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Erklärung der Roten Flora
»zero tolerance« für staatliche Vertreibung!
Seitens der Polizei steht in den kommenden Tagen eine weitere Eskalation der Vertreibungsmaßnahmen gegen DrogenkonsumentInnen und -händlerInnen bevor
Der zuständige Leiter der Revierwache 16, Tille hat angekündigt, daß insbesondere der hinter der Roten Flora zur Verfügung gestellte provisorische "Druckraum" aufgelöst und der dort existierende Schutzraum zerschlagen werden soll.
Bereits Anfang April war auf Geheiß des rot-grünen Senats in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Provisorium abgerissen worden, konnte jedoch bereits am folgenden Tag im Rahmen einer öffentlichen Aktion wieder aufgebaut werden.
Unabhängig davon haben die Kontrollen und Razzien insbesondere hinter der Flora stetig zugenommen. Zwei Einsatzzüge wurden zusätzlich ins Schanzenviertel beordert, um parallel zum Vertreibungskonzept für St. Georg auch hier repressiv vorzugehen. Neben permanenten Kontrollen auf der Straße riegeln bis zu 4 mal täglich Beamte auch den Bereich unter der Floraterasse ab, erteilen Platzverweise und verhaften Menschen ohne Paß. Menschen, die gegen Gebietsverbote verstoßen, werden immer häufiger auch bis zu 24 Stunden eingeknastet (amtdeutsch "Ingewahrsamnahme"). In den letzten Wochen hat dies immer wieder obdachlose KonsumentInnen getroffen, die ja nunmal keinen anderen Aufenthaltsort als die Straße haben.
Der Raum hinter der Flora mit seinen alles andere als optimalen Bedingungen stellt angesichts der offensichtlichen Überlastung des Fixsterns noch immer einen der letzten Rückzugsräume für KonsumentInnen im Schanzenviertel dar.
Solange das Kernproblem - die Illegalisierung bestimmter Drogen - nicht gelöst ist, wird die derzeit herrschende Politik stets nur zu einer räumlichen Verschiebung der HändlerInnen und KonsumentInnen führen. Hierdurch wird es gänzlich unmöglich, daß Betroffene eigene Strukturen aufbauen, in denen sie Alltag und Konsum organisieren können. Dabei darf auch die rassistische Komponente nicht aus dem Auge verloren werden, hat doch der Umstand, daß der Drogenhandel bestimmten MigrantInnen zugeschrieben wurde, dazu geführt, daß die Hautfarbe inzwischen das maßgebliche Kriterium polizeilicher Kontrollen und Folgemaßnahmen ist und der innerstädtische Bereich für Mensch dunklerer Hautfarbe faktisch ein nicht mehr betretbares Areal darstellt.
Derartige diskriminierende Praktiken bilden ihrerseits den Nährboden für fortgesetzte rassistische Übergriffe besonders durch die Polizei und signalisieren eine Rechtlosigkeit im öffentlichen Raum. Gleichzeitig dienen sie der Kriminalisierung von MigrantInnen und der Aufspürung illegalisierter Menschen, um deren Abschiebung zu betreiben.
Vor diesem Hintergrund betrachten wir den erneuten Angriff der Staatsmacht auf UserInnen und HändlerInnen als bewußte Verschärfung eh unerträglicher Zustände, die durch die Drogenverbotsproblematik erst hervorgebracht werden. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, daß die Zerschlagung eines Szeneanlaufpunktes, wie es der Raum hinter der Flora angesichts der faktischen Präsens von DrogenkonsumentInnen im Viertel geworden ist, die Menschen nur in die umliegenden Straßen und Parks abdrängen wird. Dadurch werden die Bedingungen für niemanden erträglicher, vielmehr wird das produzierte Elend abermals als ideologische Rechtfertigung für die weitere Verschärfung repressiver Maßnahmen (mehr Polizei, mehr Razzien etc.) herangezogen werden.
Dieser Kreislauf muß endlich durchbrochen werden!
Aus diesem Grund hat sich die Rote Flora vor mehreren Monaten angesichts der Situation im Stadtteil entschlossen, zusammen mit den KonsumentInnen den Raum hinter der Flora einzurichten. Dieses Provisorium kann selbstverständlich keine optimale, auf Dauer ausgerichtete Lösung bieten. Allerdings halten wir es für notwendig, daß es Orte gibt, an die sich KonsumentInnen zurückziehen können. Auch wenn eine längerfristige Lösung einzig und alleine in der Freigabe der derzeit illegalisierten Drogen liegt und nur so die Elend produzierenden sozialen Bedingungen durchbrochen werden können: das erforderliche gesellschaftliche Umdenken und der Widerstand gegen Vertreibung und Ausgrenzung muß hier und jetzt beginnen.
Daher gilt es (auch weiterhin) die polizeilichen Maßnahmen zurückzuweisen und möglichst effektiv zu behindern und Druck aufzubauen, der auf Veränderung der derzeit herrschenden Politik abzielt.
Rote Flora, 1. Juli 1998
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