Türkei weist Hamburger Journalistin aus Die in Mersin/Türkei lebende Hamburger Journalistin Corry Guttstadt ist am 8. Februar 1995 in Izmir festgenommen und einen Tag später von den türkischen Behörden in die BRD zwangsausgewiesen worden. Corry Guttstadt hatte in Izmir für einen Redebeitrag auf dem Kongreß "Migration und Rassismus in europäischen Hafenstädten" recherchiert. Die Zwangsausweisung ausländischer JournalistInnen ist ein Mittel der türkischen Regierung, um eine kritische Berichterstattung zu verhindern. Wir als VeranstalterInnen fordern die türkische Regierung auf, die Ausweisungsverfügung unverzüglich aufzuheben und Corry Guttstadt bei der Ausübung ihrer journalistischen Arbeit nicht weiter zu behindern. Corry Guttstadt ist kein Einzelfall. Deshalb fordern wir grundsätzlich die Durchsetzung der Pressefreiheit und ein Ende der Repressionen gegen kritische Stimmen in der Türkei. Werkstatt 3, 19.2.1995 Nachtrag: Corry Guttstadt protestierte am vergangenen Freitag vor dem türkischen Generalkonsulat. Sie ist alleinerziehend und hat bei ihrer Ausweisung zwei Kinder im Alter von drei und sieben Jahren zurücklassen müssen; sie verlangt wenigstens die befristete Aussetzung des Ausweisungsbeschlusses, um ihre Kinder aus Mersin abholen zu können. Das türkische Generalkonsulat erklärte sich für unzuständig. (Nach taz vom 25./26.2.)

Antwort auf die Provokation der Arbeitgeberverbände

HBV-Tarifaktion für 6 Prozent,

mindestens 250,- DM

"Peanuts für alle, bar auf die Kralle", war das Motto eines Rosenmontagsumzugs von Bank- und Versicherungsbeschäftigten der Gewerkschaft HBV am 27.2. in der Hamburger Innenstadt. Die bisherigen Verhandlungsrunden für die Banken und Versicherungen bestanden nur aus Provokationen der Arbeitgeberverbände: Verlängerung der Arbeitszeit bis auf 45 Stunden; Kürzung des Vorruhestandsgeldes, Urlaubskürzung, indem Urlaub auszahlbar werden soll; Samstagsarbeit (für die Bankangestellten); Nullrunde und keinerlei Übernahme-Absicherung für Auszubildende; völlige Streichung des Vorruhestandes, wenn die Gewerkschaften nicht alle vorstehenden Forderungen erfüllen. Soweit die Auszüge aus dem Forderungskatalog. Ohnehin wird in Banken und Versicherungen heftig rationalisiert und fusioniert, Zehntausende von Beschäftigten werden in den nächsten Jahren auf die Straße fliegen. Während die Gewinne von Banken und Versicherungen jedes Jahr neue Rekordhöhen erreichen, liegt der reale Verlust an Kaufkraft, den die Lohnabhängigen seit Anfang letzten Jahres hinnehmen mußten, durch Erhöhungen der Steuern, Abgaben und Preise bei 10%. "Peanuts für alle" am 27.2. war Auftakt zu weiteren Aktionen, mit denen die Beschäftigten den Forderungen der Banken und Versicherungen entgegentreten wollen und wenigstens einen Teil ihres Lohnstandards erhalten wollen. Nächster Aktionstag ist der 7.3.95. An diesem Tag findet in Hamburg die dritte Verhandlungsrunde für die Versicherungen statt. Die Forderung der HBV liegt bei 6% sowie einem Mindestbetrag von DM 250,- (bei Versicherungen). -(res)

Metallerstreik in Bayern

Welche Ziele verfolgt Gesamtmetall?

Mit Durchführung der Urabstimmung im Bezirk Bayern und Einleitung des Streiks in mittlerweile (27.2.95) 22 Betrieben der bayerischen Metallindustrie hat die IG Metall die Metallarbeitgeber unter Handlungszwang gesetzt.

Die IG Metall reagierte damit auf die Verweigerungshaltung der Metallarbeitgeber, die in den regionalen Verhandlungen kein konkretes Lohnangebot vorlegten und zuerst Zustimmung der IG Metall zu Kostensenkungen forderten. Daß jetzt ernstgemacht wurde, und die gewerkschaftliche Kampfführung nicht wie in den letzten Jahren auf Warnstreiks und Kundgebungen beschränkt blieb, entpricht der Stimmung in der IG Metall-Mitgliedschaft. Die Streiktaktik der IG Metall ist von Vorsicht geprägt: MIm 1. Streik nach der Énderung des @116 AFG werden - zumindest in der ersten Streikphase - nur solche Betriebe bestreikt, von denen bei Lahmlegung der Produktion keine Fernwirkung auf andere Betriebe erwartet wird. MIn die Urabstimmung wurden von der IG Metall nicht flächendeckend alle Betriebe einbezogen, und in den bestreikten Betrieben wurden bis heute die Angestellten von der IG Metall nicht zum Streik aufgerufen. Offensichtlich sieht die IG Metall Vorsicht angesagt nach den Erfahrungen des letzten Metallstreiks 1954 in Bayern, der mit Spaltung von Belegschaften, Betriebsräten und Gewerkschaft endete und dessen materielles Ergebnis nach hartem Streik nicht befriedigen konnte. Eine Erfahrung, die tief sitzt im Gedächtnis der bayerischen IG Metall. Bisher steht der Streik der Arbeiter gut. Erste Reaktionen haben Spaltungslinien im Arbeitgeberlager sichtbar gemacht, Stimmen wurden laut, die der Gesamtmetallspitze zu sture Verhandlungsführung, die unnützerweise zum Streik provoziert hätte, vorwarfen. Auf die Vertiefung dieser Spaltungslinien zielt die Streiktaktik der IG Metall, die dort angreift, wo die schärfsten Verfechter eines harten Kurses im Arbeitgeberlager sitzen. Die weitere Entwicklung wird zuerst davon abhängen, wie sich die Kräfte bei Gesamtmetall gruppieren, wie hartnäkkig und weitgehend die Arbeitgeber ihre Ziele verfolgen wollen: Auf der Lohnseite scheint Gesamtmetall auf eine moderate Lohnerhöhung abzuzielen, je weiter unter der Vier-Prozent-Marke, um so besser. Sehr gerne würde Gesamtmetall aber wohl eine möglichst weite Verlängerung der Laufzeit der Lohntarife über 12 Monate hinaus abschließen, selbst wenn dafür die nominale Lohnmarke angehoben werden müßte. Konjunkturexperten munkeln bereits von vielen Anzeichen für einen Anstieg der Inflation, die durch eine anziehende und sich verstärkende Konjunktur vielleicht noch angeheizt würde. Für die Arbeitnehmer würde eine lange Laufzeit dann das Risiko in sich birgen, bei starker Inflation trotz guter Kampfbedingungen mit gebundenen Händen dazusitzen. Die Lohnerhöhung will Gesamtmetall durch betriebliche Kosteneinsparungen vor allem durch stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit (Einsparung von Mehrarbeitszuschlägen usw.) und insgesamt durch deutliche Schwächung tariflicher Regelungen dauerhaft kompensieren. Spekuliert die Gesamtmetallspitze nach den Entwicklungen der letzten Jahre auf eine organisatorische Schwächung und politische Isolierung der IG Metall und will sie in langem Kampf die Streikfähigkeit der bayerischen IG Metall auf die Probe stellen? Die IG Metall hat in Bayern ca. 40% der Beschäftigten organisiert, 60% bei den Arbeitern und nur 16% bei den Angestellten. -(cls)

