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Verdeckter Ermittler im Göttinger Anti-Atom-Plenum aufgeflogen
Mit konstruierter Identität und unter falschem Namen hat ein Verdeckter Ermittler die
Göttinger Anti-Atom-Szene ausgehorcht
Länger als ein Jahr hat ein Verdeckter Ermittler, nach unseren Informationen ein Beamter
des Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen, im Göttinger Anti-Atom-Plenum mitgearbeitet.
Im Zeitraum von Frühjahr 2000 bis Januar 2001 besuchte der LKA-Beamte unter dem Namen Axel
John Phillips mehr oder minder regelmäßig das Anti-Atom-Plenum (AAP) Göttingen und
beteiligte sich sowohl an Vorbereitungen für Aktionen als auch an sozialen Events. Bereits
am 11. Januar 2001 wurden erste Verdachtsmomente geäußert, dass Axel J. Phillips in
Göttingen unter einer Alias-Identität lebe, in Wirklichkeit Axel Brinker (siehe Bild) heiße und in
Hannover wohne. Das hat sich nun bestätigt! Der lange Zeitraum, der zwischen dem ersten
öffentlichen "Spitzel-Vorwurf" im Januar und dieser Veröffentlichung liegt, hat den Grund,
dass lange Zeit keine eindeutigen Indizien vorlagen und diese erst nach einer gründlicheren
Recherche ermittelt wurden. Im Folgenden stellen wir kurz die konstruierte Identität Axel
John Phillips dar, wie sie uns im AAP entgegentrat, kommentieren einige Angaben zur Person
und führen schließlich Indizien auf, die u.E. verdeutlichen, dass Axel John Phillips mit
Axel Brinker, einem Verdeckten Ermittler, identisch ist.
Wann? Wo? Wie? Axel John Phillips im Göttinger AAP
Zum ersten Mal tauchte Axel John Phillips in Göttingen im Herbst 1999 auf: Er fuhr im
November 1999 mit Leuten aus dem AAP Göttingen zur sogenannten Stunkparade der
WendländerInnen nach Berlin. In den nächsten Monaten tauchte Axel J. Phillips dann im
Göttinger AAP auf. Ende März 2000 stellte er für die Fahrt zur Anti-Atom-Frühjahrskonferenz
seinen Wagen zur Verfügung und nahm das ganze Wochenende mit uns an der Konferenz teil. Als
die Arbeit des AAP im Sommer 2000 zugunsten des Anti-Expo-Plenums eingestellt wurde,
besuchte Axel J. Phillips sporadisch das Anti-Expo-Plenum. Axel J. Phillips bemühte sich
dann im Sommer, das AAP wieder aufzubauen. Er fuhr außerdem sowohl zur großen
Anti-Atom-Demo ins Wendland im September als auch zu den Castor-Protesten nach Phillipsburg
im Oktober 2000. Axel J. Phillips war bei den Vorbereitungen für die letzten
Castor-Transporte eingebunden und nahm noch am 10. Januar 2001 an einer Arbeitsgruppe für
den Tag X in Göttingen teil. Nachdem am 11. Januar 2001 der "Spitzel-Verdacht"
gegen Axel J. Phillips öffentlich geäußert wurde, ist er aus Göttingen verschwunden. Er
blieb die nächsten Wochen aber mit einigen Personen aus dem AAP in Kontakt und war
mindestens ein weiteres Mal in Göttingen.
Die Legende von Axel John Phillips
Der LKA-Beamte Axel Brinker gab sich in Göttingen als Axel John Phillips aus: Axel John
Phillips ist eine konstruierte Doppel-Identität, die an keine existente Person anknüpft.
D.h., das LKA hat nach bisherigen Recherche-Ergebnissen diese Identität komplett erfunden.
Nachfolgende Angaben erzählte Axel John Phillips über seine Lebensgeschichte im Laufe
seiner Zeit in Göttingen (wir haben Axels Legende in kursiv gesetzt).
Das Konstrukt der Person Axel J. Phillips: Axel John Phillips sei Jahrgang ´74 und in
London geboren. Aufgewachsen sei Axel J. Phillips in Dinslaken in der Talstraße 65 und habe
auf der Ernst-Barlach-Gesamtschule 1995 Abitur gemacht. Nach dem Abitur 1995 sei er in
Dinslaken geblieben und habe sich seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Comics auf
Flohmärkten verdient. In der Zeit zwischen 1995 und 1999 habe Axel John Phillips keine
Ausbildung gemacht und auch kein Studium aufgenommen. Diese biographische Lücke konnte
Axel J. Phillips nicht hinreichend erklären und auch nicht mit Referenzen füllen.
Tatsächlich verfügte Axel J. Phillips über Ausweispapiere, einen Ausmusterungsbescheid vom
Kreiswehrersatzamt und einen britischen Führerschein. Diese "Dokumente" bestätigten
Geburtsort/Datum u.a. Angaben zu seiner Person.
