio. US-$. Als weiteres expandierendes Unternehmen in dieser Branche nennt das Handelsblatt den Dr.-Oetker- Konzern und als "Neuzugang" in der kosmetischen Industrie die Beiersdorf AG. Hinsichtlich der Erschließung neuer Märkte fordert das Handelsblatt den Ausbau "strategischer Allianzen" zwischen deutscher Industrie und türkischen Firmen, wobei klargestellt wird, wer in dieser "Allianz" das Sagen haben muß: "Türkische Firmen können der deutschen Industrie als Partner zur Verfügung stehen, um ihr Geschäft in der GUS auszuweiten. Insbesondere Infrastrukturprojekte in dem riesigen zentralasiatischen Raum und in Rußland werden als Zielprojekte für strategische Allianzen dienen."

Lokalberichte HamburgNr. 10/1994, 12.April 1994 Herausgeberkreis: Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik (AGG), Arbeitskreis Azania, Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen (AG/R), Hochschul-Antifa, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Die Lokalberichte erscheinen in enger Zusammenarbeit mit dem Info der PDS/LL. Redaktionstreffen und Redaktionsschluß: Montag, 23. Mai, 18.00Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo 39,- DM (Förderabo: 46,80,-), zu zahlen auf das Konto GNN-Verlag, HASPA, BLZ20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH