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Mexikanische Armee überfällt autonome zapatistische Gemeinden in Chiapas
"Die jüngsten Überfälle bedeuten die schlimmste Eskalation seit Januar 1994" erklärt die mexikanische Menschenrechtsorganisation SIPAZ. "Es sieht so aus, als ob das diesmal der Auftakt ist", schreibt eine Genossin, die sich zur Zeit in Chiapas aufhält über die jüngsten Ereignisse dort. "Der Auftakt" zu einer endgültigen militärischen Elimierung der Zapatistas, viereinhalb Jahre nach dem Aufstand der EZLN - durch direkten Terror gegen die unterstützende Zivilbevölkerung:
In den Morgenstunden des 10. Juni überfielen rund 1200 Soldaten und Polizisten die Dörfer Union Progreso, Los Platanos und Chabajeval im autonomen Landkreis San Juan de La Libertad im Hochland von Chiapas. Sie schossen auf die BewohnerInnen, zerstörten deren Häuser, schlachteten das Vieh und warfen aus Helikoptern Bomben auf die Gemeinden. Dabei wurden mehrere zivile ZapatistInnen getötet. Viele Frauen und Kinder flohen in die Berge. Den verbliebenen Männern drohte die Armee, die Hoden abzuschneiden. 57 Menschen wurden festgenommen und in das Gefängnis Cerro Hueco gebracht. Die genaue Zahl der Toten und Verwundeten ist nicht bekannt, da die Armee der Presse den Zugang zu dem Gebiet verwehrt. Sieben Jugendliche wurden vermutlich auf ihren Feldern ermordet, wo man nur noch Blut und Gehirnteile fand. In Chabajeval setzten sich die BewohnerInnen vereinzelt bewaffnet zur Wehr. Dabei kamen sieben Polizisten ums Leben. In dem Dorf Obregón (im selben Landkreis) verhinderten die EinwohnerInnen die Besetzung ihres Dorfes durch eine Straßenblockade.
Die betroffenen Dörfer haben eine Erklärung über die Vorfälle verfaßt, in der sie um die Intervention mexikanischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen und des Internationalen Roten Kreuzes bitten. In der Erklärung heißt es auch: "Das, was wir zur Zeit erleben, läßt es schwierig werden, einen Zusammenstoß mit der zapatistischen Armee zu verhindern."
San Juan de la Libertad ist die vierte autonome Gemeinde, die die Armee besetzt hat. Die mexikanische Regierung hat inzwischen die 38 autonomen Gemeinden für illegal erklärt. Das steht in Widerspruch zu dem (von der Regierung im Februar 96 unterzeichneten) Abkommen von Andrés über "Indigene Rechte und Kultur", in dem den Gemeinden eine Autonomie eingeräumt wird. Damit demonstriert die Regierung mit zunehmender Offenheit, daß sie nie vorhatte, das Abkommen umzusetzen. Aus diesem Grund hat die EZLN bereits im September 96 die Verhandlungen suspendiert. Seitdem ist die Lage in Chiapas kritisch, und die aufständische Zivilbevölkerung leidet unter der Besetzung ihrer Dörfer durch das Militär und dem Terror regierungstreuer paramilitärischer Banden. Das Massaker in Acteal im Dezember 97, bei dem 37 ZivilistInnen von Paramilitärs mit Polizeiwaffen ermordet wurden, war nur ein trauriger Höhepunkt einer Strategie des Aufstandsbekämpfungsprogrammes der mexikanischen Regierung. Sie setzt weiterhin auf Krieg. Anfang Juni hat der bekannte Bischof Samuel Ruiz deshalb von seiner Vermittlerrolle im Konflikt Abstand genommen. Zur Zeit sind 19.000 Menschen auf der Flucht. Seit Monaten weist die Regierung in großen Umfang ausländische BeobachterInnen aus Chiapas aus, zum Teil mit lebenslangem Wiedereinreiseverbot. Dies alles deutet darauf hin, daß sie eine neue Eskalationsstufe vorbereitet, bei der sie keine Zeugen haben will. Die scheint nun zu beginnen.
Von der EZLN gibt es seit Monaten kein Kommuniqué, und so recht weiß auch in Mexiko keiner, warum. GenossInnen, die gerade dort waren, berichten, daß es inzwischen auch in den Unterstützungsdörfern zu Überläufen zur Regierungspartei kommt, selbst in dem Dorf La Realidad, in dessen Nähe sich bisher die Kommandantur befand. Dies habe allerdings auch mit der katastrophalen Versorgungslage der Bevölkerung zu tun, in der die Menschen dann halt doch gezwungen sind, Hilfsgüter von der Regierung anzunehmen. Deshalb ist es aktuell wichtig, die EZLN und die Dörfer finanziell zu unterstützen. Vielleicht überlegt sich die eine oder andere Gruppe etwas dazu, Kontakte und auch Material bekommt ihr über die Gruppen ZAPAPRES (in der Werkstatt 3 ) und SolidariTAT (Cafe` und Buch). Regelmäßige Informationen erhaltet ihr in der Zeitschrift LAND UND FREIHEIT , die seit kurzem von einer neuen Redaktion erstellt wird. Dabei wurde das inhaltliche Konzept insofern erweitert, als das es dort (ab der nächsten Ausgabe) auch Nachrichten über Ereignisse und soziale Bewegungen außerhalb von Chiapas geben wird. So griff die mexikanische Armee z.B. auch im stark militarisierten Bundesstaat Guerrero eine Ortschaft an, um angeblich Guerillas der EPR ( Revolutionäre Volksarmee) dort zu stellen. Elf Menschen starben und viele Dorfbewohner flüchteten in die Berge. Die Lage ist also im ganzen Land sehr bedrohlich.
Wer Interesse an einem Abo der Zeitschrift hat, kann sich an folgende Adresse wenden :
"Land und Freiheit"/ Cafe und Buch
Marktstraße 114, 20357 Hamburg
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