Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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W.E.T. Water Engineering Trading GmbH (1984 bis 1996)

20355 Hamburg (Neustadt), Hütten 86, und 22761 Hamburg (Bahrenfeld), Leunastr. 48

Stammkapital: 170.000 DM
Beschäftigte: 4
Geschäftsführer: Reinhold O. Krauskopf (1984-1996), Nazar Al-Kadhi (1986-1996), Peter Leifer (1986-88)



Ende März 1984 beschuldigte die "New York Times" auf der Grundlage von CIA-Informationen die Firma Karl Kolb GmbH in Dreieich bei Frankfurt, dem Irak Laborausrüstungen und Einrichtungen zur Kampfstoffherstellung verkauft zu haben. Drei Wochen nach dieser ersten öffentlichen Anschuldigung, am 17. April 1984, wurde in Hamburg die W.E.T. gegründet, die bis 1988 als sog. "Nordschiene" eine führende Rolle bei den deutschen Lieferungen für die irakische C- Waffen-Produktion übernehmen sollte. (6) Als Geschäftsführer der W.E.T. trat zunächst der Hamburger Elektrogrosshändler Reinhold Otto Krauskopf in Erscheinung, aber im Hintergrund waren an der Gründung drei Angestellte der Preussag AG, Hannover, wesentlich beteiligt: der Deutsch-Iraker Nazar Al-Kadhi als Leiter der Preussag-Abteilung im Irak sowie dessen Mitarbeiter Peter Leifer und Otto Holzer. Ende 1985 bzw. Anfang 1986 schieden die drei bei der Preussag aus; Al-Kadhi und Leifer wurden weitere W.E.T.-Geschäftsführer.

Der Grosskunde im Irak war die "State Establishment for Pesticides Production" (SEPP), mit der zuvor schon die Karl Kolb GmbH und ihre Tochterfirmen Geschäfte gemacht hatten. Im Juli und September 1985 erhielt SEPP von der W.E.T. zunächst einmal 58 Tonnen Chemikalien, die als Vorprodukte zur Giftgasherstellung geeignet waren. In demselben Jahr wurde man sich handelseinig über das Projekt 33/85, d.h. über die Lieferung einer chemischen Anlage, die zur Herstellung von Lost (Senfgas) oder anderer Kampfstoffe genutzt werden konnte.

Nicht erst das von der irakischen Luftwaffe im März 1988 verübte Giftgas-Massaker von Halabja, bei dem wahllos über 5.000 kurdische Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt umgebracht wurden, zeigte die Fähigkeit und Bereitschaft des Irak zum C-Waffen-Einsatz. Schon 1984 war durch eine UN-Beobachtergruppe bestätigt worden, dass das irakische Militär im Krieg gegen den Iran chemische Waffen einsetzte. Am 23. März 1986 verurteilte der UN-Sicherheitsrat formell die irakischen Giftgaseinsätze. Dies hielt die W.E.T.-Manager allerdings nicht davon ab, mit den Lieferungen für das Projekt 33/85 zu beginnen. Auch eine Rohrverschraubungsanlage für Granaten und Bomben des Kalibers 122 verschob die Firma 1986 in den Irak.

Neben Giftgasanlagen hat die W.E.T. der SEPP bei deutschen Spezialfirmen Brutschränke und Nährstoffe zur Herstellung biologischer Waffen besorgt, wobei man vorgab, die Lieferungen seien für Nigeria bestimmt. (7) Der Irak hat später zugegeben, 191 Gefechtsköpfe mit biologischen Kampfstoffen ausgerüstet zu haben, speziell mit Milzbrand-Bazillen. (8)

Am 19. Februar 1987 erfuhr die deutsche Öffentlichkeit erstmals durch einen Bericht des "Stern" von den massenmordbegünstigenden W.E.T.-Geschäften. Im März 1987 verwies der Hamburger Senat anlässlich einer Anfrage der GAL-Fraktion darauf, dass bei der W.E.T. von den zuständigen Bundesstellen eine Aussenwirtschaftsprüfung durchgeführt werde. (9) Kaum zu glauben, aber vom Landgericht Darmstadt 1996 bestätigt: Die W.E.T. setzte die kriminellen Lieferungen auch danach noch fort. (10)

