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Gipfel? Gibt's auch hier zu Hause!
Gegen das "Bündnis für Arbeit" - gegen Kapitalinteressen und
Standortnationalismus!
Vom 13. bis 15.12. fand in Brüssel der EU-Gipfel statt und die
globalisierungskritische Bewegung hat auch dort wieder gegen die
neoliberale "Sachzwangpolitik", die Anti-Terror-Gesetze und die
Abschottung Europas demonstriert. Daran müssen wir anschließen
- vor Ort in Berlin!
Zwar wurde das für Dezember anberaumte Treffen des "Bündnis für
Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit" - kurz "Bündnis für
Arbeit" - seitens der Gewerkschaften erst einmal abgesagt, weil
diese sich weigern, im Bündnis Tarifdiskussionen zu führen. Doch
das bedeutet mitnichten das endgültige Aus für das Gesamtprojekt.
Gerade in (rezessionsbedingten) Krisen- und Kriegszeiten kommt
dem Bündnis eine noch wichtigere Befriedungsfunktion an der Heimatfront
zu!
Das abgesagte Treffen soll im Januar im Bundeskanzleramt nachgeholt
werden. Was danach klingt, als beträfe es nur die Kernbelegschaften
und Kapitaleigentümer, ist eine Veranstaltung mit Folgen für die
gesamte Gesellschaft. Im "Bündnis für Arbeit" treffen sich - ähnlich
wie auf anderen internationalen Gipfeln - die Spitzen von Staat,
Kapital und Gewerkschaften und erarbeiten Richtlinien bzw. fällen
weitreichende Entscheidungen: Es geht um die weitere Optimierung
der Bedingungen zur Verwertung der Arbeitskräfte im Sinne des
Kapitals, um Arbeitszwangskonzepte für als Faulenzer stigmatisierte,
sowie die Privatisierung und Senkung der Rente. Der Umbau der
gesetzlichen Krankenversicherung hin zu einer höheren eigenen
Beteiligung der Beschäftigten an den Beiträgen, die Regulierung
der Migration nach Kapitalbedürfnissen und der allgemeine Standortnationalismus
zur Befriedung sozialer Konflikte stehen ebenso auf der Tagesordnung.
Wollen wir die in diesem Sommer zu spürende Ahnung von einer grenzübergreifenden,
antikapitalistischen Bewegung weiter vorantreiben, dann gilt es
zu verstehen, wo sich das "Abstraktum" Globalisierung konkret
manifestiert. Wo zeigt es sich klarer, wenn nicht an der Etablierung
von nationalistischen Koalitionen im Rahmen des Standortwettbewerbs,
die jeglichen internationalen Protesten unsererseits das Wasser
abzugraben versuchen?
Voll neoliberal oder was?
Kapitalismus ist und bleibt krisenhaft. Der Widerspruch zwischen
Arbeit und Kapital ist nicht zu überwinden. Er reproduziert sich
immer wieder aufs Neue. Alle, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft
zu verkaufen, müssen ihre Handlungen, wollen sie unter den herrschenden
Verhältnissen überleben, der kapitalistischen Verwertungslogik
unterwerfen. Das fängt bei den Lerninhalten sowie der Disziplinierung
in der Schule an und setzt sich über den Zwang zur Lohnarbeit
bis in die teilprivatisierte Rente fort. Die das System ewig begleitenden,
in den letzten Jahren verschärften sozialen Widersprüche, müssen
immer wieder aufs Neue befriedet werden. Das funktioniert über
vielfältige Formen der Konsensbildung und über Zwang bis hin zur
offenen Repression. Seit Jahren werden in der BRD der Sozialstaat
um- und die sozialen Sicherungssysteme abgebaut. Über diverse
Konzepte wird versucht, die wachsende Anzahl von Arbeitslosen
sowie der unter dem Existenzminimum Lebenden durch Arbeitszwangsmaßnahmen
und gesellschaftlichen Druck sozial zu disziplinieren. Arbeit,
um jeden Preis. Gleichzeitig sehen sich die noch in regulärer
Lohnarbeit stehenden Beschäftigten immer massiver damit konfrontiert,
dass ihre Löhne gedrückt, Flächentarifverträge ausgehöhlt, Arbeitszeiten
verlängert und die Arbeitsintensität erhöht werden. Jedoch ist
das "Bündnis" in seiner Funktion durch die Vokabel "neoliberal"
nicht ausreichend beschrieben oder zu verstehen. Bei der Durchsetzung
dieser Maßnahmen setzen Arbeitgeber und Regierung nämlich gerade
nicht auf einen neoliberalen Kahlschlag wie in den 80er Jahren
in Großbritannien. Dort wurde unter Margaret Thatcher die "Lösung
des Gewerkschaftsproblems" proklamiert und die englischen Gewerkschaften
sahen sich gesellschaftlich bald so geschwächt, dass sie der Kahlschlagpolitik
nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Im Gegensatz dazu gilt unter
Schröder die Losung des "Co-Managements". Das bedeutet: Der Abbau
der Sozialsysteme, die Umverteilung von unten nach oben und der
Ausbau und die Institutionalisierung prekärer Beschäftigungsverhältnisse
gingen und gehen am besten gerade unter Rot-Grün, mit aktiver
Beteiligung der Gewerkschaften voran. Der Schein von den wahrhaftigen
Streitern für die soziale Gerechtigkeit haftet Sozialdemokraten,
Grünen und Teilen der Gewerkschaften immer noch an und vermag
es so, aufkeimende Widersprüche und soziale Konflikte viel besser
zu neutralisieren, als es die offensichtlich konservativen Fraktionen
je vermochten. Man darf gespannt sein, mit welcher ideologischen
Begleitmusik die rot-rote Koalition in Berlin ihre "Sachzwang-"
und Sparpolitik umsetzen wird.