An seinem angegeben Heimatort in der Talstraße 65 in Dinslaken kannten HausbewohnerInnen
Axel J. Phillips auch nach Vorlage eines Fotos nicht, obwohl einige BewohnerInnen zum Teil
schon sehr lange in der Talstraße 65 wohnen. In der Gesamtschule wurde zunächst telefonisch
bestätigt, dass Axel J. Phillips dort zur Schule gegangen sei. Bei einem Besuch in der
Ernst-Barlach-Gesamtschule berief sich das Sekretariat auf den Datenschutz und der Direktor
sagte nur unwirsch und sichtlich nervös "Ja, den kenne ich", er war zu keiner weiteren
Auskunft bereit. SchülerInnen aus den Abi-Jahrgängen 1994/1995 kennen Axel J. Phillips
wiederum nicht und auch in der Lokalzeitung taucht sein Name für die Abi-Jahrgänge 1994/95
nicht mit den anderen AbiturientInnen zusammen auf. Das Einwohnermeldeamt stellte auf
Nachfrage hin eine Bescheinigung über die Ummeldung von Axel J. Phillips von Dinslaken nach
Berlin aus. Im Sommer 1999 habe Axel J. Phillips an der FU in Berlin etwa ein Semester
Politologie studiert. Er habe in Berlin auch mit Kumpels zusammen das Berliner AAP ein bis
zwei Mal besucht und auch in der ehemaligen Berliner Szene-Kneipe "Ex" Theken-Schichten
übernommen. Nach bisherigen Informationen lebte Axel John Phillips tatsächlich für einige
Zeit in Berlin. Darauf deuteten zumindest Berlin-Besuche und einige Kontaktadressen in
seinem Zimmer hin.
Nach Göttingen sei Axel J. Phillips im Frühjahr 2000 gezogen. Er habe hier seine ältere
Schwester unterstützen sollen, die als alleinerziehende Mutter einen Job in Göttingen habe
antreten wollen und auf seine Hilfe angewiesen wäre. Axel J. Phillips studierte in
Göttingen Sozialwissenschaften und war schon bevor er ins AAP kam in der
Orientierungs-Phasen-Gruppe SOPHA (Betreuung für ErstsemesterInnen) aktiv und dadurch
einigen Leuten aus dem AAP bekannt. Er wohnte in einem anonymen Wohnblock in der
Von-Ossietzky-Straße 1. Seine häufige Abwesenheit aus Göttingen begründete Axel J. Phillips
mit seinen Jobs: Er habe Comics auf diversen Flohmärkten verkauft und für einen
Auto-Kurierdienst im Westen der Bundesrepublik gearbeitet. Tatsächlich besitzt er einen auf
den Namen Axel J. Phillips angemeldeten Wagen mit dem Kennzeichen Gö-U 6677.
Nach eigenen Angaben sei der gegen ihn erhobene "Spitzelvorwurf" im Januar 2001 eine
Verwechslung: Da eine Freundin, Vanessa Wagner, in der Marienstraße 38 in Hannover wohne
und er oft dort sei, sei der Verdacht entstanden, dass er in Wirklichkeit dort auch wohnen
würde. Diese Annahme sei dadurch untermauert worden, dass am Klingelschild A. Brinker stehe. "A. Brinker" sei nach Axel J. Phillips Erklärungen aber die Abkürzung für Achim Brinker, also den Mitbewohner seiner Freundin. Vanessa Wagner bestätigte auf Nachfragen, dass sie mit einem Achim Brinker zusammen wohnen würde. Auch gab sie an, einen Axel Phillips zu kennen. Auf dem angegeben Klingelschild in Hannover steht tatsächlich "A. Brinker" und bei einem Besuch in der Wohnung trafen wir eine Person an, die sich als Achim Brinker ausgab. Ein Personalausweis wurde uns aber nicht gezeigt.
Zur Person des Verdeckten Ermittlers Axel Brinker
Er ist 1975 geboren und in Rheine im Kreis Steinfurt aufgewachsen. 1994 machte Axel Brinker
Abitur. Das bestätigt die Abi-Zeitung 1994 des Emsland-Gymnasiums in Rheine: Axel ist in
dieser Zeitung mit einem Foto abgebildet, als Berufswunsch gibt er Polizist an. Seine
Ausbildung beim LKA wird Axel in den Jahren zwischen 1995 und 1999 absolviert haben.
Bis vor kurzem wohnte Axel Brinker in seinem Privatleben in der Marienstraße 38 in Hannover. Er fährt außerhalb von Göttingen einen Wagen mit dem Steinfurter Kennzeichen ST-VG 984. Vanessa Wagner ist mit Axel Brinker seit vielen Jahren befreundet: Auch sie ist als Abiturientin mit einem Foto in der Abi-Zeitung 1994 des Emsland-Gymnasiums abgebildet.