Migration und Rassismus in europäischen Hafenstädten

Kongreß erfolgreich durchgeführt

Am Sonntag endete der intertionale Kongreß "Migration und Rassismus in europäischen Hafenstädten" Mit mehr als 200 TeilnehmerInnen aus der Bundesrepublik und dem europäischen Ausland waren alle Veranstaltungen restlos ausgebucht. Die unerwartet hohe Resonanz führte dazu, daß auch die Karten an der Tageskasse in kürzester Zeit ausverkauft waren und viele Interessierte leider keinen Einlaß mehr fanden. Es war der erste Kongreß in Hamburg, der WissenschaftlerInnen und Projekten aus europäischen Hafenstädten ein gemeinsames Diskussionsforum bot. An vier Tagen wurden in Plenen und Arbeitsgruppen die Themenkomplexe Migration und Rassismus/Antirassismus in den verschiedenen Hafenstädten analysiert und dargestellt. Eine Simultanübersetzung in bis zu fünf Sprachen sorgte dabei für eine gleichmäßige Beteiligung aller BesucherInnen an den Vorträgen und Diskussionen. Am Sonntagvormittag wurden die Inhalte der Arbeitsgruppen vom Vortage präsentiert und die Perspektiven der antirassistischen Arbeit diskutiert. Folgende Einschätzungen lassen sich zu den Bereichen Migration und antirassistische Praxis festhalten: Die >harmonisierte< Asyl- und Flüchtlingspolitik der Europäischen Union treibt immer mehr Flüchtlinge in die Illegalität und stellt MigrantInnenorganisationen und Anti-Rassismus-Gruppen vor neue Herausforderungen. Sie müssen nach veränderten Formen der praktischen Unterstützung und der Solidarität mit illegalen Flüchtlingen suchen. Deutlich wurde, daß die beteiligten Hafenstädte unterschiedliche - historisch bedingte - gesellschaftliche Rahmenbedingungen aufweisen, die einen Einfluß auf die rechtliche und soziale Situation von MigrantInnen ausüben. Unterschiedlich sind auch der Grad und die Form der Organisierung von MigrantInnen in den einzelnen Städten. Städte wie London und Marseille blicken beispielsweise auf eine 20- bis 50jährige Erfahrung in der antirassistischen Arbeit zurück, während die antirassistische Bewegung in Hamburg oder Lissabon noch relativ jung ist. Gemeinsam ist den im Kongreß vertretenen Städten und Ländern jedoch, daß MigrantInnen und Flüchtlinge in nahezu allen Lebensbereichen massiven Diskriminierungen ausgesetzt sind. Ob es um die Versorgung mit Wohnraum geht, den Zugang zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen oder die Beteiligung an politischen Entscheidungen, überall treffen sie auf eine rassistische Praxis der Behörden und eine feindselige Einstellung in der "weißen" Bevölkerung. Diese europaweite Gemeinsamkeit des gesellschaftlich verankerten Rassismus macht die Suche nach gemeinsamen Antworten der antirassistischen Bewegungen um so dringender. Darüber hinaus muß eine formale und rechtliche Gleichstellung von MigrantInnen erkämpft werden. Diese ist eine der Grundvoraussetzungen für einen gleichberechtigten Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen im Einwanderungsland. Neben dem Bedürfnis eines Informationsaustausches wurde insbesondere der Wunsch nach der praktischen Zusammenarbeit und der Vernetzung auf europäischer Ebene laut. () Der Kongreß wurde offiziell mit einer Kundgebung vor dem Abschiebeknast Glasmoor beendet, an der über 250 Kongreß-BesucherInnen teilnahmen. () -Werkstatt 3, 19.2.1995, aus Platzgründen gekürzt

Senat will Akten

nicht herausgeben

Zwar hat das Amtsgericht Hamburg am 14.2. dem Beschlagnahmeantrag des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses "Polizei" gegen den Senat stattgegeben und die Beschlagnahme von 1800 Polizei-, Staatsanwaltschafts- und Disziplinarakten angeordnet, die im Zusammenhang mit dem sog. Polizeiskandal stehen. Doch der Senat verweigert die Herausgabe nach wie vor und hat die Aussetzung der Beschlagnahmevollstreckung beantragt, (vorerst) mit Erfolg: Das Amtsgericht entschied, daß seine eigene Entscheidung bis zu einer Entscheidung des Beschwerdegerichts, längstens jedoch bis zum 6.3., ausgesetzt wird. Die Argumentation des Senats ist fadenscheinig: Man wolle die Persönlichkeitsrechte betroffener Bürger und Polizeibeamter schützen. Tatsächlich sind aus den Akten, die der Untersuchungsausschuß zur Aufklärung benötigt, sogenannte Intimdaten und Daten, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag stünden, längst entfernt. Was also will der Senat? Zeit gewinnen, die zur Aufklärung der Vorwürfe (Übergriffe gegen Flüchtlinge, Journalistinnen und Journalisten, Drogenabhängige) dann fehlt? Spuren tilgen? Die Verantwortung der Polizeiführung und die systematische Verselbständigung und Entfesselung des Polizeiapparates vertuschen? -(scc)

Das Hamburger Frauenbündnis zum 8. März, dem Internationalen Frauentag

Wir wollen unsere Zeit zurück!

Frauen erheben Anklage

Wir Frauen wollen Geld verdienen und Freizeit haben, wir wollen uns um uns und andere kümmern, wir wollen mit Kindern leben können. Dazu brauchen wir ZEIT. Am 8. März, dem internationalen Frauentag, wollen wir Zeichen setzen für: -eine gerechte Verteilung der Erwerbsarbeit, -eine gerechte Aufteilung und Anerkennung der häuslichen Arbeit, -Zeit, über die Menschen und nicht die Auslastung von Maschinen bestim men. Frauen versuchen, ein schönes Privatleben und Erwerbsarbeit, Freunde, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, mit Teilzeitjobs, Schichtarbeit, Nachtarbeit, Arbeit an Wochenenden; für ihre Familie steigen sie aus ihrem Beruf aus und kommen später oft genug nicht wieder hinein; sie gehen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ein, kurz: Selbstbestimmung über unsere Zeit scheint ganz weit weg zu sein. Kann es sie überhaupt geben? Welche Schritte können wir dahin gehen? Denkanstöße will das Hamburger Frauenbündnis am 8. März geben. Kommt zu unserer Veranstaltung in den Räumlichkeiten: Diakonisches Werk Königstr. 54 (Ecke Max-Brauer-Allee) 22767 Hamburg Einlaß ab 18.00 Uhr Beginn: 19.00 Uhr Eröffnung und Begrüßung: Barbara Schönfeld (Journalistin) Moderation: Christiane Reymann (Journalistin) Zeuginnen: Betriebsrätinnen aus verschiedenen Branchen und Gewerkschaften legen Zeugnis ab; Frauen berichten über total flexibilisierte Arbeitszeiten und deren Auswirkungen auf das Leben; Frauen stellen Fragen, was ihre Zeit wert ist, und suchen nach Auswegen, um mehr Zeit für sich zu haben. Beraterinnen u.a.: Kerstin Artus, IG Medien; Dorothea Goergens, Rechtsanwältin; Hildegard Matthies, Mitautorin Arbeit 2000, Nicola Oppl, Informationsstelle für Arbeit und Gesundheit2; Rut Rohrandt, Nordelbisches Frauenreferat, Kiel; Ilona Schulz-Müller, DAG- Bundesvorstand Rezitation: Gisela Krebs

AG Lisa Hamburg zum 8. März

Keiner schiebt

uns weg!

Wir Frauen sind in der "glücklichen" Situation, zwei bereits institutionalisierte Tage zu unserer Verfügung zu haben. Da der Muttertag aber tradierterweise eher der Versöhnung mit dem Patriarchat gewidmet ist, werden sich unsere Ausführungen im folgenden auf den 8. März, dem aus der sozialistischen Frauenbewegung hervorgegangenen internationalen Frauentag, beziehen. Wir können und müssen ihn als Forum benutzen, um unsere gesellschaftliche Stellung zu diskutieren und unseren Protest zu veröffentlichen. Gesellschaftliche Realität bedeutet noch immer, sich mit patriarchal geprägten Frauenbildern auseinandersetzen zu müssen. Diese lassen keine zufriedenstellenden Lebensentwürfe für Frauen zu. Es sei denn, frau findet sich mit Rollenvorschlägen wie Mutter, Hausfrau, Ehefrau und Sexualobjekt ab. So gelten z.B. Belästigungen am Arbeitsplatz noch immer als Kavaliersdelikte, daran ändern auch die geringfügigen gesetzlichen Vorhaben nichts. In der Öffentlichkeit betrachten Männer noch immer die Frauen als Freiwild, welches sie sich zu jeder Zeit verfügbar machen können. Die Ideologie der Hausfrau und Mutter als selbstverständlicher Lebensplan und der Familie als "Keimzelle der Gesellschaft" werden wieder aus der kapitalistisch-patriarchalen Mottenkiste geholt. Gleichzeitig werden Frauen massenweise aus Normalarbeitsverhältnissen herausgedrängt, Erwerbsarbeit und die damit verbundene ökonomische Unabhängigkeit vom Mann ist jedoch die Grundlage eines selbstbestimmten Frauenlebens und die Voraussetzung für Emanzipation. Forciert wird die Diskriminierung der Frau in allen Lebensbereichen unter anderem durch die herrschende konservative Politik. Verfolgt frau die aktuellen Debatten um den @218 und Vergewaltigung in der Ehe, dann wird deutlich, daß Frauen, besonders Ehefrauen, in der patriarchalen Logik immer noch als Eigentum des Mannes gelten. SPD und BündnisGrüne rücken unterdessen Schritt für Schritt von ursprünglichen Forderungen ab, angeblich um eine breitere Basis für ihre Gesetzesentwürfe zu erlangen. Wir hingegen sind der Auffassung, daß die sogenannte "Frauenfrage" nicht isoliert von anderen Unterdrükkungsmechanismen dieser patriarchal- kapitalistischen Gesellschaft betrachtet werden kann. Deshalb besteht die Notwendigkeit der gleichzeitigen Überwindung von Kapitalismus und Patriarchat. Frauenunterdrückung ist allerdings Bestandteil des grundlegenden Problems der Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. In der AG Lisa, der linken sozialistischen feministischen Frauenarbeitsgemeinschaft der PDS, setzen wir uns deshalb für eine feministische Politik ein, die sich als Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen begreift, wie z.B. dem der antirassistischen Politik. Lisa geht es um eine emanzipatorische sozialistische Gesellschaft, in der jedes Individuum ohne Ausgrenzung und Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, der Herkunft und/oder der geschlechtlichen Orientierung eine eigene Lebensweise entwickeln kann. Daher solidarisieren wir uns mit der internationalen Frauenbewegung und den von ihr geplanten Aktionen anläßlich des 8.März. AG Lisa Hamburg