Das Kapitel W.E.T. kann nicht geschrieben werden, ohne die geheimdienstliche Dimension der Geschäfte zu erwähnen, die allerdings später im Prozess ausgeblendet blieb. (11) 1990 wurde trotz eines Vertuschungsversuches bekannt, dass Geschäftsführer Peter Leifer von 1986 bis März 1988 für den BND gearbeitet hat. Noch stärker von Geheimnissen umwittert ist die Rolle von W.E.T.-Geschäfsführer Al-Kadhi. Er wurde am 26. August 1986 in Bagdad festgenommen und am 28. Januar 1987 zum Tode verurteilt. Angeblich soll er Gasmasken an den Erzfeind Iran verkauft haben; nicht abwegig erscheint aber die Annahme, der wahre Grund für das Todesurteil könnte seine Enttarnung als BND-Informant gewesen sein. Nach Interventionen von Bundespräsident v. Weizsäcker und Aussenminister Genscher wurde Al-Kadhi im Juli 1987 zu lebenslanger Haft begnadigt und später nach Deutschland abgeschoben.

Im März 1988 stellte die W.E.T. ihren Betrieb ein. Inzwischen war es im November 1987 auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Darmstadt, die die Ermittlungen gegen alle in Verdacht geratenen deutschen Firmen übernommen hatte, zu einer Durchsuchung der W.E.T.-Geschäftsräume gekommen. Erst im August 1990 allerdings folgte die Verhaftung der W.E.T.-Gesellschafter Leifer, Krauskopf und Al-Kadhi. In der Untersuchungshaft gestand Leifer, dass die an den Irak gelieferten Chemieanlagen für militärische Zwecke bestimmt gewesen seien. (12) Aber nach einigen Wochen Untersuchungshaft waren die drei wieder frei.

Als der Irak im zweiten Golfkrieg Anfang 1991 Israel mit Giftgasraketen bedrohte, meldeten sich nun auch Politiker zu Wort, die bisher kaum durch Kritik an deutschen Rüstungsexporten hervorgetreten waren. Hamburgs Erster Bürgermeister Henning Voscherau erklärte, "besonders peinigend" sei "der Gedanke, dass jüdische Menschen, in Israel, von Gas und Waffen betroffen sind, an deren Herstellung auch Deutsche beteiligt waren". Als Konsequenz kündigte er an: "Wir Deutsche werden die legalen und illegalen Exporte von Waffen und anderen kriegstauglichen Gütern schärfstens reglementieren und das `Geschäft mit dem Tod' unter harte Strafen stellen." (13)

Im April 1992 begann vor dem Darmstädter Landgericht endlich der sog. "Giftgasprozess". (14) Angeklagt waren sechs Geschäftsleute der "Südschiene" (Firmengruppe Karl Kolb) und vier Vertreter der "Nordschiene" (W.E.T.). Das Verfahren gegen die Schlüsselfigur Nazar Al-Kadhi wurde im August 1992 abgetrennt und wegen einer "psychogenen Erkrankung" des Angeklagten vorläufig eingestellt. Damit entfiel die Notwendigkeit, einige besonders heikle Punkte näher zu untersuchen. Das anfangs grosse Interesse der Medien bröckelte, je länger das Verfahren dauerte, immer mehr ab. Die erste Hauptverhandlung platzte im Juni 1993 aufgrund von Problemen mit den Gutachtern. In der zweiten, im Januar 1994 aufgenommenen Hauptverhandlung sprach das Gericht zunächst drei Angeklagte der "Südschiene" wegen einer "Strafbarkeitslücke" frei und setzte kurz darauf das Verfahren gegen die drei verbliebenen W.E.T.-Kaufleute erneut aus, um auf Wunsch der Verteidigung exportrechtliche Fragen durch den Europäischen Gerichtshof klären zu lassen.

