Überall Phantome

Ein paar Bemerkungen zum Text "Das Phantom in der Flora"


So sehr ich den Versuch von Teilen der "Öff-AG" begrüße, ein wenig Licht in die Auseinandersetzung um die gescheiterte Aktion gegen die Abschiebung jugoslawischer Flüchtlinge zu bringen, so enttäuscht mußte ich doch feststellen, daß das Papier nur wenige der Geister hat vertreiben können.

Das beginnt damit, daß die Position bzw. wohl eher Positionen des AGA bzw. innerhalb des AGA weitgehend unklar bleiben. Gab es einen grundsätzlichen Konflikt zwischen AGA und IZI, und wenn ja, um welche inhaltlichen Punkte ging er? So etwas scheint ihr anzudeuten, wenn ihr die "schematische und undifferenzierte Zuordnung des ganzen AGA oder von AGA-Teilen zu bestimmten inhaltlichen Positionen" beklagt. Wer hat denn dort die Positionen zugeordnet? Und um welche Positionen handelte es sich? Waren es die Positionen, denen ihr zugeordnet wurdet, die euch geärgert haben oder beklagt ihr in erster Linie die Pauschalität der Zuordnung?

Und wie kann es andererseits sein, daß ihr bei diesen pauschalen Zuordnungen, die ja offensichtlich die Unterschiedlichkeiten innerhalb des AGA negierten, nur an »verschiedenen Punkten« den Eindruck hattet, es ginge eher um ein »machtpolitisches Taktieren als um ein konstruktives Miteinander«? An welchen Punkten hattet ihr den Eindruck, es ginge um ein konstruktives Miteinander?

Überhaupt fehlen mir die AkteurInnen in eurem Text: Wer war es denn, der oder die »Zweifel und Widersprüche« mit »Ablehnung der Aktion und deutscher Bequemlichkeit« gleichgesetzt hat? Und was sollte damit denn gewonnen werden, wenn eine solche Aktion ein taktischer Schachzug sein soll?

Wer hat den »moralischen Druck« strategisch eingesetzt und was sollte mit dieser Strategie erreicht werden, war es eine Fraktion des AGA, war es IZI oder eine Fraktion des IZI? Und welche »unterschiedlichen Herangehensweisen an politische (Zusammen-)arbeit« werden daran deutlich?

Ich denke, ihr drückt euch mit eurem Papier um die eigentliche Kritik herum, indem ihr mit vagen Formulierungen eine allgemeine Kritik formuliert, ohne ihre AkteurInnen und deren Politik zu benennen. Ihr schreibt, ihr habt es versäumt, »sich über die verschiedenen Herangehensweisen innerhalb der AGA zu verständigen«. Mir scheint, ihr habt die verschiedenen Herangehensweisen durchaus verstanden, aber ihr habt daraus keine Konsequenzen gezogen sondern seid dem Ruf nach Einheit und Geschlossenheit gefolgt. Nicht die Existenz unterschiedlicher politischer Herangehensweisen und Positionen war/ist das Problem. Das Problem ist vielmehr, daß eine dieser Positionen darauf abzielte, eine Aktion zu machen, die mit den Bedürfnissen der AktivistInnen/UnterstützerInnen aus der Szene und den Möglichkeiten und Vorstellungen der Kriegsflüchtlinge kaum etwas zu tun hatte. Eine Fraktion wollte also keine Selbst-Organisierung sondern im ganz alten und klassischen Sinne StellvertreterInnen- bzw. Avantgardepolitik machen, und genau diese Fraktion hat es geschafft u.a. mit moralischem Druck und Unterstellungen ihrer Vorstellung hegemonialen Status zu verschaffen und Widersprüche und Unsicherheiten zu denunzieren.

Daran hätte auch die - von euch so sehr gewünschte - klare Ansage von IZI nichts geändert: Ob nun 10 Flüchtlinge oder 30 Autonome eine Aktion für die jugoslawischen Kriegsflüchtlinge organisieren, ist letztlich nur ein gradueller Unterschied, da der größte Teil derjenigen, für diedie Aktion veranstaltet wird eh nicht daran beteiligt ist. Unterstützung von Selbstorganisation kann eben niemals die Unterstützung einer Organisation sein. (Dabei kommt es weniger darauf an, ob die Organisation formal als solche existiert, sondern eher darum, ob die AktivistInnen Organisationspolitik machen.)

Und ich stimme mit euch überein, daß es in einem zweiten Schritt dann darum gehen muß, gemeinsam Diskussionen zu führen und Positionen zu entwickeln, die von allen Beteiligten getragen werden können.

 

Eurer Schlußfolgerung, daß es besser gewesen wäre, die Konflikte auszusprechen, anstatt sie immer wieder aufgrund vermeintlicher Sachzwänge und einer pragmatischen Aktionsorientierung unter den Teppich zu kehren, ist uneingeschränkt zuzustimmen. Allerdings ist es mit dem Aussprechen nicht getan: die Konflikte müssen auch ausgetragen werden, und da in der Regel nicht beide Seiten das gleiche Interesse am Austragen der Konflikte haben, sondern eine Seite viel besser damit fährt, die Konflikte ruhigzustellen, heißt das, die Auseinandersetzung im Zweifelsfalle auch gegen den Willen der anderen Fraktion zu führen.

Ich wage es jedoch zu bezweifeln, daß bei einem solchen Vorgehen die Fraktion, die mit ihrem Ansatz der StellvertreterInnenpolitik ganz zufrieden ist, lange an der Auseinandersetzung teilnimmt. Schließlich hat sie ihre Hegemonieposition zu verlieren und kann dabei höchstens eine erfolgreiche Aktion gewinnen, bei der sie dann aber nicht mehr das Sagen hat.

Finn


Zeck vom September 1997