Fünf Jahre leergestanden, und dann

I: Lauegelände besetzt Das seit vielen Jahren leerstehende Fabrikgelände der ehemaligen Gewürzfabrik Hermann Laue ist seit heute abend um 18.00 Uhr uns(A). Das Gelände, in dem über 3500qm Wohnfläche verwesen, steht seit über 5 Jahren leer. Es wurde 1989 vom Spekulanten Dabelstein erworben, die Stadt Hamburg verzichtete auf ihr Vorkaufsrecht. Das Lauegelände war schon öfter Schauplatz von Besetzungen und darauffolgenden Räumungen. Die heutige Besetzung fand im Rahmen eines Straßenfestes im Schanzenviertel statt. Das verschweißte Eisentor vor dem Eingang wurde aufgebrochen und der Innenhof zum Kino umfunktioniert. Die Gruppe >Nimm 2<, die die Besetzung seit zwei Jahren vorbereitet hat, sagte, sie wolle auf jeden Fall zwei Tage im Vorderhaus des Geländes bleiben. Für die nächsten Tage sind noch diverse lustige Aktionen geplant! (Samstag, 24.9.)

II: >Nimm2< zur Räumung: Wrocklages Hafenstraße? Innensenator vermasselt seine erste Amtshandlung. Heute mittag (26. September) wurden die seit 5 Jahren leerstehenden Häuser Schanzenstraße 56-62 nach zwei Tagen Besetzung durch das Bündnis "Nimm 2" mit einem großen Polizeiaufgebot geräumt. Bei der Räumung der Straße vor den Häusern wurden einige DemonstrantInnen von wahllos um sich prügelnden B. verletzt und 6 UnterstützerInnen wegen angeblicher Nötigung verhaftet. Sie sitzen zumindest teilweise noch in der Wache Sedanstraße. Trotz reger Bemühungen einer Hundertschaft Polizisten, die in das Haus eindrangen, um die BesetzerInnen zu finden und zu verhaften, konnten diese auf bisher noch ungeklärte Weise entkommen. Toll! Während unserer zweitägigen Besetzung wurde von uns ein reichhaltiges Kulturprogramm, wie z.B. Kino im Hof, Feuer und Akrobatikshow, Cafe, Kneipe und Volksküche organisiert, bei dem wir von vielen Menschen unterstützt worden sind. Im Gegensatz zu den Besitzern Dabelstein und Backhus, die den gesamten LaueKomplex seit 5 Jahren verfallen lassen, haben wir uns die Häuser genommen und sofort mit Leben gefüllt. Dabei haben wir im Stadtteil ausschließlich regen Zuspruch und Solidarität erhalten, wofür wir uns bei allen UnterstützerInnen bedanken. Diese Besetzung war nur eine von vielen Schritten, die wir unternommen haben, um unser Ziel zu erreichen, die Häuser für unser Wohnprojekt zu nutzen. Wir werden keine Ruhe geben, es fängt gerade erst an. Wir werden und die Häuser nehmen! Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage. Nimm 2Bündnis, 26.9.94 (a) Infogruppe Hamburg, c/o Das Büro, Thadenstraße 118, 22767 Hamburg

Gesundheitsbehörde "erspart"

sich AIDS-Krankenbetreuung

Der Verein Hilfen und Information zur Gesundheit (HIG e.V.) muß seine Arbeit Ende September einstellen - Folge der Kürzungspolitik

Im Sozial- und Gesundheitsbereich der Stadt konnten in den letzten zehn Jahren häufig erst Projekte oder "Maßnahmen" mit staatlicher Förderung rechnen, wenn eine breitere öffentliche Diskussion dafür entwickelt oder sensationelle Berichterstattung in den Medien auf die Dringlichkeit der Einrichtung hinwiesen. Aus der Debatte um die Behandlung von HIV-Erkrankten gründete sich am 17.12.90 der HIG e.V. (Hilfen und Information zur Gesundheit) mit dem Ziel, die Versorgung von HIV-Patienten und an AIDS erkrankten Menschen in Hamburg mit sichern zu können. Durchschnittlich 64 MitarbeiterInnen (ÉrztInnen, Krankenschwestern und -pfleger, AltenpflegerInnen, PsychologInnen, HelferInnen) arbeiteten fest in dem Verein. In den letzten drei Jahren konnten 180 AIDS-PatientInnen betreut und dafür gesorgt werden, daß diese Menschen bis zum Schluß in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung bleiben konnten. Schon im letzten Jahr zeichnete sich ab, daß die Leistungsentgelte der Kostenträger (Krankenkassen, Sozialbehörde) nicht ausreichten, um die kalkulatorischen Kosten zu decken. Nur durch den gemeinsamen Verzicht aller Mitarbeiter des HIG e.V. auf das 13. Gehalt (sog. Weihnachtsgeld), ca. 150000 DM, konnte der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten bleiben. Die von der Sozialbehörde auf Sozialstationen zugeschnittenen Mischkalkulationen (Stundensätze) für im wesentlichen zeitlich kurze Tagespflege (z.B. Waschen, Anziehen, Füttern) oder Betreuung des Haushaltes (z.B. Einkäufe, Arztbesuche, Kochen, Putzen - dieses wurde häufig durch Zivildienstleistende erledigt) für den Schwerpunktpflegebetrieb (Schwerstpflege für AIDS-Kranke - häufig 24-Stunden-Betreuung durch wechselndes Personal mit unterschiedlichster Qualifikation z.B. Arzt/Pflegepersonal) sind nicht kostendeckend, zumal das Projekt nicht (wie Sozialstationen) finanziell bezuschußt wird (neben den Stundensätzen nochmals über den Haushalt der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales - BAGS). Mit Énderungen (Ziel Haushaltseinsparungen) der internen Regelungen für Hamburg zum Bundessozialhilfegesetz (Fachliche Weisungen) durch die BAGS wurden neben der von den Krankenkassen gewährten Gesamtleistung (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung von höchstens 25 Einsätzen im Monat gleich 750 DM) nur noch maximal 5 Stunden täglich "Hilfe zur Pflege" für die PatientInnen im Finalstadium aus Sozialhilfemitteln bewilligt. Auch wenn die PatientInnen häufig noch ein "kleines" Pflegegeld von der Sozialbehörde bekommen, reicht dieses Geld nicht für die Bezahlung der notwendigen Pflegekräfte. Die hierdurch entstandenen Defizite im letzten Jahr konnten nur durch den oben genannten Verzicht auf das 13. Monatsgehalt und vorhandene Rücklagen des Vereins ausgeglichen werden. Die HIG e.V. hat unter solchen Bedingungen seine ambulante Kranken- und Altenpflege zum 30. September einstellen müssen. Der Verein weist darauf hin, daß dieses notwendig wurde, weil von ihm vertraglich vereinbarte Qualitätsstandards und Garantieverpflichtungen gegenüber den PatientInnen nicht mehr eingehalten werden konnten (es sei denn, sie hätten mit mehr minderqualifiziertem Personal, sog. 560 DM-Kräften, gearbeitet). Zu bedauern ist, daß der HIG e.V. von der BAGS immer nur auf den Standard eines "Projektes" gedrückt wurde und nicht wie eine notwendige staatliche Leistung (analog der Versorgung in Krankenhäusern und durch Sozialstationen) betrachtet wird. Daß es auch anders geht, belegen im Vergleich die Zahlen eines AIDS-Schwerstpflegevereins in Köln mit einem Stundensatz von 48 DM (HIG: 34,80 DM), der das Jahr 1993 mit einem Minus von 300000 DM abschloß. Die Stadt Köln gewährleistet jedoch eine Sockelfinanzierung von 260000 DM (12,5 Stellen) pro Jahr. Die Pflegevereine ADHOC und HIV Berlin erhalten ebenfalls vom dortigen Senat eine Sockelfinanzierung. Die Schließung des Vereins trifft nicht in erster Linie die 64 Beschäftigten. Sie verschlechtert die Versorgung der an AIDS erkrankten Menschen in dieser Stadt, die neben der eigenen schwierigen psychischen Verarbeitung der Krankheit auch noch die gesellschaftliche Stigmatisierung ertragen müssen. Aus der Sozialbehörde mit der neuen Senatorin Helgrit Fischer-Menzell an der Spitze ist kein Widerstand bekannt: Hamburgs "Weltoffenheit" mit dem Thema hat sich eben auf das "Schmidts Theater" und die Reeperbahn zu reduzieren! (In Wut!) - ena

Nazianwalt Rieger

verurteilt

Wegen Verstoßes nach @86a StGB (Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole in der Öffentlichkeit) wurde der als Nazianwalt bekannte Hamburger >Rechts<anwalt Jürgen Rieger heute vom Amtsgericht Hamburg-Blankenese zu einer Geldstrafe von 7200 DM verurteilt Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde J.R. Ratenzahlung von 350 DM/Monat Die Beweisaufnahme ergab, daß R. am 12.4.93 mit einem ehemaligen Wehrmachtskübel, bekleidet mit einer >zeitgenössischen< Uniform, am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hatte. Der Geländewagen war sowohl mit >taktischen Zeichen< (Symbol der 12. Panzerdivision) als auch mit Symbolen , die nach Ansicht des Gerichtes die SS-Runen ("Sieg-Runen") darstellten, versehen. Diese Zeichen, die nicht mit dem typischen Querstrich verbunden waren, hatte Rieger als "parallele Striche" gedeutet. Diese seien nur ähnlich dem verbotenen Symbol, keinesfalls jedoch eindeutig gleich diesem. Das Gericht bemerkte jedoch, daß die Zeugeneinvernahme bestätigt hatte, daß dieses Symbol eindeutig als verbotene SS-Runen zu identifizieren gewesen sei. Nach Ansicht des Gerichtes stellte das Verhalten von R. außerdem eine bewußte Provokation dar, schließlich hätten seine Einlassungen sehr wohl ergeben, daß er wußte, um was es ginge Auch sein politisches Umfeld sei hinlänglich bekannt. Als Anwalt hätte er schließlich gewissermaßen eine Art >Vorbildfunktion< und müsse folgerichtig auch auf seine "Umgebung" achten. So fuhr im gleichen Troß bspw. Thomas Wulf ("Steiner"), Vorsitzender der zwischenzeitlich verbotenen Nationalen Liste: Ziel der fraglichen Fahrt sei ein Gelände der Bundeswehr gewesen, auf dem >Erprobungsfahrten< unternommen werden sollten. Auf Fragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft erläuterte sowohl ein Zeuge als auch R., daß diese Fahrten auf BW-Gelände "häufiger, jeweils natürlich mit ausdrücklicher Genehmigung der Bundeswehr" unternommen worden waren Die Frage nach politischen Hintergründen für diese Genehmigungen wurden vom Gericht nicht gestellt. Da das Gericht jedoch eine grundsätzliche Bedeutung im Sachtatbestand erkannte ("Symbole wecken nur den Anschein >verbotener Symbole<, sind aber nicht deckungsgleich zu diesen"), ließ es die Sprungrevision zu. -ID-SH, 14. September 1994 (aus: CL-Netz, leicht gekürzt)

