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Erklärung des Plenums der Roten Flora
Sowohl in der »Welt« vom 2., 3., und 4.12 als auch in der »Mopo« vom 19.12.98 sind innerhalb weniger Tage Artikel erschienen, die Unwahrheiten aufbauen und einen Angriff auf die Rote Flora darstellen. Hintergrund waren Gespräche von einigen Geschäftsleuten aus dem Viertel mit Bezirkspolitikern der SPD und eine Stellungnahme des Bezirksamtsleiters Hornauer zur Roten Flora. Da selbst die größten Lügen die Tendenz haben, irgendwann geglaubt zu werden, wenn sie nur lange genug wiederholt werden, wollen wir zu einigen dieser Verdrehungen Stellung beziehen.

1.) Von Bezirkspolitikern und Medien wird immer öfter die Rote Flora für Unmut im Schanzenviertel, vor allem jedoch für das Vorhandensein einer Drogenszene verantwortlich gemacht.
Für die verfehlte Drogenpolitik sind einzig und allein der Hamburger Senat und die Bundesregierung verantwortlich. Die Verfolgung von Handel und öffentlichem Konsum illegalisierter Drogen haben in vielen Großstädten zum Entstehen sogenannter offener Drogenszenen geführt. Diese Betroffenen der staatlichen und städtischen Politik müssen allzu oft als Manövriermasse für politische Interessen von »Law and Order«-PolitikerInnen dienen. Wenn jetzt die Rote Flora für die offene Drogenszene verantwortlich gemacht wird, dann dient dies lediglich zur Ablenkung von der eigenen Verantwortlichkeit.
Statt einer politischen Lösung setzt die Politik auf Vertreibung und Dezentralisierung. Dem steht die Rote Flora im Weg und folgerichtig soll sie weg. Was aber bundesweit und auch im Schanzenviertel gebraucht wird, ist eine andere Drogenpolitik. Es braucht eine unbeschränkte Freigabe. Außerdem sind bezahlbarer Wohnraum und eine materielle Grundversorgung für DrogenbenutzerInnen notwendig, damit diese wieder eine Wahl haben, wo sie sich zu welchen Bedingungen aufhalten wollen. Es braucht ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge und ein Ende der rassistischen Hetze, die im Nicht-Deutschen den Dealer und in ihm das Böse sucht.

2.) Die Position der Flora, DrogenbenutzerInnen nicht völlig auszugrenzen und diesen die Möglichkeit zu geben, hinter der Flora wenigstens ansatzweise wind- und wettergeschützt zu drücken, wird zur Ursache für eine »Verschlimmerung« der Zustände im Viertel erklärt.
Zuallererst: Wir werden dieses Minimum an Mitmenschlichkeit nicht aufgeben, selbst wenn dies mit unangenehmen Begleiterscheinungen verbunden sein sollte. Wir werden weder die Drogenszene vor unserer Haustür verjagen, noch werden wir tolerieren, wenn dies durch die Polizei geschieht.
Festzustellen ist jedoch: Die Druckmöglichkeit hinter der Flora »entlastet« die Situation im Stadtteil sowohl für AnwohnerInnen und Geschäftsleute, aber auch für DrogenbenutzerInnen. Wie das Drogenhilfeprojekt Fixstern in einer Erklärung im Juli 98 treffenderweise festgestellt hat, würde ohne diese Möglichkeit ein Teil der DrogenkonsumentInnen zwangsläufig wieder vermehrt in Hauseingängen, Spielplätzen oder Parks drücken müssen. Wir bieten eine Möglichkeit an und schieben unsere Verantwortlichkeit nicht weg. Die Flora hat immer betont, daß die Druckmöglichkeit kein Ersatz für erweiterte Kapazitäten und Räumlichkeiten in der Drogenhilfe (als erste Schritte zu einer Legalisierung) sein kann. Diese werden aber bekanntermaßen vom Senat verweigert. Somit ist er zu einem wesentlichen Teil an den schlechten Lebensbedigungen in der offenen Drogenszene Schuld. Auch hier wird von eigenen Verantwortlichkeiten und Versäumnissen abgelenkt. Es war schließlich der Hamburger Senat und die Polizei, die Teile der Drogenszene vom Hauptbahnhof, St. Georg und dem Sternschanzenbahnhof vertrieben haben.

