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DOKUMENTATION
»Es ist der Rassist, der die Minderwertigen schafft« (Fanon)
Heute haben wir vor dem Haus des Hamburger Innensenators Wrocklage, Arndtstraße 5 in Hamburg Uhlenhorst, mehrere Brandsätze unter seiner ihm zum Privatgebrauch überlassenen BMW-Dienstwagenlimousine deponiert. Unsere Aktion knüpft an die antirassistischen Interventionen im Hamburger Schanzenviertel gegen rassistische Hetze, Vertreibungspolitik und Platzverweise an und bezieht sich auf sie.
So wurde in den letzten Jahren, wenn auch viel zu selten und zaghaft, das repressive Vorgehen des Hamburger Senats gegen KonsumentInnen illegalisierter Drogen und die Razzien gegen/Festnahmen von Schwarzafrikanern in der Schanze öffentlich verurteilt und angegriffen. Im Herbst 97 fand eine Demonstration für die Rechte afrikanischer Flüchtlinge in Deutschland statt, Aktionstage gegen die unerträgliche Situation wurden organisiert, sowie der "Revier -vor- Ort"-Bus der Polizei am Schanzenbahnhof zerstört. Die Rote Flora positionierte sich mehrfach in Pressekonferenzen, einer längeren Erklärung und der Errichtung eines provisorischen Druckraumes hinter dem Gebäude gegen die Kontrollen. Im Frühjahr 98 sind Polizeifahrzeuge wiederholt im Schulterblatt angegriffem worden, im November kam es zu einer Attacke gegen Polizeikräfte in der Schanzenstraße. Immer wieder haben Leute Fußstreifen angepöbelt und in Polizeikontrollen angegriffen.
Wir denken, daß nach wie vor die Auseinandersetzung zentral im Stadtteil selbst geführt werden muß, für ein solidarisches Verhalten gegen Ausgrenzung und Sicherheitswahn, gegen ein dumpfes Akzeptieren oder gar Gutheißen polizeilichen Terrors. Mit unserem Vorgehen gegen einen der politischen Hauptverantwortlichen wollen wir das Repertoire der bisherigen Handlungsmöglichkeiten sowie den Aktionsradius erweitern.
Wrocklage steht nunmehr seit über vier Jahren für die Innenpolitik der Hansestadt Hamburg, erst als Innensenator einer Koalition von SPD und Stattpartei, seit Herbst 97 für ROT/GRÜN. Zwar wird er oft als zu lasch und nicht entschlussfreudig genug kritisiert, viele Eckpunkte einer Verschärfung innenpolitischer Grundsätze gehen jedoch auf ihn zurück.
Eine ganze Reihe von Schweinereien markiert seinen Weg::
- das berüchtigte "Hamburger Bettlerpapier", welches zwar als Testballon in seiner originären Fassung vom Tisch ist, aber dessen inhaltliche Linien in den verschiedensten Behörden nach wie vor verfolgt werden.
Nicht umsonst ist das vom grünen Stadtentwicklungssenator Maier forcierte "Koordinierte Handlungskonzept am Hauptbahnhof" grünes Bettlerpapier genannt worden, an Innenstadtverordnungen wird weiterhin gearbeitet.
- Im Frühjahr 97 der sogenannte Kindervisumskandal, als über Wochen lange Schlangen vor der Ausländerbehörde provoziert wurden, tausende MigrantInnen gezwungen waren sich schon nachts anzustellen, um nochmals "Das Boot ist voll" zu inszenieren.
- Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes
- unter großem Medienrummel veranstaltete Polizeieinsätze gegen Flüchtlingsunterkünfte z.B. in Neumühlen und Rahlstedt im Kampf gegen vermeintliche "Hochburgen des Verbrechens"
- Abschiebeterror über den Containerknast Glasmoor und den Flughafen Fuhlsbüttel.
...um nur einige zu nennen.