Auseinandersetzung

um ein Plakat

Das nebenstehende Plakat, das der Landesverband Hamburg der PDS/LL Mitte August verklebte, ist einen Monat später zu einer breiten Pressekampagne gegen die PDS benutzt worden. Von Bild ("Unglaublich! PDS will Terroristen freilassen") über Welt, Focus, Hamburger Abendblatt, ZDF, Spiegel sah man sich beflügelt, die PDS in die Nähe der RAF zu rücken und für die Beobachtung der PDS durch die Geheimdienste zu werben. (Der Rundbrief der PDS Hamburg dokumentiert die Kampagne; er ist in der Palmaille 24 gegen Gebühr zu erhalten.) Die Kampagne - es handelt sich genauer gesagt um einen neuen Höhepunkt einer gegen die PDS und verschiedene Strömungen gerichteten umfassenden Hetzkampagne - zielt zum einen darauf ab, die Mitglieder, Anhänger und möglichen Wählerinnen und Wähler der PDS zu ängstigen, einzuschüchtern. Sie gibt zum anderen einer Politik Rückendeckung, die diese allerdings dringend nötig hat. Seit über 22 Jahren ist Irmgard Möller, Gefangene aus der RAF, in Haft, viele Jahre in quälender Einzelisolation, andere Gefangene aus der RAF sind seit 19, 17, 16, 15 Jahren inhaftiert. Andere werden in immer neuen Kronzeugenprozessen zum wiederholten Mal zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Sommer entschieden die Behörden vorläufig, Irmgard nicht freizulassen. Das setzte ein Zeichen: Gefangene aus der RAF sollen das Gefängnis nicht oder nur als gebrochene Menschen verlassen. Seit langem hat sich in unterschiedlichen Kreisen eine Kritik an der lebenslangen Haft, der Hoffnungslosigkeit, in die der lebenslang gefangene Mensch gestürzt wird, den Auswirkungen auf seine Persönlichkeit, seine Gesundheit, sein Leben entwickelt, die in dem Begriff der "Todesstrafe auf Raten" zusammengefaßt ist. Aus dieser Kritik ist eine Reihe von Vorschlägen und Initiativen entstanden - die PDS hat sie in ihrem Verfassungsentwurf aufgegriffen -, die auf Abschaffung der lebenslangen Gefängnisstrafe und die Begrenzung der Haft auf allerhöchstens 15, besser 10 Jahre zielen. Kritik und Forderung müssen sich - wo sonst? - im Konflikt bewähren, im Konflikt gerade um die Freilassung der Gefangenen aus der RAF, die der Staat maßlos, bis zum Tode zu verfolgen sucht. Vielleicht kann das Plakat der PDS Hamburg und die Auseinandersetzung um das Plakat zu einer breiteren Initiative beitragen: für die Freilassung zuallererst von Irmgard Möller, für die baldige Freilassung von allen Gefangenen aus der RAF, die seit 15 Jahren und länger inhaftiert sind, wodurch für alle die Perspektive auf Freiheit eröffnet wird.(Christiane Schneider)

Kurdenverfolgung

Was folgt auf die Auf

hebung der Verbote?

Die Abgeordnete Ulla Jelpke (PDS/LL, Hamburg) hat im Bundestag am 8.9. die folgende Anfrage eingereicht.

Durch Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom November 1993 hatte die Bundesregierung unzähligen kurdischen Vereinen und Organisationen jegliche Tätigkeit in der BRD untersagt. () Mit Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 1994 wurde der sofortige Vollzug von erheblichen Teilen der Verfügung aufgehoben. Mehr als 20 regionale kurdische Organisationen können nunmehr endlich ihre Arbeit wieder aufnehmen.

Wir fragen die Bundesregierung: 1.Haben die kurdischen Organisationen und Vereine, gegen die der sofortige Vollzug der Verbotsverfügung aufgehoben wurde, die beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen bereits zurückerhalten? Wenn nein, wann wird dies geschehen? 2.Wird die Bundesregierung für den durch den widerrechtlichen sofortigen Vollzug der Verbotsverfügung verursachten materiellen Schaden in vollem Umfang aufkommen? Wenn ja, wird die Bundesregierung von sich aus diese Wiedergutmachung veranlassen? Wenn nein, warum nicht? 3. Wird die Bundesregierung den nichtmateriellen Schaden, wie Ansehensverlust der kurdischen Bürgerinnen und Bürger, oder die allgemeine Diskreditierung der kurdischen Vereinsarbeit wiedergutmachen? Wenn ja, wie wird dies geschehen? Wenn nein, warum nicht? 4. Wieviele juristische Verfahren hat es im direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Inneren bislang gegeben, und in wievielen Fällen ist es bereits zu Verurteilungen gekommen? 5. Wieviele juristische Verfahren, die im direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Verbotsverfügung stehen, entbehren nach dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr ihrer Grundlage, und wurden diese Verfahren bereits alle eingestellt? 6. Wird eine Amnestie für die Betroffenen aus diesen Verfahren in Erwägung gezogen, und wenn nein, warum nicht?

Staatlicher Rassismus

Sonderversicherung

für Ausländer?

In der Rentenversicherung soll eine Sonderkasse für Ausländer entstehen.

Der Plan existiert schon länger: Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (kurz: BfA), zuständig für die Rentenversicherung von Lohnabhängigen mit Angestelltenstatus, soll aufgelöst werden. Die Aufgaben sollen von den Landesversicherungsanstalten, die bisher für die Rentenversicherung von Beschäftigten mit Arbeiterstatus zuständig waren, übernommen werden. Es ist zu befürchten, daß mit der Verwaltungsänderung ausländerfeindliche Absichten verbunden sind: Die BfA soll nämlich nicht ganz aufgelöst werden, sondern künftig die Rentenversicherung für alle Arbeitnehmer ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowie für alle deutschen Staatsangehörigen, die "Auslandsberührung" haben, übernehmen. Damit wäre zunächst einmal der Form nach eine Sonderversicherung für ausländische Beschäftigte geschaffen; eine inhaltliche Füllung dieser Form dann nicht mehr auszuschließen. Bereits jetzt gibt es diskriminierende Regelungen bei der Auszahlung von Renten, falls ausländische Arbeitnehmer in ihre Heimatländer zurückkehren, bei der Anrechnung von Arbeitszeiten außerhalb der BRD usw. Eine direkte Ungleichbehandlung von Rentnern in gleicher Lage bloß aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit findet bislang allerdings nicht statt und wäre eine offene Verletzung von Recht und Gesetz. Ist aber erst einmal eine Sonderanstalt geschaffen, dann kann die Verwaltung und Gesetzgebung hierfür auch besondere Regelungen erlassen. Die Sache eilt. Ab 1998, so steht's in einem Gesetzentwurf, den die Konferenz der zuständigen Länderminister am 9. September 1994 (soweit bekannt einstimmig) beschlossen hat, soll die Umorganisation in Kraft treten. Eine entsprechende Bundesratsinitiative ist beabsichtigt. Proteste gibt es bislang von der Versicherungsanstalt BfA, die nicht nur darauf hinweist, daß eine gut funktionierende Verwaltung aufgelöst werden soll, sondern auch auf den "im In- und Ausland entstehenden politischen Schaden" durch die Schaffung eines Rentenversicherungsträgers für Ausländer. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) protestiert ebenfalls und hält diese Absicht für "politisch instinktlos". Der DGB und die Einzelgewerkschaften schweigen bislang, organisationspolitische Interessen - die DGB-Gewerkschaften stellen in den Landesversicherungsanstalten die Mehrheit der Versichertenvertreter, während bei der BfA die DAG die meisten Vertreter hat - scheinen leider im Vordergrund zu stehen. -(alk, aus: Politische Berichte 19/94)

