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Antifa heißt ...
... eben doch nicht nur Busfahren
Immerhin ein Gutes hatte die Bundestagswahl: Entgegen vielen Befürchtungen sind die rechtsextremen Parteien weder in den Bundestag noch in das Parlament in Mecklenburg-Vorpommern eingezogen. Selbst zusammen genommen haben die drei Nazi-Parteien die 5%-Hürde deutlich verfehlt.
Rückblickend lohnt es sicherlich zu fragen, ob die antifaschistische Mobilisierung etwas zu diesem Ergebnis beigetragen hat, also als »Erfolg« der Antifa zu werten ist.
Zumindest für die autonomen und Antifa-Aktionen am 19. September in Rostock läßt sich dies wohl mit Sicherheit ausschließen.
Rostock - um dies gleich vorwegzunehmen - war aus meiner Sicht ein komplettes Desaster. Und dies war leider nicht allein der ungünstigen Situation vor Ort geschuldet, sondern hat auch mit der Konzeptlosigkeit zu tun, mit der die Autonomen (und) Antifas nach Rostock gefahren sind.
Auf den gut besuchten öffentlichen Mobilisierungs- und Vorbereitungstreffen hatte sich erst einmal ein anderes Bild geboten: Coole Antifa-KämpferInnen verkündeten dem Publikum, es gebe für den geplanten Nazi-Aufmarsch in Rostock am 19.9. ein ausgeklügeltes Konzept, dessen Kern mehrere Straßenblockade bildeten. Mit dieser Strategie sollte verhindert werden, daß die Nazis überhaupt erst zu ihrem Aufmarschort im Stadtteil Lichtenhagen gelangen konnten.
Vor allem vor dem Hintergrund der Erfahrungen nach dem 1. Mai in Leipzig schien dieses Konzept auf den ersten Blick auch sinnvoll zu sein. Anstatt hilflos gegen einen von der Polizei geschützten Aufmarsch der Nazis zu demonstrieren, sollte diesmal versucht werden, es gar nicht zu einem Aufmarsch kommen zu lassen. Den Berichten der Rostocker Antifa zufolge gäbe es dort ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, der Stadtverwaltung und Antifas, die gemeinsam den NPD-Aufmarsch verhindern wollten. Dieses Bündnis würde auch zu den Blockadepunkten in der Innenstadt mobilisieren.
Nicht in diesem Konzept vorgesehen war die Möglichkeit, daß die NPD statt in Lichtenhagen an einem anderen Ort in Rostock demonstrieren würde, und das, obwohl es frühzeitig Hinweise darauf gab, daß die NPD eine solche Möglichkeit der Stadtverwaltung als Alternative vorgeschlagen hatte.
Eingetreten ist dann genau dieser Fall. Mit dem Segen der Gerichte demonstrierte die NPD im Rostocker Stadtteil Dierkow, der nun leider ganz am anderen Ende der Stadt liegt und dessen Zufahrtsstraßen von dem ursprünglichen Blockadekonzept überhaupt nicht tangiert waren.
Statt an den Blockadepunkten vorbei konnten die Nazis bequem und direkt über die Autobahn zu ihrem Aufmarschort gelangen, während die Antifas - soweit sie denn überhaupt schon angekommen waren - in der Rostocker Innenstadt festsaßen, da die einzige Zufahrtsstraße von dort von den Bullen dichtgemacht worden war.
Vielleicht hätte es ja sogar noch eine Möglichkeit gegeben, das Blockadekonzept Richtung Dierkow zu verlagern, wenn überhaupt ein relevanter Teil der Antifas zum Zeitpunkt des Blockadebeginns schon in Rostock gewesen wäre. Die saßen aber - zumindest wenn sie mit dem Bus oder im Konvoi gefahren sind - in den diversen Vorkontrollen fest, und es dauerte schließlich bis 10 Uhr, bis die letzten Busse aus Berlin in Rostock eingetroffen waren. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich längst mehrere Hundert Nazis in Dierkow gesammelt und selbst wenn es dann gelungen wäre mit einer Demonstration noch nach Dierkow »zu den Nazis« zu kommen, wäre das Ergebnis wohl eher ein Massaker als ein Erfolg gewesen.
Wieder einmal hatte sich gezeigt, daß die Buskonvois viel zu einfach von der Polizei gestoppt und damit jedes Konzept sabotiert werden konnte.
Das Problem waren aber nicht nur die zuspät gekommenen Buskonvois. Entgegen der Ankündigungen im Vorfeld gab es in der Rostocker Innenstadt keineswegs viele Aktionen eines breiten Bündnisses, bei denen die Aktionen der Antifas und Autonomen ein Teil unter vielen sein sollten.
Wer sich ab 8 Uhr an dem am nächsten bei Dierkow gelegenen Blockadepunkt traf, zählte praktisch ohne Ausnahme zur Szene. Von GewerkschaftlerInnen und BürgerInnen war weit und breit nichts zu sehen, und so blieb es auch während des ganzen Tages in der Innenstadt. Genauer müßte man natürlich sagen: Es waren überall BürgerInnen zu sehen, die allerdings die Aktionen der Autonomen und Antifas noch nicht einmal zur Kenntnis nahmen.
Nie habe ich ein so seltsames Szenario erlebt, in dem wir praktisch wie in Kulissen agierten. Nicht einmal Ablehnung schlug einem entgegen, sondern blanke Ignoranz. Während einzelne Bullentrupps prügelnd auf Leute mit Kapuzenpullovern Jagd machten, ging nebenan der Markt oder das Volksfest weiter, als würde nichts geschehen.
So blieb denn auch der Versuch, wenigstens noch eine Demonstration zu machen hilf- und ziellos und versandete in Scharmützeln mit den Bullen.
Konsequenzen?
Letztlich muß wohl gesagt werden, daß das Desaster in Rostock zumindest zum Teil selbst verschuldet war.
1. Das fängt bei den Vorbereitungstreffen an: Dort wurde von Seiten der Antifa ein Rundum-Sorglos-Paket präsentiert, bei dem die TeilnehmerInnen nur noch die Busfahrkarten kaufen sollten - für alles andere sei gesorgt. Nachfragen zum Konzept wurden abgebügelt und die Unklarheiten überspielt. Das ging so weit, daß selbst Einzelheiten über das Blockadekonzept des norddeutschen Konvois erst einen Tag vor der Abfahrt öffentlich bekannt gegeben wurden, für nicht an den internen Treffen Beteiligte also kaum eine Möglichkeit bestand, eigene Beiträge und Konzepte zu entwickeln oder gar Kritik an dem Konzept anzumelden.
Abgesehen davon, daß ich es für verantwortungslos halte Leute in potentiell militante Konzepte einzubeziehen, ohne diese öffentlich zu diskutieren, brachte diese Zentralisierung auch keine taktischen Vorteile. Im Gegenteil: Nachdem die Busse in den Kontrollen festhingen, gab es in Rostock keine Struktur, die eine Koordination hätte übernehmen können.
2. Die gesamte Planung konzentrierte sich auf ein Szenario. Als dies dann nicht eintrat gab es kein Konzept, wie mit der veränderten Situation umzugehen sei.
3. Letztlich müssen wir wohl sehen, daß beim Versuch, nicht nur gegen Rassismus zu demonstrieren, sondern den Nazis auch materiell etwas entgegenzusetzen die Autonomen und Antifas im Moment ziemlich allein da stehen. Zumindest in Rostock gab es auf der Straße noch nicht einmal den Ansatz eines Bündnisses.
Finn
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