Frankfurt/M.: Bericht zur Demo am 18.3.00
Nachträgliches zum Aktionstag gegen staatliche Repression in Frankfurt
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AM SAMSTAG, DEN 18. MÄRZ 2000, INITIIERTEN AKTIVISTINNEN AUS DEM UMFELD DES
ALTERNATIVEN KULTURPROJEKTS MICHAEL BARRAX SOWIE EINIGE GRUPPEN AUS FRANKFURT
AM MAIN EINEN DEMONSTRATIONSZUG IN DER STADTMITTE. DIE AKTION HATTE ZUM
INHALT, THEMENSCHWERPUNKTE WIE EINERSEITS DIE POLITISCHE GEFANGENSCHAFT UND
ANDERERSEITS DIE ZUNEHMENDE VERNICHTUNG ALTERNATIVER, SELBSTBESTIMMTER
LEBENSRÄUME UND AUTONOMER ZENTREN MITEINANDER ZU VERBINDEN.
ZUM HINTERGRUND:
Im Zusammenhang mit der bundes- und europaweiten Tendenz, alternative,
autonome und progressive Wohn-, Lebens- und Arbeitsprojekte zu zerschlagen,
steht auch der Versuch, Menschen, die sich beispielsweise gegen Faschismus
und Rassismus, für ein Leben ohne atomare, chemische und gentechnische
Bedrohung oder gegen Militarismus einsetzen, zu illegalisieren und zu
kriminalisieren. Die wirtschaftliche Globalisierung und die damit verbundene
Eindämmung des "Sozialstaates", der dem Neoliberalismus und dem "Frei"handel
weicht und zum Schutz der Herrschenden und des von ihnen akkumulierten
Kapitals zum Polizeistaat mutiert, zieht einen Rattenschwanz von Übergriffen
auf die Menschenrechte nach sich.
Auch die BewohnerInnen der Michael Barrax, die seit Jahren wichtige
kulturelle und integrative Initiativen schaffen und deren Problematik nur
exemplarisch steht, sind von dieser Entwicklung betroffen. Ihr
selbstverwaltetes Projekt wird nicht etwa als ein Auffangbecken für
orientierungssuchende Jugendliche oder Suchtmittelabhängige sowie als
sozialer Puffer erkannt und gefördert, geschweige denn finanziert. Nein, ganz
nach dem Willen der freien Marktwirtschaft (in diesem Fall der Nassauischen
Heimstätte und deren Vollstreckerin KEG) soll auch dieser Freiraum einem
Spekulationsobjekt zum Opfer fallen und in ein wirtschaftlich zu verwertendes
Sozialghetto für rund 2000 Menschen (billige ArbeitsklavInnen und
KonsumentInnen für die Geldstadt Frankfurt) umgewandelt werden.
Ganz nebenbei wird mit Unterstützung der "Ehren- und Hilfsbullen" aus Presse,
Funk & Fernsehen ein Feindbild geschaffen, welches all jene involviert, die
nicht ins Gesellschaftsbild der GesetzgeberInnen passen und das die
Absolution der soliden BürgerInnen garantieren soll, die vor diesen
"asozialen Elementen" angeblich geschützt werden wollen. Dies wiederum führt
zu einem Ausbau des Polizeiapparates, welcher in Form modernster
Überwachungstechnologie, militärischer Aufrüstung und der Allgegenwart
staatlicher und privater VollzeitdenunziantInnen sichtbar wird. Die
AktivistInnen und BewohnerInnen der, oft als Unruheherde und Quellen
konspirativer Energien diskreditierten AZīs, Infoläden und Alternativprojekte
bekommen mittels polizeistaatlicher Instrumentarien die volle Härte des
bundesdeutschen -und europaweiten- Justizapparates zur Gewährleistung der
"Inneren Sicherheit" zu spüren; die InitiatorInnen landen oft in letzter
Konsequenz im Knast.
Unsere Intention, eine Verbindung zwischen den verschiedenen Aspekten
staatlicher Unterdrückung herzustellen, war die (theoretisch schon lange
gewonnene Einsicht), dass ein effektiver Kampf gegen diesen, sich durch
diverse Facetten äußernden, Repressionsapparat nur dann funktionieren kann,
wenn wir alle gemeinsam versuchen, die Zusammenhänge zu erkennen und nicht
weiterhin nur gegen einzelne Symptome des Systems anzugehen.