Solidarität mit Cuba

Auf Cuba

leben Menschen

Seit einiger Zeit steht Cuba mit an erster Stelle der internationalen Nachrichten, wobei die Medien den Eindruck vermitteln, daß es sich um einen persönlichen Streit zwischen Fidel Castro und Bill Clinton handelt. Wir würden gern einmal die Aufmerksamkeit auf die Menschen richten, die nicht erwähnt werden. Nämlich auf die Cubaner, die trotz der schwersten Krise des Landes ihrem alltäglichen Leben nachgehen müssen. Cubaner, die häufig nicht viel von Politik verstehen oder sich auch nicht besonders dafür interessieren. Cubaner, die - trotz ihrer neutralen Verhaltensweisen - unter der internationalen Politik leiden. Wir denken dabei an die Frauen, die jeden Tag auf der Suche nach den nötigsten Lebensmitteln für ihre Familien sind, an die Menschen, die auf dem Weg zu ihrer Arbeit einen fortwährenden Kampf ausstehen müssen, um einen der noch funktionierenden und fahrenden Busse zu erreichen usw. Vor allem aber denken wir an die Schulkinder, denn in ganz Cuba ist noch keine Schule wegen der Krise geschlossen worden. Im Gegenteil! In den letzten Jahren wurden viele Ausbildungsstätten neu gegründet. Da es in den Schulen aber an den grundlegendsten Materialien mangelt, bekommen die Kinder z.B. bereits beschriebene Hefte, die sie ausradieren, um damit weiterarbeiten zu können. Wir, die lateinamerikanischen Jugendlichen in Hamburg, möchten diesen Zustand gern ändern und appellieren deshalb an die Solidarität, die über die politischen Einstellungen hinwegsieht und allein den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Wir möchten mit Eurer Hilfe einen Container mit Schulmaterialien nach Cuba schicken, um hiermit ein Zeichen gegen die internationale Politik zu setzen, die zu vergessen scheint, daß Menschen im Spiel sind, die mit Machtkämpfen nicht das geringste zu tun haben. Die Transportkosten für den Container nach Cuba betragen DM 5800,Spendenkonto: "Container für Cuba", Chilenische Jugend- und Kulturinitiative e.V., HASPA, BLZ 20050550, Kto. 1322123017 Chilenische Jugend und Kulturinitiative e.V.

TIPS & TERMINE

DONNERSTAG, 29. SEPT.

Arbeit 2000 - Ulrich Mückenberger und Claus Offe diskutieren über neue Perspektiven Die Beschäftigungsmuster der traditionellen Arbeitsgesellschaft sind in Auflösung begriffen. Massenarbeitslosigkeit und ökologische Erfordernisse deuten auf schwerwiegende Strukturkrisen: Arbeits- und Geschlechterverhältnisse, betriebliche Flexibilisierung und Interessen der Beschäftigten, Ausbildungs- und Sozialversicherungs-, juristisches und Arbeitssystem stehen in keinem organischen Verhältnis mehr zueinander. Die Gesellschaft muß neue Wege in der Gestaltung der Arbeitswelt und der anderen gesellschaftlichen Teilbereiche einschlagen. 19.30 Uhr, Heinrich-Heine-Buchhandlung, Schlüterstr. 1

FREITAG, 30. SEPTEMBER

Diskussionsveranstaltung des Runden Tisches Antifa Diskussionsgegenstand ist, wie eine Informationsweitergabe an die verschiedenen Antifa-Initiativen über jeweilige Vorgehensweisen und Aktionen organisiert werden kann und wie die Aktionen zum 9.11. abgestimmt werden sollen. 17.00 Uhr, Cafe Movimento, DGB-Haus

SAMSTAG, 1. OKTOBER

Busfahrt zu den Frauenaußenlagern des KZ Neuengamme, u.a. Eidelstedt und Neugraben. Anmeldung beim Landesjugendring, Tel. 3195345 10.00 Uhr, ZOB Bussteig 2

SONNTAG, 2. OKTOBER

Das Vierte reicht! Dietrich Kittner mit seinem neuen Programm in Hamburg. Eintrittspreis: DM 15,-, für Schüler, Studenten und Erwerbslose DM 12,-, Karten im Vorverkauf bei: DKP HH, Tarpenbekstr. 66 oder an der Abendkasse

Die Kinder vom BullenhuserDamm Eine Führung mit Günther Schwarberg durch die Gedenkstätte. 14.00 Uhr, Gedenkstätte Janusz- Korczak-Schule

Lateinamerikanisches Festival der Solidarität zu Cuba Mit Musik aus Argentinien, Bolivien und Uruguay, Informationen über die aktuelle Situation in Cuba, über die Fundacion Pablo Milanes, einem Bericht über eine Reise nach Kuba im Juli/August 94, einer Fotoausstellung, cubanischen Cocktails, lateinamerikanischer Küche, einer Artesanie-Ausstellung, einer Tombola und Tanzen ohne Ende. Ab 17.00 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58

MONTAG, 3. OKTOBER

Da gibt es keinen Grund zum Feiern! Gegen die zentralen Nationalfeiern in Bremen Am 2. und 3. Oktober wird sich die "creme de la creme" aus Politik und Wirtschaft in Bremen treffen. Mehr noch als in den Jahren zuvor werden die diesjährigen Feierlichkeiten der Selbstbeweihräucherung des deutschen Staates, der Regierung und der herrschenden Elite aus Politik und Wirtschaft dienen. Sie werden ihre Erfolge feiern wollen, den wiedererstarkten Nationalismus, den in Gesetze gegossenen Rassismus und ihre Fortschritte in der sozialen Ausplünderung der Mehrheit der Menschen in diesem Land und international. Gegen dieses Propaganda-Spektakel organisieren zahlreiche Gruppen am 3.10.1994 eine bundesweite Demonstration. 8.00 Uhr morgens, Bremen, Sielwall/Ecke Ostertorsteinweg

DIENSTAG, 4. OKTOBER

Dorothea Buck/Thomas Bock: Im Strom der Ideen - Stimmenreiche Mitteilungen über den Wahnsinn Das Psychose-Seminar, vor einigen Semestern noch Experiment an der Uni-Klinik Eppendorf, macht mittlerweile Schule. Der praktizierte Austausch zwischen Psychose-Erfahrenen, Angehörigen und Professionellen, der auch dem kürzlich in Hamburg abgehaltenen Weltkongreß der Sozialen Psychiatrie wichtige Impulse vermitteln konnte, wird neue Maßstäbe für eine künftige Psychiatrie setzen. 19.30 Uhr, Heinrich-Heine-Buchhandlung, Schlüterstr. 1

Abschrecken, Verwahren, Abschieben Zum aktuellen Umgang mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen in Hamburg im bundesweiten Vergleich. Vor dem Hintergrund der aktuellen Spardiskussion wollen sich Hamburger PolitikerInnen und Behörden endgültig jeder Verantwortung für das Schicksal unbegleiteter Flüchtlingskinder und -jugendlicher entledigen. Dies ist die Quintessenz von Beschlüssen und Planungen, die Hamburg im Sommer 94 als I-Tüpfelchen seiner bisherigen Abschrekkungs- und Abschiebepolitik zu bieten hat. Info- und Diskussionsveranstaltung des Flüchtlingsrats in Zusammenarbeit mit Haus für Alle e.V. und Umdenken e.V. 19.30 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58, Parterre

SAMSTAG, 8. OKTOBER

Autorenlesung Der iranische Autor Mostafa Arki liest aus seinem Buch "Gegenwartsschwimmer - Episoden einer Deutschlandreise" in deutscher Sprache, anschließend Diskussion. 19.30 Uhr, Stadtteiltreff AGDAZ e.V., Fehlinghöhe 16

DIENSTAG, 11. OKTOBER

Uneingeschränktes Wahlrecht! Warum dürfen viele Menschen in der BRD nicht wählen? Diskussionsveranstaltung des Harburger Bündnisses gegen Rassismus mit den Referenten: R. Geffken, B. Klingeberg, N. Ulas. 19.30 Uhr, Rieckhof Harburg, Raum C, Rieckhoffstr. 12

Feminis - muß! - Die feministische Politik der PDS Diskussionsveranstaltung (nur für Frauen) mit: Christina Schenk (PDS-Bundestagskandidatin in Sachsen) 19.30 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg

MITTWOCH, 12. OKTOBER

Rüdiger Safranski: Heidegger und seine Zeit "Ein Meister aus Deutschland" - so nennt Safranski einen der wirkungsmächtigsten Philosophen dieses Jahrhunderts. Damit ist die durchaus zwiespältige Perspektive formuliert, unter der er Heidegger sieht: Heidegger in der (sprach-)philosophischen Tradition eines Meister Eckharts, zugleich - wie es das Zitat aus Celans "Todesfuge" anklingen läßt - nicht freizusprechen von der Mitschuld an Auschwitz. 19.30 Uhr, Heinrich-Heine-Buchhandlung, Schlüterstr. 1

FREITAG, 14. OKTOBER

VVN-Mitgliederversammlung Thema u.a.: Politische Justiz - politische Gefangene am Beispiel Irmgard Möller. 18.00 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58

Gedanken zu einer Ausstellung

Der erste Weltkrieg - Vision

und Realität?

