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Wenn etwas nicht stimmt...
Am 14. November 1997 begann der Versuch der Hamburger Polizei, den Verkauf illegalisierter Drogen rund um die Rote Flora zu unterbinden. Damit wollte sie das Ergebnis ihrer eigenen Verdrängungspolitik am Hauptbahnhof, die zu einer Verlagerung der Dealerszene an den Sternschanzenpark führte und nach repressiven Maßnahmen wiederum zur Verlagerung rund um die Flora, korrigieren.
In den späten Nachmittagsstunden begannen zunächst Zivilfahnder direkt vor der Roten Flora mit einer Razzia gegen die dort stehenden schwarzafrikanischen Dealer. Und damit keine Illusionen darüber aufkommen konnten, was in den nächsten Tagen noch zu erwarten sein würde, bemühten sich die Beamten der Revierwache 16 um klare Verhältnisse. In den Abendstunden des 14.11. griffen sie auf dem Schulterblatt Alimang S. aus Sierra Leone ab, dessen Papiere dann auf der Wache überprüft werden sollten. In Wirklichkeit jedoch brachten die beiden Zivilfahnder ihn auf einen abgelegenen Teil des Schlachthofs, um ihn dort zusammenzuschlagen. Dabei sollte ein in den Mund gestopfter Lederhandschuh verhindern, daß ihr Opfer durch Rufe hätte auf sich aufmerksam machen können. Nachdem Alimang S. mit Verletzungen im Gesicht zurückgelassen wurde, begab er sich selbst noch zur Wache 16, um dort Anzeige zu erstatten. Die Zivilbeamten wähnten sich offenbar ihrerseits so sicher vor Konsequenzen für ihre Mißhandlungen, daß sie zu einem Zeitpunkt zur Wache zurückkehrten, als Alimang S. dort eine Anzeige zu Protokoll gab. Die beiden Beamten wurden dort von ihrem Opfer wiedererkannt. Das hatte zur Folge, daß das polizeiliche "Dezernat Interne Ermittlung" (DIE) angesichts dieser klaren Beschuldigungen in Aktion treten mußte. In der Vergangenheit ist die DIE vor allem dadurch in Erscheinung getreten, daß sie entweder bei konkreten Vorwürfen gegen Polizeibeamte angesichts schleppender Ermittlungen wie Hunde zur Jagd getragen werden mußten oder kurzerhand gegen die Opfer von Polizeigewalt ermittelte, um diese unglaubwürdig zu machen. Um so erdrückender müssen die Beweise gegen die beiden Zivilfahnder sein, denn seit Ende Januar sind sie vom Dienst suspendiert.
Allerdings vermittelt dieser Vorfall nur einen Eindruck dessen, was sich mutmaßlich seit einigen Monaten im Schanzenviertel abspielt: da werden schon mal DrogenkonsumentInnen durch Zivilbeamte in Hinterhöfe gedrängt und ihnen die Kehle zugedrückt, um sie zu Beschuldigungen gegen vermutete oder tatsächliche Dealer zu nötigen; oder - so in den Abendstunden des 24.2. geschehen - die Besatzung des Streifenwagens "Peter 16/2" verfolgt über 20 Minuten eine obdachlose Frau und bepöbelt die verängstigte Frau, sie habe den Stadtteil sofort zu verlassen. Im November 97 sollte es nur gegen die Dealerszene vor der Flora gehen, seit Februar diesen Jahres besteht ein Konzept, über Platzverweise DrogenkonsumentInnen vor der Flora zu vertreiben, und aktuell nehmen einzelne Beamte schonmal die Vertreibung weiterer polizeilich unerwünschter "Elemente" in die Hand.
Zu all dem Schweigen die verschiedenen RetterInnen des Stadtteils: sowohl die "Erste Hilfe Sternschanze", die "AnwohnerInneninitiative Florapark" oder besorgte Eltern des "BaSchu - Spielplatzes" haben offensichtlich ihre Betroffenheit über die Verhältnisse kurzfristig beiseite geschoben. Es scheint das stille Einverständnis mit einer polizeilichen Vertreibungspolitik zu bestehen, die zwar keine Lösungen bietet, aber die Dealer und KonsumentInnen immerhin dorthin verdrängt, wo sie von den aktuell sich gestört fühlenden Menschen nicht mehr wahrgenommen werden können, ohne daß sich wirklich etwas ändert. Selbst die Hamburger Polizei legt ihren Einsatzkonzepten nicht das Ziel zugrunde, den Verkauf von illegalisierten Drogen verhindern zu können.
Tatsächlich sind polizeiliche Maßnahmen Teil einer politischen Strategie der Zuweisung bzw. des Entzugs öffentlichen Raums für all jene gesellschaftlichen Gruppen/Minderheiten, die sich nicht in das Bild einer ordentlichen Stadt integrieren. Die polizeilichen Maßnahmen der "Drogenbekämpfung" im Schanzenviertel gegen Kleindealer / KonsumentInnen können die illegalisierten Geschäfte nicht unterbinden. Also soll der Verfolgungsdruck für Angehörige dieser polizeilich definierten Zielgruppe möglichst so hoch sein, daß sie ausweichen, sich dezentralisieren und unauffälliger die Geschäfte abwickeln. In der Konsequenz werden nicht konkrete illegalisierte Handlungen verfolgt, vielmehr wird für die Betroffenen ein allgemeiner Verfolgungsdruck aufgebaut, der sich gegen ihre psychische und physische Integrität wendet: Schikanen bei Kontrollen, Schläge / Prügel, Beschimpfungen, Einschüchterungen. Die Polizei ist bestrebt, den Preis für jeden einzelnen am illegalisierten Drogenmarkt Beteiligten hoch zu treiben: und das mit Gewalt, im wahrsten Sinne des Wortes! Und an diesem Punkt ist es dann auch egal, ob jemand überhaupt etwas mit der Drogenszene zu tun hat oder nicht, dies entscheidet alleine die polizeiliche Definitionsmacht.
Im Falle des Alimang S. hat es gereicht, abends über das Schulterblatt zu gehen und schwarzer Hautfarbe zu sein: noch nicht einmal die DIE hat für die (Schutz-)Behauptung der beamteten Schläger, er habe mit Drogen gehandelt, einen Beleg gefunden ( als wenn das die Mißhandlungen gerechtfertigt hätte ). Und nachdem aus Kreisen der Wache 16 jüngst verlautete, mit den beiden suspendierten Beamten wären ja eigentlich die harmlosesten aus dem Verkehr gezogen worden, bekommt man eine Ahnung, wer sich da tagtäglich im Stadtteil herumtreibt....
der Kontaktbereichsautonome


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