ASF
- Linz 2004.
Mit 500 bis 1000 TeilnehmerInnen blieb die Demo doch weit
hinter den Erwartungen. Nicht zu letzt das schlechte Wetter und das
Motto ("Steuereintreibungsdemo") unter dem die Demo veranstaltet wurde,
dürften dafür verantwortlich gewesen sein. Während in
den Redebeiträgen ein "besseres Österreich" und der
"Wirtstaftsstandort Österreich" beschworen wurde, suchten einige
kreative Transpis dem organisierten Wahnsinn einen Kontrapunkt zu
setzen.
Am
ASF fand auch eine Veranstaltung zum rechtsextremen Bund Freier Jugend
(BFJ) statt, die von einer Hand voll Rechtsextremer gestört wurde.
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Von 3.
bis 6. Juni 2004 fand das zweite Austrain Social Forum in Linz statt,
an dem rund 1500 Interessierte aus unzähligen Intiativen und
verschiedenen politischen Spektren teilnahmen. Wesentlich mitfanziert
wurde das ASF heuer von der Stadt Linz, dem Land Oberösterreich
und dem
ÖGB, was an der inhaltlichen Ausrichtung des Forums nicht spurlos
vorüberging.
Im
folgenden
haben wir versucht einige kritische Diskussionsbeiträge in und um
das heurige ASF zu sammeln:
„Eine andere Welt“ - das ist nicht viel, „Alles für Alle“ ist
das Ziel! (KPdSU)
Wie kanalisiert man
Widerstand? (Intiative
"selber denken")
Erklärung des Feministischen Forums des Austrian Social
Forums 2004 in Linz (Feministisches
Forum)
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„Eine andere Welt“ - das ist
nicht viel,
„Alles für Alle“ ist das
Ziel!
Solidarisch-kritische Anmerkungen zum Sozialforenprozess, insbesondere
bezogen auf seine alpenländische Variante …
Seit Ende der 90er Jahre hat sich, manifest geworden in Seattle 1999,
eine neue, weltumspannende politische Kraft konstituiert. Erstmalig
seit dem Ende der traditionellen „Arbeiterinternationalen“ entwickelt
sich seit ca. fünf Jahren eine globale emanzipatorische Bewegung.
Was
diese Bewegung auszeichnet, ist ihre unüberschaubare Vielfalt an
Organisations- und Protestformen. Die Sozialforen – ausgehend vom World
Social Forum in Porto Alegre 2001 mit rund 5000 TeilnehmerInnen bis hin
zu den gegenwärtigen Massenveranstaltungen – sind der
„organisatorische“ Ausdruck dieser „Bewegung der Bewegungen“. Aber die
zunehmende Orientierung der Sozialforen an Großevents bringt auch
zahlreiche Widersprüchlichkeiten und Probleme ans Tageslicht. Auf
diese
wollen wir im Folgenden näher eingehen.
Prozess und/oder Ereignis?
Die Stärke der Ereignishaftigkeit der Sozialforen liegt in der
Mobilisierungsfähigkeit und im durchaus anregenden Zusammentreffen
von
tausenden AktivistInnen aus verschiedensten politischen Zugängen
und
Regionen. Tatsächlich ist nicht primär der
„Happening-Charakter“ an den
Foren zu kritisieren, sondern vielmehr die Konsequenzen und/oder
Voraussetzungen dieser organisatorischen Struktur. Die Organisierung
von Großveranstaltungen bindet eine enorme Menge an Ressourcen,
sowohl
finanzieller Natur, als auch in Form von abertausenden Arbeitsstunden.
Ausgehend von einem Verständnis der Sozialforen als politische
Prozesse
erscheinen dabei folgende „Nebenwirkungen“ als problematisch:
(Bezahlte) FunktionärInnen großer Organisationen
verfügen
naturgemäß über größere Ressourcen und haben
somit eher die Möglichkeit
an überregionalen Foren teilzunehmen, und auch in die
organisa¬to¬ri¬schen Abläufe gestaltend einzugreifen,
als
„BasisaktivistInnen“. Nicht zuletzt dieses strukturelle Problem
führt
zu einem zunehmenden „Dienstleistungscharakter“ der Sozialforen.