Im Museum für Hamburgische Geschichte ist zur Zeit eine Ausstellung zum ersten Weltkrieg zu sehen. Sie trägt den Untertitel: Von "Menschenschlachthaus" und "Stahlgewittern" - Vision und Realität. Doch die Ausstellung wird ihrem Untertitel nur zur Hälfte gerecht. Zunächst ist hervorzuheben, daß die Ausstellungsmacher von einer pazifistischen Grundhaltung ausgehen. Es ist zu begrüßen, wenn aus dieser Intention heraus der 80. Jahrestag des Kriegsbeginns zum Anlaß zur Erinnerung an den ersten Weltkrieg genutzt wird. Die Ausstellung präsentiert hauptsächlich Objekte der wilhelminischen Selbstdarstellung oder solche, die in Übereinstimmung mit der damaligen Gesellschaft standen. Damit gelingt es ihr, den Militarismus des wilhelminischen Obrigkeitsstaates deutlich werden zu lassen - etwa im Ensemble zum Schulalltag. Diese Darstellung ist besonders gelungen: Der Schein der wilhelminischen Glorie wird mit einem Gedicht von Erich Kästner gebrochen, das die tödliche Wirklichkeit enthüllt. Interessant für den Hamburger ist auch die Darstellung der Politik der Hamburger Pfeffersäcke und des Senats - der z.B. über eine Annexion Antwerpens unter rein ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert. Um einen Einblick in die Selbstinszenierung des wilhelminischen Militarismus zu erhalten, lohnt sich der Besuch - gerade auch in einer Zeit, wo der Einsatz deutscher Soldaten in aller Welt wieder normal zu werden droht. Soweit zur Seite der Vision - die Realität des Krieges wird dagegen weniger deutlich. Was oben die Stärke der Ausstellung ausmachte, wird hier zur Schwäche: Mit den Selbstdarstellungen der Militaristen läßt sich die Grausamkeit des Krieges nicht verdeutlichen. Die Zurschaustellung technischer Innovationen im Krieg, zusammen mit einem kriegsherrlichenden Zitat von Ernst Jünger, wird wohl ironisch gemeint sein - die Funktion der Technikbegeisterung zur Mobilisierung für den Krieg wird so jedoch nicht deutlich gemacht und damit fast das Gegenteil von dem beabsichtigten Ziel erreicht: Der Krieg erscheint als harmlos. Das scheint auch den Ausstellungsmachern aufgefallen zu sein. Auf zwei kleinen Tafeln, die nicht in das Gesamtensemble der Ausstellung passen und damit den Eindruck erwecken, nachträglich hinzugefügt zu sein, werden Fotos von Verletzten gezeigt. Der harmlose Gesamteindruck wird dadurch aber nicht korrigiert, zumal es eher zufällig ist, ob man in der verwirrenden und unsystematischen Aufeinanfolge der Inszenierungen überhaupt diese Tafeln wahrnimmt. Völlig fehlend oder unzureichend sind die Darstellungen der sozioökonomischen Hintergründe des Geschehens, des politischen Widerstands und des Endes des Krieges. Die Darstellung der Novemberrevolution als Ergebnis des Krieges kann nicht durch eine Tafel zu den revolutionären Ereignissen des Jahres 1917 in Rußland ersetzt werden. Unpassend auch die beiden eher peinlichen Inszenierungen zum U-Bootkrieg und des Schützengrabens. Das Museum für Hamburgische Geschichte fällt gerade dadurch positiv auf, daß es bislang noch nicht von der kommerziellen Beliebigkeit und Hektik der Innenstadt erreicht wurde. Die gute sozialdemokratische Tradition, in einem Museum Informationen über historische Zusammenhänge und Entwicklungen nicht nur aus herrschender Sicht zu vermitteln, sollte nicht durch selbsttätiges Anwanzen an den Zeitgeist aufgegeben werden, der Museen nur noch als freizeitparkähnliche Erlebnisräume gelten lassen will. (mg) Die Ausstellung ist noch bis zum 20. November im Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24, zu sehen. Der Eintritt beträgt 3,- DM, ermäßigt 1,- DM. Die Öffnungszeiten sind täglich außer montags von 10-18 Uhr.

V I E T N A M - T A G E

I N H A M B U R G

Aus der während der Vietnam-Tage gezeigten Reihe vietnamesischer Filme stellen wir zwei vor.

"Verbindung von Märkten und

Menschen" (H.Voscherau)

Das Land, für dessen Bevölkerung im Kampf um Freiheit und Sozialismus wir vor zwanzig und mehr Jahren auf die Straße gingen, ist es nicht geworden. Die ungeheuerliche Zerstörung von Menschen, Natur und Produktionsmöglichkeiten durch die jeder Menschlichkeit baren US-Streitkräfte schuf - zusammen mit dem verständlichen Zorn auf die (süd)vietnamesischen Kollaborateure - die scheinbare Legitimation für äußersten Zentralismus, grundsätzliches Mißtrauen und eine scharf eingegrenzte Parteilinie. Vietnam versucht heute, nicht ohne Erfolg, sich als "kleiner Tiger" zu etablieren. Wir sind, glaube ich, traurig. Die Kultur des Landes ist uralt und offenbar noch immer widerstandsfähig, wohl auch, weil nur zwanzig Prozent der Bevölkerung in Großstädten lebt. Es heißt, daß der für Hamburg ausgewählte, mehrfach preisgekrönte Film The Wild Field (deutsch, unpassend, Wildes Land) von 1979 ein gutes Beispiel sei. Der Kriegsschauplatz ist ein Gebiet im Mekong-Delta, Reisland, soweit das menschliche Auge von einem Baumwipfel aus reicht. Es ist Erntezeit. Die manns- und frauhohen vollen Halme wiegen sich unendlich ruhevoll im Wind. So bewegen sich auch die wenigen dort lebenden Menschen in ihren flachen, schmalen Booten auf den Flußarmen. Sie wohnen in einzelnen Hütten über dem Fluß, die an Bäumen befestigt sind. "Der Fluß steigt; wir müssen die Hütte höher binden." So einfach ist das. Sie essen und arbeiten, sie lachen und singen und schlafen. Sie leben von dem, was Land und Fluß ihnen bieten. Kameraführung und Schnitt verweben Land und Menschen zu einer friedvollen Einheit, die vollkommen wirkt. Der Kriegszustand wird nur durch die stets grifften Gewehre und die Übermittlung von Nachrichten angedeutet. Das plötzlich laut werdende Rattern eines Hubschraubers erzeugt daher selbst in der kriegsfilmgewohnten Europäerin wütende Empörung. Auch die Aufnahmeführung der Hubschrauberangriffe ist äußerst wirkungsvoll; sie zeigt die Bedrohung der Filmfiguren, wenn Hubschrauber immer tiefer suchend über ihnen kreisen und Kugeln und Handgranaten einschlagen, und bezieht die ZuschauerInnen gleichzeitig in die Bedrohung ein, wenn das Bild plötzlich gefüllt ist von Hubschraubern oder sie direkt in die Kameralinse zu fliegen scheinen. Ein Landangriff wird dagegen in einer Nebensequenz abgetan: den Menschen erlauben die Sümpfe das Überqueren mittels eines großen Tuches, die Panzer haben keine Chance. Die Amerikaner sind in diesem Film nur durch den weißen Stern auf den Maschinen präsent; die Protagonisten sind Viet-Min-KämpferInnen, ihre Gegenspieler Süd-Vietnamesen, die in diesem Land "die Fremden" sind, weit fort von Zuhause, während hier alle, auch die Frauen und Kinder, zu ihrer Verteidigung kämpfen oder davon betroffen sind, wie der kleine Sohn der beiden Hauptpersonen. Diese Zugehörigkeit und wohl auch die Gewißheit des Sieges werden in einer merkwürdigen, langen Sequenz gefeiert: Aus dem Hubschrauber des südvietnamesischen (manchmal schmierenkomödiantischen) Bösewichts steigt ein Soldat ab, um den Reis zu prüfen, flieht aber entsetzt vor einer riesigen Kobra wieder die Leiter hinauf. Auf dem Flughafen betrachten sie ein gestochen scharfes Photo von der Schlange. Derweil sucht und findet der Held die Kobra, greift sie mit den bloßen Händen und wirbelt sie jubelnd durch die Luft. Dann wird sie sorgsam gehäutet und gegessen. Die Symbolik muß den Einheimischen völlig klar sein. Der Film hat ein tragisch-versöhnliches Ende. Der für den Augenblick gar nicht so böse Hubschrauberpilot soll nach diesem "erfolgreichen" Einsatz zu Frau und Kind nach Hause dürfen. Es gelingt ihm auch, den Helden, der keine Dekkung findet, zu erschießen, er wird aber dann von dessen Frau erschossen. Sie steht im letzten Bild vor dem brennenden Hubschrauber und betrachtet trauernd das Photo von Frau und Kind des Toten, das sich in der Hitze um die Reishalme rollt. Es ist ein wunderschöner Film. Es sei, so höre ich, Tradition des vietnamesischen Films, Frauen nicht nur ein sanftes Wesen, sondern, mittels Weichzeichnerlinse, auch ein sanftes Aussehen zu geben. In Wild Field ist das so. Trotz der Gleichberechtigungsgesetze von 1945, trotz der Teilnahme am Befreiungskampf, ja, trotz großer Vorbildfrauen aus alter vietnamesischer Zeit muß mensch wohl erkennen: Konfuzius hat doch gesiegt. Die Familie, der Ehemann, die Familie des Mannes, der Sohn der Witwe bestimmen weiter das Leben der Frau, das Sanftmut in jeder Form und völlige Unterwürfigkeit bedeutet. Jetzt hat sich Frau Trinh Thi Minh-Ha in einer intensiven Arbeit unter dem Titel Surname Viet, Given Name Nam (Nachname Viet, Vorname Nam) dieses Themas angenommen. Angesehen haben sie im Völkerkunde-Museum fünf Frauen und zwei Männer. Der zweistündige Film ist eine Collage aus langen Berichten von Frauen über ihr Leben oder, als Schauspielerinnen, aus dem Leben anderer und dokumentarischer Szenen teils aus Vietnam, teils aus den USA. Oft sind sie mit vietnamesischen Liedern unterlegt, die nach (Unter-)Text und Musik Klagegesänge sind. Berichtet wird von doppelter Unterdrükkung, Bespitzelung und Mangel in Vietnam und rassistischer Ausgrenzung trotz hoher akademischer Qualifikationen und Anpassungsversuchen besonders der jüngeren Generation in den USA. Der oft tragödienhafte theatralische Ton, der wohl auch traditionell ist, in dem die Situation, d.h. die Rollenzuweisung der vietnamesischen Frauen hüben und drüben thematisiert wird, kann die Wirkung der Aussagen nicht verringern. Wie geht frau mit solchen immer wiederkehrenden Sätzen um, wie: "Wir sind unsichtbar; wir haben keine Körper und wissen nicht, was das ist; wir sind niemand."? Diejenigen Frauen, die eine "Rolle" übernehmen wollten, hatten mit sich und ihren Familien Schwierigkeiten, weil so etwas als unterklassig und unschicklich gilt. Ich fürchte, sie werden das alles weitgehend unter sich ausmachen müssen. Die in den USA so verbreitete Pest der repressiven "political correctness" wird ihnen da nicht helfen. Frau Trinh hat jedenfalls einen mutigen Eröffnungszug gemacht. Ob die Zerrissenheit der Form, die ihre eigene Ordnung durchbrechende Verwirrung in Schrift und Ton künstlerische Absicht war, ist nicht zu sagen; sie könnte aber als symptomatisch gelten. Denn unter den Credits stand als erstes: "Wir danken den Ehemännern unserer Schauspielerinnen für ihre Geduld." Der Hüter im Tor zur Welt wird diese Seite des Lebensbuches sicher überblättern. (Lilo Lottermoser)