Axel J. Phillips ist der Verdeckte Ermittler Axel Brinker
Durch das Foto von Axel Brinker in der Abi-Zeitung ist u.E. deutlich geworden, dass keine
Verwechslung vorliegt. Das Foto haben einige von uns aus dem AAP inzwischen gesehen und
Axel J. Phillips als Axel Brinker identifiziert, auch wenn er auf dem Foto noch sehr viel
jünger aussieht. Weiter wird die Annahme durch die Freundschaft mit Vanessa Wagner und
ihrem Foto in der Abi-Zeitung untermauert. Diese Angaben zuzüglich der oben beschriebenen
Informationen über Dinslaken reichen u.E. aus, um sicher zu sein, dass Axel John Phillips
ein Verdeckter Ermittler ist und das Anti-Atom-Plenum und gegebenenfalls noch weitere
politische Gruppen ausgehorcht hat.
War das Anti-Atom-Plenum Göttingen zu unaufmerksam?
Die Überwachung des Göttinger Anti-Atom-Plenums reiht sich ein in die bundesweit zu
beobachtende Kriminalisierung linker Gruppen und Menschen aus der Anti-Atom-Bewegung. Im
März 1999 hat das BKA insgesamt 10 Wohnungen in Berlin, Bremen, Hamburg, Lüchow-Dannenberg
und Lüneburg unter dem Einsatztitel "Goldene Hakenkralle" durchsucht und der
"Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" beschuldigt. Auch an anderen Orten in
der Bundesrepublik gab es in den letzten Jahren erneut Versuche des Staatsschutzes,
Informationen über die Anti-Atom-Bewegung zu erhalten und unseren Widerstand gegen das
herrschende System zu kriminalisieren. In Göttingen ist Mitte der 90er Jahre ebenfalls eine
Sonderkommission des LKA zum Bereich Anti-Atom eingesetzt worden, und es kann davon
ausgegangen werden, dass die Arbeit kontinuierlich fortgesetzt wird.
Der aktuelle Fall ist kein Einzelfall, sondern Teil der bundesweiten Kriminalisierungswelle
gegen die Anti-Atom-Bewegung. Davon werden wir uns nicht einschüchtern lassen und unsere
Arbeit unverändert fortsetzen.
Sicherlich werden sich viele von Euch fragen, wie es dazu kommen konnte, dass ein
LKA-Beamte über ein Jahr unentdeckt im Plenum mitarbeiten konnte und wir auch keine
weiteren Verdächtigungen hatten. Dazu können wir lediglich sagen, dass uns Axel J. Phillips
als authentische und in sich geschlossene Persönlichkeit entgegentrat und eher unauffällig
war. Axel J. Phillips war stets konstruktiv bei der Sache und hilfsbereit: er stellte dem
AAP zum Beispiel seinen Wagen und seine Kamera zur Verfügung. Im Nachhinein wird uns
einiges zu seiner Person klarer, und es ergeben sich Zusammenhänge, die vorher nicht
offensichtlich waren. Wir meinen aber rückblickend, dass wir auch mit intensiver
Beobachtung von Axel J. Phillips diesen kaum ohne Anhaltspunkte von außen als Verdeckten
Ermittler hätten enttarnen können. Das liegt auch daran, dass viele Angaben zu seiner
Person (wie beispielsweise Flohmarkt-Verkäufe in NRW) nur schwer überprüfbar sind. Erst die
Recherchen zur Person Axel Brinker konnten Axel J. Phillips Legende widerlegen.
Es ist durch die Einschleusung von Axel Brinker deutlich geworden, wie schwer die
Überprüfung von Personen in linken Zusammenhängen ist. Deshalb beschäftigen wir uns im AAP
auch noch eine längere Zeit mit diesem Thema und versuchen am konkreten Fall
Brinker/Phillips die Arbeitsweise der Kriminalämter näher zu beleuchten und den Umgang mit
Verdeckten Ermittlern in einen politischen Kontext zu stellen. Wir diskutieren noch an
einer weiteren Auswertung des Falles Axel und reflektieren selbstkritisch unsere Reaktion
auf den Vorwurf einen Verdeckten Ermittler in unseren Reihen zu haben.
Göttingen im Mai 2001
Anti-Atom-Plenum Göttingen
Anschrift:
AAP c/o Buchladen Rote Straße
Nikolaikirchhof 7
37073 Göttingen
Internet:
Mail:
Das AntiAtomPlenum sammelt weiterhin Informationen zu dem Verdeckten Ermittler
"Axel Phillips/Brinker"; falls euch diese Person aus eurer politischen Arbeit
bekannt sein sollte (von Demonstrationen, durch politische Arbeit in eurer Stadt etc.)
sendet dem AAP bitte entsprechende Hinweise und Materialien zu.
Den Text des AAP gibt es auch als Flugblatt, das ihr gegen Portokosten bestellen könnt:
ca. 50 Flugblätter zu 3,00 DM Porto
ca. 100 Flügblätter zu 4,40 DM Porto
größere Mengen bitte gesondert vereinbaren
Leitet den Text des AAP bitte auch an befreundete Gruppen weiter, veröffentlicht das
Flugblatt in linken Jugendzentren, Buch- und Infoläden, in euren Büroräumen, um möglichst
viele Gruppen zu warnen!
Download des Flugbatts als PDF-Datei
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