Gelöbnis in Berlin
Beim ersten öffentlichen Bundeswehrgelöbnis in Berlin war es mit der offiziell erwünschten Ruhe und Würde bekanntlich nicht weit her. Nur zu gut erinnern wir uns an die Rauchbombe, die "Soldaten sind Mörder" Sprechchöre und den daraus folgenden dummen Gesichtern von Herzog und Co. Zur Strafe prügelte des Innenministers grüne Garde auf die DemonstrantInnen ein - die ersten von ihnen standen jetzt vor Gericht: Einer von ihnen ist Henrik, ein 20-jähriger Student aus Schweden. In Unkenntnis der deutschen Gepflogenheiten hatte er geglaubt, man dürfe dort demonstrieren, wogegen sich der Protest richte. Als die Polizei den Demozug in einiger Entfernung vom Charlottenburger Schloß stoppte und den DemonstrantInnen mit Wasserwerfer und Schlagstock klarmachte, wo die "Demokratie" aufhört, packte ihn die Wut, und eine Flasche fand den Weg auf einen Polizeiwagen. Dafür saß er ersteinmal zwei Wochen in Untersuchungshaft. Der Haftrichter hatte einen von der Staatsanwaltschaft formulierten Haftbefehl unterzeichnet, wonach bei Henrik Fluchtgefahr bestehe, weil "er schwedischer Staatsbürger ist". Gegen eine Kaution von 20000 Mark kam er schließlich frei.
Vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Tiergarten war Henrik "geständig", nicht ohne darauf hinzuweisen, daß gerade deutsche Ämter besser daran täten, antimilitaristische Proteste nicht zu behindern. Da ein Polizeiwagen kein Mensch ist, wurde er im Anklagepunkt "versuchte Körperverletzung" freigesprochen und kassierte wegen Landfriedensbruch eine Verwarnung, sowie zwei Wochen Dauerarrest, die mit der U-Haft bereits abgegolten waren.
Was die Sache unappetitlich machte, war der absurde Strafbefehl der Staatsanwaltschaft. Sie forderte ein Jahr und drei Monate ohne Bewährung! Damit sprengte Staatsanwalt Feuerberg den Rahmen dessen, was in den vergangenen zehn Jahren bei ähnlichen Verfahren üblich war. Wie ernst es der Staatsfuzie mit seinem Strafmaß meint, zeigt, daß er bereits gegen das Urteil Berufung eingelegt hat.
Bis heute ist noch ein weiterer uns bekannter Prozeß gewesen. Ein 16 jähriger wurde zu 50 Arbeitsstunden verurteilt. Zusätzlich gab es noch Strafbefehle gegen DemonstrantInnen. Einer davon wegen "Widerstand" und , obwohl alle Polizeizeugen aussagen, sie seien unverletzt geblieben, "Körperverletzung". Auch hier war das Gericht Tiergarten nicht zimperlich und verhängte 100 Tagessätze über je 100 DM, also 10.000 DM Strafe!
Der Umfang der Strafen entspricht den Verschärfungen der Repressalien, die von den Staatsanwaltschaften in letzter Zeit gegen AntimilitaristInnen gefordert werden. Immer häufiger werden Haftstrafen ohne Bewährung beantragt, sowohl gegen Kriegsdienstverweigerer, die bis zu ihrer staatlichen Anerkennung dem militärischen Betrieb fernbleiben als auch gegen Totalverweigerer. Sogar ein Anwalt, der einen Fahnenflüchtigen über die Rechtslage aufklärte, bekam eine Anzeige wegen Beihilfe.
Die Staatsanwaltschaften gebärden sich als InteressensvertreterInnen der Bundeswehr und stellen sich in den Dienst der Rückeroberung Berlins durch das Militär. Dies kann nur durch ein gemeinsames Vorgehen verhindert werden. Zur Zeit allerdings gibt es das Problem, daß weder der Berliner EA, noch die Kampagne einen genauen Überblick über die noch anstehenden Verfahren haben. Das liegt vor allem daran, daß sich die Leute nicht bei ihnen melden. Also, wenn ihr Betroffene seid, dann meldet euch umgehend in Berlin. Nur so ist es möglich, gegen das Berliner "Militärgericht" vorzugehen. Besucht die noch zu erwartenden 25 Prozesse. Der nächste Termin ist am 8. Jan. um 10.30 im Amtsgericht Tiergarten in der Turmstr. 91, 3 Stock Zimmer 863. An diesem Tag findet auch das nächste Treffen statt, um 19.00 Uhr bei der Kampagne. Das die ganze Geschichte natürlich Geld kostet ist wohl klar. Spenden sind also erwünscht. Konto: wichtig ist, als Stichwort "Gelöbnis Angeklagte" anzugeben.
Quelle: Kampagne gegen Wehrpflicht und Zwangsdienste+ Militär, Oranienstr.25, 10999 Berlin, Tel: 030/61500529