Das Anti-Nazi-Bündnis ruft auf

Das Anti-Nazi-Bündnis Hamburg ist ein Zusammenschluß von Gruppen, Organisationen und einzelnen, der seit Mai 1994 aktiv ist. Wir sind Menschen mit unterschiedlichem politischen Hintergrund aus verschiedenen Ländern und Arbeitsbereichen. Uns vereint der Wille, gemeinsam gegen die Nazis zu kämpfen. Wir haben uns gegründet, da sich die Nazis europaweit im Aufwind befinden, da trotz Wahlschlappen zu befürchten ist, daß die Nazis versuchen, ihre Propaganda auf der Straße und in den Parlaten zu verstärken. Politik-Unzufriedene müssen gerade jetzt überzeugt werden, nicht die Nazis zu wählen. Noch besteht eine Chance, die Nazis von unten zu "verbieten". Wir meinen: Nur gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam gegen Rassismus & Faschismus! Keine Öffentlichkeit für Nazis! Wir wollen Anti-Nazi-Aktivitäten koordinieren. Wir organisieren Flugblattaktionen, Infostände, Demonstrationen und wollen gegenwärtig sein, wo Nazis öffentlich auftreten, um ihre Propaganda zu verhindern. Wir rufen einzelne, Gruppen und Organisationen auf, sich im Anti-Nazi-Bündnis zu organisieren. Zur Zeit wird das Bündnis getragen von JUSO-Landesverband Hamburg; JUSO-Arbeitskreis gegen Rechts; Deutsche FriedensgesellschaftInternationale der Kriegsdienstgegner; DIDF Hamburg; Sozialistische Arbeitergruppe (SAG); Edelweißpiraten; SchülerInnenkammer; Bund der Jungkommunisten aus der Türkei; Jugend Umwelt Projektwerkstatt; Sozialistische Studentengruppe (SSG); Antifa '93 Das Anti-Nazi-Bündnis ist vom 7.-9. Oktober 1994 auf dem Vielvölkerforum auf dem Rathausmarkt vertreten und führt dort am 8.10.1994 auch die Aktion "Braune Tonne" durch. Am 15.10.1994 veranstalten wir anläßlich der Bunwahl eine Demo unter dem Motto "Keine Nazis ins Parment".

Betrifft: Demo gegen Rechts

Warum wir

nicht demonstrieren

werden!

Die "Demo gegen Rechts" des "Anti- Nazi-Bündnisses", speziell ihre Vorbereitung, ist gelinde gesagt ärgerlich, sein inhaltsloser Aufruf entweder peinlich-naiv oder staatstragend-opportunistisch. Seit Jahren, so dachten wir jedenfalls bisher, werden Demonstrationen in Hamburg, speziell auch antifaschistische, in möglichst breiten Bündnissen vorbereitet und durchgeführt. Das nötigt zwar alle Gruppen und Organisationen zu Kompromissen, und gelegentlich kommt es auch zu Abspaltungen der einen oder anderen Gruppe, trotzdem ist dieses Minimum an innerlinker Demokratie eine positive Konsequenz aus dem Sektierertum und der Vereinnahmungstaktik, vor allem der K-Gruppen, in der Vergangenheit. Mit Erstaunen erfuhren wir dann auf dem letzten Treffen des Bündnisses "Keinen Fußbreit den Faschisten", in dem viele, wenn auch nicht alle antifaschistischen und antirassistischen Gruppen vertreten sind, daß das "Anti-Nazi-Bündnis" im Alleingang eine Demo zur Wahl plant und durchführt, ja sogar schon selbige angemeldet war. Der eingeforderte Termin zur Diskussion über eine gemeinsame Planung, Mobilisierung und Durchführung wurde zugesagt, uns aber jedoch nicht mitgeteilt - wahrscheinlich hat er nicht stattgefunden. Soviel zur undemokratischen Vorgehensweise. Inhaltlich ist es bei dem "Anti-Nazi- Bündnis" nicht besser bestellt - zumindest was den Aufruf betrifft. Über den Sinn von Wahlen läßt sich bekanntlich streiten, und daß "jede Stimme für eine demokratische Partei" eine gegen Nazis ist, ist eine Binsenwahrheit. Ob der Aufruf jedoch etwas gegen Rassismus und Nationalismus nützt, erscheint uns fraglich. Schon der Begriff "demokratische Partei" ist dem Totalitarismus-Vokabular der bürgerlichen Parteien entnommen, welche damit, sich selbst bezeichnend, faschistische Parteien und solche wie die PDS als undemokratisch gleichsetzen. Gleichzeitig spricht der Aufruf alle etablierten Parteien vom Vorwurf des Rassismus und Nationalismus frei, weil er den "Konsens aller Demokraten" bezüglich der Abschaffung des Asylrechts verschweigt. Tausende von Flüchtlingen sind mittlerweile in die Illegalität getrieben worden. Auch Ostexpansion, neues Hegemoniestreben, Out-of-Area-Einsätze usw. werden in dem Aufruf nicht erwähnt. Obwohl diese gefährlichen Ideologien inzwischen von den bürgerlichen Parteien von der (neurechten) Theorie in die Praxis umgesetzt werden. Die antifaschistische Bewegung hatte unter der Parole "Die Brandstifter sitzen in Bonn" nicht nur die Stiefelnazis, sondern auch ihre Wegbereiter, Claquere und Nutznießer angegriffen. Konsequenterweise werden jetzt die Linken, die den reaktionären Staat nach wie vor als das größere Übel betrachten, gnadenlos verfolgt. In Berlin ist der Prozeß gegen Antifas eröffnet und in Göttingen geplant. Dieses ist die Kehrseite der Totalitarismus-Medaille der "demokratischen Parteien". Weiterhin heißt es in dem Aufruf: "Alle Jahre wieder sind wir aufgefordert, unsere Stimme abzugeben." In der Tat dürfen nur wir Menschen deutschen Geblüts zu den Urnen schreiten, weil es weder ein Ausländerwahlrecht, geschweige denn gleiche Rechte für alle Menschen gibt. Dem "Anti-Nazi-Bündnis" reicht es anscheinend, wenn die bürgerlichen Parteien, nachdem die Grenzen nun dicht sind, mit Blick auf das Ausland ein bißchen ausländerfreundlich heucheln, und sieht das Hauptproblem in den bösen Nazis. Alle hier nur kurz angerissenen Punkte hätten in der Vorbereitung diskutiert werden können, und selbstverständlich sind wir auch jetzt noch jederzeit zu einem Gespräch bereit. So aber, vor vollendete Tatsachen gestellt, werden wir weder zur Demo aufrufen noch selber demonstrieren. Hochschul-Antifa

6. PädagogInnen-Kongreß in Hamburg

Krieg im ehem.

Jugoslawien

Am 24./25.9.94 fand im Curio-Haus der 6. bundesweite PädagogInnenkongreß statt. Eine Berichterstattung war uns in der kurzen Zeit nicht möglich. Wir drucken im folgenden die Thesen ab, die der Publizist Lorenz Knorr (Frankfurt/M) für die AG 1 ausgearbeitet hat.

