Der folgende Text ist ein gemeinsamer Aufruf, der aus den bundesweiten Anti-EXPO-Treffen hervorgegangen ist.
»Die EXPO 2000 steht unter dem Motto ðMensch - Natur - TechnikÐ, sie soll an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter ein völkerverbindendes Signal für die Menschen setzen. Ein Signal dafür, daß wir erkannt haben, daß wir Menschen auf dieser Erde alle zusammen in einer Welt leben. Es macht keinen Sinn mehr, uns in eine erste, zweite, dritte oder vierte Welt aufzuteilen, wenn wir neue Wege suchen. Wege, damit Menschen einen menschenwürdigen Lebensstil in Freiheit und Selbstbestimmung finden können und zugleich künftig das Gleichgewicht des globalen Ökosystems besser gewährleisten und das friedliche Miteinander nicht gefährden.« (EXPO 2000 GmbH, 1995)
Die Wölfe haben Kreide gefressen. Während sich im Zeichen von »Globalisierung« und »Neoliberalismus« Armut, Ausbeutung und Unterdrückung weltweit verschärfen, geloben sie Besserung und malen die Zukunft in den rosigsten Farben. »Wir haben verstanden!« und »Die tun was« - mit den gleichen Slogans, mit denen im Fernsehen Autos beworben werden, soll auch im globalen Maßstab Vertrauen in die Problemlösungskompetenz des - heute als alternativlos zu gelten habenden - Kapitalismus erzeugt werden. Während die bestehenden patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse immer unerträglicher werden, soll das Bewußtsein dafür durch modische Modernisierungsfloskeln zum Verschwinden gebracht werden. Krieg heißt heute »Humanitäre Mission«, die verschärfte Ausbeutung von Mensch und Natur »Nachhaltige Entwicklung«, rassistische und soziale Ausgrenzung »Innere Sicherheit«, Imperialismus »Globale Verantwortung«. Und das Patriarchat gilt spätestens dann als abgeschafft, wenn auch Frauen »ihren Dienst an der Waffe« versehen dürfen ...
Am 1. Juni 2000 soll in Hannover die »erste Weltausstellung auf deutschem Boden«, die EXPO 2000, ihre Pforten öffnen. Fünf Monate lang wollen rund 200 Regierungen und Großkonzerne ersehnten 40 Millionen Besucherinnen »aus aller Welt« unter Aufwendung der modernsten und teuersten Multimedia-Präsentationstechniken eben dieses Bild der Zukunft schmackhaft machen. Sie versprechen »Lösungsbeiträge für die drängenden Menschheitsfragen« und verstehen darunter Marktwirtschaft, Gentechnik, Informations- und Kommunikationstechnologien und »Bevölkerungskontrolle« in den arm gehaltenen Ländern des Südens. Und ganz nebenbei veranstaltet die BRD dieses »weltoffene und fröhliche Fest der Völkergemeinschaft«, um das häßliche braune Deutschlandbild der Vergangenheit weiter zu übertünchen, um als "ganz normaler Partner" (mit Führungsanspruch) in der Staatengemeinschaft dazustehen, für den es schließlich auch schon wieder ganz normal ist, Kriege zu führen. Weltausstellungen sind Messen des Kapitalismus - und sie predigen seine Alternativlosigkeit. 10 Jahre »Wiedervereinigung« Deutschlands sollen auf der EXPO abgefeiert werden und damit gleichzeitig der Triumph über die Niederlage aller sozialistischen Experimente.
»Lust auf Zukunft« soll sie machen, die EXPO. Wenn alle die Ärmel hochkrempeln und ihren Teil zur Rettung des Planeten beitragen, wird schon alles gut - als wären die heutigen Verhältnisse Ergebnis mangelnden Wissens oder Willens. Das Eingeständnis der »Krise« dient vor allem der Herstellung von Leistungs- und Anpassungsbereitschaft für die gemeinsame große Sache. Arme, Alte, Kranke, »Behinderte«, Asylsuchende - kurz: alle, die nicht verwertbar sind - können da nicht länger auf das »Mitleid« des Staates bauen, sondern werden zur Bedrohung aufgebaut und kriminalisiert. Diese Ausgrenzungspolitik hat nicht zuletzt das Ziel, identitätsstiftend für die Eingegrenzten zu wirken und deren Leistungsbereitschaft zu erhöhen. Und wer nicht mitmachen will, macht sich schuldig am Elend in der Welt und hat in der neuen Mitte der wohligen Weltrettungsgemeinschaft nichts verloren.
