Die nachstehende Stellungnahme zweier ehemaliger Bewohnerinnen des KSK-Vorderhauses wurde der Redaktion mit der ausdrücklichen Bitte um Veröffentlichung zugesandt. Die Zeitung kommt dieser Bitte nach, auch wenn Art, Inhalt und Aufbau des Textes nicht gerade eine rationale Auseinandersetzung über den im KSK herrschenden Konflikt fördern werden.
Die vorliegende Stellungnahme von zwei aus dem Kleiner Schäferkamp 46 ausgezogenen Frauen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie ist eine Stimmungsbeschreibung mit der Intention Öffentlichkeit zu schaffen.
Im Mai 1999 konstituierten vier Frauen in den zuvor von anderen Frauen verlassenen Räumen der beiden oberen Etagen des KSK-Vorderhauses kollektiv eine Frauen-WG.
Es existierte auch der Wunsch nach gemeinsamen Aktionen und Aktivitäten mit den männlichen Mitbewohnern der beiden unteren Etagen, obwohl sich diese gemeinsamen Aktionen innerhalb weniger Monate auf das gemeinsame Organisieren der Kneipe im unteren Haus und einige gemeinsame Abendessen reduziert hatten.
Es war kein Zufall, dass diese Räume Frauen-WG bleiben sollten. Dies war zuvor durch das Gesamthausplenum so definiert und beschlossen worden. Es äusserte sich auch darin, dass die neu eingezogenen Frauen von den Vorderhausmännern mitausgewählt wurden. Die Tatsache, dass einige der Einzüge der Frauen mit Unterstützung der Männer durchgeführt wurden, ändert auch nichts an der Definition als Frauenraum.
Diese Trennung wird auch über formale Abläufe deutlich :
Die Frauen sind unabhängig von den Männern auf den Plena erschienen
Miete, Einkauf, Plenumbuch und Organisation waren im Ablauf immer voneinander getrennt.
Dass die vier Frauen unterschiedlicher Herkunft waren wurde nie zum Problem, wenn es darum ging konstruktive und tolerante Auseinandersetzungen zu führen.
Im Zusammenhang mit dem Einzug einer von uns dreien, die sich zum ersten Mal in Deutschland aufhielt, haben die Männer des Vorderhauses ein sexistisches Interesse ihr gegenüber entwickelt, was zu einer deutlichen Männerhierarchie geführt hat.
Das sexuelle Leben dieser Frau wurde in der Männeretage, u.a. in Form von Plena, zum allgemeinen Thema gemacht. Ausser der betroffenen Frau war während dieser Diskussionen nur die Frau anwesend, die aus der ursprünglichen Frauen-WG zum jetzigen Zeitpunkt noch dort wohnt. Zwei von uns wurden hierzu gar nicht erst eingeladen, da bekannt war, dass wir solch eine »Vorführung« nie toleriert hätten. Die permanente Überschreitung der Grenzen der betroffenen Frau und der sexistische Druck von mehreren der Männer auf sie, lösten bald einen Nervenzusammenbruch und die Distanzierung ihrerseits von den Männern aus.
In einem Gespräch innerhalb der Frauenetage haben wir daraufhin erfahren, dass dies nicht das erste mal eine Überschreitung von Grenzen einer Frau in diesem Haus gewesen war. Es wurde aber beabsichtigt den Inhalt dieser Unterhaltung nicht weiter nach aussen zu tragen. Die derzeit noch im Projekt lebende Frau ging jedoch in die Männeretage und erzählte ihnen von dem unter den Frauen stattgefundenen Austausch über das Verhalten in der Männeretage. Daraufhin folgte die Auszugsaufforderung an eine der von den Grenzüberschreitungen betroffenen Frau, die zusätzlich als »Intrigantin« und »asozial« bezeichnet wurde.
Es folgte weiterer Psychodruck auf uns: Weitere Auszugsaufforderungen an zwei von uns, Drohbriefe, Totenköpfe an dem Namen von einer von uns, Persönliche Anmachen mit der Empfehlung »vorsichtig zu sein«, der Hinweis darauf hier im Haus »nur zu Gast« zu sein und dass »man zwar eine Meinung haben könne, aber die solle man besser für sich behalten«....