1.1Der Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien hat viele innenpolitische und internationale Ursachen. Hinter ethnischen und religiösen Konflikten verbergen sich soziale, wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Auf dem Gebiet des ehem. Jugoslawien kreuzen sich seit Jahrhunderten die Schnittlinien divergierender globalstrategischer Zielsetzungen von Großmächten. Unterschiedliche Gruppen äußerer Mächte nutzten oft und nutzen jetzt die internen Probleme südslawischer Völker für eigene Zwecke. 1.2'Prägende geschichtliche Erfahrungen aus ca. 500 Jahren osmanisch oder österreichisch-ungarisch okkupierter südslawischer Völker wirken heute noch; die Folgen deutscher Großmachtpolitik und faschistischer Gewaltverbrechen sind noch spürbar, aber auch alte Kooperationen mit ehem. Besatzern. 1.3Der bürgerlich-agrarische Vielvölkerstaat Jugoslawien ab 1918 war eine - gewiß ambivalente - Antwort auf historische Lehren. Serben und Kroaten standen oft gegeneinander. Im antifaschistischen Kampf seit 1941 bildeten sich Solidarität und politökonomische Einheit der jugoslawischen Völker heraus. Eine beachtliche Befriedung des Balkans insgesamt folgte ab 1948 mit einem schnellen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aufschwung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Die Spannungen mit der damals stalinistischen UdSSR festigten den Zusammenhalt Jugoslawiens. In der UNO spielte J. als einer der Sprecher der Blockfreien eine anerkannt produktive internationale Rolle. - Der Rückfall in barbarische Praktiken ab 1990 ist nicht nur innenpolitisch zu erklären. (Vgl. 1.1) 1.4Der Zerfall bisheriger Wertordnungen - charakteristisch für alle Industriestaaten - wirkte sich vor allem in den ehemals kommunistischen Staaten aus. Als Folge der allgemeinen Krise und entstandener Desorientierungen entfaltete sich ein riskanter Nationalismus. Herrschende Kräfte nützten ihn als Instrument ihrer Machtstabilisierung. In den Vielvölkerstaaten - einst Musterbeispiele multikultureller Kooperation - führte dieser Nationalismus zu Bürgerkriegen mit grauenhaften Folgen. 1.5Wie bei allen Bürgerkriegen können äußere Mächte entweder deeskalierend oder eskalierend auf solche Konflikte wirken: je nach Interessenlage - falls sie das völkerrechtliche Prinzip der Nichteinmischung ignorieren und "die internationale Sicherheit bedroht" sehen (auch zur Rechtfertigung ihrer Einmischung). 2.1Die Bestrebungen slowenischer und kroatischer Führungskräfte zum Ausscheiden aus dem jugoslawischen Staatenverband basieren vorwiegend auf wirtschaftlichen Gründen: Angesichts zentraler jugoslawischer Harmonisierungspolitik hatten die ökonomisch weiterentwikkelten nördlichen Verwaltungsgebiete (eine ethnische Grenzziehung gab es in J. nicht!) finanzielle Beiträge für die Entwicklung der südlichen Regionen zu lei sten. 2.2Angebote von deutscher Seite zu wirtschaftlicher Hilfe und zur baldigen Eingliederung in die EG verstärkten materielle Hoffnungen in der slowenischen und in der kroatischen Region. Die völkerrechtliche Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch das größer gewordene Deutschland und durch den Vatikan verschärfte jedoch - voraussehbar! - die innerjugoslawischen Spannungen und den damals noch zu bremsenden Separierungsprozeß. - Der Vatikan, einst größter Grundbesitzer in Slowenien und Kroatien, hatte ein besonderes Interesse, den traditionell römisch-katholischen Norden vom eher laizistisch-jugoslawischen Gesamtverband und von den muslimischen sowie byzantinisch-orthodoxen Gruppen zu separieren. 2.3Die traditionell in Ost-Kroatien und in der Krajna siedelnden Serben wollten unter diesen neuen Voraussetzungen nicht als diskriminierte Minderheit in Kroatien leben. Hinzu kam, daß Nachkommen emigrierter Ustascha-Verbrecher nach 1989 in größerer Zahl nach Kroatien zurückkehrten und alte Rechnungen zu begleichen versuchten. Der Bürgerkrieg zwischen Kroaten und Serben war programmiert - vor allem ging es um die serbischen Gebiete in dem neu entstandenen Kroatien. 2.4Nachzutragen bleibt eine geschichtliche Tragödie: Die Ustascha, eine Art kroatischer SS, hatte unter deutscher Mithilfe ab 1941 ca. 800000 Serben bestialisch ermordet. Das waren knapp 40 Prozent aller Menschenopfer, die während des Zweiten Weltkrieges in Jugoslawien zu beklagen waren. Dies erklärt einiges von der Härte, mit der nach 1990 der Bürgerkrieg ausgetragen wurde. 3.1In der Vielvölker-Region Bosnien- Herzegowina verschärfte die völkerrechtliche Anerkennung Sloweniens und Kroatiens - ebenfalls voraussehbar, falls nicht kalkuliert! - die relevanten Probleme. Führungskräfte der muslimischen Minderheit (knapp 60 Prozent der Bevölkerung sind Nicht-Muslime), z.T. Nachkommen der osmanischen Okkupanten, z.T. religiös konventierte Serben und Kroaten, erstrebten alte Privilegien aus osmanischer Zeit. Damals unterjochten sie die Mehrheit der "Rajas" ("Christenhunde" katholischen und orthodoxen Glaubens) und plünderten sie als Statthalter des mächtigen Sultanats aus. 3.2Alija Izetbegowic, Hauptsprecher der Muslime, forderte bereits 1983 einen muslimischen Gottesstaat auf dem Balkan. In seiner "Islamischen Deklaration" stellt er fest: "Es gibt weder Frieden noch Koexistenz zwischen dem islamischen Glauben und nichtislamischen gesellschaftlichen und politischen Institutionen." 3.3Im Unterschied zu Serbien und Kroatien war Bosnien-Herzegowina nie ein stabiler eigenständiger Staat von längerer Dauer. Eine spezifisch bosnisch-herzegowinische Identität bildete sich zu keiner Zeit heraus. Jedoch war das Zusammenleben von 1945 bis 1989/90 friedlich und solidarisch: in Dörfern und Städten sowie in der Region insgesamt. 3.4Unter den veränderten Bedingungen ab 1992 wollten viele Kroaten dieser Region zum neuen kroatischen Staat, viele Serben zu Rest-Jugoslawien gehören: eine äußerst komplizierte Angelegenheit, eben weil in Bosnien-Herzegowina traditionell gemischt gesiedelt wurde und eine klare Gebietstrennung kaum möglich ist. In manchen Orten im Norden der Region wohnten Muslime, Serben und Kroaten in einer Straße nebeneinander. Soll man deshalb Umsiedlungen akzeptieren? Zunächst ist friedliches Nebeneinander passe. 3.5Der erste bewaffnete Konflikt begann am 6.3.92 im gemischt-besiedelten Mostar: zwischen Kroaten und Muslimen. Ein gefährliches Signal für andere, den neuen Kampf um die Vorherrschaft oder Aufteilung mit militärischen Mitteln zu führen. 3.6Brutalität und Verbrechen bringt jeder Krieg und Bürgerkrieg mit sich. Alle beteiligten Parteien in B.-H. waren und sind an den Grausamkeiten beteiligt. (Vor allem deutsche Medien waren übereinstimmend mit der offiziellen Bonner Politik am Aufbau des neuen Feindbildes - "die" Serben! - beteiligt. In völliger Unkenntnis oder Ignoranz historischer und gegenwärtiger Realitäten wurden Wahrheiten verfälscht oder umgekehrt.) 3.7Historisch gesehen waren die Serben genötigt, ein kämpferisches Volk zu sein. Unterschiedlich zu anderen beugten sie sich keinem Okkupanten; sie festigten im Widerstand ihre Identität und Unabhängigkeit. Gleichwohl waren sie eine der tragenden Kräfte im multikulturellen Vielvölkerstaat Jugoslawien. Auch diese Faktoren wirken heute weiter. 4.1Der Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien eskalierte durch ständige deutsche Einmischung. Das Bonner Interesse an der Zerstörung des in der UNO für Abrüstung und eine neue Weltwirtschaftsordnung wirkenden Vielvölkerstaates begünstigte viele Barbareien. Die Vermittlungsbestrebungen von UNO und EG wurden konterkariert, die Serben laufend provoziert. Bonn setzte sich als Nr.1 in Europa gegen die ursprüngliche Politik von UNO, USA und EG durch. Letztere versuchten zunächst, die staatliche Einheit Jugoslawiens bei verstärkten regionalen Kompetenzen zu erhalten, weil keine Region für sich selbst wirtschaftlich lebensfähig ist. Die normsetzende Kraft geschaffener Fakten führte 1992 zur Aufnahme Kroatiens und Sloweniens in die UNO. 4.2Gegen einen islamischen Brückenkopf auf dem Balkan agierten viele NATO-Politiker und -Militärs. Dagegen betrieben vor allem Deutschland und die islamischen Staaten die völkerrechtliche Anerkennung Bosnien-Herzegowinas. Letztere halfen und helfen den Muslimen; Bonn versorgte via Österreich und Ungarn vor allem die Kroaten mit NVA-Rü stung. 4.3Die US-Regierung versuchte in jüngster Zeit, mit einer Föderation Kroatien/ Bosnien-Herzegowina das Brückenkopf- Problem zu entschärfen und deutsch-islamischen Bestrebungen entgegenzuwirken. (Einer der wichtigsten Mitarbeiter von Izetbegowic hielt in der muslimischen Wochenzeitung Ljlijan kräftig dagegen: "Das bosniakische Volk ist reif für einen eigenen Staat.") 4.4Die Gliederungspläne von UNO und EG für die Vielvölkerregion B.-H. stoßen auf unterschiedlichen Widerstand betroffener Kräfte. Die muslimische Führung strebt nach wie vor einen bosnisch-herzegowinischen Staat unter muslimischer Führung an. Kroaten und Serben tendieren eher zur Aufteilung der Region: Beide sind aus nicht gleichen Gründen gegen einen islamischen Brückenkopf. 4.5Die gegenwärtige Regierung in Bonn war und ist aus globalstrategischen, wirtschaftlichen und nachwirkenden historischen Gründen an der Zersplitterung J. und an der Schwächung der Serben interessiert. Versucht sie, den islamischen Brückenkopf über den Sandschak und Mazedonien sowie die Türkei auf die islamischen Republiken der Ex-UdSSR bis zum neuen Absatz-Gebiet China auszudehnen? Mindestens bis zu den Nah-Ost- Ölstaaten? 5.1Generell wäre zu vermitteln: Mit militärischer Gewalt sind keine Probleme zu lösen; im Gegenteil! Krieg brutalisiert seinem Wesen nach die Menschen und ist prinzipiell gegen Leben und Menschenrechte gerichtet. Insofern ist es Irreführung im Interesse von Rüstungsgewinnlern und Großmachtstrategen, wenn militärische Gewaltanwendung als wirksames Instrument zum Schutz von Leben und Menschenrechten propagiert und realisiert wird. Wer skrupellose Gemetzel und Mißachtung der Menschenwürde durch Gegengewalt zu verhindern vorgibt, steigert de facto die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörungen. 5.2Im konkreten Fall: keine Waffenlieferungen an kämpfende Parteien. Jede weitere Rüstungszufuhr verlängert das Leiden. Gleichbehandlung aller am Konflikt beteiligten Kräfte. Nur deeskalierende Maßnahmen mit dem Ziel gewaltfreien und gerechten Nebeneinanders der südslawischen Völker! Entlarvung gegenwärtiger eskalierender Bonner Großmacht-Praktiken auf dem Balkan und gezieltes politisches Wirken gegen diese. 5.3Ein befriedeter Balkan wird zu einem zuverlässigen politischen und wirtschaftlichen Partner, ein kriegsführender ist das nicht! Nur die Waffenhändler und jene, die den "serbischen Sperr-Riegel" zum Öl in Nah-Ost beseitigen wollen, haben Nutzen von der gegenwärtigen Barbarei. 5.4Eine endgültige Lösung werden nur die beteiligten gesellschaftlichen Kräfte selbst finden können. Maßnahmen von außen liegen in humanitären Maßnahmen, in der Hilfe für friedliche und gerechte Lösungen sowie in zivilen Gegenaktionen contra weitere militärische Gewalt und sonstige Repressalien. Blauhelm-Einsätze zur Trennung streitender Parteien: JA; militärische Eingriffe von außen: NEIN! 5.5Kontaktaufnahme hiesiger gesellschaftlicher Gruppen mit friedensorientierten und auf gerechte Regelungen hinwirkenden Kräften in allen Regionen Ex- Jugoslawiens ist nötig. Ebenso jede Hilfe für solche u.a. bekannte Gruppierungen. Erfahrungsaustausch, auch durch Patenschaften, fördert gegenseitiges Vertrauen und macht komplizierte Probleme transparenter. Humanitäre Hilfe, v.a. wenn deren Wirkung kalkulierbar und zu überprüfen ist. 5.6Schulklassenverbindungen, soweit die Regionen befriedet sind. Perspektivisch: gemeinsame Aufbauprojekte in befriedeten Gebieten. Gemeinsames Planen und Wirken für eine humane Zukunft verbindet und eröffnet neue menschenwürdige Perspektiven. 5.7Problematisierung der zumeist sehr einseitigen, an Bonner Großmacht-Interessen orientierten und auf fragwürdige kroatische Informationsquellen gestützte Medien-Berichterstattung. In einer von der Schweizer Weltwoche publizierten Analyse wurde die totale Verfälschung von Originalberichten aus Ex-Jugoslawien nachgewiesen; Drahtzieher war ein interessierter Rüstungskonzern! - Studium der deutschen Politik von 1914 gegen Serbien und von 1941 gegen Jugoslawien. 5.8Hilfe im konkreten Fall wird langfristig um so wirksamer, je intensiver hierzulande die konfliktfördernden Kräfte und Praktiken mit politischen Mitteln attakkiert und isoliert werden. Lorenz Knorr