PDS diskutierte

Parteitag

Rund 80 Personen versammelten sich am Montag, den 27.2.95, zur Offenen Landesversammlung der PDS/Linke Liste in der für diese Zwecke inzwischen viel zu klein gewordenen Landesgeschäftsstelle an der Palmaille 24. Auf der Tagesordnung standen zwei Fragen: Die Befürwortung der Einstellung eines hauptamtlichen Mitarbeiters (Wahlkreismitarbeiter) sowie die Auswertung des gerade stattgefundenen Bundesparteitages der PDS. Die Ergebnisse sind klar: Auf der Grundlage einer Empfehlung einer vor einigen Wochen gebildeten Kommission (Horst Bethge, Susanne Beyer, Kirsten Radüge und Andreas Grünwald) votierte die Versammlung in geheimer Abstimmung bei lediglich 5 Enthaltungen und 2 NeinStimmen mit übergroßer Mehrheit für die Einstellung von Meinhard Mäker, der sich entsprechend bei der Versammlung für dieses Vertrauensvotum bedankte. Spannungsreicher war dagegen die Diskussion zum Bundesparteitag der PDS. In zwei Einführungsbeiträgen bewerteten Kirsten Radüge und Joachim Bischoff Verlauf und Ergebnis des Bundesparteitages sehr kritisch. Die Zuspitzung der Debatte auf die Frage des "Stalinismus" und der Personalisierung politischer Probleme habe letztendlich in keiner Weise dazu geführt, daß irgend ein politisches Problem, vor dem die Partei stehe, auch nur ansatzweise einer konstruktiven Lösung zugeführt worden sei. In den Beiträgen wie in der anschließenden Generaldebatte wurde insbesondere das Wirken des Bundesvorstandes, dem undemokratisches Verhalten vorgeworfen wurde, massiv kritisiert. Zum Schluß der Versammlung befand die Landesversammlung über mehrere Anträge. Zunächst wurde ein (allerdings im Verlauf der Debatte abgeänderter) Antrag von Kirsten Radüge und Andreas Grünwald beschlossen, in dem der Geschäftsführer des Landesverbandes aufgefordert ist, den finanziellen Jahresabschluß auf der Grundlage von Statut und Parteiengesetz auszuweisen. Der Beschlußtext bezieht sich auf eine Kontroverse mit Teilen des Bundesvorstandes der Partei, die nach dem Parteitag über verschiedene Medien und im Pressedienst gegen die Arbeitsgemeinschaften Bund Westdeutscher Kommunisten in und bei der PDS/Linke Liste polemisiert hatten und den Prozeß der Herausbildung dieser kommunistischen Arbeitsgemeinschaften statuar anzweifeln. Gleichzeitig beschloß die Landesversammlung, den Arbeitsausschuß zu beauftragen, in Gesprächen mit dem Bundesvorstand die Positionen des Hamburger Landesverbandes zu dieser Frage deutlich zu machen. Dann wurden weitere Anträge zum Komplex 1. und 8. Mai beschlossen. So will die PDS vom 22.4.95 bis 8. Mai 95 Aktionswochen durchführen: Informationsstände, Aktionen zum Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus und ggf. eine eigene Massenzeitung sollen Instrumente politischer Aufklärung sein. Außerdem soll für die gewerkschaftliche Maidemonstration mobilisiert werden. Darüber hinaus beschloß die Versammlung, zwei Veranstaltungen zu unterstützen. So eine Veranstaltung der Arbeitsgruppe Betrieb und Gewerkschaft zum 8. Mai mit Jacob Moneta und eine Bündnisveranstaltung "verschiedener sozialistischer und linker Organisationen" zu "Perspektiven sozialistischer Oppositionspolitik". Die PDS/LL will außerdem eine größere antifaschistische Aktion des Motorradclubs Kuhle Wampe unterstützen. a.g. »Die nächste offene Landesversammlung der PDS findet am 25.3.95 statt. Dann soll der Arbeitsausschuß/Landesvorstand neu gewählt werden.À

PDS: Rüstungs

export verbieten!

Die PDS im Bundestag hat am 15.2. einen Antrag eingebracht, mit dem sie ein verfassungsrechtlich verankertes Verbot von Waffen und Rüstungsgütern verlangt. Danach sollen Rüstungsexporte in Nato- und EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Griechenland und der Türkei innerhalb von fünf Jahren vollständig eingestellt werden. Für Griechenland und die Türkei soll das Verbot wie für alle übrigen Länder ab sofort in Kraft treten. Im Rahmen der EU soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß in internationaler Kooperation gefertigte Rüstungs- und sog. dual-use-Güter nicht ausgeführt werden dürfen. Weiter fordert der Antrag, Rüstungsunternehmen in Unternehmen des öffentlichen Eigentums zu überführen und unter öffentlicher Kontrolle zu betreiben, mit dem Ziel, die Rüstungsproduktion langfristig vollständig abzuschaffen. Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, eine "Gemeinschaftsinitiative Konversion" zu initiieren, um einen umwelt- und sozialverträglichen Umbau der Rüstungsindustrie einzuleiten. Pressemitteilung (gekürzt)

Hamburger "Verkehrspolitik"

Beruhigung

statt Politik

Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind. Das war letztens in der Bild-Zeitung zu beobachten: Mit mehreren Artikeln wurde gegen die Einbahnstraßenregelung für den unteren Grindelhof Front gemacht, die die umliegenden Geschäfte in den Ruin treibe und einer Tankstelle die Autos wegnehme. Doch auch die weitergehenden Vorstellungen einer Verkehrsberuhigung im Grindelviertel, wie sie von den Grünen im Bezirk Eimsbüttel entwickelt wurden und von der SPD unterstützt nun teilweise umgesetzt werden, haben mit Verkehrspolitik im eigentlichen Sinne wenig zu tun. Da wurde die Schlüterstraße für Autos ein Stück weit gesperrt und die gesperrte Straße zu einem großen Teil in Parkplätze umgewandelt. Der Verkehrsfluß wurde nicht gemindert, wenn man von den vielleicht hundert Metern der unmittelbaren Sperrung absieht, und die Erreichbarkeit der Uni mit dem Auto sogar verbessert. Es ist inzwischen leichter, einen Parkplatz zu finden. Auch eine Vollsperrung des Grindelhofs würde für das Viertel keine Entlastung vor dem Autochaos bringen, sondern es weiter verschärfen, weil die nach wie vor vorhandenen AutofahrerInnen zur Erreichung ihres Ziels zu Umwegen gezwungen werden, so daß sich die Zahl der gefahrenen Kilometer und damit auch die Schadstoffbelastung weiter erhöht. Eine solche Maßnahme befriedigte alleine die Interessen einiger Anwohner auf Kosten der Umliegenden. Anstatt die Anwohner mit kosmetischen Maßnahmen zu beruhigen, ist eine Verkehrspolitik nötig, die auf konsequenten Vorrang des öffentlichen Nahverkehrs und seinen Ausbau setzt und dem Fahrrad als Alternative Chancen, sprich Platz, auf den Straßen einräumt. Markus Gunkel

Rundreise einer cubanischen Gewerkschafterdelegation

Cuba lebt,

weil es das Volk so will!

Wir begrüßen eine Delegation des cubanischen Gewerkschaftsverbandes CTC Über die aktuelle Lage, über Probleme und wie sie bewäligt werden, über Mitwirkung und Mitbestimmung der arbeitenden Menschen im "größten Laboratorium der Welt" (Cubaner über Cuba) informieren und diskutieren: Pedro Noel Carillo Alfonso (Internationale Abteilung der "Central de Trabajadores de Cuba") Lena Margarita Sarda (Generalsekretärin der Gewerkschaft der Metallarbeiter der Provinz Havanna Stadt) Ernesto Morejon Ruiz (Mitglied der Nationalen Leitung der Kulturgewerk schaft) Dienstag, 7. März 1995, 19.00 Uhr Volkshaus, Neuer Kamp 30, Eingang B

"Letztes Fossil einer falschen Politik" - so die häufige Meinung über Cuba. Kurze Einblicke in die Realität Cubas und der BRD führen zu der Frage: Auf welches Land trifft diese Feststellung zu?