Die ständige Präsenz der Männer in der Frauenetage ohne unsere Einwilligung
Die Bezeichnung der Frauen als »Votze« seitens der Männer
Die sich selbst zum Sprachrohr berufene Frau entsolidarisierte sich von uns, indem sie der von Sexismus betroffenen Frau vorwarf ihre »Körpersprache» sei »undeutlich»
Einer der Männer verliess erst wegen der Präsenz eines männlichen Besuchers der Frauenetage die Räume. Vorherige klare Aufforderungen von uns, diese zu verlassen, ignorierte er.
Das sind einige der Angriffe, die innerhalb des Machtspieles im Haus stattgefunden haben.
Wir haben versucht uns dagegen zu wehren. Dies haben wir zunächst in Form eines Briefes an die Männer versucht, in dem wir unsere Selbstbestimmtheit in Bezug auf unsere Lebensform (inklusive der Entscheidung welche in der Frauenetage wohnt und welche nicht) deutlich gemacht haben und klare Ansagen mit der Aufforderung nach dem Unterlassen o.g. Übergriffe gemacht haben.
Wir haben zusätzlich bei den anderen Mitbewohnerinnen des Projektes nach Solidarität und Unterstützung gefragt. So berichteten wir im Mittelhaus detailliert über die Vorfälle; im Hinterhaus beschränkten wir uns auf die Forderung nach Unterstützung bezüglich der Selbstbestimmtheit unserer Lebensform und gegen die Anmache im Haus.
Sexismus sollte ersteinmal kein Thema werden, da es uns vorrangig um die Verteidigung unserer Frauenräume ging, innerhalb derer wir uns in Ruhe überlegen wollten wie wir mit diesem spezifischen Thema in Zukunft umgehen wollten.
Daraufhin fand ein Gesamthausplenum statt, wo das Private als unpolitisch erklärt wurde, das mit »professionneller Hilfe« von draussen gelöst werden könne. Abgesehen davon wurde ein Gesamthaussexismusplenum vorgeschlagen. Dort sind wir nie erschienen, weil wir nicht mit den Tätern an einem Tisch diskutieren wollten.
Das weitere Wohnen dort war unerträglich. Uns blieben keine Möglichkeiten uns gegen diesen Sexismus, das Mackerverhalten, Machtspiele und den Psychoterror zu wehren. Wir mussten ausziehen.
Dies war unsere Niederlage auf politischer und persönlicher Ebene. Aber: Zu diesem Zeitpunkt waren wir nicht mehr alleine. Rund 20 Personen haben uns bei dem Auszug geholfen. Darunter befanden sich auch einige der ehemaligen Bewohnerinnen der Frauenetage. So wurden die beiden Etagen demontiert. Was dort im Laufe der Jahre mit der Absicht einer Gemeinschaftsnutzung installiert wurde, wurde von allen abmontiert und mitgenommen:
Wir hatten einen Frauenraum verloren und wir alle wollten ihn nicht sexistischen und patriarchalen Menschen zur freien Verfügung hinterlassen. Es wurden auch die Wände mit Sprüchen im Ton der im Haus stattgefundenen »Auseinandersetzung« besprüht. Einige der Sprüche finden wir selber sehr beschissen, aber wir tolerieren nicht, dass der Rest übersehen und die Sprüche zum alleinigen Thema der aktuellen Auseinandersetzung gemacht werden.
Nach unserem Auszug war das Ganze nicht zu Ende, die Bedrohungen und Anmachen gegen die Frauen und Umzugshelferinnen sind weitergegangen:
Er selbst akzeptierte die absurde Übertragung einer Auseinandersetzung innerhalb der linken Szene auf die Ebene des erpresserischen Verhältnisses zwischen kapitalistischen Unternehmern und Angestellten nicht. Er ging zur Gewerkschaft, um seinen Lohn einzuklagen. Der Prozess läuft. Ebenso eine Unterlassungsklage als Reaktion auf die offenen Briefe.
Im Gegenzug dazu sollen wir von einer Schadensersatzzahlung über DM 10.000,- durch das Vorderhaus KSK belangt werden. Um den Prozess zu verhindern und eine Lösung der beidseitigen Ansprüche herbeizuführen fand ein Treffen von uns und den noch im KSK lebenden Frauen (inklusive Hinterhaus) sowie unserer und deren jeweiligen Freundinnen und Unterstützerinnen statt. Auf diesem Treffen wurde ein Kompromiss ausgehandelt, der von den Männern des Vorderhauses allerdings als nicht tragfähig abgelehnt wurde. Öffentliche Anfeindungen und Bedrohungen haben nicht aufgehört, weitere sind zu erwarten.