Guter und böser

Nationalismus?

Das folgende Papier ist aus Diskussionen in der Jugoslawien-AG der alternativen liste entstanden.

Über die Bewertung des Nationalismus in Ex-Jugoslawien brauchten Linke - so sollte man denken - sich nicht zu streiten. Man lese nur, wie schon im Jahre 1972 Stipe Suvar (zitiert in der FR vom 8.8.92) den Serbischen und den kroatischen Nationalismus charakterisierte: "Eine der typischen Reaktionen des kroatischen Nationalismus ist, die größere Kultur der kroatischen Nation gegenüber anderen zu beweisen - was eine Lüge, ein Stereotyp, ein Mythos ist. Jedenfalls muß der serbische Nationalismus seit jeher die Serben als heldisches, tapferes, unbeugsames Volk herausstreichen. Den kroatischen Nationalisten dient also die Kultur, den serbischen das Waffengeklirr als Kompensation. Die Kroaten verlangen seit 1971 einen separaten Nationalstaat; denn mit dessen Stärke können wir Kroaten uns dagegen schützen, daß uns die Serben infiltrieren, verschlingen, assimilieren, die Sprache wegnehmen usw. Der serbische Nationalismus will ein Groß- Serbien, das Mazedonien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina etc. einschließt. Worauf der kroatische Nationalismus mit Thesen antwortet, daß die Slowenen Alpen-Kroaten sind, die Muslime Dialekt- Kroaten, die serben bis zur Drina orthodoxe Kroaten, die Montenegriner Ost- Kroaten. Also auch die kroatischen Nationalisten würden ihren erträumten Nationalstaat gern mindestens um einen Teil Sloweniens, ganz Bosnien-Herzegowina, Süd-Montenegro, Nord- und Mittelserbien abrunden." Daß der Nationalismus in Jugoslawien nicht eine folkloristische Liebenswürdigkeit, sondern eine potentielle Kriegsgefahr darstellte, konnte also schon seit langem als gesichert gelten. ("Der Krieg ist die natürliche Form des entwickelten Nationalismus", wie Rada Ivekovic in ihrem Aufsatz "Zwischen Nationalismus und Friedensbewegung" am 10.10.1992 in der taz schrieb.) Daß nationalistische Elemente im ehemaligen Jugoslawien derart brisante Wirkungen haben konnten, hängt, abgesehen von der Siedlungsstruktur Jugoslawiens, damit zusammen, daß transnationale föderative Balkan-Projekte z.B. Dimitroffs und Titos nach 1945 am Widerstand der Sowjetunion unter Stalin scheiterten. Daß die rigorose Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechts der Völker, verbunden mit einer interventionistischen Anerkennungspolitik der BRD-Regierung, die Lage im ehemaligen Jugoslawien entscheidend verschärft hat, ergibt sich hieraus geradezu zwangsläufig. Daher muß es naiv erscheinen, wenn argumentiert wird: "Wenn die Mehrheit eines Volkes seine Unabhängigkeit will, dann ist dies sein demokratisches Recht auf Selbstbestimmung. Wird es unterdrückt oder angegriffen, hat ein Volk das Recht auf Selbstverteidigung." (Michael Schade in der Hamburger Lehrerzeitung 12/93, S.51) Denn wie will man mit mit den Rechten der Minderheiten innerhalb des jeweiligen Staatsverbandes umgehen? Sollen sie auch ein Recht auf Staatsbildung bekommen? Dann müßte man ihnen auch die Sezession erlauben;. Die Serben in der Krajina z.B. könnten dann dasselbe Recht einfordern wie die dort wohnenden Kroaten. (Daß sie dieses fordern, erklärt zu einem Teil, weshalb sie den jetzigen Friedensplan für Bosnien-Herzegowina ablehnen.) Auf die Brisanz solcher Forderungen innerhalb des ex-jugoslawischen Staatsgebietes braucht angesichts der Ereignisse der letzten Jahre nicht mehr hingewiesen zu werden. Das wäre die Argumentation von den zu befürchtenden Folgen her. Aber ist der Nationalismus an sich verwerflich, und zwar nicht beschränkt auf den ex-jugoslawischen oder auch nur den europäischen Raum? Diese Frage betrifft nationale Befreiungsbewegungen auch außerhalb Europas, und die Antwort hat dementsprechend weitreichende Konsequenzen; es steht also beispielsweise, um mit einem inzwischen historischen Beispiel zu beginnen, die Bewertung der Parole "Für den Sieg im Volkskrieg" (Vietnamkrieg) zur Debatte; es geht um die Frage nach der Berechtigung der Forderung nach einem Kurdenstaat, um die Bewertung der Politik der IRA, wo sich die nationale Komponente in den Trennungslinien entlang der Religionszugehörigkeit darstellt+ und konkret die Form der Forderung nach Anlehnung an die Republik Irland statt an Großbritannien annimmt; genauso steht die Bewertung der Politik der ETA zur Debatte. Es geht bei der Bewertung nur um die nationale Komponente der genannten und verwandter Bewegungen. Hierzu nur einige Anmerkungen: Zwar haben alle genannten - im Gegensatz zu den ex-jugoslawischen - Bewegungen insofern eine fortschrittliche Komponente, als sie gleichzeitig Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse angreifen bzw. angriffen. Sie enthalten aber zugleich auch einen Aspekt der Ausgrenzung. (Selbst die CDU-Politikerin Rita Süßmuth findet es "geschichtsblind", die Illusion zu nähren, es sei möglich, "einen politisch ungefährlichen Nationalismus wiederzubeleben". Nationalismus vermittle nicht nur "Zugehörigkeits- und Heimatgefühl, sondern bedeute stets auch Ausgrenzung". :FR vom 23.8.1994¼) - In Vietnam richtete sich nach dem Ende des Krieges Repression gegen Nachkommen chinesischer Einwanderer, die dann auch einen großen Teil der "boat-people" bildeten. - Über Auseinandersetzungen innerhalb der baskischen Befreiungsbewegung berichtet die junge Welt (16.8.1994) und zitiert die Aussage eines Kommunisten und Ex-Mitglieds der Heri-Batasuna-Führung namens Jose Antonio Egido, der "beklagte, daß es oft einen >flachen Anti-Espagnolismus gebe<, der alles >Spanische zum Schuldigen für die Situation< mache. - Und wer durch Katalonien fährt, dem fallen aggressive Graffiti mit dem Inhalt "Wir sind keine Spanier, wir sind Katalanen" auf - Schuldzuweisungen an bzw. Abgrenzung von Menschengruppen, die allein aufgrund ethnischer Zugehörigkeit definiert werden, lassen sich als Begleiterscheinungen nationaler Forderungen beobachten. - Auch die FSLN in Nicaragua kann als ursprünglich nationale Befreiungsbewegung angesehen werden, obwohl sie primär gegen eine Diktatur im eigenen Land kämpfte. Aber Somoza war - wie Eisenhower sagte - nicht einfach "a son of a bitch", sondern "our son of a bitch"; er wurde von der US-Regierung gestützt und verschleuderte zum Dank dafür die Reichtümer des Landes wie Goldminen und Wälder. Selbst eine zum damaligen Zeitpunkt antiimperialistische Bewegung wie die FSLN mußte nach ihrem Sieg im Umgang mit ethnischen Minderheiten, insbesondere der Miskito-Indianern, schmerzlich hinzulernen (wenn auch die Anklagen von Menschenrechtskämpfern wie Heiner Geißler oder der US-amerikanischen reaktionären UN-Botschafterin Jeanne Kirkpatrick nicht nur heuchlerisch, sondern auch maßlos übertrieben waren.) Wenn Befreiungsbewegungen also den Nationalismus "als ideologischen Kitt zwischen den gegensätzlichen Klassen und Schichten" (Avanti 21/Sept. 1992, S.15) benutzen, dann ist das riskant und bestenfalls als taktisches Mittel im Kampf gegen imperialistische Unterdrückung und Ausbeutung zu billigen. (Der antikoloniale Nationalismus "verliert" zudem "seine ökonomische Basis", "seit der Kapitalismus seinen nationalistischen Rahmen gesprengt hat", wie Gerhard Vinnai :FR vom 23.4.1994¼ feststellt.) Wir sollten uns aber auf jeden Fall hüten, in Nationalitätenkämpfen wie in Ex-Jugoslawien den einen Nationalismus gegen den anderen zu unterstützen=, weil das hieße, seinen ausgrenzenden Charakter zu verkennen, der sich in Rassismus und Krieg zeigen kann. Entscheidend dafür, ob ein Staat Anerkennung verdient, kann nicht seine ethnische Zusammensetzung, sondern die Berücksichtigung der Menschenrechte - und zwar nicht nur der bürgerlichen, sondern auch der sozialen - sein. -(lz) (1) So schwadroniert Ingo von Münch vom "Recht auf Sezession", (in: Josip Furkes/Karl- Heinz Schlarp :Hrsg.¼: Jugoslawien. Ein Staat zerfällt, rororo aktuell 13074, 1991, S. 193-199) zu einem Zeitpunkt, als sein Parteifreund Genscher alles daransetzte, die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens international durchzusetzen. Er hat auch noch die Stirn zu behaupten: "Im Fall Slowenien und Kroatien liegt eine unzulässige Intervention einzelner oder mehrerer dritter Staaten oder einer Staatengemeinschaft (etwa der EG) nicht vor." Und weiter: "Auffallend ist die bisher praktizierte Zurückhaltung der an Slowenien und Kroatien angrenzenden nichtjugoslawischen Nachbarstaaten, aber auch der Bundesrepublik Deutschland." (S. 195) Dagegen fordert v.Münch: "Die Bundesregierung wird von ihrer restriktiven Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien Abstand nehmen müssen, wenn sie das gerade von ihr so häufig und mit Überzeugung beschworene Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht zum Meineid werden lassen will." (S. 197) (2) Die Protestanten in Nordirland sind ursprünglich Einwanderer aus England und Schottland gewesen. (3) In Arbeiterpolitik 5/92, S. 9-17, wird eine Kontroverse ausgetragen, wobei die eine Seite dem serbischen Nationalismus (ohne ihn zu unterstützen) antiimperialistische Züge zubilligt, die Gegenseite sie ihm hingegen bestreitet. Literaturhinweis: Die vorangehenden Überlegungen verdanken vieles einem außerordentlich widersprüchlichen Aufsatz von Goran Tomicic: "Auf welcher Seite?" (in: Catherine Samary, Krieg in Jugoslawien, isp- pocket 53, 1992, S. 132-148.) - Nachdem der Verf. eine plausible Position gegenüber dem Nationalismus entwickelt hat, empfiehlt er dann doch (S. 145), im Krieg die kroatische Seite zu unterstützen!

