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Der deutsche Staat bringt Rechtsextremisten das Schießen bei

"Es gibt in Teilen der Armee einen gewissen Resonanzboden für rechte Ideen. Wie hätte sonst der bekannte Neonazi Michael Kühnen die Offiziersprüfung ablegen und an die Bundeswehruniversität kommen können?" (DIE ZEIT, NR.51, 12 DEZ. 97)
Mit dem Roeder-Skandal Anfang Dezember ’97 wurde die offizielle Zusammenarbeit der obersten Armeeführung der Bundeswehr mit den Neofaschisten erstmals in diesem Umfang bekannt. Nach Mitteilung der Wehrbeauftragten des Bundestages, Claire Marienfeld, sind in der Bundeswehr allein im Jahr 1997 über 160 "besondere Vorkommnisse" mit rechtsextremistischem Hintergrund gemeldet worden. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr stellte schon 1993 fest, daß 77 Prozent der Rechtsextremen der Bundeswehr positiv gegenüberstehen.
Die Herrn in Bonn, die bisher stets vom "Einzelfall" redeten, wenn etwas in die Öffentlichkeit drang, können jetzt nicht mehr von "Einzelfällen" oder "aus der Bahn geratenen Rekruten" schwätzen. Jetzt steht auch die "Elite" der Bundeswehr im Rampenlicht.
Der rechtsradikale Terrorist Manfred Roeder (68) durfte vor gut zwei Jahren an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr über die "Regermanisierung" Kaliningrads referieren und dort auch übernachten. Eingeladen soll ihn der damalige Chef des Stabes der Akademie. Von Roeders neonazistischen Aktivitäten soll er angeblich nichts geahnt haben. Roeder war jedoch nicht der erste Rechtsextremist, der die 'Führungsakademie der Bundeswehr' besuchte. Bereits 1990 soll eine Studentenvereinigung aus dem rechtsradikalen Umfeld, die 'Gruppe 146', an der 'Führungsakademie der Bundeswehr' zu Gast gewesen sein. Bei dieser Akademie handelt es sich um die Eliteschule der Bundeswehr, an der bisher auch eine ganze Reihe von Offizieren aus Staaten mit faschistischen Regimen ausgebildet wurden.
Manfred Roeder ist kein Unbekannter. Der ehemalige Rechtsanwalt wurde als neonazistischer Rädelsführer im Jahre 1982 zu 13 Jahren Haft verurteilt. Der Bundesgerichtshof bescheinigt ihm eine von "NS-Gedankengut durchsetzte politische Überzeugung". Er war an einem Brandanschlag auf ein Hamburger Ausländerwohnheim beteiligt. Zwei Menschen starben. 1990 wurde Roeder vorzeitig aus der Haft entlassen. Er ist ein militanter Auschwitz-Leugner und eine Schlüsselfigur in der bundesdeutschen Neonaziszene. In Erfurt und in Marburg griff er jüngst die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung über die Wehrmachtsverbrechen an. Für das Buch 'Die Auschwitzlüge' des Neonazis Thies Christophersen schrieb er 1973 das Vorwort. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks ist Roeder vor allem im ehemaligen Ostpreußen umtriebig. Sein Ziel ist die germanische Wiederbesiedlung des Gebietes um Kaliningrad.
Roeders enge Kontakte zur Bundeswehr begannen lange vor seinem Vortrag im Januar 1995. Das Verteidigungsministerium beschenkte ihn im Juni 1994 mit ausrangiertem Material. Ein Lastwagen, zwei Kleinwagen, Dutzende Spaten und andere Dinge erhielt Roeders 'Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk', mit dem er seit 1993 versucht, Rußlanddeutsche für seine revisionistische Sache einzuspannen.
Projekte wie das zur "Regermanisierung" Kaliningrader Gebietes werden offenbar nicht nur von hohen Militärs, sondern auch von politischen Stellen sehr wohlwollend betrachtet. "Nur so ist es zu erklären, daß Roeder und sein 'Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk' soviel Unterstützung von allen Seiten erhielten"(taz vom 13./14.12.97). Die nationalistischen Inhalte und Ziele Roeders sind offenbar kompatibel mit denen der derzeit Regierenden. Bestrebungen, über deutschsprachige Minderheiten Einfluß auf osteuropäische Länder zu nehmen, sind ja nicht nur auf Neonazis beschränkt. In einer Zeit, in der sich die Bundeswehr für einen neuen deutsch-westeuropäischen Imperialismus bereit macht, ist es nicht verwunderlich, wenn sie für Neonazis verstärkt an Attraktivität gewinnt.
Während Innenminister Kanther fortschrittliche, linke Kräfte bespitzelt und kriminalisiert, können Neofaschisten mit den Spitzen der Bundeswehr und der Regierung legal operieren. Wie ist es sonst möglich, daß das vom Terroristen Roeder gegründete 'Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk' inzwischen nicht mehr von der Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Verein sei nach einem Regierungsvermerk zufolge "nicht signifikant rechtsextremistisch".
