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Keiner hinderte die Brandstifter von Sivas
Nach den Massaker islamischer Fundamentalisten gegen kritische
Intellektuelle, bei dem am 2. Juli 1993 37 Menschen in den Flammen eines
brennenden Hotels umkamen, hatten türkische Politiker Verständnis geäußert.
So beschwichtigte Staatspräsident Demirel: "Wir möchten die
Sicherheitskräfte und das Volk nicht gegeneinander aufbringen."
"Der Staat hat beim Massaker zugeschaut" titelten die meisten linken
Zeitungen am Tag nach dem Inferno in Sivas. 35 Menschen waren am abend des
2. Juli in der zentralanatolischen Stadt ums Leben gekommen, als islamische
Fundamentalisten das Hotel anzündeten, in dem sich überwiegend alevitische
Intellektuelle zu Ehren des Dichters Pir Sultan Abdal getroffen hatten der
im 16. Jahrhundert wegen Widerstands gegen die Osmanische Herrschaft
hingerichtet wurde.
Die türkischen Politiker hatten zugelassen, daß vor den Augen aller ein
Massaker angerichtet wurde. Es war ein Angriff auf die Meinungsfreiheit,
auf die Kulturfreiheit und auf den laizistischen Gedanken - mit dem Ziel
eine primitive, reaktionäre Ordnung zu errichten. Obwohl sich Mord und
Terror geradezu ankündigten und in Flugblättern zum "Heiligen Krieg" gegen
die Ungläubigen aufgerufen wurde, reagierten die Politiker in Ankara
gelassen.
Der damalige Refah-Oberbürgermeister der Stadt Temel Karamollaoglu hatte
mehrfach zu der Menge gesprochen und für seinen tätlichen Angriff gegen
die "Ungläubigen" Beifall geerntet. Wenige Tage nach dem Pogrom hielt
Karamollaoglu eine Rede vor Refah-Politikern, die offene Drohungen
erhielt: "Natürlich schauen unsere Gegner nicht tatenlos zu, wenn wir uns
unserem Ziel nähern. Aber Gott sei Dank, heben unsere Geschwister in Sivas
diesen Elementen (Aleviten, Anm.) die beste Antwort gegeben. Und diese
Anwort werden unsere Gegner noch öfter zu hören bekommen." Inzwischen wurde
Karamollaoglu von der Refah-Partei für das Massaker belohnt und ist zum
beliebtesten Abgeordneten seiner Partei aufgestiegen.
Der Prozeß gegen die Beschuldigten dauert bis heute an. Doch sitzen die
wahren Verantwortlichen entweder im türkischen Parlament oder sind längst
ins europäische Ausland geflüchtet.
Unter den Toten in Sivas waren bekannte Literaten und Künstler. Der
76jährige Asim Bezirci, der in den Flammen verbrannte, war einer der
bekanntesten Literaturkritiker in der Türkei. Er veröffentlichte unzählige
Bücher, unter anderem zu den Gedichten des weltbekannten kommunistischen
Dichters Nazim Hikmet. Der 44jährige Behcet Aysan war ein mehrfach
ausgezeichneter Vertreter türkischer Gegenwartslyrik. Der 26jährige Musiker
Hasret Gültekin ist bekannt durch zahlreiche Konzerte und Fernsehauftritte.
Als einer der ersten hatte er das Verbot, kurdische Musik zu spielen, mit
seiner Kassette "Die Nacht ist zwischen zwei Tagen" unterlaufen.
widerstand@koma.free.de
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