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Was tun, wenn’s feiert?
Ideen zur Füllung des 3.10. mit linken Inhalten

Dieser Text bezieht sich auf einen Diskussionsbeitrag der RAK, der in der RAZZ Nr.98 veröffentlicht wurde. Darin heißt es u.a. "... Es ist in hohem Maße kontraproduktiv, wenn die radikale Linke sich laufend auf die von den Herrschenden gesetzten Termine stürzt, um dann reflexartig Protest anzumelden. Schon gar nicht im geringsten weiterführend ist es, wenn sich für einen Tag Action an so einem Datum fast ein ganzes Jahr vorbereitet und getroffen werden muß. Wenn es Gruppen gibt, die aus ihrer alltäglichen Arbeit heraus in der Lage sind, dazu etwas zu sagen und noch sinnvoll finden an so einem Tag, dann braucht es keine monatelangen Vorbereitungen dazu. Gibt es sie nicht, kann dazu unter dem Zeitdruck auch nichts mehr erarbeitet werden, was sich lohnen würde darzustellen. Wenn die Linke nicht in der Lage ist, auf solche Termine sozusagen en passant zu reagieren, so muß sie es lassen. Es gibt Wichtigeres zu tun. (...) So ist vorauszusehen, daß der gewisse Tag einen wohlbekannten Verlauf annehmen wird: die Herrschenden setzen einen Termin an; die Empörung über diese Unverschämtheit ist groß; da muß man doch was tun (es bleibt keine Wahl); (...) es wird sich getroffen und gezankt, was angesichts dieses Szenarios zu tun sei; das Wohlbekannte Sammelsurium an Widerwärtigkeiten in diesem Land wird zu Papier gebracht und möglichst weit in die linken Zusammenhänge verschickt; (...) die Restlichen treffen auf ein an diesem Tag natürlich zahlreich erschienenes bestens vorbereitetes Bullenkontingent; es gibt die üblichen Verhaftungen, Übergriffe, Rechtsbeugungen etc. seitens der Bullen; die Linke ruft zur Solidarität auf; das Spiel ist vorbei, die Beteiligten bereiten sich auf das nächste vor. Das Ereignis bleibt isoliert und gesellschaftlich komplett wirkungslos.
Dieser ritualisierte Politikansatz der Linken mit seiner Fixierung auf die Termine der Herrschaft führt uns weiter in das theoretische und praktische Abseits."

Wir sind eine der Gruppen, die sich Gedanken zum 3. Oktober gemacht und diese in Hannover vorgetragen haben.
Wir halten die von der Roten Aktion Kornstraße in der RAZZ aufgebrachte Frage nach dem Umgang der (radikalen) Linken mit staatlich verordneten Gedenktagen für wichtig: Die derzeitigen politischen und zahlenmäßigen Machtverhältnisse erlauben es kaum, daß wir Linke die Gesellschaft dazu bringen, sich mit unseren Inhalten und Handlungen auseinanderzusetzen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Linke rennt den gesellschaftlichen Entwicklungen allzu oft hinterher und versucht mühsam, einen Umgang mit gegebenen Realitäten zu finden.
Wenn »Reflexe« (die nach der Definition unterhalb der Bewußtseinsebene ablaufen) das einzige wären, was wir zur Zeit hervorzubringen imstande sind, so ist in der Tat Kritik an unserer politischen Praxis angebracht. An der bloßen (militanten oder sonstwie) Ablehnung eines nationalistischen Feiertages lassen sich mit Sicherheit keine konstruktiven linken Perspektiven entwickeln.
Es muß uns also offensichtlich um mehr gehen: Auf der Basis einer realistischen Einschätzung unserer Kräfte und des politischen Handlungsspielraumes sollten wir bewußt auf die gegebenen Realitäten reagieren, linke Positionen formulieren und an einer gemeinsamen Strategie arbeiten.
Für uns ist es gerade wichtig, den Staatsfeierlichkeiten und Lobeshymnen auf die Nation unsere Inhalte entgegenzusetzen, deshalb wollten wir auch möglichst frühzeitig darüber diskutieren, in welcher Form das geschehen kann. Im übrigen hat es seit der Einführung dieses Feiertages an diesem Termin immer wieder inhaltliche Diskussionen und Aktionen gegeben, an denen sich Linke aus verschiedenen Regionen und unterschiedlichen Ausrichtungen beteiligt haben.