Wir sind der Überzeugung, dass die sexistische Eskalation und die darauf folgende Art der Auseinandersetzung so nicht stattgefunden hätte, wenn wir vorher mehr »innerhalb der Szene« verankert gewesen wären: Die Hemmschwelle wäre einfach zu hoch gewesen.
Uns reicht es schon lange. Trotzdem entschliessen wir uns erst jetzt den Konflikt öffentlich zu machen, da wir auf Unterstützung und Einmischung hoffen. Dies ist keine Familienangelegenheit.
Wir fordern die sofortige Annahme des gefundenen Kompromisses!
Dazu gehört:
Sofortiger Stopp jeglicher Anfeindungen und Bedrohungen!
Keine Schadensersatzklage!
Die Frauen haben keine Renovierungskosten zu tragen!
Die Kosten werden vom Gesamthausprojekt KSK getragen!
Sofortige Zahlung des Lohnes!
Frauenraum im KSK soll bleiben!
Wir sind dann bereit unseren Teil des Kompromisses einzuhalten.
Es wird immer davon geredet; dass ein linkes Wohnprojekt zerstört wurde. Zerstört wurde es, aber sind wir die Zerstörenden gewesen???
Überprüft eure Meinung! Es hat schon genug Übergriffe gegeben, die wir (von Anfang an) nicht haben wollten. Dagegen brauchen wir Unterstützung und Solidarität.
Zwei der umgezogenen Frauen.
Kommentar derer, die sich in der Redaktion für die Veröffentlichung des Textes ausgesprochen haben:
Die Verfasserinnen schreiben selber, die »Stellungnahme ... erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie ist eine Stimmungsbeschreibung mit der Intention Öffentlichkeit zu schaffen.« Die Hintergrundkonflikte zwischen den beiden Frauen und ihren ehemaligen MitbewohnerInnen scheinen sich über eine ziemlich lange Zeit auf den verschiedensten Ebenen abgespielt und beiderseitig zugespitzt zu haben. Die nachstehende Stellungnahme schafft dabei keinen genauen Ein- und Überblick zu dieser Vorgeschichte. Dies ist jedoch u.E. weder möglich noch unbedingt sinnvoll, solange es sich um eine Aneinanderreihung von subjektiven »Stimmungsbeschreibungen« handelt und die politische Einordnung bzw. Positionierung nur oberflächlich behandelt wird. Denn dies provoziert ebenso solche subjektiven Wahrnehmungsäußerungen der »anderen Seite« und forciert (die bereits schon voll im Gange stehende) Schlammschlacht. Den Wunsch der Verfasserinnen nach Schutz vor weiteren Übergriffen durch Öffentlichmachung der eskalierten Situation zwischen ihnen und ihren ehemaligen MitbewohnerInnen finden wir jedoch legitim und ernstzunehmend. Denn diese Eskalation äußert sich in verbalen und körperlichen Übergriffen auf die Verfasserinnen und ist damit ein politisch zu bewertendes Thema, auch wenn es aus persönlichen Differenzen im Wohnzusammenhang entstanden ist.
Die Tatsache, daß sich die Männer und ihre UnterstützerInnen in der Folge der Streitereien mit zwei Frauen und als Reaktion auf empfundene und offensichtlich auch stattgefundende Angriffe auf sie (»Demontage« der ehemaligen Frauen-Etage, Besprühen der Wände »mit Sprüchen im Ton der im Haus stattgefundenen ðAuseinandersetzungЫ) mit Beleidigungen, und Bedrohungen zu »wehren« versuchen, ist eindeutig sexistisches Verhalten, um die Frauen einzuschüchtern und mundtot zu machen, die sie bereits vorher des Sexismus und Mackertums beschuldigt haben. Damit überschreiten diese Männer die Grenze des Bereichs einer wohnprojektsinternen Problematik.
Wir wollen mit der Veröffentlichung der Position beziehen, gegen die laufende Einschüchterungspolitik durch die Männer aus dem KSK-Vorderhaus und ihren UnterstützerInnen. Wir geben im Rahmen unserer Möglichkeiten als Zeitungsprojekt den beiden Frauen damit ihre geforderte Unterstützung und Solidarität gegen die stattgefundenen Übergriffe.