Schließlich ist Wrocklage Auftraggeber des "Handlungskonzeptes für die Polizei in St. Georg", welches einen Ausnahmezustand für Junks, als Drogendealer stigmatisierte MigrantInnen und Obdachlose in der Nähe der Visitenkarte Hauptbahnhof etabliert hat. Tausende von Platzverweisen, Ingewahrsamnahmen und Verhaftungen führten schlußendlich zu einer Verlagerung der "Szene" zum S-Bahnhof Sternschanze und in die Straßenzüge rund um die Rote Flora. Der polizeiliche Maßnahmenkatalog des oben genannten Konzeptes wurde dann, wenn auch anfangs vorsichtig, auf das Schanzenviertel übertragen. Dabei ist darauf geachtet worden, ein weiteres wichtiges innenpolitisches Projekt nicht zu gefährden, die sogenannten Sicherheitspartnerschaften von Polizei und Bürgern. Der im Hamburger Polizeiskandal als Schläger und Folterer identifizierte Bulle sollte sich als freundlicher Partner und Helfer entpuppen. Unter Zuhilfenahme einer massiven Medienberichterstattung und der Mobilisierung vorhandener rassistischer Bilder sowie Einstellungen der BewohnerInnen des Multikulti-Alternativstadtteils Schanzenviertel, wurde ein Bedrohungsszenario so oft wiedergekäut, bis die Gestalt des schwarzen Drogendealers verinnerlicht und festgeklopft war.
Die Legitimität als auch Normalität einer täglichen rotgrünen polizeilichen Dauerpräsenz wird nicht mehr in Frage gestellt. Die freundlich dreinschauenden patroullierenden Bullenpärchen und finsteren Zivilschläger der Wache 16, welche ausgegrenzte Gruppen, die nicht dazu (d.h. ins Viertel) gehören, nämlich die schwarzen Dealer, die Junks oder die bettelnden Obdachlosen, kontrollieren, verhaften und drangsalieren, werden von den meisten BewohnerInnen toleriert oder akzeptiert. Nach dem Prinzip einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führt das hohe Polizeiaufkommen zu einer Zementierung des Selbstbildes einer bedrohten Viertelgemeinschaft,welche Hilfe von außen bedarf. Der Polizist, der zu Zeiten der Kämpfe gegen die Ansiedlung des Musicals "Phantom der Oper" als Erfüllungsgehilfe einer viertelfeindlichen Umstrukturierungspolitik gesehen wurde, mutiert nun zum Sicherheitspartner im Kampf gegen die an die Wand gemalte Verslumung des Stadtteils. Tatsächlich boomt die Schanze wie selten zuvor,, lockt das prickelnde Flair einer angeblichen "Bronx" nachts haufenweise Yuppi-Pack der Werbe- und Medienszene in die Kneipen und Restaurants - das Nachtleben dort ist "angesagt". Der Roten Flora wird als störendem Schandfleck nicht verziehen, daß sie sich gegen eine Sicherheitspartnerschaft stellt, genausowenig wie den unverbesserlichen vermeintlich autonomen Militanten, die für die Angriffe auf die Bullen verantwortlich gemacht werden.
Die Zukunft eines linksradikalen Zentrums Rote Flora wird sicherlich mit daran entscheiden, ob die repressive Politik des Hamburger Senats mitgetragen wird oder nicht - oft genug wurde der Flora signalisiert, daß sich die Kontrollen ja nicht gegen sie richteten, sondern gegen "andere".
Linksradikale im Schanzenviertel und in Hamburg kommen aber nicht darum herum, offensiv gegen den rassistischen Ausgrenzungsdiskurs Stellung zu beziehen und zu handeln, falls sie nicht völlig unglaubwürdig werden wollen - denn Freiheit ist unteilbar.
Schluß mit den Razzien und Platzverweisen!
Bleiberecht für alle!
Rote Flora bleibt, selbstorganisiert und widerständig!
Hamburg, den 15.2.99
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