Warum »dritter Oktober«?
Der 3. Oktober ist ein Kristallisationspunkt der herrschenden Realität, gegen die wir Widerstand leisten müssen.
Der 3. Oktober, der Tag an dem der deutsche Einigungsvertrag in Kraft getreten ist, markiert mehr als nur ein innenpolitisch relevantes Datum. Er symbolisiert ebenso außenpolitische Umwälzungen.
Der Wegfall der Systemkonkurrenz durch die Staaten des Warschauer Paktes hat innen- und außenpolitisch dem BRD-Staat neue Handlungsspielräume eröffnet.
»Unbequeme« Maßnahmen im Zuge der Neoliberalisierung der Gesellschaft, wie der Abbau des Sozialstaates, werden reibungsloser vollzogen, denn die BRD muß sich nicht länger als Schaufenster des »freien Westens« präsentieren, in der es »Wohlstand für Alle« geben soll. Im globalen Wettbewerb um den unternehmerfreundlichsten Standort sind inzwischen fast alle Mittel erlaubt. Zum Erhalt des sozialen Friedens wird nach der Demontage des Sozialstaates auf die »kostengünstigeren« Alternativen Gemeinwohl und nationale Identitätsstiftung zurückgegriffen, die Ausgrenzung, Rassismus und Neofaschismus mit sich bringen.
Außenpolitisch sind Rahmenbedingungen geschaffen worden, die der BRD weltweit ein »neues« und »selbstbewußteres« Auftreten ermöglichen, das erst nach den Ereignissen von 1989/90 so denkbar geworden ist. Aufgrund ihrer Wirtschaftsmacht und mit jetzt 80 Millionen EinwohnerInnen scheint der BRD-Staat den früheren Siegermächten England und Frankreich überlegen zu sein und die EU zu dominieren. Die Europäische Union wiederum schickt sich ihrerseits an, die USA und Japan in ihrer wirtschaftlichen Führungsposition abzulösen.
Zu diesem machtpolitischen Kalkül gehört der Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee und ihre Aufrüstung mit dafür spezialisierten Waffen, aber auch das Bemühen um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.
Das »neue« Nationalgefühl der Deutschen bedarf selbstredend auch weiterhin einer Feindbildbestimmung: Rechtsextreme Positionen sind heute nicht mehr nur im rechten Lager anzutreffen, sondern reichen weit in das hinein, was früher als »liberale Öffentlichkeit« für uns auch noch ansprechbar war. Seit der Annexion der DDR haben die rechtsextremen Parteien zunehmend Schwierigkeiten, sich von der Sozialdemokratie abzugrenzen, und das liegt nicht daran, daß sich die Positionen der Rechten geändert haben.
Gerade an diesem 3. Oktober treffen in Hannover mehrere Ereignisse zusammen: Zum einen ist Schröder vermutlich eine Woche zuvor zum Kanzler gewählt worden und wird sich in »seiner« Stadt gebührend feiern lassen wollen, zum anderen steht die Expo kurz bevor, deren Vorbereitung inzwischen auf Hochtouren läuft, und schließlich wird noch der »Nationalfeiertag« an sich gefeiert. Gerade um nicht nur »inhaltlose Parolen« auf die Straße zu tragen, sondern um Widerstand gegen die herrschende Meinung sichtbar zu machen, wollten wir frühzeitig mit einer inhaltlichen Vorbereitung beginnen. Unsere Befürchtung ging nämlich genau dahin, daß es sonst zu einer der mehr oder weniger schlecht vorbereiteten Demos kommt, auf der ein paar Parolen gerufen werden und dann alle wieder nach Hause fahren, ohne irgendeine inhaltliche Auseinandersetzung geführt zu haben.