BRD: Die Kohl-Regierung beschließt Steuererhöhungen für die Arbeitenden und senkt im selben Atemzug die Abgaben für die Unternehmer. Im Ergebnis ist die Abgabenquote auf Gewinn- und Vermögenseinkommen von 1980 bis 1993 um 30% gesenkt worden, während sie für Arbeitnehmereinkommen um 20% erhöht wurde (Metall 22/94) - gegen die Proteste der Gewerkschaften. Um die Geschenke an das Kapital zu finanzieren, nimmt die Kohl-Regierung drastische Einschnitte im Sozialbereich vor. So wurde und wird im Gesundheitswesen gespart nach dem Motto: Wer nichts zu beißen hat, braucht keine Zähne. Gleichzeitig haben die Reichen dieses Landes in den letzten beiden Jahren allein 630 Mrd. DM zu Spekulationszwecken in Steuerparadiese verschoben. Kindergarten- und Ausbildungsplätze, niedrige Mieten, Arbeitsplätze, selbst "blühende Landten" bei gleichzeitiger Vernichtung einer Volkswirtschaft dürfen Politiker den Wählern versprechen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Cuba: Vor der Einführung von Abgaben (Lohnsteuer gibt es nicht) durch die Nationalversammlung findet eine breite Diskussion statt. Über 80000 Arbeiterversammlungen in den Betrieben beraten über die vorgelegten Pläne der Regierung. >Das größte Parlament der Welt< nennen die Cubaner dieses Arbeiterparlament. Übrigens: Eine Entscheidung der Nationalversammlung gegen das Votum der Gewerkschaften ist nicht möglich. Trotz des großen Haushaltdefizits beschließt die Nationalversammlung im Dezember 94 eine Erhöhung der Ausgaben für Erziehung (+4,4%), für das Gesundheitswesen (+1,9%) sowie für die Wissenschaft. Gleichzeitig werden die Ausgaben für Verteidigung eingefroren. Cuba ist weltweit das Land mit den meisten Lehrern und Hochschullehrern, mit den meisten Érzten pro Kopf - trotz Blockade und Ausnahmeperiode. Die Volksvertreter auf allen Ebenen werden in Wählerversammlungen vorgeschlagen und dann direkt gewählt. Regelmäßig müssen sie ihren Wählern Rechenschaft ablegen und können jederzeit abgewählt werden. Im Gegensatz zur BRD steht Cuba unter einer Blockade, an der sich die BRD beteiligt, indem sie z.B. völkerrechtswidrig die im sogenannten Einigungsvertrag festgeschriebenen Verpflichtungen nicht einhält. Dies bringt Cuba um lebenswichtige Materialien wie Maschinen, Ersatzteile, Milchpulver etc. und Millionen von Menschen hier um ihre Arbeitsplätze. Trotz schlagartigen Wegfalls von 85% des Außenhandels, trotz Absenkung des Lebensstandards auf nur noch 30% des früheren Niveaus halten die Menschen Cubas an ihren Errungenschaften fest, denn sie wissen, warum. Das Volk hat die vielgepriesene "Alternative" in Sichtweite: die USA mit 50 Mio. Armen, die Slums und Straßenkinder in Lateinamerika. Cuba ist kein Paradies. Cuba ist ein Land, dessen Volk nicht nur ums Überleben kämpft, sondern um den Erhalt seiner Souveränität, seiner Würde, seiner Revolution, ohne die es keine Zukunft gibt.

TIPS & TERMINE

DONNERSTAG, 2. MÉRZ

Memory - "Ein Versuch über Erinnerung" von und mit Ralf Knicker MEMORY befragt das Verhältnis von Gedanken zu persönlichem Erinnern, d.h. die Schwierigkeiten und Verzerrungen dieser beiden verwandten Vorgänge werden beleuchtet. Die Zuschauer wohnen einer Art Forschungs- und Untersuchungsreise bei, jemand hat eingeladen in sein persönliches Archiv, um seine Erinnerungsarbeit öffentlich zu testen. Eine Show mit Hindernissen, weil die Erinnerungen sich anders gestalten als erwartet. Der Bericht einer Reise an einen authentischen Gedächtnis-Ort, Auschwitz, enthält eher Verwirrung als Klärung. Wo der Ort des Geschehens in eine Gedenk-Stätte verwandelt wurde, wird Geschichte neu geschrieben. Ist der Ort ein verläßlicher Zeuge? Sind die Fotos meiner Kindheit verläßliche Zeugen? Was ist Erinnerung, was Anekdote, was (nationaler) Mythos? Oder finde ich Erinnerung jeden Tag aufs Neue gemäß meinen jeweiligen Interessen? Eine spannende Konfrontation mit offenem Ausgang, verspricht der Moderator

20.00 Uhr, im WIR-Zentrum, Hospitalstr. 109

FREITAG, 3. MÉRZ

Hamburger Burschenschaften - Vortrag und Film Die Machenschaften der Burschenschaften an Universitäten und auch Schulen nehmen zu. Ein Vortrag, begleitet mit einem Bildmaterial, wird über die aktuellen Aktivitäten dieser Gruppen berichten. Ab 19.00 Uhr, Antifacafe, Chemnitzstr. 3-7

Schrille Töne Die Flötengruppe "Schrille Töne" spielt Lieder aus aller Welt. 20.00 Uhr, Stadtteiltreff AGDAZ, Fehlinghöhe 16

SONNTAG, 5. MÉRZ

Ein Besuch in Glasmoor Am 6.11.94 protestierten gefangene Flüchtlinge im Hamburger Abschiebeknast Glasmoor gegen ihre Haft und ihre Haftbedingungen. Seitdem finden regelmäßige Sonntagsspaziergänge um und vor dem Abschiebeknast statt, um die sofortige Freilassung und einen Abschiebestopp für alle Flüchtlinge zu fordern. Am 5. März bereiten die MitarbeiterInnen der GWA den Spaziergang vor und rufen dazu auf, sich zahlreich daran zu beteiligen. Auch eine Musikgruppe wird sich an der Aktion beteiligen. Wer ein Auto hat, möge es mitbringen um 13.00 Uhr, Hauptbahnhof Altona

DONNERSTAG, 9. MÉRZ

Senden gegen Rechts 21.00 bis 21.15 Uhr, Offener Kanal Hamburg, Kabelkanal Hamburg 02

SONNTAG, 12. MÉRZ

Alternative Stadtrundfahrten: Neuengamme Zwischen 1938 und 1945 waren im KZ Neuengamme und seinen über 70 Außenlagern mehr als 100000 Menschen inhaftiert. Entsprechend dem Plan "Vernichtung durch Arbeit" mußten die Häftlinge ein Klinkerwerk errichten und dort Ziegel für die beabsichtigte Umgestaltung Hamburgs zur "Führerstadt" produzieren sowie Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. - Neben Neuengamme wird die Janusz-Korczak-Schule besucht. In der Nacht zum 21. April 1945 ermordeten SS- Angehörige dort 20 jüdische Kinder, deren Pfleger und 24 sowjetische Kriegsgefangene. Mit der Ermordung der Kinder sollten die Zeugen für medizinische Menschenversuche beseitigt werden, die der SS-Arzt Heißmeyer zuvor an den Kindern im KZ Neuengamme vorgenommen hatte. 10.00 Uhr, ZOB Bussteig 2

DIENSTAG, 14. MÉRZ

Wer war Alma Wartenberg? (1872-1928)? Eine Straße bekommt einen neuen Namen. - Vortrag und Fotoschau zur Geschichte einer berühmten und "berüchtigten" Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin aus Ottensen und ein aktueller Bericht über den Prozeß einer Straßenumbenennung. Birgit Gewehr, Historikerin, und Kathrin Offen-Klöckner, Sozialwissenschaftlerin. Kostenbeitrag: DM 6,00. 16.30 Uhr bis 18.30 Uhr, Stadtteilarchiv Ottensen, Zeißstr. 28

"Giachettis Waschsalon" Rocco Giordano liest aus seinem neuen Buch. Eine autobiografische Erzählung aus den 50er Jahren. 19.00 Uhr, bürgerhaus in barmbek, Lorichstr. 28A

DONNERSTAG, 16. MÉRZ

"Spurensuche" Eine Lesung zum Thema Gewalt, mit Texten von H.M. Enzensberger und Bill Buford und Diaprojektionen von Udo Hetmeier. Von und mit Thomas Bammer, Vijak Bayani und Frank Buchalla. 20.00 Uhr, bürgerhaus in barmbek, Lorichstr. 28A

MONTAG, 20. MÉRZ

NEWROZ-Demonstration Näheres in der nächsten Ausgabe. 16.00 Uhr, ab Dammtor

Zur Ausstellung "200 Tage und ein Jahrhundert"

Gewalt als das Problem

unserer Zeit?