Wir werden trotzdem nicht mitmachen. Mehr noch halten wir diese Propagandaveranstaltung der herrschenden Weltordnung - ebenso wie die bekannteren Inszenierungen kapitalistischer Macht wie EU- und »Welt«wirtschaftsgifel oder WTO-Tagungen - für ein Ereignis, gegen das es Widerstand zu entwickeln gilt. Dabei bietet gerade eine »Welt«ausstellung Ansätze, die einzelnen Bereiche des Widerstands gegen den patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Zukunftsentwurf dieses Systems zusammenzuführen und sichtbar zu machen. Wenn wir auf der EXPO den kompletten Bauplan der Konzerne, Regierungen, Technokraten für ihre »Schöne Neue Welt« vorgesetzt bekommen, sollten wir im Gegenzug versuchen, die verschiedenen Felder des weltweiten Widerstands (von AtomkraftgegnerInnen bis Zapatistas, von antipatriarchal bis zersetzend) in Zusammenhang zu stellen und gemeinsam Formen zu finden, die öffentlich deutlich machen, daß wir uns eine ganz andere Zukunft vorstellen als die, die sie uns mit der EXPO verkaufen wollen.
Dazu müssen wir nicht alle »Anti-Expo-ExpertInnen« werden, die sich statt mit ihren bisherigen Themen nur noch um die Weltausstellung kümmern - auch wir beschränken uns nicht auf "EXPO-Widerstand". Die EXPO bietet aus dem Blickwinkel jeder einzelnen »Teilbereichsbewegung« und auf Grundlage der jeweiligen politischen Arbeit genügend Ansätze für Kritik. Wenn es uns gelingt, daß sich diese verschiedenen Blickwinkel ergänzen und damit eine gemeinsame Kritik an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen insgesamt sichtbar wird, haben wir schon viel erreicht, das auch über die EXPO hinaus Bestand haben kann.
Setzen wir dem Einheitsdenken des Systems die Vielfalt unseres Widerstands entgegen! Wir streben kein starres Bündnis mit einheitlicher Plattform und zentralistischer Aktionsplanung an. Was läuft, liegt an allen. Dieser Aufruf soll - genauso wie die bisher geplanten Aktionen - nur ein Rahmen sein, der genug Platz für eure eigenen Vorstellungen bietet. Erlaubt ist, was Spaß macht ...
Was derzeit geplant ist, findet ihr vor allem im Terminkalender auf den Seiten von www.expo-no.de
? bis 27.5: Fahrradsternfahrt von überall(?) nach Hannover, info: karawane _BoldOff_Aktionswoche gegen die Expo 2000
Für diese Woche soll sich der Widerstand zentral auf Hannover richten - um dort eine Wirkung zu erzielen, die dann auch bei regionalen Aktionen und Veranstaltungen hilft. Ziel sind bunte, vielfältige Aktionen, die von Basisgruppen und regionalen Bündnissen entwickelt werden. In Hannover wird eine Infrastruktur als Büroräumen, Camps und mehr bereitstehen.
Info: Anti-Expo-AG
Ständig geplant sind u.a. Camps, Veranstaltungen, 2-tägige Anti-Expo-Zeitung und Radiosendungen, spontane und geplante Aktionen
27. Mai in Hannover: Große Demo gegen Expo 2000, Info: Anti-Expo-AG
1. Juni 00: Anti-EXPO-Aktionstag zu EXPO-Eröffnung
27. - 4. Juni 00: Aktionen, Aktionscamps, direkte Aktion
3. - 4. Juni 00: Innen!stadt!aktions!tage in Hannover
9. - 13. Juni 00: Anti-EXPO-Camp in Mellendorf, JANUN, BDP, Naturfreundejugend
11. Juni 00: Innenstadt-Aktionstag, Die Falken
Juli 00: Anarchistisches Sommercamp in Lutter
22. - 30. Juli 00: Interkulturelle FrauenLesben-Uni
20. August 00: Mexiko-Aktionstag zu Chiapas
9. September 00: Subversives Kulturfest
3. Oktober 00: Antinationaler Aktionstag in Hannover und Dresden
3. Oktober 00: "Wir begrüßen unsere Diktatoren" Pavillon Hannover