Berlin: Wann stoppt die Lufthansa das Geschäft mit Abschiebungen?
Nur zwei Wochen nach dem Start der Kampagne "deportation.class -gegen das
Geschäft mit Abschiebungen" versucht die Deutsche Lufthansa G den Eindruck zu
erwecken, prinzipiell zum Einlenken bereit zu sein. In einer am 13. April
verbreiteten Erklärung behaupten Sprecher des Konzerns sogar, die Lufthansa
lehne Abschiebungen gegen den Widerstand der Betroffenen grundsätzlich ab
und befördere sie seit Juni 1999 nicht mehr. "Schön wärs!" entgegnen die
Initiatoren der Kampagne. "Diese Erklärung ist das Papier nicht wert, auf
dem sie geschrieben wurde", sagt Jan Hoffmann vom bundesweiten Netzwerk
KEIN MENSCH IST ILLEGAL.
Erst am 13. März 2000 kam es an Bord der Lufthansamaschine LH 4115 von Paris
nach Berlin zu einem folgenschweren Zwischenfall. Professor Dr. Klaus-Gerd
Giesen von der Universität Leipzig wurde als Fluggast Zeuge, als sich ein
afrikanischer Flüchtling verzweifelt gegen seine Abschiebung wehrte.
Die Crew, berichtete der Hochschullehrer, habe die Gewaltanwendung durch
französische Polizeibeamte tatenlos hingenommen, "obwohl das Opfer schrie und
Passagiere protestierten". Erst als Giesen dem Kapitän rechtlich Schritte
androhte, sei die Abschiebung abgebrochen worden.
Die Erklärung der Lufthansa, die Prognose der Behörden über die
"Gewaltbereitschaft von Deportees sehr kritisch zu prüfen" ist in den Augen
der Anti-Lufthansa-Aktivisten zynisch und verdreht die Realität: "Schließlich
ist die Abschiebung der Akt der Gewalt und nicht der verzweifelte Versuch von
Menschen, die sich aus Angst mit letzter Kraft dagegen auflehnen ", sagt
Hoffmann. Die Behauptung der Lufthansa, Abschiebungen gegen den Widerstand d
er Betroffenen seit Mitte vergangenen Jahres nicht mehr durchzuführen sei
zudem kaum glaubhaft, da der Leiter ?Operative Maßnahmen, Abteilung
Konzernsicherheit?, Neuman, am 16. Dezember öffentlich noch erklärte, die
Lufthansa werde lediglich
"Deportees, die medikamentös ruhiggestellt werden bzw. einen Helm tragen",
nicht zum Flug akzeptieren. "Der Einsatz von Fuß- und Handfesseln und anderen
Zwangsmaßnahmen durch den Bundesgrenzschutz wird von der Lufthansa offenbar
weiterhin gebilligt?, stellt Hoffmann fest.
KEIN MENSCH IST ILLEGAL verlangt von der Lufthansa die Garantie, bei jeder
Buchung, oder spätestens vor dem Abflug zu prüfen, ob Passagiere mit dem Flug
auch einverstanden sind. Eine solche Versicherung über die Freiwilligkeit der
Reise ist bereits jetzt Praxis der belgischen Fluggesellschaft Sabena. Sabena
zog damit die Konsequenzen aus dem Tod der 20jährigen Semira Adamu, die im
September 1998 an Bord eines Linienfluges von Polizeibeamten mit einem Kissen
erstickt wurde.
"Die Gesetzeslage zwingt die Lufthansa keineswegs dazu, Passagiere gegen
ihren Willen zu befördern", erläutert die Münchner Rechtsanwältin Gisela
Seidler. "Das Luftverkehrsgesetz besagt lediglich, daß jeder, der einen
Personentransport mit dem Flugzeug wünscht, auch zugelassen werden muß.
Die Beförderungspflicht hat aber nicht zum Inhalt, daß Menschen, die nicht
fliegen wollen, geflogen werden müssen." Die Lufthansa sei also juristisch
bestens abgesichert, wenn sie den Transport von
Menschen gegen ihren Willen ablehnt.
KEIN MENSCH IST ILLEGAL will die Kampagne "deportation class - gegen das
Geschäft mit Abschiebungen" fortsetzen - bis die Lufthansa ihre Verantwortung
für Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, wahrnimmt.
»Deportation Class - gegen das Geschäft mit Abschiebungen« ist der Titel einer
Kampagne, die »kein mensch ist illegal« Ende März der Öffentlichkeit vorgestellt hat.
Ziel ist, auf Fluglinien, die sich für die Beförderung von gewaltsam in das
Flugzeug verschleppten Menschen bezahlen lassen, öffentlichen Druck auszuüben,
sowie
Passagiere und Bordpersonal zum Eingreifen auffordern. Die Kampagne richtet
sich zunächst vor allem gegen die Deutsche Lufthansa, weil die deutsche
Airline ihre
Flugverbindungen in die ganze Welt für Abschiebungen zur Verfügung stelle und
sich so zum willfährigen Handlanger der brutalen Abschiebepraxis mache. Am
zweitenAprilwochenende fanden an vielen deutschen und internationalen
Flughäfen erste Aktionen statt.
Das Netzwerk "kein mensch ist illegal" wurde im Juni 1997 auf der documenta X
in Kassel gestartet. In wenigen Wochen schlossen sich mehr als 200 Gruppen
und Organisationen, sowie tausende von Einzelpersonen einem Appell an,
Flüchtlinge und MigrantInnen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus "bei der
Ein- oder Weiterreise zu unterstützen, MigrantInnen Arbeit und Papiere zu
verschaffen, medizinische Versorgung, Schule und Ausbildung, Unterkunft und
materielles Überleben zu gewährleisten." In den letzten drei Jahren hat sich auf
der Basis dieses Appells ein vielfältiges und auf verschiedenen Ebenen
arbeitendes Netzwerk entwickelt.
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