Zur Zeit ist auf Kampnagel die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung "200 Tage und ein Jahrhundert" zu sehen. Anhand von sieben Stationen, die sich an sieben ausgewählten Daten der 200 Tage zwischen der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee am 27.1.1945 und dem Ende des zweiten Weltkrieges mit der Kapitulation Japans am 14.8.1945 festmachen, soll "ein Blick auf unser Jahrhundert als einer Geschichte der Gewalt und Destruktivität und der Versuche, politische Antworten auf diese Geschichte zu finden" gegeben werden. Es beginnt mit Auschwitz, dem "historisch singuläre(n) Bild einer kollektiven Anstrengung, deren Ziel der Massenmord war". Die zweite Station sind die Nürnberger Prozesse als Versuch, durch die Verurteilung von Verbrechen gegen den Frieden, die Vorbereitung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Humanität neue völkerrechtliche Maßstäbe zu schaffen. Freilich ohne Erfolg: "Die Nürnberger Prozesse blieben so singulär wie die Verbrechen, über die zu Gericht gesessen wurde." Weitere Stationen sind die kriegerischen Auseinandersetzungen um die Entkolonialisierung, die Gründung der UNO als Instrument zur Sicherung des Friedens gegen künftige Aggressoren mit ihrer Hilflosigkeit und einigen regionalen Erfolgen, staatlicher Terror - Folter, Mord, Entführung, Lagerhaft - als weltweit (auch in Westeuropa) verbreitetes Mittel der Politik, der Archipel Gulag als System permanenter Überwachung und des Terrors in der Sowjetunion unter Stalin und der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima. Die Atombombe kann innerhalb von Minuten das anrichten, wozu vorher ganze Armeen und riesige Terrorapparate notwendig waren. Sie ist der konzentrierte Ausdruck einer Politik, die auf Gewalt setzt. Es waren der Außenminister und der Präsident der USA, Byrnes und Truman, die die Entscheidung zum Einsatz der Atombombe gegen die Militärs durchsetzten, die den Terror gegen die Zivilbevölkerung nicht zur Regel des Luftkrieges machen wollten, weil sie, die Politiker, mit der Bombe Politik machen wollten. Die Ausstellung thematisiert Gewalt als Mittel der Politik. Fast völlig ausgeblendet werden jedoch die sozialen Ursachen, die dazu führen, daß politische Konflikte gewaltsam ausgetragen werden, und von wem die Gewalt ausgeht. Besonders auffällig wird dies an der Station Entkolonialisierung, wo die Gewalt der Unterdrückten zur Überwindung ihrer Abhängigkeit gleichgesetzt wird mit der Gewalt der Kolonialherren zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft. Es ist wahr, daß die Befreiungsstrategien, die auf den bewaffneten Kampf setzten, gescheitert sind - aber sie scheiterten an der militärischen, politischen und ökonomischen Übermacht ihrer Gegner, die tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen in den entkolonialisierten Ländern verhinderten. Die Schwäche der Befreiungsbewegungen ist daher der Schwäche der Linken in den industrialisierten Zentren geschuldet, die es nicht vermochten, sich gegen die Politik ihrer Regierungen durchzusetzen und damit den unterentwickelt gehaltenen Ländern Entwicklungschancen einzuräumen. Die Politik der Bundesregierung, die mit dem Aufbau schneller Eingreiftruppen zur "Aufrechterhaltung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten", wie es in den Verteidigungspolitischen Richtlinien offen heißt, dabei ist, Gewalt als Mittel deutscher Außenpolitik neu zu etablieren, wird in der Ausstellung nicht kritisiert. Wer Gewalt als Mittel der Politik ausschließen möchte, muß die sozialen Widersprüche als Ursachen benennen und an ihrer Aufhebung arbeiten, sonst ist er vor einer Deutung nicht gefeit, die in ihrer letzten Konsequenz in der Forderung nach Menschenrechtsinterventionismus Gewalt neu legitimiert. Markus Gunkel Die Ausstellung ist bis zum 5.3. auf Kampnagel (k6) zu sehen. Di-Fr 16.00-21.00, Sa/So 11.00-21.00 Uhr, 10,-/ermäßigt 5,-.

Eine Presse-Information der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

50. Jahrestag des Kriegsendes und der

Befreiung der Konzentrationslager

Wenige Wochen vor Kriegsende befanden sich annähernd 14000 Gefangene im vollkommen überbelegten KZ-Stammlager Hamburg-Neuengamme. Außerdem mußten zur gleichen Zeit in Außenlagern des KZ Neuengamme, das mit über 70 derartigen Außenlagern in den Kriegsjahren das zentrale Konzentrationslager für den norddeutschen Raum war, noch weitere 40000 Häftlinge, davon fast ein Drittel Frauen, Sklavenarbeit für die Kriegswirtschaft leisten. Nach zum Teil jahrelanger Gefangenschaft hofften die Häftlinge, die noch nicht wie Zehntausende ihrer Kameraden den mörderischen Lebens- und Arbeitsbedingungen, dem Hunger, körperlicher Auszehrung oder dem Terror der SS zum Opfer gefallen waren, auf die baldige Befreiung durch die immer näher rückenden alliierten Truppen. Doch viele sollten den so lange ersehnten Augenblick der sich öffnenden Lagertore und der Rückkehr zur Familie und Heimat nicht mehr erleben. Sie starben im Inferno der Evakuierung: Kein Häftling der Konzentrationslager sollte - so sah es ein Befehl des Reichsführers-SS vor - "lebendig in die Hände des Feindes fallen". Die Außenlager wurden geräumt; auf den Todesmärschen und -transporten starben Tausende. Sie wurden erschossen, weil sie nicht mehr marschieren konnten, sie starben an Hunger, weil sie tage- und wochenlang keine Nahrung erhielten, oder wurden von der SS ermordet. Bei Gardelegen verbrannte die SS- Begleitmannschaft am 13. April 1945 wenige Stunden vor Ankunft der US-Truppen über 1000 unter anderem aus Außenlagern des KZ Neuengamme in Hannover evakuierte Häftlinge in einer Feldscheune; in der Nacht vom 20. auf den 21. April wurden zwanzig jüdische Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren, an denen zuvor der SS-Arzt Dr. Kurt Heißmeyer im KZ Neuengamme Tbc-Versuche durchgeführt hatte, im Keller der Schule am Bullenhuser Damm von SS-Männern erhängt, um die Verbrechen zu verbergen. Allein 7000 Häftlinge, die nach Räumung des Lagers Neuengamme von der SS auf Schiffe verladen worden waren, starben Stunden vor ihrer möglichen Befreiung am 3. Mai 1945 bei der Bombardierung der in der Neustädter Bucht liegenden "Cap Arcona" und "Thielbek" durch britische Jagdbomber. Am 5. Mai erreichten die britischen Truppen das KZ Neuengamme, dessen Baracken sie menschenleer vorfanden. Drei Tage später kapitulierte das Deutsche Reich; die Herrschaft der Nationalsozialisten war gebrochen, der Terror der SS beendet. Jene, die Zwangsarbeit und KZ-Qualen überlebt hatten, waren frei; die Menschheit war von dem nationalsozialistischen Regime befreit. Diese Ereignisse jähren sich im April/ Mai 1995 zum 50. Mal. Aus diesem Anlaß werden zahlreiche Veranstaltungen der Amicale Internationale KZ Neuengamme stattfinden, zu denen nach derzeitigem Stand über 700 ehemalige Häftlinge des KZ Neuengamme und Angehörige aus 14 Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen, Rußland, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Ukraine, USA) erwartet werden. Veranstaltungen werden unter anderem stattfinden: $am 20.4.1995 zum Gedenken an den Kindermord vom Bullenhuser Damm; $am 2.5.1995 zum Gedenken an die Befreiung des KZ-Auffang- und Sterbelagers Wöbbelin durch US-amerikanische Truppen (Veranstaltungsort: Ludwigs lust/Mecklenburg); $am 3.5.1995 zum Gedenken an die über 7000 Opfer der "Cap Arcona" und der "Thielbek" (Veranstaltungsort: Neustadt/Holstein); $am 4.5.1995: Internationale Manifestation zur Befreiung vom Nationalsozialismus (Veranstaltungsort: Hamburg- Neuengamme); $am 5.5.1995: "Ein Konzert für Farbe" mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Dirigent: Maxim Schostakowitsch (Veranstaltungsort: Bremen, U-Boot-Bunker "Valentin"/ehem. KZ- Außenlager Bremen-Farge). Als Redner/-innen wirken an den Veranstaltungen unter anderen die Ministerpräsidenten der Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen mit. Anläßlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager sind in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme außerdem folgende Aktivitäten geplant: $Eröffnung einer neuen, wesentlich größeren Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers Neuengamme in einem Teil eines ehemaligen KZ-Rüstungsbetriebes ("Walther-Werke"); $Präsentation eines Totenbuches mit den Namen aller bislang bekannten Namen der Opfer des KZ Neuengamme und der Außenlager; $Umgestaltung des bisherigen Dokumentenhauses zu einem Gedenkhaus mit "Halle der Namen".

Veranstaltung "Alles Toyota - oder was?"

Weiterhin aktuell: "Lean Production"

Am 30. November 1994 fand im Haus für Alle eine Veranstaltung der Gruppe Blauer Montag statt. Sie hatte den Titel "Alles Toyota - oder was?" - Betriebliche und gesellschaftliche Konsequenzen von Lean Production und die Schwierigkeiten linker Politik. Sie wurde durchgeführt im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Gruppe Blauer Montag zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, in deren Verlauf am 7. Februar 1995 eine weitere Veranstaltung mit dem Titel " und 5 Mark die Stunde sind in Polen viel Geld" stattfand, in der es um "Prekäre Beschäftigung, Migration und Rassismus am Beispiel polnischer WanderarbeiterInnen" ging. Weitere Veranstaltungen werden folgen. Zu der Veranstaltung "Alles Toyota - oder was?" liegt nun ein Protokoll vor, das im folgenden abgedruckt ist, weil sich darin unter anderem auch die Ratlosigkeit der Linken und der Gewerkschaften gegenüber den Problemen wiederspiegelt, die mit Lean Production, Flexibilisierung der Arbeitszeit, Gruppenarbeit usw. einhergeht. -(Red.)