Aufgrund der Größenord¬nun¬gen der Foren ist dies
auch kaum anders
möglich, weshalb eine Re-Orientierung an der
Prozess¬haftigkeit der
Sozialforen (Dezentralisierung, stärkere Akzentuierung der
„alltäglichen“ politischen Tätig¬keiten, …) anzudenken
wäre. Darüber
hinaus könnte eine „finanzielle Demokratisier¬ung“ der
Fo¬ren dem
Aus¬gleich von Machtungleichgewichten dienen. Dazu wäre jedoch
ein
weitergehendes po¬li¬tisches Einver¬nehmen (oder zumindest
„Diskussionsraumverständnis“) der verschiedenen Beteiligten
nötig.
(siehe unten)
Repräsentation und/oder Selbstermächtigung?
Die oben angesprochenen Probleme manifestieren sich unter anderem
in der Frage der „SprecherInnen“. Dass Sozialforen im Gegensatz zu den
historischen Parteien und Bündnissen keine SprechenInnen brauchen,
ist
als großer Fortschritt zu werten. Dennoch existiert ein
tendenzieller
Hang zur Repräsentationspolitik: So will einerseits zu „brennenden
Themen“ etwas gesagt zu werden, andererseits ist die Struktur der
gegenwärtigen Medienlandschaft nach wie vor auf
RepräsentantInnen
ausgerichtet, wobei das mit der „Innen“-Form vielleicht doch etwas
relativiert werden sollte …
Ausgehend von der politischen Notwendigkeit, aus den Sozialforen (bei
Strafe ihres Untergangs) keinen Organisationsapparat mit bindenden
Beschlüssen werden zu lassen, ist es von zentraler Bedeutung,
Repräsentationspolitiken zu bekämpfen und der
Selbstermächtigung aller
Beteiligten Raum zu geben. Dieser strukturellen Entscheidung ist auch
das ein oder andere Quäntchen an politischer Effizienz und
medialer
Präsenz durchaus zu „opfern“. Es stellt sich beispielsweise die
Frage,
ob „das“ ASF
überhaupt so etwas wie Abschlusserklärungen (die
naturgemäß nie von
allen Teilnehmenden vertreten werden) braucht oder (tages)politischen
Themen als ASF kommentieren muss?
Dahingehend wäre auch die Form der Teilnahme politischer Parteien
offen
und breit zu diskutieren. Ansonsten befinden wir uns unweigerlich auf
dem Weg zur Mehrheiten/Minderheiten-Abstimmungs„demokratie“.
Staat und/oder Demokratie?
Nach den eher „formalen“ Aspekten wollen wir uns nun mehr der
politischen Seite widmen. Hier zeigt sich – durchaus nicht
unabhängig
von den oben genannten Aspekten – unserer Meinung nach
grund¬legender
Diskussionsbedarf. In enger Verbindung mit dem Aufstieg und Fall der
repräsentativen Demokratie ist, zumal aus emanzipatorischer
Perspektive, vor allem eine Frage zu stellen: Wie hältst
du´s mit dem
Staat? Denn genau so wie die globale Protestbewegung und auch die
Sozialforen ein, wenn nicht der Ausdruck der Antiquiertheit
nationalstaatlicher (Partei-)Politik sind, genau so ist die Frage nach
der Möglichkeit einer emanzipatorischen Rückkehr zu
(national)staatlichen Politikformen zu verneinen. Unsere Antwort auf
den neoliberalen Kapitalismus kann nur in der Transnationalisierung des
antikapitalistischen Widerstandes liegen, nicht aber in einem
„Zurück
zum Staat“. Dieser war niemals und ist heute weniger denn je Instrument
oder gar Garant für Demokratie, im Gegenteil: gerade „unserer“
sozialpartnerschaftlichen Disziplinarstaatsvariante „verdanken“ wir ja
die Unterentwickeltheit sozialer Kämpfe hierzulande.
Vor allem stellen wir „unsere Frage“ mit Nachdruck an den
Österreichischen Gewerkschaftsbund. So positiv das Engagement der
Gewerkschaften in den Sozialforen zu bewerten ist, so
grundsätzlich ist
ihre Politik als „ideologischer Staatsapparat“ abzulehnen. Sowohl in
Fragen der Migrationspolitik (warum verweigert der ÖGB als aktiver
Teilnehmer am ASF
nach wie vor Menschen ohne StaatsbürgerInnenschaft das passive
Betriebsratswahlrecht?) als auch in den bornierten Positionen zur
EU-Osterweiterung wurde und wird deutlich, dass sich die
„emanzipatorische Seite“ des ÖGB gegen den protektionistischen
Nationalismus noch lange nicht durchgesetzt hat.
Krieg und/oder Frieden?