Gisela Wiese nimmt Stellung

In die Auseinandersetzung um das PDS-Plakat "Todesstrafe - lebenslange Freiheitsstrafe" möchte ich mich einmischen. Zunächst distanziere ich mich von denen, die unsachlich, hetzerisch eine Gruppierung, die ihnen nicht paßt, diffamieren. Mir geht es nicht um Unterstützung von Parteien, sondern um die Sache. Wer demosches Empfinden hat und die Verhältnisse in unseren Justizvollten kennt, muß sich mit den Folgen langer Haftzeiten auseinandersetzen. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat gründlich theoretisch und praktisch dazu gearbeitet und ist zu dem Ergebnis gekommen, lebenslange Haft darf kein Mittel demokratischer Justiz mehr sein. Seit 20 Jahren begleite ich gefangene Menschen. Meine Beobachtung ist, weder den Opfern noch der Gesellschaft erwachsen aus lebenslanger Haft des Täters sinnvolle Zukunftsperspektiven. Nun werden mir die empörten Protestierer entgegenhalten, es geht hier um Terroristen. Da halte ich ihnen entgegen: Sind sie keine Menschen? Haben nicht gerade sie, die Isolationshaft erleiden mußten, die für mich eine Verletzung der Menschenrechte bedeutet, ein Anrecht auf unsere demokratische Verantwortung? Meiner Unterstützung für die Freilassung der RAF-Gefangenen möchte ich hinzufügen, für alle straffällig gewordene Menschen darf es keine lebenslange Haft mehr geben. Niemand ist zu diffamieren, der sich dafür einsetzt. Zu hinterfragen sind die, die in diesem Fall besorgt um die Demokratie sind, aber weder zur nationalistischen, rassistischen Gesinnung noch zu der menschenunwürdigen Abschiebepraxis ihre Stimme erheben.

Gisela Wiese, Vizepräsidentin von Pax Christi in der BRD

Zweite Veranstaltung in der Reihe der Gruppe P.A.K.T.

Parlamentarismus - "Politikverdrossenheit" oder "Die Nation formiert sich"

Deutschland vor den Wahlen - Während sich Italien für die Politik der "sauberen Hände" entschied und, erstmals nach der Zerschlagung des Faschismus in Europa 1945, sich wieder Faschisten an einer Regierung beteiligen dürfen, wird nun auch in Deutschland immer offener über eine völlige Revision der Nachkriegsgeschichte in den Feuilletons von FAZ, Welt, Junge Freiheit, aber auch Bild polemisiert. Deutschland stöhnt über "Polit-Bonzen", die "Parasiten am Volkskörper", die Politiker-Klasse, die absahnt. Das Schlagwort der "Politikverdrossenheit" hat zudem jedem/jeder das Argument in die Hand gegeben, vor sich zu begründen, sich scheinbar aus der Politik zurückzuziehen. Es entsteht eine Ambivalenz zwischen "Die da oben werden das schon machen" und "Was kann ich als einzelner/ einzelne schon gegen die da oben machen". Diese Spielart der Entpolitisierung ist tendenziell herrschaftserhaltend und herrschaftsfördernd und somit reaktionär. Mit der Argumentation der Effizienz und der Modernisierung werden Elemente der Bonner Republik, die in den alten Tagen der BRD als Staatsräson galten, nun mehr und mehr in Frage gestellt. Die Homogenisierung der Parteienlandschaft geht noch nicht weit genug, um "deutsche Interessen am besten zu vertreten". Die "Linke" befindet sich in ungeordneten Rückzugsgefechten. Es entsteht eine heftige Diskussion über Gegenstrategien und Möglichkeiten, überhaupt noch Politik zu machen. Gerade um die Frage parlamentarischer Arbeit Ja oder Nein wird am meisten gestritten. Wir wollen über die Fragen diskutieren, wie sich "linke" Parlamentarismuskritik von "rechter" abgrenzt, und über die Möglichkeiten, Politik zu machen, überhaupt. Gruppe P.A.K.T.

Veranstaltungs- und Filmreihe

Was tun? Gegen die Flut

Bevölkerungsplaner

Die Reihe begann Anfang September. Der Eintritt kostet 3 DM (Veranstaltungen) bzw. 7 DM (Filme).

Donnerstag, 29.9., 19.30 Uhr Veranstaltung in Werkstatt 3: Interessen der Industrieländer. Referentinnen: S. Schulz (ASW Berlin), N.N.

Donnerstag, 6.10., 19.30 Uhr Veranstaltung in Werkstatt 3: Menschen als ökologisches Problem. Referentin: Ingrid Spiller (ASW)

Montag, 10.10., 19.30 Uhr Film: "Antikörper gegen Schwangerschaft". Der Traum von der perfekten Geburtenkontrolle aus dem Labor. Ulrike Schaz, Mitarbeit Ingrid Schneider, 1991, 45 Minuten. Lichtmeß, Gaußstr. 15, Altona.

Mittwoch, 12.10., 19.30 Uhr Film: "Passion Recherche", von Ulrike Schaz u.a. Lichtmeß.

Freitag, 14.10., 19.30 Uhr Veranstaltung: Pillen, Planer und die Zukunft des Planeten - Gegenbilder. Frauenarchiv Frauen/Filmbüro. Filmhaus Foyer, Friedensalle 7, Altona

Montag, 17.10., 19.30 Uhr Film: "Der Pannwitzblick". Didi Danquart, Medienwerkstatt Freiburg. Ein Film von ungewöhnlicher Sprache, mit ungewöhnlichen Bildern über ein ungewöhnliches Thema: die Aussonderung von geistig und körperlich behinderten Menschen. Lichtmeß

Donnerstag, 20.10., 19.30 Uhr Veranstaltung in der Werkstatt 3: Bevölkerungspolitik in der Bundesrepublik. Mit U. Penselin, U. Sierck

Lokalberichte HamburgNr. 20/1994, 29.September 1994 Herausgeberkreis: Alternative Liste, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen, Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Geheitspolitik, Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Arbeitskreis Azania, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Hochschul- Antifa, Liste Links, Mitglieder der PDS/Linken Liste Hamburg, Vereinigte Sozialistische Partei, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Redaktionstreffen: Donnerstag, 6.Oktober, 18.00Uhr. Die Loberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo 39,- DM (Förderabo: 46,80,-, für Leute mit wenig Geld 26,-), zu zahlen auf das Konto GNN-Verlag, HASPA, BLZ 20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH