Es ist niemals falsch das Richtige zu tun! (Al Bundy)

Save The Resistance!

Gegen Ðberwachungsgesellschaft und Sicherheitswahn
Aufruf zur bundesweiten Demonstration am 14.10. in Leipzig

a) Allt”gliche Techniken - Willkommen in einer miesen Zukunft

Glauben wir den Utopien des technologischen Fortschritts von gestern, sind wir jetzt gl¸cklich.

Wir sind gl¸cklich, uns in der Warenwelt auf den Kunden- und Kreditkarten in handliche Konsumentendaten zu verwandeln, auf deren Basis unsere genauen W¸nsche und Bed¸rfnisse in Gegenwart und Zukunft genauer bestimmt werden, als uns selbst das m–glich w”re. Wir freuen uns auf den e-commerce, auf daþ er uns leite, lenke und transparenter mache, f¸r jene die uns unser Wohl anbieten. Wir lieben solchen Service, der sich automatisch unseren M–glichkeiten anpaþt. So macht Konsum Spaþ und wird nicht fade.

Wir sind gl¸cklich, daþ die Atmosph”re in den Innenst”dten wieder stimmt. So clean und rein sollte es ¸berall sein. One world one shopping mall - heiþt: bew”hrte Prinzipien aus Einkaufszentren und Erlebnisparks auch in die –ffentlichen R”ume der St”dte und Gemeinden zu ¸bertragen. Citymanagement mit Musik und Spaþ und Lasershow ist nicht eine neue Version von Brot und Spiele, sondern die auf Attraktivit”t bedachte Auþenrepr”sentation eines Standortes. Eine Investition zum Nutzen aller, die solche Veranstaltungen lieben. Eine Segnung des Kapitalismus, die nur aufrecht erhalten werden kann, wenn der ansprechende Eindruck nicht durch Penner, Punker, Orientierungslose oder sonstige das Konsumanliegen sch”digende Pers–nlichkeiten zerst–rt wird. Der Sicherheitspartner geh–rt zum Standard, sorgt f¸r hemmungsloses Vergn¸gen und reibungslose Abl”ufe. Erlaubt ist was n¸tzt, die Einbeziehung von Pl”tzen und Straþen in gesch”ftliche Gemeinschaftsprojekte ist unerl”þlich.

Wir sind gl¸cklich, daþ die weltfremden Vorstellungen der Vergangenheit ¸berholt sind, die das B–se im Einzelnen nicht anzuerkennen bereit waren. Heute wird nicht mehr auf die probleml–sende Zukunft verwiesen, sondern Kriminalit”t und Verwahrlosung entschieden entgegengetreten. Der Staat nimmt seine Aufgaben endlich wieder ernster. Kommunen stellen aus dem Arbeitslosenheer mit dem n–tigen Druck rekrutierte Kolonnen bereit, die nicht nur die Spuren von Vandalismus und Verschmutzung beseitigen, sondern auch ein wachsames Auge als zus”tzlicher Ordnungsdienst auf alles werfen, was sich tut.

Wir sind gl¸cklich, daþ diese Bem¸hungen f¸r eine allgemeine Verbesserung der Lage, gegen Drogenhandel wie Schwarzfahren, unangeleinte Hunde wie Diebst”hle, H¸tchenspiel wie Autoklau, von der Polizei mit dem Einsatz von social engeneering und HighTechnology unterst¸tzt wird. Wo etwas geschehen kann, muþ das Auge des Gesetzes schon sein. Pr”vention kann nicht l”nger soziale F¸rsorge oder st”ndige Lebenshilfe sein, sondern muþ in polizeiliche Kontrolle ¸bersetzt werden. Technologisch durch Einsatz von Fahndungsdaten und Videotechnik, sozialtechnisch durch Wissensvergleich mit sozialen Einrichtungen, Ÿmtern und Institutionen, die intime Kenntnisse ¸ber relevantes Klientel besitzen. Niemand soll sich l”nger durchmogeln k–nnen, wenn das n–tige Wissen zur Festsetzung irgendwo existiert.

Wir sind gl¸cklich, ¸ber die Enttabuisierung nicht nur bei der Vernetzung der Institutionen, sondern auch dem Einsatz technologischer Ergebnisse zur Sicherheit aller. Harrt die Nutzung der Gentechnologie in der Medizin noch der Entdeckung ihrer M–glichkeiten, ist der Aufbau von Gendatenbanken zur Verbrecherjagd schon Wirklichkeit. Der mit erheblichem Hin und Her beschlossene groþe Lauschangriff hingegen stellt in Bezug auf das, was technisch m–glich ist, nur einen symbolischen Schritt dar. Die akustische Raum¸berwachung w”re heute ”hnlich fl”chendeckend m–glich wie die Telefon¸berwachung. Von den M–glichkeiten einer visuellen Ðberwachung ganz zu schweigen.

Die demokratische Natur der Entwicklungen zeigt sich aber gerade darin, daþ sie nicht nur f¸r Polizei und Sozialbeh–rden nutzbar sind. Ihren Siegeszug haben die relevanten Ðberwachungstechniken im privatwirtschaftlichen Bereich angetreten. So war es die Deutsche Bahn die Kraft ihres Hausrechtes in den Bahnh–fen der Republik die 24 Stunden Video¸berwachung f¸r mehr Sauberkeit, Sicherheit und Service einf¸hrte.

Die Regelungen des kommerziellen Hausrechts in den nur scheinbar –ffentlichen R”umen von Dienstleistungs- und Handelsunternehmen hat auch zur Verfeinerung der selektiven Intervention gef¸hrt. Wenn heute Versch”rfungen des Paþgesetzes die Reisefreiheit von Hooligans beschneiden, ist dies ein genaues Abbild jener Strategien, die sehr genau zwischen erw¸nschten und unerw¸nschten Personengruppen zu unterscheiden verstehen.

Wo gehobelt wird, fallen nat¸rlich auch Sp”ne. So tr¸bt es unsere Freude ein wenig, daþ jene unserer Freundinnen und Freunde, die eine zu blaþe Hautfarbe haben, genauso mit st”ndigen Kontrollen konfrontiert werden, wie jene, deren Teint eine Spur zu dunkel erscheint f¸r einen rein deutschen Stammbaum. Gelten erstere doch als S¸chtige, letztere - je nach sozialem Status - hingegen als ihre Dealer oder ohne legalen Aufenthaltsstatus im Land Befindliche (h”ufig auch als beides). Entsprechend sollen erstere in die Fixerstube, letztere jedoch inhaftiert werden..

b) Sie wollen Dich verhauen! Schlag zur¸ck!

Leipzig will im Jahr 2000 anl”þlich der Expo den Wandel zeigen. Was die neuen Repressionstechniken der entfesselten Marktbesitzer der Kommune und der Polizei betrifft, herrscht bei einigen, die hinter dem eisernen Vorhang aufwuchsen, der Eindruck der Wandel sei einer hin zu alt bekanntem: Mehr Probleme - mehr Polizei - weniger Freiheit. Die motivierte Boomtown im Osten will so sicher, sauber und ordentlich sein wie New York, l”ge es in Sachsen.

Als Teil der linksradikalen Bewegung in Deutschland wissen wir nat¸rlich was abgeht. Repression und Grundrechtsabbau k–nnen vielleicht liberale Demokratiegl”ubige schrecken, wir hingegen wuþten schon immer, daþ das bundesdeutsche Schweinesystem zu diesem und noch ganz anderem in der Lage ist. Wir haben uns auf diese Bedingungen eingestellt, sprechen am Handy nicht mehr ¸ber Wichtiges und wissen genau, daþ auch unser privates Lebensumfeld von Wanzen kontrolliert sein kann. Daþ jene, die sich mit sowas auskennen, uns ¸ber Jahre gleichermaþen Ignoranz und Paranoia vorwarfen, hat uns lange nicht beeindrucken k–nnen.

Mit den gegenw”rtigen Versch”rfungen der Polizeigesetze bzw. der Umsetzung dieser Gesetze in polizeiliche Praxis wird jedoch der Druck nicht nur auf rassistisch Verfolgte und krimininalisierte Menschen sp¸rbar erh–ht, sondern auf alles, was sich jenseits der allgemeinen Normalit”t bewegt. Die Spielr”ume f¸r erfolgreichen politischen Widerstand werden immer enger, die Kriminalisierung immer umfassender.

Der unstillbare Rachedurst mit dem die Justiz die militanten Projekte der Vergangenheit, seien es die Menschen aus der Roten Armee Fraktion oder den Revolution”ren Zellen/Rote Zora, ein Jahrzehnt nach der Einstellung der bewaffneten Aktionen verfolgt, zielt darauf m–gliche Kontinuit”ten zu diesen K”mpfen, seien sie symbolisch, technisch, politisch oder personell, zu vernichten. Auf Gefangene wird dabei keine R¸cksicht genommen. Wichtig ist es, die Allmacht des Staates wiederherzustellen.

Mit ”hnlichem Fanatismus wird gegen die politische Selbstorganisation von MigrantInnen vorgegangen, besonders wenn sie wie im Fall der PKK eine militante Option enth”lt. Die Kriminalisierung der exilkurdischen Menschen und Organisationen nutzt zus”tzlich die rassistischen M–glichkeiten, die das deutsche Ausl”nderrecht bietet.

Auch, wenn wir selbst der staatlichen Repression nicht in diesem Maþe ausgesetzt sind, wird f¸r uns doch immer sp¸rbarer, wie im Zuge des Abbaus b¸rgerlicher Grundrechte in der Gegenwart eine Handlungsm–glichkeit nach der anderen verschwindet. Die Beschneidung fundamentaler Freir”ume, sei es die Ðberwachung von –ffentlichen Treffpunkten oder eine Handhabung des Demonstrationsrechtes, die dessen Aus¸bung zu einer Karikatur jedes Anliegens werden l”þt, erweckt den Eindruck, als werde bewuþt darauf gesetzt, aktive Gruppen zu illegalen Widerstandsformen zu dr”ngen. Im Zusammenhang damit, wie mit den ehemaligen Militanten verfahren wird, zielt das gesamte Verfahren jedoch eher auf die Erzeugung einer fundamentalen Ohnmacht und die Zerschlagung linksradikalen Widerstands ¸berhaupt.

Die Kriminalisierung von Antifagruppen mittels der Konstrukte krimineller Vereinigungen zeigen, daþ die Repressionsapparate, falls sie ihre Strategien erfolgreich umsetzen k–nnen, solange jeden Widerstand zum public enemy aufbauschen werden, wie sich noch irgend etwas regt. Die damit einhergehende Politik der Einsch¸chterung wirkt nicht nur auf jene, die derzeit linksradikale Politik machen, sondern auch auf alle, die nach Ausdrucksformen ihrer Unzufriedenheit suchen. Nicht umsonst sind gerade sehr junge Leute vorrangiges Ziel politischer Repression.

Die anstehenden und bereits Realit”t gewordenen Gesetzesversch”rfungen zwingen uns dazu, nicht l”nger die Augen vor den Entwicklungen im –ffentlichen Bereich zu verschlieþen. War es bisher ein unverzeihlicher politischer Fehler, nicht auf die Repression gegen MigrantInnen und die schleichende Privatisierung der –ffentlichen Sph”re samt der mit ihr einhergehenden Vertreibungen, mit Widerstand in der gebotenen Entschiedenheit zu reagieren, sollten permanente Kontrollen und die Ðberwachung jeder Ecke, an der politischer Widerstand entstehen k–nnte, Anlaþ genug sein, den staatlichen und privaten Omnipotenzphantasien entschlossen entgegenzutreten.

Es geht dabei sicher nicht um das Ðberleben linksradikaler Politik in der BRD, aber wohl darum in welchem Maþe wir - und mit uns jede grundlegende politische Opposition - in der Zukunft die Chance haben werden, gesellschaftlich relevant zu agieren.

c) Alles kontrollieren und nichts mehr kapieren

Woran anders sollte die permanente Video¸berwachung –ffentlicher und quasi-–ffentlicher R”ume erinnern als an jene Vision des 19. Jahrhunderts vom Panoptikum, in dem die disziplinierende Instanz des Gef”ngnisses jederzeit die M–glichkeit hatte, jeden Gefangenen zu ¸berwachen, ohne das die Gefangenen ihrerseits die M–glichkeit hatten zu bemerken, ob sie aktuell kontrolliert wurden oder nicht. Das Panoptikum ist zum Symbol der Disziplinargesellschaft geworden. Der Form der b¸rgerlichen Gesellschaft also, die durch Drill und Dressur, st”ndige Kontrolle und unnachgiebige Strafe die starren Normen des verordneten Lebens durchsetzen wollte. Um den Preis des dauerhaften Ausschlusses bestimmter Gruppen, die als jenseits der Gesellschaft bestimmt und reproduziert wurden.

Dieses harte Regime des Lernens, Lebens und Arbeitens nach dem Modell des Exerzierens, das im Produktionsbereich seine Vollendung im Arbeitstakt der Flieþb”nder fand, wich in der zweiten H”lfte des 20. Jahrhunderts neuen Strategien, in deren Zentrum weniger sklavische Disziplin beim Befolgen fester Regeln stand, sondern soziale Integration und Ausbeutung in einem nicht deutlich umgrenzten Normalbereich stattfand. Teamwork, Dresscode, Sozialarbeit und gesellschaftlich dezentralisierte Verhaltenskontrolle waren die Schwerpunkte des neuen Paradigmas der Kontrollgesellschaft.

Die neuen Techniken der Sozialkontrolle waren nicht ineffektiv. Erinnert sei nur an die Befriedung in Jugendzentren oder die Legalisierungskampagnen gegen Hausbesetzungen. Trotzdem gibt es gegenw”rtig einige Anzeichen f¸r die Renaissance von Disziplinartechniken und den mit ihnen einhergehenden Werten, aber auch Problemen. Das heiþt aber nicht, daþ nun pl–tzlich alle kontrollgesellschaftlichen Modernisierungen an Bedeutung verlieren. Zwar ist es vorstellbar, daþ Todes- und Pr¸gelstrafe wieder in die Diskussion eingebracht werden, aber die Flexibilit”t aktueller Produktionsverfahren wird auch in Zukunft in einigen Bereichen auf die Disziplinarnormen verzichten m¸ssen und k–nnen. Den neoliberalistischen Verh”ltnissen entspricht aber durchaus der Neokonservatismus der b¸rgerlichen Gesellschaft, der mit Gewalt Stabilit”t erzeugt, wo die unreglementierten –konomischen Verh”ltnisse diese zerst–ren.

Ein wesentlicher Aspekt, der aus der Kontrollgesellschaft erhalten bleibt, ist die Dezentralisierung von Kontrolle und Sanktion. Der Ðberwachungsstaat ist ein Konzept aus der Vergangenheit. Obwohl er auch heute noch ein ernstzunehmendes Problem darstellt, entwickeln und verwenden private Vereinigungen die im Zuge der technischen Entwicklung zur Massenware gewordenen Mittel zur Ðberwachung und Datenauswertung in weitaus effektiverer und umfangreicherer Weise als staatliche Institutionen. Damit einher geht der Verlust jener minimalen Kontrolle, die diese Institutionen noch boten. Die Ðberwachungsgesellschaft verwirklicht die Tr”ume des Ðberwachungsstaates als Nebenerzeugnis. So werden die Ðberwachungsdaten, die von der privatisierten Deutschen Bahn durch die Ðberwachung der Bahnh–fe gewonnen werden, auch vom Bundesgrenzschutz und Sozial”mtern in Anspruch genommen.

Doch nicht nur die Interessen der –konomischen und der institutionalisierten Herrschaft treffen sich, auch im Bewuþtsein der Bev–lkerungsmehrheit findet sich kein Widerstand gegen Beschr”nkungen. Im Gegenteil, es ist der Ruf nach mehr Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der als Begr¸ndung f¸r jede Versch”rfung dient. Zwar wird dieser Ruf im konkreten Fall mitunter mehr geh–rt als gerufen, die Tendenz einer breiten Zustimmung f¸r mehr Repression ist jedoch nicht zu leugnen.

Diese Zustimmung w¸rde nicht so ungebrochen ausfallen, handelte es sich nur um ìeingeredeteî Positionen. Ihre Ursachen liegen vielmehr in der Funktionsweise der rassistischen, kapitalistisch gepr”gten Gesellschaft in der BRD begr¸ndet. Deshalb stoþen auch die Aufkl”rungen ¸ber die reale Entwicklungen der Kriminalit”tsstatistiken bei Bev–lkerung und Beh–rden auf taube Ohren.

Ein nicht unbetr”chtlicher Teil der Identit”ten wird heutzutage ¸ber Konsumf”higkeit und -sicherheit gebildet. Nicht umsonst schreitet in den Bereichen von Konsum und Eigentumssicherheit die Ðberwachung ideologisch und technisch am atemberaubendsten fort. Entscheidend ist die Distinktion, also die Unterschiedenheit der verschiedenen Besitzschichten, zum einen, weil dies den sozialen Zielen der wohlhabenderen Schichten entspricht, die der Armut zunehmend entkommen und mit einem besseren Leben belohnt werden wollen, zum anderen, um die Konflikte, die in einer konsumorientierten Gesellschaft automatisch mit unterschiedlichen Konsumverm–gen auftreten, zu unterbinden.

Der Schutz von Eigentum und die Exklusivit”t von Konsumst”tten f¸hren zu einer Segregation, d.h. ausgrenzenden Teilung der Gesellschaft. Geographisch entstehen in den St”dten unterschiedliche Zonen, ¸ber die privatrechtlich mittels Verf¸gungsrecht und Sicherheitsdienst Ordnungsmacht ausge¸bt wird. Diese r”umliche Territorialisierung hat aber zur Folge, daþ nicht nur die aktiv an der Segregation arbeitenden Besitzenden sich absetzen, sondern auch der Teil der jeweils Ÿrmeren einen bestimmten, f¸r andere kaum noch zug”nglichen Bereich zugewiesen bekommt.

Dieser Prozeþ endet in einer Verarmung gesellschaftlicher Kommunikation zwischen den getrennten Gruppen. Ÿhnlich wie bei anderen Gruppen, die durch Ausgrenzung eigene Orte in der Gesellschaft besetzen (z.B. DrogenkonsumentInnen, MigrantInnen oder Inhaftierten), entstehen Gruppen, die f¸r diejenigen, die sich auf der jeweils anderen Seite der gesellschaftlichen Grenze befinden, nur schwer einsch”tzbar sind. Anders als in den 70er Jahren, als diesem Ph”nomen durch Sozialarbeit begegnet werden sollte, wird heute in solchen F”llen die Abwehr und Ausgrenzung noch zus”tzlich verst”rkt.

Durch den exzessiven Einsatz von Ausgrenzungsstrategien werden sich die gesellschaftlichen Konflikte verst”rken und das Ph”nomen des Unverst”ndnisses anderer gesellschaftlicher Gruppen erreicht eine neue Qualit”t. Das ist der Boden auf dem die diffusen Bedrohungs”ngste gedeihen, die jeden Vorgarten zum militarisierten Gebiet werden lassen k–nnen, jede Einkaufspassage zur Hochsicherheitszone.

Das moderne Marketing als Ausdruck der Identit”ts- und Wertevermittlung im –konomischen System des Kapitalismus tut sein ¸briges, um diese Konflikte aufrecht zu erhalten. Die st”ndige Animation zum Besitz, die Verbindung von Besitz und sozialem Sein schaffen in der Gesellschaft das Bewuþtsein f¸r das allgemeine Streben nach privatem Luxus - auch jenseits des Gesetzes. So werden die Grenzen zu den ”rmeren sozialen Schichten ausgebaut, aus Angst, selbst abzusinken, und aus Furcht der gewaltt”tigen Ðbergriffe durch jene, gegen die sich abgeschottet wird und deren Streben nach oben, den eigenen W¸nschen analog gedacht wird.

Die Abgrenzung erfolgt aber nicht nur ¸ber den direkten Vergleich von Kaufkraft und Besitz. Sie ist umgeben von einer Vielzahl traditioneller Werte und Identit”tsmuster. Es geh–rt in Deutschland zum sozialen Stand, die Sekund”rtugenden Sauberkeit, Ordnung und Disziplin demonstrieren und durchsetzen zu k–nnen. Und es geh–rt zum rechten Konsens in der Gesellschaft, das rassistisch als eigene begriffene Volk als wohlhabender und ¸berlegen anzusehen.

Die rassistisch Ausgegrenzten, die insgesamt als unverst”ndliche, ”uþere Bedrohung des deutschen Lebens halluziniert werden, sind die ersten Opfer der Segregationspolitik. Die europ”ischen Auþengrenzen haben sich in milit”risch gesicherte Zonen verwandelt, an denen mehr Menschen ihr Leben verlieren als am Eisernen Vorhang des Kalten Krieges. Die Verfolgung der Fl¸chtlinge hat inzwischen den gesamten Osten Europas erfaþt. Ðberall werden ìSchleusserî gefangen und ìIllegaleî gejagt. Wobei der Bundesgrenzschutz in Deutschland als paramilit”rische Bundespolizei, die Polizei und die Bev–lkerung eng kooperieren. Letzere per Denunziation und als legalisierte B¸rgerwehr oder, wo sie den legalen Rahmen verl”þt, als brutale Exekution der Ausgrenzung durch den Mob.

Die repressive Law and Order Politik der Polizeibeh–rden hat diese in den Ruf gebracht, am ehesten auf die Sicherheitsbed¸rfnisse und vielf”ltigen Bedrohungs”ngste zu reagieren. In einer Zeit, in der die Polizei von allen Institutionen das gr–þte Vertrauen genieþt, wird die polizeiliche Logik zur m”chtigsten Ideologie. Um effektiver zu sein, werden deshalb die gesetzlichen Bestimmung zunehmenden an den Bed¸rfnissen der Repressionsapparate ausgerichtet. Dazu geh–rt die Ausweitung der Befugnisse vor allem in Richtung verdachtsunabh”ngigen Handelns - ìZero Toleranceî, Video¸berwachung, Einschr”nkung der Bewegungsfreiheit f¸r Menschen im Asylverfahren oder Hools, allgemeines Kontrollrecht, Vorbeugegewahrsam usw.

W”hrend Analysen jenseits der Repressionslogik zunehmend aus dem Blickfeld geraten, ger”t die Gesellschaft in den Zustand eines fortgesetzten Sicherheitswahns, da schon allein die massive Pr”senz von Repression in der ÷ffentlichkeit eine Bedrohung durch jene anderen jenseits der Gesellschaft erzeugt. Die gewachsene Aufmerksamkeit durch Medien und Bev–lkerung schl”gt sich in populistischen politischen Entscheidungen nieder, die in ihrer Wirkung aber das Gef¸hl der Unsicherheit verst”rken.

Dezentralit”t und Diffusit”t sind somit die wichtigsten Merkmale im Zusammenspiel der Ideologien von Ðberwachungsgesellschaft und Ðberwachungsstaat.

d) Strippenzieher?

Ist diese Interessenkonvergenz nun ein groþ angelegtes Projekt einer herrschenden Klasse oder einer politischen Partei? Haben wir es mit einer Gleichschaltung von ìobenî zu tun?