3.) Die Flora wird als Projekt für zerstörte Fensterscheiben oder Ladendiebstähle im Viertel verantwortlich gemacht.
Es fällt wirklich schwer, zu diesem Quatsch etwas zu sagen. Menschen, die hier im Stadtteil leben, wissen im Allgemeinen am besten, daß die Flora immer um »gute Nachbarschaft« bemüht war und ist. Wir waren und sind immer ansprechbar für NachbarInnen und sind nach wie vor immer versucht, Probleme aus der Welt zu schaffen. Die Flora für zerschlagene Scheiben und Ladendiebstähle verantwortlich zu machen, entbehrt jeder Grundlage. Die Flora unterhält keine Rollkommandos und treibt auch keine Schutzgelder ein und die, die dies behaupten, wissen am besten, daß dies nicht stimmt. Es sind schlicht Lügen, wenn ein Gewerbetreibender aus der Nachbarschaft der Flora behauptet, ihm wären fünfzehn mal im Jahr die Scheiben eingeschlagen worden. Das Schanzenviertel ist zudem weder ein »rechtsfreier Raum«, noch werden hier täglich im Auftrag der Flora Scheiben eingeschlagen.
Wir sind als Stadtteilzentrum nach wie vor an der gemeinsamen Entwicklung von Widerstand gegen Umstrukturierung, Sozialabbau, Sexismus, Rassismus oder Faschismus interessiert. Dazu gehört auch ein korrektes Verhältnis zu unseren NachbarInnen.

4.) Die Flora ist ein unkommerzielles Projekt. Es gibt in der Flora keine bezahlten Stellen, niemand verdient dort Geld, alle Arbeit wird ehrenamtlich geleistet. Alles Geld, das reinkommt, wird als Spende betrachtet, geht an politische, kulturelle oder soziale Gruppen oder Projekte wie die Schwul-Lesbische-Filmtage, antirassistische und antifaschistische Arbeit oder zur Unterstützung anderer Zentren, an Betroffene von Repression oder an internationale Solidaritätsarbeit. Und natürlich dient das Geld auch dem Erhalt und Betrieb des Gebäudes für NutzerInnen aus dem Stadtteil und woandersher. Unter diesen Voraussetzungen bezahlt die Flora keine Steuern. Wohl aber werden Müllgebühren, Strom, Wasser usw.gezahlt. In der Roten Flora ist in den letzten Jahren eine riesige, sehr verantwortliche Aufbauarbeit geleistet worden. Wenn jetzt fehlende Genehmigungen beklagt werden, dann ist dies lediglich ein vorgeschobenes Instrument und der Versuch, politischen Druck auf die Flora zu erzeugen, um unsere Autonomie anzugreifen. Aus einer Ruine nach dem Abriss des alten Flora-Theaters (die der Senat zu verantworten hatte) ist erst über lange Jahre das Gebäude entstanden, über das heute gesprochen wird. Die Flora gäbe und gibt es nicht ohne die Flora. Wir sehen keine Berechtigung für ausgegrabene Ansprüche von Seiten der Stadt an das Gebäude.

5.) Es geht in der aktuellen Auseinandersetzung um mehr als nur die Flora. Es geht darum, widerständige Strukturen im Stadtteil zu disziplinieren, um damit einhergehend Umstrukturierung, Aufwertung und Ausgrenzung voranzutreiben. Schon heute ist die Schanze nicht auf dem absteigenden Ast wie immer behauptet wird, sondern sind hier die Mieten außergewöhnlich hoch, ist die Wohnlage begehrt und können immer mehr ärmere Menschen sich die Miete nicht mehr leisten, während reichere Leute einziehen. Die innerstädtischen Bereiche werden zunehmend zu exklusiven Räumen der Besserverdienenden. Welche Ziele ein neueingerichtetes Dreiergremium der Bezirke Altona, Mitte und Eimsbüttel zum Schanzenviertel verfolgt, liegt bei solcher städtischer Politik auf der Hand. Insbesondere beim Altonaer Bezirksamtsleiter ist deutlich, wohin der Wind weht. Während seine Sozialbehörde einerseits Sozialhilfe einstellt und Mietbeihilfen senkt, bzw. die MieterInnen zwingt, sich billigere Wohnungen zu suchen, die es dann häufig nur in anderen Bezirken gibt, will er andererseits die Schanze vor der angeblichen Verslumung retten und aufwerten. Die Flora wird als Projekt nach wie vor versuchen, mit anderen zusammen gegen eine solche städtische Politik Widerstand zu entwickeln.

Über die Qualitäten eines Bezirksamtschefs Hornauer jedoch, der sich für die oben beschriebene Medienhetze hergibt, an Lügenkonstrukten mitstrickt und dann damit über die Presse an uns herantritt, wollen wir uns an dieser Stelle lieber nicht auslassen.
Allerdings stellen wir schlußendlich fest, um Befürchtungen der Polizeiführung und Herrn Hornauers zu bestätigen und um bedeutungsvolle Fragezeichen der Morgenpost zu beantworten:

Autonomie heißt Unabhängigkeit!
ROTE FLORA BLEIBT!!!
Flora Plenum 21.12.98



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