ZUR DEMO:
Trotz der kurzen Vorbereitungszeit ist es gelungen, dass sich Menschen aus
verschiedenen Städten Deutschlands in Frankfurt trafen, um ihren Protest
gegen die Zerstörung von Alternativen zum fdGo-geprägten Mainstream, die
Unterdrückung emanzipatorischer Initiativen und letztlich die politische
Gefangenschaft kundzutun. Zu dem zahlreichen Erscheinen haben die Wagentage,
die derzeit bei Frankfurt stattfanden, beigetragen, denn zum bundesweiten
Treffen der WagenplatzbewohnerInnen reisten viele Leute an. Am 17.03.00
lösten die Schergen die Wagentage aus nichtigem Anlass auf, wobei die
Personalien aller Beteiligten aufgenommen wurden, ED-Behandlungen und eine
Festnahme erfolgten. Dies entspricht nur der Repression gegen Menschen, die
aufgrund ihrer Meinung, ihres Äußeren oder ihrer Lebenseinstellung nicht ins,
als Ideal konstruierte, Klischee passen, die schon lange betrieben wird und
gegen die wir uns positionieren. Insgesamt schätzen wir die Zahl der
DemonstrantInnen auf etwa 150, wobei Menschen aus Städten wie Dresden,
Leipzig, Karlsruhe, Heidelberg, Hanau, Kiel, Oldenburg, dem Wendland u. v. a.
m. an der Aktion teilnahmen.
Nachdem die Demo vor der Uni Frankfurt mit einer Auftaktkundgebung
eingeleitet wurde, bei der Redebeiträge von AktivistInnen aus den Michael
Barrax, der Ex-Steffi aus Karlsruhe und der Gruppe Libertad!Frankfurt zu
hören waren, setzten wir uns in Richtung Hauptwache in Bewegung.
Da nicht nur die DemoteilnehmerInnen zahlreich erschienen waren, sondern auch
unsere uniformierten "Freunde und Helfer", die das gesamte Gebiet um die
Universität unauffällig umzingelt hatten und die quantitativ dominierten,
rechneten wir mit Eskalationen seitens der BerufsschlägerInnen.
Überraschenderweise verhielten sich diese aber sehr kooperativ, setzten, -wie
schon bei anderen Gelegenheiten- auf Deeskalationspolitik und fielen nur an
dem Punkt negativ auf, an dem sie die Zufahrtsstraße zum amerikanischen
Generalkonsulat, das eines unserer Teilstreckenziele darstellte, wie
vorausgesehen blockierten. Weitere Tatorte der NeoliberalistInnen aus
Gegenwart und Vergangenheit, an denen Redebeiträge zu den Themenschwerpunkten
in einem politischen Gesamtkontext erfolgten, waren die Alte Oper und
natürlich die Börse.
PassantInnen, die mit Flugblättern informiert und "politisiert" wurden,
reagierten positiv und interessiert auf die Inhalte des Demonstrationszuges.
An unserem Ziel, der Hauptwache, angekommen, erfolgte eine Endkundgebung zum
Thema alternative Wohn- und Lebenskultur respektive zur Zerstörung der
Michael Barrax, die seit dem 29.02.00 kontinuierlich ihren Lauf nimmt.
BILANZ:
ABSCHLIEßEND KÖNNEN WIR SAGEN, DASS DIE GUTE RESONANZ AUF DIE DEMO FÜR EINE
ALLGEMEINE TENDENZ SPRICHT, DIE ZEIGT, DASS TROTZ GEOGRAPHISCHER ALS AUCH
INHALTLICHER DISTANZEN EINE GEMEINSAME AKTIONSFORM GEFUNDEN WERDEN KANN, WENN
NICHT NUR SOLIDARITÄT DER MOTOR IST, SONDERN DIE INDIVIDUELLE EXISTENZIELLE
BETROFFENHEIT DER UNTER REPRESSION LEIDENDEN UND DIE UNZUFRIEDENHEIT VIELER,
DIE EIN VENTIL SUCHT.
Kontakt per eMail an: MBarrax@aol.com
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