Die Abschiebemaschinerie in Österreich wird zunehmend perfektioniert, Rassismus immer mehr zum Konsens - und es formieren sich einige Ansätze von Widerstand. So entstand Anfang dieses Jahres die Kampagne kein mensch ist illegal in Österreich als Versuch, dem sich verschärfenden Rassismus in Österreich ein breites Bündnis entgegenzustellen und die Situation illegalisierter Menschen in Österreich aufzuzeigen.
Auch das TATblatt unterstützt kein mensch ist illegal und beteiligte sich an Aktionen und Auseinandersetzungen, was prompt zu einer parlamentarischen Anfrage seitens der ÖVP führte (Die Kampagne kein mensch ist illegal wurde vom Bundeskanzleramt finanziell unterstützt). Die nun vorliegende Broschüre ist als Beitrag zu dieser Kampagne zu sehen und als Anstoß, sich verstärkt gegen jede Form von Rassismus zu stellen.
Während wir uns in den vergangenen Monaten mit diesen Themen auseinandersetzten, verdeutlichten uns die aktuellen Ereignisse die Dringlichkeit antirassistischen Handelns.
Marcus Omofuma, der am 1. Mai im Gewahrsam der Polizei während der Abschiebung erstickte, ist kein Einzelfall. Ähnliche Vorfälle in der Schweiz, Deutschland, Belgien, England und Frankreich zeigen, daß dies einkalkulierte "tragische Zwischenfälle" bei der Durchsetzung rassistischer Politiken sind. Der Widerstand, der sich in Österreich nach dem Tode Marcus Omofumas entwickelte, und zu einem großen Teil von Minorisierten getragen wurde, bot allerding Anlaß zu Hoffnung. Das Innenministerium reagierte mit dem ersten (offiziellen) Großen Lauschangriff in der Geschichte Österreichs. Am 27. Mai fand eine österreichweite Razzia gegen angebliche DrogendealerInnen statt, die über zuvor konstruierte rassistische Zuschreibungen legitimiert wurde. Betroffen waren hauptsächlich Schwarze. Als mutmaßlicher Drogenboß wurde Charles O. der Öffentlichkeit präsentiert, ein Aktivist des Komitees "Für eine Welt ohne Rassismus", das sich aus der Protestbewegung im Mai entwickelt hatte. (Nach mehreren Monaten U-Haft ist Charles wieder frei; die pauschalierten Anschuldigungen konnten nicht länger aufrecht erhalten werden, trotzdem werden Ende September noch mehr als 60 Personen von der Polizei als angebliche DrogendealerInnen festgehalten.)
Erst nach Durchsicht der fertigen Beiträge zu diesen Heft ist uns klar geworden, daß dem Konzept ein wesentlich stärkerer roter Faden aus gemeinsamen Denkansätzen und beitragsübergreifenden Darstellungen innewohnt, als wir zu hoffen gewagt hatten: Ausgehend von einem Gespräch mit zwei Menschen, die Flüchtlingen zur "illegalen" Einreise nach Österreich verhelfen und deren für uns anfangs sehr überraschenden Begründung ihres Handelns (Artikel "Ziel, Grenzen zu übertreten") zieht sich ein Bogen über Rechtsfolgen aktiver Fluchthilfe (Artikel "Was ist, wenn ..."), den politischen, sozialen, persönlichen und ökologischen Ursachen von Migrationsentscheidungen (Artikel "Ist Wandern wirklich des Müllers Lust?" und "Vertreibung durch den Norden") und den ideologischen Grundlagen der Konstruktion des in industrialisierten Staaten etablierten Bildes von MigrantInnen (Artikel "Politik der (Un)sichtbarkeit") hin zur Darstellung der Lebenssituation von MigrantInnen in Österreich (Artikel "Sie behandlen uns wie Sklaven"). Am Ende dieser Ausgabe geht es um die professionelle Unterstützung von Flüchtlingen und MigrantInnen: um die Frage, zu welchen Einschränkungen mensch bereit sein muß, um im Rahmen staatlich finanzierter oder unterstützter Organisationen diese Arbeit leisten zu können (Artikel "Schubhaftbetreuung").
Danken wollen wir jenen Menschen, die uns mit Informationsmaterialien, Beiträgen usw. unterstützt haben.
Wesentliche Impulse zur Arbeit an dieser Broschüre kamen unter anderem von der Publikation "Staatsarchitektur" aus der Reihe "Vor der Information", aus den Veröffentlichungen der "Asylkoordination" und von anderen antirassistischen Initiativen, insbesondere der Kampagne kein mensch ist illegal.
Unser besonderer Dank gilt jenen, die uns auch noch unterstützt haben, nachdem wir erkannt hatten, daß allein die technischen Arbeiten zur Produktion dieser Nummer mehrere Wochen in Anspruch nehmen werden.
aus: TATblatt nr. +120/121/122/123 (12/13/14/15 1999)
vom oktober 1999
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