Berichte aus den Betrieben Die erste Frage, die von uns als Veranstalterin gestellt wurde, war: "Wie ist die Situation in den Betrieben? Hat die Betriebslinke die neuen Produktionskonzepte übernommen?" Es wurde über die Situation in verschiedenen Betrieben berichtet. Die Kontroversen, die in diesen Aufzählungen enthalten waren, versuche ich weiter unten zusammenzufassen. Bild von S. 15 Nahezu alle Redebeiträge haben das Problem benannt, daß Strategien der Unternehmensleitungen, die auf Einbindung der Beschäftigten in die Unternehmensstrategie setzen, nicht einfach ignoriert und auch nicht mit traditionellen Konzepten linker Betriebspolitik bekämpft werden können. Vielfach wurde festgestellt, daß zumindest Teile der Belegschaften im Sinne von "Standortsicherung" und "Kostendenken" beeinflußbar sind. Auch gibt es ein breites Bedürfnis danach, qualitativ besser zu arbeiten, weniger Rohstoffe zu vergeuden etc. Häufig geht den Beschäftigten der Begriff dafür verloren, für wen sie eigentlich produzieren. Die "Sachzwänge", in denen die Unternehmensleitungen sich sehen, werden so weit übernommen, daß sie vielen Beschäftigten alternativlos zu sein scheinen. In den Diskussionen spielt nur noch Effektivierung eine Rolle, nicht mehr, in wessen Interesse effektiviert wird. Dies wird durch die Unternehmensleitungen häufig geschickt genutzt. Immer mehr Betriebe werden in Profitcenter aufgeteilt, in denen einzelne Abteilungen wie Gesamtunternehmen wirtschaften müssen und in Konkurrenz sowohl zu Abteilungen innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens gesetzt werden. Von Auslagerung bzw. Vergabe von Aufträgen an andere Betriebe wird sowohl aus den großen Betrieben als auch aus dem öffentlichen Dienst berichtet. Das verstärkte Greifen der Ideologie der Sicherung des "Standorts Deutschland" und der Konkurrenzfähigkeit des "eigenen Betriebes" sei allerdings wesentlich dem Druck geschuldet, der durch anhaltende Massenerwerbslosigkeit entstanden ist. Mindestens in den Großbetrieben habe es einen Produktionssprung durch Konzepte wie Gruppenarbeit, aber auch durch die allgemeine Flexibilisierung der Arbeitszeit geben. Die Teilnahme von vielen KollegInnen an "quality circles" und anderen Maßnahmen im Rahmen neuer Produktionskonzepte wird allerdings oft auch dadurch erklärt, daß Zirkel u.a. bezahlte Arbeitszeit seien. Zur Umsetzung von lean production wurde noch gesagt, daß es viele, unterschiedlich weitgehende Einzelmaßnahmen gibt, die dann mit "modernen Managementmethoden" begründet werden. Eine homogene Durchsetzung neuer Strategien anhand eines bis ins Detail einheitlichen Konzeptes gibt es jedoch nicht. In einzelnen Großbetrieben sind regelrechte Kampagnen angefangen worden, um den Beschäftigten das Gefühl der Betriebsgemeinschaft zu vermitteln. "Wir und unser Betrieb"-Kampagnen, die sich zu stark an der Realität der betrieblichen Alltagserfahrungen reiben, stoßen dabei aber nicht auf viel Resonanz. Die neuen Produktionsmodelle führen zunächst häufig zu einem verstärkten Druck auf die Meister, die durch "flache Hierarchien" und Gruppenarbeit ihre betriebliche Stellung gefährdet sehen und diesen Druck an die Untergebenen weitergeben. Gleichzeitig wird mehrfach betont, daß viele Beschäftigte das Beurteilen der eigenen Arbeit (und auch der ihrer KollegInnen) nach Kostengesichtspunkten erlernt und verinnerlicht haben. Wir müssen wohl davon ausgehen, daß in unterschiedlichen betrieblichen Situationen und unterschiedlichen Branchen mehr oder weniger Arbeit durch Unlust, lange Pausen, Unklarheit gegenüber der jeweiligen Firmenideologie etc., also allgemein durch unglückliche Beschäftigte "verlorengeht". Ziel der Unternehmensleitungen ist, alle Arbeitskraftpotentiale auszuschöpfen, die bisher im Betrieb verlorengehen.

Die Ratlosigkeit der Gewerkschaften Die Politik der Gewerkschaften wurde aus zweierlei Sicht kritisiert: 1. Gewerkschaften steigen auf Standort-Argumente ein. Sie betonen die "Qualität der deutschen Arbeit". Auf dieser Ebene begeben sich die Leitungen der meisten Einzelgewerkschaften in einen verbalen Wettstreit mit den Kapitalisten, wie der Standort (Deutschland) am besten zu sichern sei. Das Problem an diesem Wettstreit ist die Grundannahme des gemeinsamen Interesses mit den Unternehmern zur Niederhaltung der internationalen Konkurrenz. Die Politik der Flexibilisierung der Arbeitszeit im Austausch gegen weitere Arbeitszeitverkürzungen diskreditiert nicht nur letztere, sondern trägt auch wesentlich zur Durchsetzung des Kapitalinteresses, "alle Poren der möglichen Arbeitszeit auszufüllen", bei. 2. Die Gewerkschaften haben versagt. Sie haben auf "moderne Strömungen" nicht rechtzeitig reagiert. Die Gewerkschaften haben keine Antwort auf neue Produktionskonzepte. Bild von S. 40 Ein Problem der Gewerkschaften und auch der Gewerkschaftslinken scheint zu sein, daß die Kapitalisten das Vokabular der Humanisierungs-Diskussionen der 70er und 80er Jahre benutzen ("teilautonome Gruppe" etc.). Zum Punkt "Gewerkschaften" wurde noch erwähnt, daß insbesondere die Industriegewerkschaften mehr oder weniger zur Verwaltung der Betriebsratsfürstentümer geworden sind, daß also die betrieblichen Interessen die Gewerkschaftspolitik prägen und eine Vereinheitlichung von betrieblichen Positionen häufig gar nicht mehr stattfindet. Die Betriebsräte werden häufig in neue Unternehmensstrategien eingebunden, indem sie - vor dem Hintergrund des Wunsches nach "Erhaltung der Arbeitsplätze" im "eigenen Betrieb" - zugunsten flexibler Arbeitszeiten und Rationalisierung entscheiden.

