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Büren: Demo gegen Abschiebeknast am 21.Mai

"Einen Kanarienvogel, den man
lieb hat, sperrt man ja auch ein"

Peter Möller, Leiter des Abschiebeknastes Büren

Demonstration gegen Europas
größten Abschiebeknast Büren

mfm Büren - Unter dem Motto "Flucht ist kein Verbrechen" ruft der
ostwestfälische Vorbereitungskreis für den 21. Mai 2000 um 12 Uhr zu einer
Demonstration gegen Europas größten Abschiebeknast in Büren bei Paderborn
auf. Ort der Demonstration:
Vor der Haftanstalt.

Der Bürener Knast, in dem zur Zeit 400 Flüchtlinge inhaftiert sind, besteht
mittlerweile seit sechs Jahren. Von hier aus werden die Flüchtlinge, die
keinerlei Straftaten begangen haben, nach oft monatelanger Haft in ihre
Herkunftsländer abgeschoben.
Zuletzt war die Abschiebeanstalt im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen
geraten, nachdem sich am 30. August 1999 der 19 jährige Rachid Sbaai in einer
Isolationszelle das Leben genommen hatte. Nach einer Rangelei bei einem
Fußballspiel in der Haftanstalt war der junge Mann zu einem siebentägigen
Arrest verurteilt worden. Rachid war bereits sechs Monate in Büren inhaftiert
und er war dem enormen psychischen Druck, täglich abgeschoben zu werden,
nicht gewachsen. Er zündete seine Kleidung an uns starb an den Folgen der
schweren Brandverletzungen.
Frank Gockel, Organisator der Demonstration und Sprecher der Bürener
Initiative "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft e.V.": "Dieser Tod ist nur
ein Beispiel dafür, welche schwere Belastung Abschiebehaft für die
Flüchtlinge bedeutet. Viele erwartet in ihrem Herkunftsland nach ihrer
Abschiebung Gefängnis oder Folter". Das Gesetz sieht vor, daß Flüchtlinge bis
zu 18 Mopnaten gefangen gehalten werden dürfen, ausreichend sei der
"begründete Verdacht", daß sich jemand seiner Abschiebung entziehen könnte.

Weitere Informationen über das Info-Telefon: 05251-690674. Der Ablauf der
Demonstration kann auch per Fax angefordert werden.

PRESSEMITTEILUNG

Abschiebungen in NRW:
Verwaltungsgerichte treiben ein übles "Spiel" mit Asylbewerbern

Zahlreiche Verwaltungsgerichte in Nordrhein Westfalen treiben ein übles
"Spiel" mit dem Leben von Asylbewerbern, die entweder in ihr Heimatland oder
in ein Land abgeschoben werden, das die deutschen Ausländerbehörden
"zwangsweise" zu ihrem Heimatland erklärt haben. Dem Medienbüro für
Menschenrechte (mfm) e.V. liegen die Urteile der Verwaltungsgerichte
Gelsenkirchen und Minden und anderer Verwaltungsgerichte vor. Darin kommen die
Verwaltungsrichter zu völlig gegensätzlichen Bewertungen, was etwa die
Gefährdungslage der abgeschobenen Asylbewerber in dem westafrikanischen Staat
Guinea betrifft.

Fall 1: In einem Urteil vom 17. März 2000 gibt das Verwaltungsgericht Minden
einem Eilantrag statt, mit dem die angeordnete Abschiebung eines guineischen
Staatsbürgers aufgehoben wird. Zur Begründung heißt es unter anderem: "Dem
Antrag war zu entsprechen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
vom Antragsteller (des guineischen Staatsangehörigen, Anm.) angegriffenen
Bescheides des Bundesamtes (für die Anerkennung von Flüchtlingen, Anm.) vom
21.09.1999 bestehen. (...) Bei dem Regime des Präsidenten Lansana Conté, der
sich 1984 an die Macht geputscht hat und im Laufe der Jahre mehrfach stets
umstrittene Mehrparteienwahlen hat durchführen lassen, handelt es sich aber
um das Regime eines ehemaligen Armeechefs, das mit einer demokratischen
Regierung westlichen Gepräges nicht verglichen werden kann. (...) Bei dieser
Sachlage ist es rechtlich fast abwegig, den Asylantrag eines vor Prozeßbeginn
geflohenen Parteimitgliedes (der Oppositionspartei R.P.G., Anm.) als
"offensichtlich unbegründet" abzulehnen". (Aktenzeichen: 10 L 1350/99.A).