Verteidigungsminister Rühe hält sich bedeckt und behauptet: "Alle schweren Fälle liegen Jahre zurück". Wie es aus einer aktuell veröffentlichten Antwort auf eine PDS-Anfrage hervorgeht, hält die Bundesregierung an ihrer Ansicht fest, daß die Bundeswehr nicht anfälliger für rechtsextremistisches Gedankengut sei als die gesamte Gesellschaft. 1996 habe es rund 6.400 gewaltbereite Rechtsextremisten in Deutschland gegeben, die versuchten, in der Bundeswehr "Kameraden" zu finden. Zwei Drittel aller mutmaßlichen rechtsradikalen Gewalttäter seien zwischen 16 und 20 Jahre alt, heißt es weiter. Von dieser "Fehlentwicklung der Gesellschaft" bleibe die Bundeswehr als Wehlpflichtarmee nicht verschont.
Im Folgenden nun einige "besondere Vorkomnisse" mit rechtsextremistischem Hintergrund in der Bundeswehr. Die Ortsnamen Detmold, Hammelberg, Schneeberg, das bayerische Altenstadt u.v.a. stehen inzwischen für gewaltverherrlichende Videos, Nazi-Lieder und prügelnde Soldaten.
Detmold: Am Abend des 17. März macht eine Gruppe von bewaffneten Bundeswehrsoldaten in der Fußgängerzone von Detmold "Jagd auf Ausländer". Soldaten greifen einen 16jährigen Italiener und schlagen zwei türkische Jungen (16 und 17 Jahre alt) brutal zusammen. Die mit Baseball-Schlägern bewaffneten Rekruten schimpfen ihre Opfer mit rassistisch-faschistischen Parolen wie "Kanaken raus aus Deutschland". Auf Druck der Öffentlichkeit werden schließlich die Soldaten aus der Bundeswehr entlassen.
Hammelberg: Anfang Juli wird ein Video bekannt, das Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Hammelberg gedreht haben. Auf den Übungsplatz Hammelberg bei Würzburg hatten Soldaten Kameraden gefilmt, die während der Ausbildung für einen Einsatz in Bosnien Hinrichtungs- und Gewaltszenen nachgestellt hatten. Das Video entstand zwischen Februar und April 1996 in Mittagspause während der Vorbereitungen anderer Soldaten auf einem Bosnien-Einsatz. An dem Film waren insgesamt sieben Soldaten beteiligt.
Schneeberg: Am 23. Oktober wird ein neues Skandal-Video bekannt. Auf dem Band sind rechtsextreme und antisemitische Exzessen von Soldaten zu sehen. Im Hintergrund laufen Lieder rechtsextremer Musikgruppen. Auf dem 1994 und 1995 gedrehten Video recken Soldaten den Arm zum Hitlergruß. Zudem sind auch ausländerfeindliche Sprüche zu hören. Außerdem führen Soldaten vor der Kamera ein "Interview zur Judenvernichtung", die mit den Worten "Alles Lüge" geleugnet wird.
Altenstadt: Am 3. Dezember 1997 wird ein Trinkgelage mit NS-Symbolen bekannt, an dem sich 1993 fünf noch aktive Unteroffiziere und ein Reservist in der 'Franz-Josef-Strauß-Kaserne' im bayerischen Altenstadt/Schongau beteiligten. Die Soldaten grölen bei einem Trinkgelage mit Reichskriegsflagge und Hitler-Bildern in ihrer Kaserne rechtsradikale Parolen.
Trogir/Kroatien: Nach einem Bericht des 'Focus', der sich auf Angaben eines amerikanischen und eines deutschen Offiziers stützt, sollen etwa dreißig Soldaten des deutschen Ifor-Kontingents im kroatischen Trogir im September 1996 bei einer Feier "Sieg Heil" und "Heil Hitler" gebrüllt haben.
Und was unternimmt die größte Oppositionspartei, die SPD, gegen die rechtsextremistischen Umtriebe in der Bundeswehr? Die Empörung der SPD ist überhaupt nicht erst zu nehmen, da sie erst kürzlich die Auslandseinsätze der Bundeswehr auf ihrem Parteitag abgesegnet hat, ebenso wie den Lauschangriff.
"Und nun noch das dringend nötige Wort an Lafontaine, Schröder, J. Fischer und Gefolge. Wollt ihr immer noch das blutige Drama von 1914 wiederholen? Dieser Armee, dieser Armee, diesen Offizieren das Leben von Hunderttausenden, das Schicksal des Landes ausliefern? Fragen wir Sie, jeden einzelnen, die Lafontaine, Schröder, Scharping, J. Fischer und ihr Gefolge, fragen wir jeden einzelnen: Reicht Dir der Roeder-Skandal noch nicht? Seid ihr taubstumme Idioten oder wollt Ihr Euch endlich aufraffen und das werden, was Ihr bisher nur zu sein behautet: eine demokratische Opposition, die die Menschen auf die Straße ruft, endlich Schluß zu machen mit dem, was da gespielt wird?" (Emil Carlebach, I. Vizepräsident des Internationalen Komitee Buchewald-Dora)


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