F¸r eine Gleichschaltung spricht der breite Konsens, auf den die Tendenz zur Ausweitung von Sicherungs- und Ðberwachungstechniken sich st¸tzen kann. Getragen von –ffentlichen Diskursen, die sich an der Abschottung gegen Fl¸chtlinge und besonders auþereurop”ischer Armut orientieren, die von organisierter Kriminalit”t, Drogen- und Menschenhandel bestimmt sind, aber auch Nazis und Jugendgewalt immer wieder gern in ihren Argumentationskatalog aufnehmen, scheint sich eine umfassende Koalition aus Bev–lkerung, Medien, politischen Organisationen und staatlichen Institution mit Wohlwollen und Unterst¸tzung der wirtschaftlichen Eliten auf den Weg in eine miese Zukunft gemacht zu haben.

Ein n”herer Blick zeigt aber, daþ trotz vielf”ltiger Ðberschneidungen und sich treffenden Interessen die Strategien und Ziele zun”chst sehr heterogen sind. ÷konomische Verwertbarkeit, soziale und rassistische Segregation, deutsche Tugenden, Repressionslogik und Simulation politischer Handlungsf”higkeit k–nnen sich in vielf”ltiger Weise gegenseitig st¸tzen, sie verschmelzen aber nicht zu einem festen System oder gar einer Einheit. Das bedeutet zum einen, daþ sich innerhalb der gegenw”rtigen Entwicklung keine Hauptschuldigen ausmachen lassen, zum anderen, daþ eine Ver”nderung an verschiedenen Punkten begonnen werden kann, will sie insgesamt erfolgreich sein, aber die Kritik auch vielfach ansetzen muþ. Um in ihrer Kritik die gesamtgesellschaftliche Dimension zu erfassen, ist es notwendig, daþ die Linke ihr radikales Festhalten an einer emanzipatorischen, herrschaftsfreien Gesellschaft viel st”rker betonen muþ.

Die Effektivit”t der gegenw”rtigen Sicherheitslogik speist sich aus ihrer Akzeptanz. Eine Akzeptanz, die den verschiedenen Interessen folgend verschieden erzeugt wird. Die dadurch verdeckten Widerspr¸che erm–glichen es uns, kurz und mittelfristig zu intervenieren. Auf lange Sicht kann unsere Politik jedoch nur erfolgreich sein, wenn sie die verschiedenen Strategien hinter der Entwicklung kritisiert, statt in ein konstruktives Mitgestalten an diesen umzuschlagen. Dabei w”re es genauso falsch, die Denunziationsbereitschaft von den Empf”ngerInnen von Sozialhilfe bei ìLeistungserschleichungî zu untersch”tzen, wie dem Protest der Wirtschaft gegen pauschale Telefon¸berwachung ¸berzubewerten.

Ziel des Widerstandes muþ es gegenw”rtig sein, sich gegenseitig steigernde gesellschaftliche Reflexe aufzubrechen. Ein solches Aufschaukeln findet zwischen politischer Macht und B¸rgerinitiativen gegen Verwahrlosung, Drogenhandel oder MigrantInnen statt. Aber auch mediale Inszenierungen des starken, vertrauensw¸rdigen Staates, der uns technisch und moralisch hochger¸stet aus Agenturmeldungen, reality TV · la Autobahnpolizei und aktuellen Polizei- und Kriminalfilmen entgegenstarrt, sind dabei mit einbezogen. Erst durch einen solchen Widerstand wird in einer Zeit, in der sich der Marktwert von Discountern zunehmend nach der Masse von Kundeninformationen, ¸ber die sie verf¸gen, berechnet, auch dieser gesellschaftlich mindestens ebenso relevante Aspekt der neuen Herrschaft ¸ber personengebundene Daten thematisierbar.

Unser Ziel ist es, die Verh”ltnisse anzugreifen, in denen durch R¸ckgriff auf den Sicherheitsdiskurs Positionen automatisch gefestigt und Widerspr¸che verdeckt werden k–nnen.

e) Kapitalismus ohne Bourgeoisie?

Die kapitalistische ÷konomie spielt im Ðberwachungs- und Sicherheitsdiskurs eine zwiesp”ltige Rolle. Im –konomischen Bereich vollziehen sich die st”rksten Ver”nderungen hin zur Total¸berwachung der Einzelnen, sei es als Konsumierende, sei es am Arbeitsplatz. Eine Ordnung, die auf der Verwertbarkeit des Menschen aufgebaut ist, produziert das Interesse an der technischen Handhabbarkeit von Menschen. Ðberwachung und Drill geh–ren seit jeher zum Repertoire der kapitalistischen Produktion.