So setzt man auf die Erfolgsgeschichte des Korporatismus, beschönigend
auch "Sozialpartnerschaft" genannt. Dieser braucht starke, zentralisierte
Verbände als Verhandlungspartner. Erklärtes Ziel ist die Mäßigung
interessenspolitischer Forderungen. Gewerkschaften werden Teil
des Herrschaftsapparates und sorgen für die "freiwillige" Disziplinierung
der Mitgliedschaft, um den institutionalisierten Klassenkompromiss
zwischen Arbeit und Kapital zu gewährleisten. Kein Wunder, wenn
da der Pastor der Nation, Bundespräsident Rau, auf dem Arbeitgebertag
Ende November den "Standortvorteil" des sozialen Friedens lobend
hervorhebt. Denn im Gegensatz zu den USA mit 42,4 Streiktagen
auf 1000 Lohnabhängige zwischen 1990 und 1998, gab es in Deutschland
im gleichen Zeitraum 4,8 Streiktage.
Die Rolle der Gewerkschaften
Gewerkschaften sind keine monolithischen Blöcke, sondern ebenso
wie die Gesellschaft durchzogen von Widersprüchen und Kämpfen.
Hegemonial geworden ist jedoch seit langem ein gewerkschaftlicher
Kurs der Befriedung und der Kompromisse. Gewerkschaftspolitik
mutiert mehr und mehr zum Dienstleistungsunternehmertum an den
zusammenschrumpfenden Kernbelegschaften. Die Fragmentierung und
Entsolidarisierung der lohnarbeitenden Bevölkerung verschärft
sich weiter dadurch, dass sich der DGB - nicht nur in den Bündnisrunden
- primär als Vertreter von Lohnabhängigen mit deutschem Pass sieht.
Man ist weit davon entfernt, die Illegalisierten und die auf unterster
ökonomischer Ebene stehenden, hier lebenden und arbeitenden Menschen
als die eigene Klientel zu begreifen. Ebenso herrscht weitgehend
Lähmung bzw. Desinteresse vor, sich auf europäischer Ebene zu
organisieren.
Das "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit"
- erklärtes Prestigeobjekt der rot-grünen Regierung, umfaßt
einen ganzen Institutionenkomplex unter Kanzlerregie. Es wurde
von Schröder nach dem ersten Bündnisgespräch am 7. Dezember
1998 neu aufgelegt. Sieben mal hat sich das neue Bündnis bisher
getroffen. Das erste Bündnis - 1995 noch unter der Kohl-Regierung
und vom damaligen IG Metall Chef Zwickel initiiert - ließen
die Gewerkschaften platzen, als Kohl die Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall von 100% auf 80% kürzte.