Ein weiteres problematisches Feld ist die Auseinandersetzung um
Krieg und Frieden, inklusive „Gewaltfrage“. Verschuldet durch ein
auffälliges Informations-, Geschichtsbewusstseins- und
Diskussions¬defizit wird die massenmedial konstruierte
Gegenüberstellung von Krieg und Frieden nur allzu gerne
über¬nommen.
Kapitalismus aber heißt gerade heute „Krieg“, wenn auch in
verschiedenen Intensitäten. Gerade aus der vergangenen
Friedensbewegung
müssen nicht zuletzt deshalb Lehren gezogen werden: Die aktuelle
Welt(un)ordnung kann weder auf Ebene nationalstaatlicher
Handlungsautonomien noch auf jener des Kampfes um ökonomische
Ressourcen begriffen werden. Es geht also gerade nicht darum, sich
gegen die die USA auf die Seite des „friedliebenden“ Europas zu
stellen, genau so wie der – nur vermeintlich gegen den neoliberalen
Kapitalismus gerichtete - islamische Fundamentalismus vergeblich auf
unsere Solidarität warten muss. Gegen den Krieg sein kann nur
heißen,
gegen das globale System zu sein, gegen den Kapitalismus.
Kapitalistischer Krieg oder kapitalistischer „Frieden“ sind nicht
unsere Alternativen.
Unsere Alternativen müssen in einer Vielfalt der Protestformen
liegen. Seit den Ereignissen in Genua und vor allem seit der
„Friedensbewegung“ wird dem Sozialforenprozess zunehmend der
„Friedens-Schwarze-Peter“ zugeschoben, nicht zuletzt von etablierten
Parteien und Medien. Im Gegensatz dazu lehnen wir jede einseitige
Festschreibung der Protestformen ab, zumal gerade seit Genua das Recht
der Bewegung auf Selbstverteidigung gegen Übergriffe eigentlich
eine
Selbstverständlichkeit sein sollte.
Chancen und/oder Risken?
Die Diskussion um Positionen im Prozess der Sozialforen ist
unabgeschlossen. So soll es auch bleiben. Nach einem Jahrhundert der
allgemeinen Wahrheiten und der Vereinheitlichung ist nun jenes der
Pluralität des Widerstands gekommen. Gegen den neoliberalen
globalen
Kapitalismus ist unser globaler, vielfältiger Widerstand zu
setzen. Nur
aus einer Mannigfaltigkeit von Aktionsformen und Zugängen
können wir
strategisch zu einer neuen Art von Kollektivität gelangen, die
nicht
mehr auf Vereinheitlichung und „demokratischen Zentralismus“ beruht, zu
einer Kollektivität die der Notwendigkeit einer anderen Welt
Nachdruck
verleiht, einer Welt jenseits von Patriarchat, Staat und Kapital.
Dezentral-Komitee der KPdSU (Kollektive Praxis des Sozialen
Ungehorsams)
Bei der Demonstration am 4. Juni werden wir in einer „ungehorsamen
Zone“ unseren Begehren Ausdruck verleihen! Watch out & join the
multitude!
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Wie kankalisiert man
Wiederstand?
Lektion1: Organisiere dein Forum moeglichst zentralistisch und
reprodiziere so die gaenigen, hierachischen Strukturen.
Lektion2: Gib dich vollkommen offen ggenueber Organen des
kapitalistischen Ausbeutungssytems; ziehe so viele Parteien und
Gewerkschaften wie moeglich auf deine Veranstaltung und hilf ihnen,
ihre Haende in Unschuld zu waschen.
Lektion3: Sprich ja nicht von Revolution und dem Kapitalismus als
moerderischen niemals gerechten System.
Lektion4: Wiege dein Publikum im Glauben an einen gerechten, fairen
Kapitalismus; Parteien und Gewerkschaften werden zufrieden mit dir
sein.
Wenn du alle obigfen Lektionen befolgst, hast du, zur Freude von Staat,
Parteien, Gewerkschaften, UnternehmerInnen, Lektion5 schon so gut wie
erfolgreich durchgefuehrt:
Spalte die Bewegung in "gute", mit dem Kapital und dessen Institutionen
kooperierende, und "boese", das Kapital ablehnende
Widerstaendische. Der Staat und seine Schergen freuen sich bestimmt
ueber die Hilfe und Erleichterung ihrer Arbeit.
initiative "selber denken"
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Erklärung des
Feministischen Forums
des Austrian Social Forums 2004
in Linz
Feminismus ist ein MUSS!