Die Reproduktion des Kapitalismus ist auf stabile Besitzverh”ltnisse und strikt geregelte Eigentumswechsel angewiesen. Zusammen mit der sozialen Segregation zwischen jenen, die ¸ber Eigentum verf¸gen k–nnen und jenen, denen es an dieser Verf¸gungsgewalt mangelt, wird der Schutz von Eigentum zur Daueraufgabe. Dieser Schutz bleibt in den letzten Jahren immer weniger dem Gewaltmonopol des Staates ¸berlassen, sondern wird in den privaten Eigentumsbereichen, aber auch im –ffentlichen Raum zunehmend wieder mit Hilfe von Sicherheitsdiensten und Wach- und Schlieþgesellschaften privat organisiert.

Das Interesse an Sicherheit erstreckt sich jedoch nicht nur auf den unmittelbar eigenen Besitz. Zum Sicherheitsbed¸rfnis einer kapitalistischen ÷konomie geh–rt auch der Schutz der Gesamtordnung. Gesellschaftliche Destabilisierung und die mit ihr einhergehende Bedrohung von Produktion und Konsumption soll zumindest in den –konomischen Zentren unterbunden werden. Die Ausforschung der Konsumierenden hingegen ist kein grundlegendes Interesse der Produktions- und Eigentumsverh”ltnisse. Der hohe Aufwand, der in dieser Hinsicht betrieben wird, resultiert vielmehr aus der Konkurrenzsituation beim Absatz auf ges”ttigten M”rkten. Hier wird der informationelle Vorsprung zum entscheidenden Vorteil, obwohl Kapitalismus auch ohne ausgefeilte Marktanalysen und Kundenprofile m–glich ist.

Zum Vorteil auf dem Markt geh–ren nicht nur intime Kenntnisse ¸ber Gewohnheiten und W¸nsche der Einzelnen, sondern auch die Teilung der Konsumierenden. Keiner soll auþerhalb der angebotenen Konsumsph”re stehen, aber trotzdem sollen sich die diversivizierten KonsumentInnen nicht durch soziale Interaktion oder Konflikte vom Konsum abhalten lassen. Wer den pers–nlichen B¸chsenbierverbrauch nach oben treibt, soll nicht vom Kauf gediegenerer Alkoholika abhalten.

Diesen gewichtigen Interessen zur umfassenden Ðberwachung und dem Ausbau von Repression und Abschreckung stehen allerdings auch Interessen entgegen. So ergibt sich im Bereich des Schutzes von immateriellen Werten, wie Produktionstechniken und Datenstr–men, das Problem des Miþbrauchs von Erkenntnissen aus Ðberwachungen. Auch hier besteht das Interesse der Abschirmung und des Schutzes der Sph”re privaten Besitzes, doch ist dies in einer Ðberwachungsgesellschaft gegenw”rtig kaum zu gew”hrleisten. Aktuell schlieþen sich beispielsweise die sichere Abwicklung von e-commerce und Durchleuchtung des Internets aus.

Das Interesse an einer Einschr”nkung staatlicher Machtbefugnisse oder gar an politischen und –ffentlichen Rechten existiert innerhalb des kapitalistischen Weltbildes nur mittelbar. Erst wenn staatliche Institutionen hemmend auf –konomische Entwicklungen wirken, bricht sich der Wirtschaftsliberalismus Bahn. Gegenw”rtig dominiert anl”þlich des ìR¸ckzugsî des Politischen aus der ÷konomie das Interesse an Techniken der Repression jeglicher –ffentlicher Unruhe. Diese Verdr”ngung der –ffentlichen Sph”re als pr”ventive Aufstandsbek”mpfung zu deuten, hieþe den gesellschaftlichen Verh”ltnissen in der BRD gegen¸ber blind zu sein. Eher ist davon auszugehen, daþ der –ffentliche Raum als privatisierbare Ressource verstanden und behandelt wird. Die Grenze des –konomischen Interesses an der Gew”hrleistung –ffentlicher Freiheit liegt da, wo es f¸r uns interessant wird.

f) ... und dann gab es da noch die fdGO

Verfassungen, Menschenrechtserkl”rungen, politischer Liberalismus - das sind die gesellschaftlichen Institutionen, die unserer Meinung nach in der b¸rgerlichen Demokratie f¸r die Erhaltung von b¸rgerlichen Grundrechten und -werten (das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, Beschneidung polizeilicher Befugnisse, Privatsph”re, eine zumindest theoretisch allen zug”ngliche ÷ffentlichkeit und plurales politisches Leben) in Anschlag zu bringen sind. Die Realit”t sieht anders aus. Menschenrechte sind Kriegsgr¸nde, eine liberale ÷ffentlichkeit ist in der BRD schon seit Jahren kaum mehr auszumachen und die Liste der einst verfassungsm”þig garantierten, inzwischen aber abgeschafften Rechte w”chst und w”chst: Asylrecht, groþer Lauschangriff, Neufassung der L”nderpolizeigesetze, Arbeitszwang ...

