Berg frei! Nie wieder Faschismus, nie wieder Horrido!
Schluss mit dem Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald!
„Berg frei!“ So grüßen sich die Mitglieder der „Naturfreunde“, wenn sie
sich bei einer Wanderung im Gebirge begegnen. Das „Berg frei!“, das wir
alten und jungen Gebirgsjägern Pfingsten 2007 entgegen rufen werden, ist
aber nicht als freundlicher Gruß gemeint – es heißt kurz und schlicht:
„Haut ab! Macht den Berg frei! Verschwindet!“ Unser „Berg frei!“ wird ihren
militaristischen Gebirgsjägergruß „Horrido“ übertönen.
Die Luft auf dem Hohen Brendten wird dünner für den Kameradenkreis der
Gebirgstruppe – nicht nur, weil ihm die Mitglieder wegsterben, sondern
auch, weil italienische Staatsanwaltschaften inzwischen gegen seine
Mitglieder vorgehen. 2007 wird so manches „Lebenslang“ gegen Angehörige des
Kameradenkreises wegen in Italien verübter Kriegsverbrechen fällig. Dagegen
versucht der Verein aus ehemaligen Wehrmachtsoldaten und
Bundeswehrangehörigen, noch einmal seine Mitglieder zu mobilisieren und die
kriegsverherrlichende, revisionistische Politik der Kameraden unterm
Edelweiß zu untermauern. Anlass ist der 50. Jahrestag der Einweihung seines
„Ehrenmals“ auf dem Hohen Brendten. Von Geistlichen beider Konfessionen
gesegnet, fand dort am 10. Juni 1957, 12 Jahre nach der Befreiung vom
Faschismus, ein kriegsverherrlichendes Schauspiel statt. Paul Bauer, der
als Spitzenfunktionär des nationalsozialistischen Bergsteigens die
„Naturfreunde“ gleichschaltete, Gebirgsjäger-Major, Notar und Vorstand des
Kameradenkreises und maßgeblich an der Errichtung der „Weihestätte“
beteiligt, nahm sie mit den Worten in Betrieb: „Wir werden diese Stätte
hüten und hegen in Treue zu unseren Gefallenen und stolz als ein Bekenntnis
unseres Glaubens an den ewigen Wert ihres soldatischen Opfers.“ Das
Schandmal repräsentiert einzig das ungebrochene Bekenntnis zum Krieg, ein
Zeichen der Trauer um die von Gebirgsjägern ermordeten Menschen findet man
nicht.
Seit mehr als 50 Jahren treffen sich jährlich zu Pfingsten greise
Gebirgsjäger-Kameraden der Wehrmacht im Schulterschluss mit ihren
Bundeswehrnachfolgern im bayerischen Mittenwald. Trotz der stark
rückläufigen Teilnehmerzahl ist es die letzte größere soldatische Feier
Deutschlands. Von einer Bundeswehrkapelle begleitet, findet unter den
Fahnen revisionistischer und faschistischer Organisationen – u.a. der
Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger – ein ökumenischer
Feldgottesdienst statt. Man gedenkt unterschiedslos aller „Opfer“ des
Zweiten Weltkrieges, seien es deutsche Gebirgsjäger, Soldaten der
Alliierten, so genannte „Vertriebene“, Angehörige der Mussolini-treuen
„Divisione Monterosa“ oder in Afghanistan gestorbene Bundeswehrsoldaten.
Mit Ansprachen bayerischer Politprominenz versichert die Zivilgesellschaft
der Bundeswehr, dass man nach wie vor hinter ihr stehe und stolz auf sie
sei. Hochrangige Militärs fordern Kampfbereitschaft und Kriegseinsätze zur
Sicherung „deutscher Interessen“ weltweit. Antisemitische Ausfälle gegen
Überlebende der Shoah begleiten die Veranstaltung. Die von
Gebirgsjäger-Einheiten in ganz Europa verübten Kriegsverbrechen und
Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges werden vom Kameradenkreis
dagegen bis heute geleugnet. Lediglich zwei Massaker werden inzwischen
eingestanden: die Ermordung von 317 ZivilistInnen im nordgriechischen
Kommeno sowie die Erschießung von circa 4000 entwaffneten italienischen
Soldaten auf der griechischen Insel Kephallonia.