Unterschiedliche Haltungen im Betrieb Besonders bemerkt wurde die Differenzierung zwischen älteren Facharbeitern der Kernbelegschaften und jüngeren Beschäftigten im Verhältnis zu den neuen Strategien der Unternehmensleitungen. Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen wurden so benannt: Jüngere KollegInnen steigen schneller auf Kooperationsmodelle ein, weil diese u.a. das Versprechen beinhalten, daß "althergebrachte" Arbeitsweisen verändert werden. Jüngere KollegInnen seien aber auch schneller bereit, Widerstand zu leisten, wenn die Modelle nicht im Sinne ihrer eigenen Ideologie funktionieren. Dagegen beziehen sich KollegInnen, die schon länger im Betrieb sind, eher auf Gewerkschaft und Betriebsrat und warten ab, was von letzteren an Anstößen kommt. Die Frage, wie auf "neue Bedürfnisse von KollegInnen" von Linken im Betrieb reagiert werden kann, wurde noch mehrmals angesprochen. Hierzu hat eine Diskussionsteilnehmerin gesagt, daß sich diese Schwierigkeit für sie im betrieblichen Alltag besonders im konkreten Umgang mit KollegInnen ergibt, die - beispielsweise - eine Aufweichung von Regelarbeitszeiten selbst fordern. Es kann z.B. legitim sein, aus der eigenen individuellen Situation heraus (z.B. aus der Notwendigkeit der Kinderbetreuung) Gleitzeitregelungen, 4-Tage- Woche etc. zu wünschen. Gerade an diesem Punkt ist die Ratlosigkeit groß. Inwieweit auf Forderungen eingehen, die Kolleginnen und Kollegen äußern, weil sie die Arbeitszeit ihren Bedürfnissen anpassen wollen, wenn dies andererseits real zu einer Flexibilisierung von Arbeitszeiten insgesamt führt? Die Gewerkschaft hilft einem da auch nicht weiter. Einfach sei es dagegen, in allgemeineren Fragen grundsätzlich oppositionelle Positionen im Betrieb zu formulieren. Dies sei "eine Art Pflege linker Restbestände". Kontroversen deuteten sich besonders an zwei Punkten an: 1. Inwieweit gibt es berechtigte Hoffnungen auf Gestaltungsmöglichkeiten der Beschäftigten anläßlich der Umsetzung neuer Produktionsmodelle in den Betrieben? 2. Inwieweit sollen sich Linke an Qualitätszirkeln u.a. beteiligen? Bevor ich hierzu etwas aufschreibe, will ich anmerken, daß sich solche Kontroversen eher angedeutet haben, daß aber keine Rede davon sein kann, daß hierüber viel weiter diskutiert wurde als auf der Ebene konkreter betrieblicher Erfahrungen, die entweder die eine oder die andere Position belegen sollten. Daher machte sich die Kontroverse auch vor allem an einem betrieblichen Beispiel fest. Ein Kollege äußerte, im Betrieb gute Erfahrungen mit Gruppenarbeit gemacht zu haben. Es handelt sich um einen handwerklichen Ausbildungsbetrieb, in dem seit einiger Zeit in einer Abteilung von den KollegInnen Gruppenarbeit gemacht wird, freie Zeiteinteilung praktiziert wird, Urlaubsplanung selbständig vorgenommen wird etc. Die Ausbildung sei, seitdem in Gruppenarbeit gearbeitet wird, erheblich besser geworden. Es gäbe eine höhere Arbeitseffektivität, mehr Zeitsouveränität und allgemein eine viel größere Zufriedenheit mit der Arbeit. Probleme gibt es vor allem, wenn neue KollegInnen in die Gruppe kommen (z.B. in Urlaubsvertretungen etc.). Im Beispiel des Kollegen haben die Beschäftigten einer (einzelnen) Abteilung selbst die Gruppenarbeit gegen die Geschäftsleitung durchgesetzt. Jetzt hat die Geschäftsleitung die Vorteile erkannt, die das Konzept für sie bietet. Nachdem die Konzepte auf den gesamten Betrieb übertragen werden sollen, gibt es jedoch viele Bedenken in der Belegschaft, die Angst vor mehr Kontrolle ihrer Arbeit haben. Bild S. 62 In der Diskussion um dieses betriebliche Beispiel wurden vor allem die Gefahren betont, die das Mitmachen oder sogar selbständige Entwerfen von Gruppenarbeitsmodellen mit sich bringen. Dies sei einerseits eine erhebliche Rationalisierung/Effektivierung der Arbeit, die letztlich im Interesse der Unternehmen liege und vor allem auch zur Ausgrenzung von als nicht produktiv genug eingeschätzten Beschäftigten führe. Andererseits ersetze die Gruppenarbeit die Kontrolle der Beschäftigten durch die Hierarchie durch eine Selbstkontrolle in den Gruppen. Ein Vorschlag, wie das Problem zu lösen sei, daß Gruppenarbeit u.ä. oft erstmal von den KollegInnen angenommen wird, war folgender: Es sei nicht sinnvoll und real auch nicht möglich, die Umstellung der Produktion einfach nicht mitzumachen. Dagegen ginge es darum, beispielsweise die Gruppenarbeitsmodelle von innen anzugreifen. Es wäre durchaus möglich, Gruppenarbeit, Qualitätszirkel u.ä. an den Ansprüchen zu messen, die sie selbst formulieren. Dabei wird sich schnell herausstellen, daß es eben nicht um selbstbestimmtes Arbeiten und Enthierarchisierung geht. Auch innerhalb der neuen Produktionsmodelle ist die Frage, ob mensch die Erhöhung des Arbeitsdruckes etc. einfach mitmacht - auch hier ist "Dienst nach Vorschrift" noch möglich.

Stärkere Ausbeutung oder neue Chance? Abstrakter wurde die Diskussion zum Schluß: Dabei wurde Martins Referat von einem Teilnehmer grundsätzlich an folgendem Punkt widersprochen: Die neuen Produktionsmodelle seien Ausfluß der Erkenntnis des Kapitals, daß Bild S. 30 Kostensenkung und die Aufrechterhaltung des betrieblichen Herrschaftssystems zum Widerspruch werden. Darin sieht ein Teil der TeilnehmerInnen eine Chance. Flache Hierarchien würden mehr Gestaltungsspielräume für die einzelnen Menschen im Betrieb nach sich ziehen. Hier soll linke Politik einsetzen. Während ein Teil der anwesenden Kolleginnen und Kollegen meint, daß die Formulierung eigener Vorschläge, wie Betriebe besser arbeiten könnten (z.B. zur Arbeitszeit, Qualitätssicherung etc.) dazu führen, langfristig in Kapitalstrategien eingebunden zu werden, meint die "Gestaltungsposition", daß konstruktive Vorschläge für linke Betriebspolitik unabdingbar erscheinen. Die Betriebslinke müsse dazu kommen, konkret zu formulieren, wie die Arbeit in den Betrieben verbessert werden kann. "Viele Sachen funktionieren nicht einfach, wie sie sich das Kapital vorstellt." Die neuen Produktionskonzepte sind aus dieser Sicht auch ein Ergebnis einer Umbruchsituation, die auch zu mehr Demokratisierung führen kann. Dem wurde u.a. entgegnet, daß es gerade um eine Verfeinerung des betrieblichen Herrschaftssystems und nicht um "Enthierarchisierung" ginge und daß die Erwartungen an Gestaltungsmögten betrieblicher Politik, die auf das neue Umfeld von lean production setzen, Illusionen seien. Am gesamten Verlauf der Veranstaltung wurde bemängelt, daß sich vor allem Leute aus den traditionell organisierten Betrieben der Produktion geßert haben, die Menschen, die in Klitschen und Zuliefererbetrieben arbeiten, jedoch kaum was gesagt haben. Das wurde als Ausdruck der momentanen politischen Artikulation gerade von Leuten aus kleineren Betrieben und gesicherten Beschäftigungsverhältnissen gesehen. Interessant wäre es, noch mal genauer auf die Auswirkungen von lean production einzugehen, die sich Menschen zeigen, die irgendwo weiter unten in der Produktionspyramide arbeiten. Wie sind die organisiert? Wird die Abhängigkeitsstruktur überhaupt erkannt? Gibt es hier Widerstandspotentiale, die sich auf die politische Beschäftigung mit Arbeit beziehen? Hierzu wurde bemerkt, daß die auf Branchen und einzelne Großbetriebe bezogene Organisierung von Beschäftigten ein bundesdeutsches Phänomen ist, das sich so in anderen Ländern, wie Frankreich und Italien, nicht findet. Über den Niedergang des spezifisch deutschen Organisationsmodelles allein läßt sich nicht ableiten, daß die Beschäftigten in zersplitterten Produktionsformen nicht mehr organisierbar seien. Zum Schluß wurde ein Folgetreffen vorgeschlagen. Die Veranstalter erklärten, daß sie ein Folgetreffen unterstützen würde, aber wegen der Beschäftigung mit der laufenden Veranstaltungsreihe nicht selbst organisieren würden. Protokoll: Peter

Genossenschaft

St. Pauli Hafenstr.

stellt sich vor

Eine aktuelle Stellungnahme der Genossenschaft St. Pauli Hafenstraße zum Stand der Verkaufsverhandlungen liegt zur Zeit nicht vor. Wir veröffentlichen hier ein im Februar entstandenes Papier, das Geschichte und Ziele des Genossenschaftsprojekts vorstellt. Mitglieder und Spenden für die Genossenschaft sind dringend erwünscht.

