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Jena: Pressemitteilung zur Eröffnung des Kongresses

Das Recht auf Bewegungsfreiheit und das Recht auf Versammlungsfreiheit sind anerkannte Menschenrechte. Es scheint selbstverständlich, dass sich politisch interessierte Menschen zu einer Veranstaltung in größerem Rahmen zusammenzufinden, um sich politisch weiterzubilden und auszutauschen. Doch diese Grundrechte sind durchaus keine Selbstverständlichkeit für politisch aktive Flüchtlinge, die vor der Verfolgung in ihren Heimatländern ins deutsche Exil geflohen sind - und sich noch im Asylverfahren befinden.

Bis zu 500 Flüchtlinge wurden insgesamt zu dem 10-tägigen Kongress "Gemeinsam gegen Abschiebung und soziale Ausgrenzung" der KARAWANE FÜR DIE RECHTE DER FLÜCHTLINGE UND MIGRANTINNEN in Jena (Thüringen) erwartet. Bei dem Kongress handelt es sich um die erste bundesweite mehrtägige Konferenz zum Thema Flucht und Asyl in Deutschland, die von Flüchtlingen aus Afrika, Lateinamerika, Asien und dem Mittleren Osten - und einigen antirassistischen Initiativen gemeinsam organisiert wurde.

Schon am Osterfreitag und -samstag, den ersten Tagen war der Kongress - trotz der Osterfeiertage - mit ca. 350 Teilnehmern gut besucht. Etwa die Hälfte davon waren tatsächlich Flüchtlinge. Angesichts der Hindernisse, die ihrer Teilnahme durch die deutsche Asylgesetzgebung und die Willkür von Ausländerbehörden und Innenministerien in den Weg gelegt wurden, ist das noch immer eine erstaunlich Anzahl. Kraft eines Gesetzes aus dem Jahre 1982, ist es nämlich Asylsuchenden in Deutschland versagt, den Landkreis in dem sie leben, ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde zu verlassen. Eine Aufhebung der sogenannten "Residenzpflicht" ist nur bei gravierenden Gründen möglich. Und welche Gründe das sind, darüber entscheidet die Ausländerbehörde - zumeist willkürlich. Trotz eines Schreibens der Bundesausländerbeauftragten Marie-Luise Beck, das den Ausländerbehörden empfiehlt, die Teilnahme an dem Kongress zu gestatten, verweigerten viele Ämter die Reisegenehmigung, zum Teil verbunden mit Einschüchterungsversuchen und der Drohung, dass eine Teilnahme die Abschiebung beschleunigen würde. In Cottbus lag den Ausländerämtern sogar ein Rundbrief von ihrer vorgesetzten Behörde vor, mit dem sie aufgefordert wurden, keine Erlaubnis für die Teilnahme am Kongress auszustellen.

Die Residenzpflicht für Flüchtlinge, die europaweit nur in Deutschland existiert, bedeutet natürlich nicht nur eine Einschränkung für politisch aktive Personen: auch für die Aufrechterhalung sozialer Kontakte durch Besuche bei Freunden oder Verwandten stellt sie eine massive Behinderung dar. Die VeranstalterInnen betrachten die Residenzpflicht als eine gravierende Verletzung menschlicher Grundrechte, die die ohnehin schon bedenkliche soziale Isolierung von Flüchtlingen noch verschärft. So erklärt sich, dass der Kongress die Forderung nach ihrer Aufhebung zum themenübergreifenden Schwerpunkt hat.

Den anderen thematischen Schwerpunkten sind jeweils ein bis zwei ganze Tage gewidmet.

Am Freitag und Samstag waren etwa 10 SprecherInnen aus dem Mittleren Osten, Asien, Afrika, und Lateinamerika geladen, die über die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und menschenrechtlichen Folgen der Globalisierung und der weltwirtschaftlichen Entwicklung auf ihre Länder und die Zusammenhänge mit Flucht und Migration sprachen. Besonderen Beifall erhielt der Beitrag der Vertreterin einer Landarbeiterinnenorganisation aus Bangladesh, die sehr eindrucksvoll den Einsatz der Bäuerinnen zur Verteidigung ihrer Rechte auf eigenes Land und somit auf Ernährung gegen die Interessen von Großgrundbesitzern und Saatgutkonzernen schilderte.

Am Ostersonntag - und montag berichteten ReferentInnen aus diversen europäischen Ländern über die jeweilige Situation von Flüchtlingen und die psychisch und sozial prekäre Lage von undokumentierten ArbeitsmigrantInnen.

Der Dienstag und der Mittwoch werden die Problematik der sozialen Ausgrenzung von Flüchtlingen und ihre Gefährdung durch Rassismus und Neofaschisten behandeln, während der Donnerstag speziell der Situation von Flüchtlingsfrauen gewidmet sein wird. Am Wochenende wird die Problematik der Abschiebungen im Mittelpunkt stehen. Der Kongress wird am Montag mit einer internationalen 1. Mai-Demonstration und einem Kulturfest auf dem Eichplatz in Jena enden.

Die Texte der Redebeiträge werden im Internet unter den Adressen:
http://www.humanrights.de/congress oder http://www.nadir.org/congress zugänglich sein.

Kongress-Koordinationsbüro:
The Voice Africa Forum,
Schillergässchen 5, 07745 Jena
Tel.: 03641-665214;
Fax: 03641-423795;
e-mail: THE_VOICE_Jena@gmx.de

 

21.04.2000
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