Mögliche Gegenveranstaltungen
Wie stellen wir uns die konkrete Vorbereitung vor? Unsere Idee geht dahin, mit möglichst vielen Städten/Gruppen in Kontakt zu treten und gemeinsam eine Veranstaltungsreihe durchzuführen. Jede Gruppe sollte zu einem Thema eine Veranstaltung planen und darin einen Bezug zum 3. Oktober herstellen. Diese Veranstaltungen würden dann auf Tour gehen, d.h. möglichst jede Gruppe macht »ihre« Veranstaltung in jeder mitarbeitenden Stadt, so daß eine Reihe von »Mobilisierungsveranstaltungen« unter einem Motto in vielen Städten stattfindet. Das hätte einen Vorteil: Es gibt eine größere Veranstaltungsreihe unter dem Motto »3. Oktober«, bei der sich die einzelnen beteiligten Gruppen aber nur in ein Thema einarbeiten müßten. Damit ist der Aufwand durchaus überschaubar.
Das Ergebnis dieses Diskussions- und Austauschprozesses wollen wir ausdrücklich nicht vorweggenommen sehen. Wenn im Laufe des Sommers deutlich wird, daß mögliche Veranstaltungen in Hannover nur reflexhafte Handlungen wären, dann könnte das Ergebnis der Diskussion sein, daß es keine Aktionen unsererseits gibt. Aber diese Diskussion muß erst einmal geführt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt fänden wir es wünschenswert, wenn am 3. Oktober nicht nur eine große und kraftvolle Demo zustande kommt, sondern an dem »langen Wochenende« (2.-4.10.) auch zahlreiche Arbeitsgruppen zu den Themen der Veranstaltungsreihe diskutieren würden.
Im Idealfall wäre das Ergebnis ein möglichst breiter und intensiver inhaltlicher Austausch, der bundesweit Diskussionen, Vernetzungen und Aktionen nach sich zieht. Vielleicht können wir so das »schwammige Sammelsurium von allem Schlechten in diesem Staat« mit Inhalten füllen.
Uns kommt es also nicht darauf an, um jeden Preis am 3. Oktober eine Demo in Hannover abzuhalten, sondern einen Diskussionsprozeß zu initiieren. Und der soll sich nicht an Technix orientieren, obwohl die natürlich auch besprochen werden müssen. Wir wollen keine isolierte Demo um der Demo willen.
Bis wir den Text in der RAZZ gelesen hatten, wußten wir leider nicht, wie weit die Diskussion um den 3. Oktober schon gediehen war. Die RAK vertritt dort insofern unsere Position, daß sie ebensowenig wie wir nur eine »Pflichtdemo« abhalten will. Der Schluß, den die RAK aus diesen Gedanken zieht, erscheint uns aber etwas einfach. Bevor mensch Gegenveranstaltungen zum 3. Oktober ganz ausfallen läßt, sollte mensch sich noch überlegen, ob es wirklich nur die Alternative - »Keine Aktion« oder »reaktive Pflichtdemo« - gibt. Ein Konzept wie das unsere scheint die RAK mit der Begründung einer zu langen Vorbereitungszeit abzulehnen.
Obwohl uns nur 6 Monate bis zum 3. Oktober bleiben, würden wir auch noch jetzt gerne mit anderen Gruppen über ein konkretes Vorgehen oder auch Nicht-Vorgehen um und am 3. Oktober in Hannover oder anderswo in eine Diskussion einsteigen, das Für und Wider erörtern und eine gemeinsame Linie finden.

Aus dem Abseits eine Gasse finden!!!
Bis dann,
Antifa Planten un Blomen
c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46a, 20357 Hamburg


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