Liebe Leute, hier ein paar Worte zu den Zielen und zur Entstehungsgeschichte unserer Genossenschaft. Wir haben die Genossenschaft im April '93 gegründet, und zwar mit zwei Zielen: Es gab damals eine lebhafte Diskussion um die Zukunft der Freifläche neben den Hafenstraßen-Häusern in Richtung Landungsbrücken, dem sogenannten "Bauwagenplatz". Aus dieser Diskussion, an der viele Leute und soziale Einrichtungen aus St. Pauli-Süd beteiligt waren, wuchs nach und nach ein fertiges Konzept - es sollte ein Neubau entstehen, in dem Wohnraum entstehen sollte, in dem vor allem aber auch verschiedene soziale Einrichtungen vom öffentlichen Badehaus bis zur Kindertagesstätte Platz finden sollten. Die Genossenschaft St. Pauli Hafenstraße sollte hierfür die Trägerschaft übernehmen. Das Ende dieses Konzeptes ist bekannt. Zu dem von der Genossenschaft und von Stadtteilkonferenzen geforderten Dialog mit dem Senat kam es nicht. Bürgermeister Voscherau verknüpfte stattdessen die Zukunft der "alten" Hafenstraßenhäuser mit der Tolerierung des von der Stadt vorgesehenen 08/15-Wohnungsbaus durch die BewohnerInnen; einzelne Ideen aus dem Genossenschafts-Entwurf (z.B. die Kindertagesstätte) wurden zwar übernommen, der "soziale" Wohnungsbau aber hinter Hochsicherheits-Bauzäunen durchgezogen. Schon 1993 war klar, daß auch die Frage der Trägerschaft für die alten Häuser neu gelöst werden muß; das Pachtvertrags-Modell von '87 war getert, weil dahinter spätestens nach Bürgermeister von Dohnanyis Rücktritt nie der politische Wille gestanden hat, wirklich zu einer tragfähigen Lösung zu kommen. Die Situation mit der städtischen Abrißfirma "Hafenrand GmbH" als Eigentümerin der Häuser war unerträglich. Neue Wege waren also gefragt. Unsere Gedanken bei der Genossenschaftsgründung waren folgende: Wir wollen eine Trägerschaft, die im Gegensatz zu allen anderen Konstruktionen in der Vergangenheit das Existenzrecht der Hafenstraße akzeptiert und die ermöglicht, daß die Häuser von den BewohnerInnen weiter selbstverwaltet werden. Wir brauchen eine Konstruktion, die auf Dauer ausschließt, daß die Häuser Spekulationsobjekt werden, und die sichert, daß die Mieten bezahlbar blei ben. Es würde die Hafenstraße nicht mehr geben, wenn sich nicht immer wieder Leute außerhalb der Hafenstraße eingemischt hätten - also brauchen wir eine Struktur, die offen ist für all die, die ein Interesse an der Entwicklung der Hafenstraße haben und die bereit sind, sich zu engagieren und Stellung zu beziehen. Es geht ausdrücklich nicht darum, die Hafenstraßen-Häuser in das Eigentum der BewohnerInnen zu überführen, im Gegenteil: wir wollen eine möglichst breite Trägerschaft für die Häuser erreichen. Nun noch einiges zur Arbeit und zum Aufbau der Genossenschaft: Es gibt auch bei uns, wie vom Genossenschafts-Gesetz vorgeschrieben, einen Vorstand und einen Aufsichtsrat; beide werden von der jährlich stattfindenden Mitgliederversammlung für ein Jahr gewählt. Die Gelder, die über die eingezahlten Mitgliedsbeiträge zusammenkommen, werden vom Vorstand festgelegt und dürfen nicht für laufende Kosten angetastet werden. Sollte die Genossenschaft ihr Ziel nicht erreichen, entscheidet die Mitgliederversammlung darüber, was mit diesem Geld geschieht. Es ist den einzelnen Mitgliedern aber unbenommen, die Genossenschaft wieder zu verlassen und die eingezahlten Anteile zurückzufordern. Unsere Genossenschaft unterscheidet sich in einem Punkt von "klassischen" Genossenschaften - im allgemeinen sichern sich ja die Mitglieder über ihre Anteile das Wohnrecht in den Genossenschafts-Wohnungen; das funktioniert natürlich bei uns nicht. Wir haben uns bei der Gründung trotzdem gegen ein Fördermitgliedschafts-Modell entschieden, weil uns wichtig war, daß alle Mitglieder gleichberechtigt sind, egal ob sie nun NutzerInnen sind oder nicht. Verbindliche Mitgliederbeiträge sind in der Satzung ausdrücklich nicht vorgesehen; die Zinsen des festgelegten Kapitals reichen aber für die laufende Arbeit nicht aus, deswegen freuen wir uns auch über jede Spende. Die Eintragung in das Genossenschaftsregister konnte bisher nicht vorgenommen werden, weil seriöse Grundlagen für die davor notwendige Wirtschaftlichkeitsüberprüfung durch den Genossenschafts-Dachverband noch fehlen: Insbesondere die Übernahmebedingungen, der Kaufpreis also, liegen ja noch völlig im Dunkeln. Die Genossenschaft gilt deswegen bis auf weiteres als "Genossenschaft in Gründung". Die Satzung versenden wir gerne, allerdings wegen der Portokosten nur auf Anfrage. Es sind derzeit verschiedene Vorstellungen über die Zukunft der Hafenstraße in der Diskussion - der Senat will die Häuser an einen privaten Investor verkaufen, im Gespräch ist vor allem Herr Waitz - wir wollen, daß es für die Häuser eine genossenschaftliche Lösung gibt. Die Argumente sprechen für uns, finden wir jedenfalls, die politischen Kräfteverhältnisse nicht unbedingt Jetzt beginnt die entscheidende Phase in dieser Auseinandersetzung, und natürlich stärkt jeder Beitrag jetzt unsere Position. So, hoffentlich habt Ihr einen Einblick bekommen, was wir mit unserer Genossenschaft erreichen wollen - Nachfragen beantworten wir natürlich gerne. Schöne Grüße vom Hafenrand (Vorstand) Genossenschaft St. Pauli Hafenstraße i.G., Bernhard-Nocht-Str. 24, 20359 Hamburg, Tel.: 3172544, Fax: 3172546. Konto für Spenden: VIVA ST. PAULI e.V., Stichwort Arbeitsgeld/Spende, Hamburger Bank, BLZ 20190003, Konto-Nr. 12141100

PDS-Bundestagsgruppe legt Gesetzentwurf zur Énderung @ 116 AFG vor Die derzeit geltende Fassung des @116 Arbeitsförderungsgesetz, 1986 von CDU/CSU/FDP beschlossen, verändert das Kräfteverhältnis im Arbeitskampf zuungunsten der abhängig Beschäftigten. Mit dieser Fassung wird das Streikrecht der Gewerkschaften in seiner Substanz gefährdet. Neue Produktionsstrukturen wie "Lean Production", "Just-in-time" und Ausgliederung von Betriebsteilen führen in einem Arbeitskampf zu Auswirkungen auf Beschäftigte, die weder sachlich noch räumlich in den Arbeitskampf einbezogen sind. Werden diese Beschäftigten arbeitslos, sind sie ohne Anspruch auf Lohnersatzleistungen, d.h. die Bundesanstalt für Arbeit greift, entgegen ihrem Neutralitätsgebot, in den Arbeitskampf ein und fördert die "kalte Aussperrung". Damit erhalten die Arbeitgeber ein zusätzliches, im Grunde verfassungswidriges Druckpotential gegen die Gewerkschaften. Damit wollen wir uns nicht abfinden. Mit dem Gesetzentwurf will die PDS erreichen, daß der ursprüngliche Zustand des @116 AFG vor 1986 und damit die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit wiederhergestellt werden sollen. Die PDS fordert SPD und Bündnis 90/Grüne auf, in diesem Sinne ebenfalls aktiv zu werden. - Informationen und Rückfragen beim Wahlkreisbüro der PDS/LL Hamburg, Tel. 3892164 -Meinhard Mäker

Die IG Metall Küste informiert:

Kalte Aussperrung

- was tun?

Die IG Metall Küste fordert seit Beginn des Streiks in Bayern dazu auf, ab sofort jede Mehrarbeit konsequent abzulehnen und darauf zu achten, daß keine Streikbrecheraufträge angenommen werden. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten liegt gegenwärtig darauf, die Abwehr der kalten Aussperrung vorzubereiten. Dazu heißt es in dem jüngsten Flugblatt:

Nach dem Arbeitskampfkonzept der IG Metall hat der Streik in Bayern keine Auswirkung auf die Produktion in den norddeutschen Betrieben. Einschränkungen oder die Stillegung der Produktion sind an der Küste nur denkbar, wenn die Arbeitgeber dies durch Aussperrungen bewußt provozieren. Auf diese Situation müssen wir uns einstellen. Die Arbeitgeber haben auch früher durch Aussperrungen Produktionsbeschränkungen in anderen Regionen herbeigeführt, um die Arbeitnehmer dort kalt aussperren zu können. Sie setzen dieses Mittel als Waffe gegen den Streik ein, weil kalt ausgesperrte Beschäftigte keinen Anspruch auf Streikunterstützung haben und - nach der Énderung des @116 AFG durch die Bundesregierung - auch kein Kurzarbeitergeld mehr erhalten. Zur Verhinderung von kalter Aussperrung können die Arbeitnehmer selbst beitragen. Im Arbeitskampf 1984 wurde zum Beispiel an der Küste massenhaft kalt ausgesperrt, obwohl in vielen Fällen aufgrund der Materiallage noch weiter hätte produziert werden können. Achtet deshalb genau darauf, daß in Eurem Betrieb ausreichend Material vorhanden ist, und bereitet Euch gemeinsam mit der IG Metall auf kalte Aussperrung vor.

Das Antifacafe in der Chemnitzstraße 3-7 Seit Ende Januar betreiben wir das Antifacafe in der Chemnitzstraße. Unsere Absicht ist es, einen Raum für antifaschistische Zusammenarbeit, Auseinandersetzung und Informationsaustausch zu schaffen. Im Rahmen des Antifacafes soll eine Arbeit stehen, die sich gegen die Alltäglichkeit rassistischer Anschläge, die Normalität der Abschiebungen von Flüchtlingen in Verfolgung, Folter und Tod, gegen jegliche Form eines Geschichtssionismus und gegen die unverhohlenen Großstrebungen in diesem Lande wendet. Wir wissen, daß es oft gerade für junge AntifaschistInnen schwer ist, einen Ort zu finden, an dem sie sich treffen und/oder eine Veranstaltung organisieren können. Die Räume stehen Euch zur Verfügung.