LOTTA DURA

 

Nr. 9/97

 Repression

 

 

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Die verlorene Ehre des RBH

"Krone", Stapo, FPÖ und Justiz bei der Hatz auf den anarchistischen Revolutionsbräuhof

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wien haben es in sich: Bildung einer staatsfeindlichen Verbindung sowie einer kriminellen Vereinigung, Aufruf zu strafbaren Handlungen - namentlich Mord und Brandstiftung - sowie Herabwürdigung der Republik. All diese Verbrechen sollen echte und mutmaßliche AktivistInnen des "Revolutionsbräuhofs" (RBH) begangen haben, einer völlig legal arbeitenden, 1986 als politische Partei offiziell angemeldeten anarchistischen Gruppierung, die vor allem durch ihre rege Agitproptätigkeit in Wien hervorsticht.

Seine Initialzündung erhielt das Verfahren Ende April 1995 durch eine Anzeige des Wiener FPÖ-Stadtrates Lothar Gintersdorfer, der in zwei RBH-Plakaten mit Parolen wie "Patrioten sind Idioten" bzw. "Anarchie statt Österreich" einen eindeutigen Aufruf "zur Anwendung von Gewalt" witterte. Sein Vorstoß kam nicht von Ungefähr. Denn nach dem Auffinden zweier linksradikaler Aktivsten am 19. April 1995, die beim Versuch, im burgenländischen Ebergassing einen Strommasten zu beschädigen, ums Leben kamen, war das "Netzwerk des linkes Terrors" in aller Munde.

Öl ins lodernde Feuer goß im Mai desselben Jahres die "Kronen Zeitung". Genauer gesagt, deren Reporter Gerhard Walter und Andi Schiel. Das Duo unterlegte einen Artikel mit dem Titel "Fahnder kennen die Komplizen der Attentäter von Ebergassing" mit einem Faksimile mehrerer Aufkleber und Flugblätter. Neben dem Impressum des "Revolutionsbräuhofs" fanden sich die Sprüche "Aufruhr, Widerstand, das Arbeitsamt wird abgebrannt" und "Vranitzky, Du Gangster, bald bist Du weg vom Fenster - kommt Zeit kommt Rat, kommt Attentat". Tatsächlich ist ein derartiger Schwatz niemals irgendwo aufgetaucht, weder als Pickerl noch auf einem Flugblatt - nur in der Krone. Bei seiner polizeilichen Einvernahme gab Walter an, daß es sich bei diesem Kleber "um eine Photomontage handelt". Deren Ingredienzien er von einem Studenten und einem "Beamten aus dem Sicherheitsapparat" erhalten haben will. Bezüglich der Identität seiner Informanten machte er keine Angaben, sondern verschanzte sich hinter dem Redaktionsgeheimnis. Dieses beschwor Walter auch in einem Beitrag über die Zusammenarbeit von "Kronen Zeitung" und Exekutive. Der in der Zeitschrift der FPÖ-Gewerkschaftsfraktion der Polizei, mit dem sinnigen Namen "Blaulicht", erschien.

 

Hausdurchsuchungen und Vereinsmeierei

Nachdem der Boden derartig vorbereitet worden war, schritten die Behörden zur Tat. Seither haben 23 Haudurchsuchungen stattgefunden, etliche Computer und Berge von Unterlagen wurden beschlagnahmt. Nicht bloß Flugblätter, Zeitschriften und Plakate, auch eine Musik-CD mit dem verdächtigen Titel "anarchy" mußte daran glauben. Ebenfalls kassiert wurde das "Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus", eine handgeschriebene Collage mit Texten von Bertolt Brecht und das wohl gefährlichste Buch von allen: das Strafgesetzbuch. Viel mehr belastendes Material konnte nicht gefunden werden. Dafür ließen die Behörden den Akt auf rund 2600 Seiten anschwellen. Der den AktivistInnen des Revolutionsbräuhofes erst nach langem rechtlichen Hin und Her ausgehändigt wurde. Darin ist auch ersichtlich, daß bei der Jagd nach linken "Terroristen" weder Kosten noch Mühe gescheut wurden. Neben dem Personalaufwand bei Justiz und Polizei verrechnete etwa eine EDV-Firma, die mit der Decodierung der Paßwörter bei den beschlagnahmten Computern beauftragt wurde, der Justiz 142.536 Schilling. Und pro Hausdurchsuchung fielen immerhin je 2520 Schilling für den Schlüsseldienst an. Zusätzlich finden sich im Akt zahlreiche interessante wie amüsante Dokumente, die belegen, wie sehr sich die Staatsanwaltschaft bemühte, aus den RBH eine "terroristische Vereinigung" zu machen. So fragte sie bei der Staatspolizei an, ob etwaige Verbindungen zu den "Revolutionären Zellen (RZ)" bekannt seien. Einer seit Jahren völlig inaktiven, militanten deutschen Gruppierung, über die ein staatspolizeilicher Sachbearbeiter zu berichten wußte, daß er "keine Eintragung des Vereinsbüro der BPD-Wien" (Anm. Bundespolizeidirektion) finden konnte. Obwohl die (zwischenzeitlich abgelöste) Staatsanwältin Risa Schuhmeister-Schmatral schon vor mehr als einem Jahr in einem internen Schreiben eine Anklage ankündigte, ist bislang nichts geschehen. "Gerichtliche Vorerhebungen gegen 18 Personen sind bis heute immer noch im Gange" stellte die Oberstaatsanwaltschaft gegenüber der Wiener Stadtzeitung "Falter" fest.

Sollte es zu einer Anklage kommen und diese auch nur teilweise durchkommen, könnte sich das, was bislang noch die Züge eines schlechten Polit-Krimis trägt, zur ernsten Bedrohung organisierter linker Politik auswachsen.

Quellen:

Falter (16/97), div. RBH-Flugblätter,

Standard 24.1.1997

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