Mittenwald – „Standort der Totenschänder“
Das Massaker in Kommeno wurde von der 12. Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments 98 der 1. Gebirgsjägerdivision aus Mittenwald verübt. Einer der Täter berichtete 1970 der Staatsanwaltschaft: „Was mich furchtbar abgestoßen hat, das war, dass einige Angehörige der 12. Kompanie sich in schändlicher Weise an den Leichen zu schaffen machten. So habe ich selbst gesehen, wie einige Soldaten den weiblichen Leichen Bierflaschen in den Geschlechtsteil einführten. (…)“ Die im Oktober 2006 öffentlich bekannt gewordene Totenschändung der Mittenwalder Gebirgsjäger in Afghanistan steht in dieser Tradition. Sie geht einher mit den hinreichend bekannten Formen von sexualisierter Gewalt, die wir aus zahlreichen Kriegen kennen. Krieg ist ohne Morden, Vergewaltigen, Plündern und Schänden nicht zu denken. Sexualisierte Gewalt gedeiht erst recht in patriarchalen männerbündischen Strukturen. Auch diese Art der Gebirgsjäger-Traditionspflege gehört zu Mittenwald, dem „Standort der Totenschänder“. Die in Afghanistan mit Totenschädeln posierenden Gebirgsjäger aus Mittenwald gehören zur Elitetruppe der Bundeswehr, die seit Mitte der 1990er Jahre an Auslandseinsätzen beteiligt ist und der die wohlmeinende Presse eine „Sondermentalität“ zu Gute hält. Als Bestandteil der Krisenreaktionskräfte und des Kommandos Spezialkräfte werden sie in der EU-Interventionstruppe eingesetzt. Die Hoffnung des Generals der Gebirgstruppe Rudolf Konrad, nach dem die Gebirgsjägerkaserne in Bad Reichenhall benannt ist, die er in Bezug auf die 1955 gegründete Bundeswehr äußerte, hat sich erfüllt: „Wir hoffen, dass in der neuen Schale die alten Soldaten stecken“.
Geschichtsrevisionismus und Strafvereitelung
Obwohl die Staatsanwaltschaft München Ermittlungen gegen die Mörder von Kommeno eingeleitet hatte, nachdem der AK Angreifbare Traditionspflege ihr die Namen der Beteiligten mitgeteilt hatte, darf bezweifelt werden, dass es zu einem Verfahren kommen wird. Das zeigte zuletzt wieder der juristische Umgang mit dem zweiten vom Kameradenkreis eingestandenen Massaker, der Ermordung italienischer Kriegsgefangener auf Kephallonia. Lediglich Gebirgsjäger-General Hubert Lanz, der die Gebirgsjäger auf Kephallonia befehligte, wurde in einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse zu 12 Jahren Haft verurteilt. Bereits 1952 konnte er das Gefängnis wieder verlassen, um umgehend Ehrenpräsident des Kameradenkreises der Gebirgstruppe zu werden. Ermittlungen in den 1960er Jahren verliefen im Sande. 2002 wurden neue Ermittlungen aufgenommen und 2006 von der Staatsanwaltschaft München erneut eingestellt. In der Einstellungsverfügung hieß es: Es habe sich bei den Italienern nicht um normale Kriegsgefangene gehandelt. „Aus Verbündeten wurden sie zu heftig kämpfenden Gegnern und damit im Sprachgebrauch des Militärs zu ‚Verrätern’.“ Unter Rückgriff auf Argumente aus dem NS verhindert die deutsche Justiz wieder mal eine Verfolgung der Vollstrecker des Vernichtungskrieges. Die Anwälte von Angehörigen der Ermordeten werten dies als ernsten Fall von Justizrevisionismus, mit dem die Ergebnisse der Nürnberger Prozesse in Frage gestellt werden sollen.