Alle Gremien des Bündnisses sind triparitätisch besetzt und
die Arbeit findet in diversen Kleingruppen statt. Immer bedeutsamer
wird dabei die "Benchmarking-Gruppe", deren Ziel es ist, eine
eindeutige Bestandsaufnahme des Wirtschafts- und Sozialstandortes
Deutschland im internationalen Vergleich vorzunehmen. Um das
Bündnis herum sind verschiedene "Think Tanks" angesiedelt,
die durch ihre Expertisen ideologisch mit vorgeben, wie die
zukünftige Politik gestaltet wird. Diese Gruppen prägen die
Arbeitsweise im Bündnis, der bisweilen etwas esoterisches
und penetrant Konsens beschwörendes anhaftet. Zitat von der
Internetseite des BfA (www.buendnis.de): "Die Konsenssuche
wird zu einem dynamischen Prozess, in dessen Verlauf traditionelle
Blockaden aufgebrochen werden und die Partner dafür sorgen,
dass sich in komplexen Entscheidungsprozessen die Waagschale
zugunsten von Erneuerungen senkt". |
Kündigen wir den sozialen Frieden auf!
Das 8. "Bündnis für Arbeit" Gespräch wird ganz im Zeichen der
Rezession und des Krieges stehen. Zwar haben sich Teile der IG
Metall und die 15. Bundesfrauenkonferenz des DGB gegen den Krieg
in Afghanistan ausgesprochen, doch DGB-Chef Schulte steht an der
Seite des Kanzlers. Hier zeigt sich, wie Kriegsargumentation auf
militärpolitischer und Standortdiskussion auf wirtschaftlicher
Ebene ineinander greifen: Im Rahmen der Rezessions- und der Terrorbekämpfung
haben alle still zu halten. So wichtig ist das befriedete Hinterland
für die Wettbewerbsfähigkeit, dass Schröder fast panisch auf die
Kritik der IG Metall am Krieg reagierte. Er verlangte, die Gewerkschaft
habe sich zukünftig Stellungnahmen zu außenpolitischen Fragen
zu enthalten. Die Gewerkschaften haben das für Dezember anberaumte
Bündnistreffen kurzfristig abgesagt, weil sie befürchteten, im
Bündnis Tarifdiskussionen und Tarifzurückhaltung aufgezwungen
zu bekommen. Das derzeitige Zurückrudern der Gewerkschaftsspitze
speist sich eher daraus, dass sich tatsächlich Unmut an der Basis
breit macht, als daraus, dass man in der Tariffrage schon immer
hart geblieben ist. Im Januar 2000 hatte man noch kein Problem
damit, Tarifabschlüsse zum Verhandlungsgegenstand im Bündnis zu
machen. Ganz im Gegenteil: Man verpflichtete sich sogar schriftlich
zu "moderaten Lohnabschlüssen". Jetzt bricht daran offenere Kritik
hervor: Teile der Gewerkschaftsbasis wollen sich nicht schon wieder
zum Wohle des "Standort Deutschlands" auf niedrige Lohnzuwächse
verpflichten lassen, während die Unternehmergewinne steigen. Ebenso
hält man wenig von den Vorschlägen der Gewerkschaftsspitze, differenzierte
Lohnabschlüsse innerhalb einer Branche anzustreben und damit die
Tarifgleichheit weiter auszuhöhlen. Regierung und Kapitalseite
wiederum werden alles daran setzen, das Bündnis als Disziplinierungsinstrument
zu nutzen. Es ist absehbar, dass sie damit Erfolg haben. Dem jetzigen
Verbalradikalismus der Gewerkschaften werden keine entsprechenden
Taten folgen. Und auch bei großen Teilen der Basis zieht letztlich
das ideologische Argument von der gemeinsamen Verantwortung für
die "Deutschland AG" für die sich "alle" - sprich: die Lohnabhängigen
- zurückzuhalten hätten.
Gegen das "Bündnis für Arbeit" formiert sich nach langer Zeit
endlich auch aus der Gewerkschaftslinken Protest auf der Straße.
Sie fordert den Austritt aus dem Bündnis. Uns geht es nicht darum,
den Gewerkschaften den Rücken zu stärken oder ihnen Politikberatung
anzubieten. Wir sollten zusammen mit allen kritischen (Gewerkschafts-)Linken
an die globalisierungskritischen Proteste auf internationaler
Ebene anknüpfen. Es geht aber um mehr: Um die Schaffung einer
sozialen Bewegung, die endlich wieder die Frage nach dem Widerspruch
von Kapital und Arbeit stellt und den sozialen Konsens aufkündigt.
Dazu gehört es, Institutionen wie das "Bündnis für Arbeit" aus
ihrer Aura der Selbstverständlichkeit zu holen und als das zu
zeigen, was sie sind: Nepper, Schlepper, Bauernfänger...
Demonstration
Wann und wo sich das "Bündnis für Arbeit" trifft, ist noch unklar.
Ort und Zeit unserer Gegendemonstration werden daher kurzfristig
im Netz bekannt gegeben.
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