Damit endete die Erklärung des Feministischen Forums von Hallein
2003.
Diese wurde vom Treffen der Sozialen Bewegungen allgemein verabschiedet
und in die Abschlusserklärung aufgenommen. Seitdem hat sich das
Feministische Forum als einziger inhaltlicher Fixpunkt im ASF
Wir Feministinnen haben nicht nur dort unsere Positionen, Anliegen und
Forderungen schon ausreichend oft artikuliert. Wenn diese im
Sozialforumsprozess weiterhin ignoriert werden, suchen wir nach anderen
Bündnismöglichkeiten und Handlungsorten. Das kann nicht im
Interesse
des Sozialforums mit seinen Zielen sein.
Die Ignoranz besteht unter anderem in der unreflektierten
Reproduktion bestehender patriarchaler Machtverhältnisse und
Herrschaftsstrukturen. Auch das Geschlechterverhältnis verbunden
mit
der Norm der Heterosexualität ist ein solches hierarchisches
Machtverhältnis. Die Intention des ASF,
eine anderen Welt zu schaffen, kann nur auf der Basis einer umfassenden
Wahrnehmung und Bekämpfung dieser patriarchalen
Machtverhältnisse und
Herrschaftsstrukturen beruhen. Dies setzt ein Bekenntnis zur
Unabdingbarkeit einer feministischen Perspektive auf dem ASF
voraus, ohne die keine politische und ökonomische Veränderung
möglich ist.
Wir akzeptieren keinen gewalttätigen, diskriminierenden,
abwertenden
und aggressiven Umgang mit Frauen/Lesben und Feministinnnen als
Personen, wie er beim diesjährigen Sozialforum erneut passiert
ist.
Das Bekenntnis zum Gender-Mainstreaming ist kein Ersatz für
feministische Perspektiven, Analysen und Praxen.
Wir sehen es als Aufgabe aller an der Organisation des ASFASF zur Verfügung gestellt werden. Das
beinhaltet die prinzipielle Bereitschaft, ausschließende und
starre Strukturen zu verändern.
Für die Migrantinnen waren die Grenzen der alten Welt
möglich, spürbar
und verdeutlicht durch die Strukturen dieses Forums, das behauptet,
dass eine andere Welt möglich ist.
Wir sprechen uns für das Prinzip der Selbstvertretung von
marginalisierten Gruppen innerhalb der Sozialforenbewegung und gegen
Stellvertretungspolitik aus. Keine Auseinandersetzungen ohne die
Positionen der Beteiligten.
Wir treten dafür ein, Unterdrückungsformen nicht
gegeneinander
auszuspielen und marginalisierte Gruppen nicht zu hierarchisieren. In
unserer Gesellschaft existiert ein umfassendes
Diskriminierungsgeflecht, dessen Komplexität nicht mit einfachen
Antworten entsprochen werden kann.
Das ASF in Linz wurde durch das
Einsetzen von kirchlichen und gewerkschaftlichen Ressourcen
organisiert. Anstatt diese Ressourcen „in den Dienst“ der anderen
beteiligten Gruppen zu stellen, wie z. B. den Migrantinnen, die nicht
über solche freien Ressourcen verfügen, werden diese im
Rahmen von
repressiven und ausgrenzenden Maßnahmen eingesetzt.
Eine derartige Überrepräsentanz von
männerbündischen Strukturen, wie Parteien, Gewerkschaften und
Kirche, auf dem ASF
sowie seine zunehmende Institutionalisierung durch diese Verbände
widersprechen einer feministischen Perspektive. Denn aus historischen
Analysen wissen wir, dass dort feministische Belange nicht oder kaum
gehört werden. Außerdem widerspricht diese Tendenz
ausdrücklich den
Intentionen der Sozialforen, die in den Grundsätzen und Zielen der
Charta von Porto Alegre festgelegt sind.
Eine soziale Bewegung lebt auch von Spontaneität, darum
dürfen
Aktionen, die auf dem Forum selbst und aus aktuellen Vorkommnissen
entstehen, nicht durch ausschließende und begrenzende Strukturen
und
Gewalt verhindert werden.
DENN WER MIT BEIDEN BEINEN FEST AM BODEN STEHT, KANN NICHT TANZEN
etabliert. Mitwirkenden, dass Feministinnen, Migrantinnen, Lesben und
anderen
ausreichend Möglichkeiten und Beteiligungsformen für eine
Mitgestaltung
des
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