Selbsthilfevereinigung für Kriegsverbrecher
Der Kameradenkreis bewährte sich Zeit seines Bestehens als Selbsthilfevereinigung für Kriegsverbrecher. Schon 1952 hieß es: Ziel der Organisation sei es, Einsatz und Hilfe „für unsere Kriegsverurteilten, für unsere in Haft zurückgehaltenen Kameraden“ zu leisten. Man schuf eigens einen Ausschuss für rechtliche Fragen, der von Paul Bauer geleitet wurde. Einer der Bewunderer Bauers und dessen Nachfolger in einigen Funktionen war Rechtsanwalt Gerhart Klamert. Vor einigen Jahren Vizepräsident, ist er heute im Ältestenrat des Kameradenkreises tätig. Über Kephallonia schrieb er revisionistische Artikel, das Militärgericht in La Spezia bezeichnete er als „Sondergericht à la Freisler“, womit er es mit dem nationalsozialistischen „Volksgerichtshof“ und seinem Präsidenten, dem berüchtigsten Scharfrichter des Deutschen Reichs, gleichsetzte. Als Rechtsanwalt verteidigt er derzeit das Kameradenkreis-Mitglied Josef Scheungraber aus Ottobrunn. Der Wehrmachtsoffizier wurde im September 2006 in Italien wegen eines Massakers in Falzano di Cortona (bei Arezzo) zu lebenslanger Haft verurteilt.
Mittenwald ist auch anderswo!
Seit unserer ersten Intervention in Mittenwald 2002 ist das politische
und öffentliche Interesse an der Bestrafung von NS-Kriegsverbrechern und
der Verhinderung von Veteranenveranstaltung von Wehrmacht und Waffen-SS
stark gewachsen. Es gab an vielen Orten – von Hamburg, Eschweiler,
Wunsiedel über Kreta bis zum Ulrichsberg in Kärnten – Initiativen gegen die
Mörder und ihre Veranstaltungen. Dieses Jahr wollen wir unseren Fokus
zusätzlich auf besonders widerwärtige Veranstaltungen in Bayern richten. Da
Ministerpräsident und Gebirgsjägerkamerad Stoiber aufs Altenteil wechselt,
verzichten wir auf unseren traditionellen Auftritt in Wolfratshausen. Wir
rufen dieses Jahr dazu auf, lokale Bündnisse, Demonstrationen und Aktionen
gegen die Gedenkfeier der Waffen-SS-Kameradschaft „Charlemagne“ am 8. Mai
2007 in Bad Reichenhall, gegen den „Kreta-Tag“ am 20. Mai 2007 ebenfalls in
Bad Reichenhall, bei dem die Gebirgsjäger die Invasion von Kreta feiern, zu
bilden und zu unterstützen und wir unterstützen natürlich die Aktivitäten
gegen die revisionistische Annaberg-Feier des „Freikorps Oberland“ am 20.
Mai 2007 in Schliersee (Treffpunkt für die Antifa-Demo: 10:00 Uhr Bahnhof
Schliersee, Infos: www.freikorps-oberland.de).
Auch Pfingsten 2007 werden wir wieder dagegen protestieren, dass die
Soldaten des Vernichtungskrieges ihre Tradition ungestört an die Kameraden
der Bundeswehr weitergeben können. Wir werden es nicht dulden, dass
deutsche Soldaten zu „Opfern“ umgelogen werden sollen – weder in
Mittenwald, noch in Bad Reichenhall, noch sonst wo. Das Militär hat keine
Zukunft, es ist Garant einer Gegenwart, die jeder emanzipatorischen Politik
entgegensteht.
Mord verjährt nicht –Verurteilung der Kriegsverbrecher – Entschädigung
aller NS-Opfer!
Bundeswehr – wegtreten!
Für die Entnazifizierung und Entmilitarisierung des Hohen Brendten!
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