Über zwei Jahre später, im Mai 1996, ging es in die dritte Verhandlungsrunde. Am 3. Juni 1996 verkündete das Landgericht Darmstadt schliesslich sein Urteil. Wegen Verstosses gegen das Aussenwirtschaftsgesetz in mehreren Fällen verhängte es folgende Haftstrafen: 21 Monate für Leifer, 18 Monate für Krauskopf und 6 Monate für Holzer. Alle Strafen wurden auf Bewährung ausgesetzt. Wegen Verjährung wurden verschiedene Geschäfte aus der Anfangsphase (1985/86) beim Strafmass nicht mehr berücksichtigt.

Von den Leidtragenden der Giftgasgeschäfte und der irakischen C-Waffen-Einsätze spricht kaum noch jemand. Nach iranischen Angaben starben im ersten Golfkrieg (1980-88) 25.000 eigene Soldaten durch irakisches Giftgas. (15) Von kurdischer Seite wurde die Zahl der durch die irakischen Senfgasangriffe von 1987/88 Getöteten auf über 10.000 beziffert. Ungezählten weiteren Menschen hat das Gas das Leben ruiniert. Die Sprengung eines irakischen Giftgaslagers durch die US-Armee im März 1991 wird von vielen als Ursache für das "Golfkriegssyndrom" angesehen, von dem bis zu 20.000 amerikanische Soldaten betroffen sein sollen. Und nach wie vor ist die Gefahr der irakischen C- und B-Waffen nicht gebannt. Noch immer halte der Irak biologische Waffen vor den Kontrolleuren versteckt, erklärte im Januar 1997 der Vorsitzende der UNO-Kommission für die Entwaffnung Iraks, der Schwede Rolf Ekeus. (16)

Mit Eintragung vom 1. Juli 1996 wurde die W.E.T. aus dem Handelsregister gelöscht. Zum Abwickler wurde der Kaufmann und bisherige Geschäftsführer Krauskopf bestellt.




Anmerkungen:

(6) Vgl. zum Folgenden Handelsregister Hamburg HR B 32783; Hans Leyendecker/Richard Rickelmann: Exporteure des Todes. Deutscher Rüstungsskandal in Nahost, Göttingen 1990, S. 37ff.; Holger Koppe/Egmont R. Koch: Bomben-Geschäfte. Tödliche Waffen für die Dritte Welt, München 1991, S. 223ff. und bes. S. 238ff.
(7) Vgl. Leyendecker/Rickelmann S. 75.
(8) Die Zeit Nr. 46/8.11.1996. An anderer Stelle wurden "über 200 Sprengköpfe mit tödlichen Milzbrand-Bazillen" genannt (Hamburger Abendblatt 23.3.1995).
(9) Bürgerschafts-Drucksache 12/522
(10) Landgericht Darmstadt, 13. Grosse Strafkammer: Urteil vom 3.6.1996.
(11) Zum Folgenden: Spiegel Nr. 37/1990 S. 75f.; Panorama (NDR) 28.8.1990; Leyendecker/Rikelmann S. 39f.; Erich Schmidt-Eenboom: Schnüffler ohne Nase. Der BND - die unheimliche Macht im Staate, Düsseldorf u.a. 1993, S. 401f..
(12) Hamburger Abendblatt 8.10.1990.
(13) Rede Voscheraus in der Nordatlantischen Versammlung am 14.2. 1991 in Berlin, veröffentlicht an demselben Tag durch die Staatliche Pressestelle Hamburg, S. 4 u. 7.
(14) Für die folgende Darstellung wurde vor allem die kontinuierliche Berichterstattung des Darmstedter Echos ausgewertet. Dem Darmstädter Echo und dem Landgericht Darmstadt habe ich für die Überlassung von Informationsmaterial zu danken.
(15) Hamburger Abendblatt 4.12.1996.
(16) Hamburger Abendblatt 31.1.1997.