Die Darstellung der b¸rgerlichen Demokratie als Ort dauerhaft formal verbriefter Rechte und Freiheiten erweist sich mehr und mehr als Illusion, f¸r deren Verteidigung es heute kaum noch gesellschaftliche Kr”fte zu geben scheint. So sieht sich die radikale Linke in der BRD seit geraumer Zeit gezwungen, die Forderungen nach der Gew”hrung demokratischer Grundrechte an liberaler Statt zu erheben, um sich wenigstens die Grundlagen politischer Intervention zu erhalten. Durch das Fehlen des liberalen Lagers entsteht in Deutschland zunehmend der Eindruck, b¸rgerliche Grundrechte seien linksradikale Forderungen.

Die Gefahr besteht, daþ im Zuge der Auseinandersetzung mit Repressionskampagnen die radikale Linke in der BRD auf die Pflege der Gesch”ftsgrundlage zur¸ckgeworfen wird. Um dieser Gefahr zu entgehen, ist es notwendig, nicht nur einzelne Symptome zu kritisieren, sondern eine grunds”tzliche Opposition deutlich zu machen. Selbstorganisation bedeutet f¸r uns nicht die Diktatur von neighbourhood communities, die lauern ob Fremde oder Einheimische sich eines Regelverstoþes schuldig machen. ÷ffentlichkeit bedeutet f¸r uns nicht die Spaþ- und Konsumkultur von H”ndlergemeinschaften der Innenst”dte. Pr”vention bedeutet f¸r uns nicht Repression gegen alle, die aus dem vorgegebenen Rahmen fallen k–nnten. Freiheit h–rt f¸r uns nicht da auf, wo das Herrschende bek”mpft wird.

Politik gegen die Abschaffung der ÷ffentlichkeit darf nicht l”nger den Status haben, anl”þlich konkreter Repression auf die Spielregeln der b¸rgerlichen Demokratie zu pochen. Es geht um unsere politische Handlungsf”higkeit. Und es zeigt sich, daþ in dieser Gesellschaft f¸r uns nichts bleibt, was wir uns nicht erstreiten. Die b¸rgerlichen Grundrechte sind ein Mythos, der nach den gesellschaftlichen Bedingungen ausgeformt wird. Es kann also nicht darum gehen etwas einzuklagen, sondern uns zu nehmen, was wir brauchen.

Die Bedingungen daf¸r werden schwieriger, sie werden aber nur besser werden, wenn wir f¸r die Verbesserung sorgen. Das Warten auf die liberale ÷ffentlichkeit hat lange genug gedauert. B¸ndnispartnerinnen werden f¸r uns eher jene sein, die, wie organisierte MigrantInnen, selbst an verbesserten Bedingungen ein Interesse haben. Wer hingegen warten will bis sich die Konflikte in der b¸rgerlichen Gesellschaft soweit zugespitzt haben, daþ sie f¸r eine kapitalistische ÷konomie unattraktiv werden, sollte sich auf eine l”ngere Periode mit sehr eingeschr”nkten politischen M–glichkeiten einstellen.

Gelingt es n”mlich nicht den Widerstand zu organisieren, werden Repression und die Jagd auf jede politische oder kulturelle Opposition bald den Alltag bestimmen. Die Welt der Zukunft wird dann das Bild einer politischen und kulturellen ÷dnis bieten.

Wir wollen deshalb nicht die - lange nicht ernst genug genommene - Entwicklung verschlafen, aber ebensowenig wollen wir jetzt beginnen, an eine wundersame Ver”nderung durch –ffentliche Aufkl”rung zu glauben. Wichtig ist es uns vielmehr nach den vielen fruchtlosen Versuchen breiter Aufkl”rungskampagnen f¸r die Bev–lkerung den Widerstand gegen Ðberwachungsgesellschaft und Sicherheitswahn zu beginnen. Es wird sich zeigen, daþ die Politik von Sicherheitshysterie und Ðberwachungswahn angreifbar ist.


Organisiert den Widerstand gegen den Konsens der Ðberwachungslogik!
Keine Toleranz f¸r Abschiebung, Ðberwachung und Ausgrenzung!
Gegen die Kriminalisierung gesellschaftlicher Konflikte!
Die Modelle des Ðberwachungsalltags zerschlagen!
Schluþ mit rassistischer und sozialer Ausgrenzung!
Enteignung privatisierter –ffentlicher R”ume!
Weg mit Pr”vention und Repression!
Save The Resistance!
Gegen Kapitalismus - f¸r eine herrschaftsfreie emanzipatorische Gesellschaft!

B¸ndnis gegen Rechts, Leipzig



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