Fall 2: Die Kammer 10a des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen kommt in einem
Urteil vom 12. Mai 2000 zum Asylantrag eines Staatsbürgers aus Guinea zu dem
Ergebnis: "Das vorläufige Rechtsschutzbegehren mit dem sinngemäßen Antrag (an
angeordnete Abschiebung aufzuheben, Anm.) hat keinen Erfolg". Begründung:
"Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen, insbesondere Auskünften des
Auswärtigen Amtes, ergibt sich nichts dafür, daß abgeschobene Asylbewerber
aus Guinea bei einer Rückkehr in ihren Heimatstaat längerfristig inhaftiert,
körperlich mißhandelt oder gefoltert werden".(Aktenzeichen: 10a L 1042/00.A).

mfm e.V. hält insgesamt die unterschiedliche und offensichtlich durch grobe
Unkenntnis der wahren innenpolitischen Verhältnisse in Guinea und in anderen
afrikanischen Staaten zustande gekommenen Urteile für skandalös und für
rechtsstaatlich fragwürdig.

Viele Verwaltungsgerichtsurteile tragen die Handschrift der Willkür und der
persönlichen Positionierung der jeweiligen Richter!

Immer mehr zeichnet sich ab, daß die völlig konträren
Gefährdungsabschätzungen einzelner Verwaltungsgerichte nur möglich sind, weil
es sich bei den abzuschiebenden Asylbewerbern um Flüchtlinge handelt, die
hierzulande über keinerlei Einfluß, Lobby und Fürsprecher verfügen, und deren
rechtloser Status auch von politischen Mandatsträgern und Medienvertretern
nicht mehr wahrgenommen wird. So fällt es den Verwaltungsrichtern relativ
leicht, etwa Formulierungen zu gebrauchen, wie jene des inzwischen
berüchtigten Verwaltungsgerichtes Arnsberg: "Nach den dem Gericht
vorliegenden Unterlagen gibt es keinerlei Erkenntnisse darüber, daß
abgeschobene Asylbewerber nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat längerfristig
inhaftiert, mißhandelt oder gar gefoltert werden" (Beschluß vom
22.02.2000).

Sie haben richtig gelesen: Der Beschluß des Verwaltungsgerichtes Arnsberg ist
wortgleich identisch mit der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichtes
Gelsenkirchen. Konkret bedeutet dies: Es findet keine individuell abgewogene
Urteilsfindung mehr statt, die Urteilsbegründungen des einen
Verwaltungsgerichtes werden vom nächsten und vom übernächsten
Verwaltungsgericht übernommen. So wird aus der grundgesetzlich garantierten
unabhängigen Rechtssprechung des Einzelfalles eine konfektionierte
Rechtssprechung, in der
die Wahrheitsfindung keine Rolle mehr spielt; weil das Leben der Flüchtlinge
bedeutungslos ist für den Staat BRD. Der hat formal alle
Menschenrechtskonventionen unterschrieben.

Übrigens stellt die wesentlich glaubhafter und weltweit recherchierende und
beurteilende Gefangenenhilfsorganisation amnesty international in ihrem
Jahresbericht 1999 zu den innenpolitischen Verhältnissen in Guinea fest:
"Folter und Mißhandlungen sind nach wie vor weit verbreitet". Auch dies noch:
Drei Abgeordnete der guineischen Oppositionspartei R.P.G., deren
Oppositionsführer seit eineinhalb Jahren ohne Anklage in Haft ist, sind 1998
unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen.

Peter Vogel
1. Vorsitzender mfm

Der Wortlaut der jeweiligen Gerichtsurteile kann bei mfm angefordert werden:
Tel.: 04221/53948, Fax: 04221/54639).

Ein Zeuge bestätigt:

"Abgeschobene Asylbewerber sind seit
Monaten nicht mehr am Leben"


Von Peter Vogel

Conakry/Düsseldorf - Erstmals hat ein Flüchtling aus dem westafrikanischen
Staat Guinea eidesstattlich versichert, daß er mit mehreren am 30. Juni 1999
abgeschobenen Asylbewerbern in einem Gefängnis in der guineischen Hauptstadt
Conakry Kontakt gehabt habe. Auch verfüge er über Informationen, daß diese
jungen Männer nicht mehr nicht mehr am Leben seien. Der Deutsche Botschafter
in Conakry, der guineische Sicherheitsminister und das Auswärtige Amt in
Berlin wurden damit der Unwahrheit überführt. Sie hatten monatelang
behauptet, die abgeschobenen Asylbewerber seien gesundheitlich wohlauf und auf
freiem Fuß. Das System hat Methode und wurde vom inzwischen als kriminell
enttarnten ehemaligen Innenminister Manfred Kanther jahrelang erfolgreich
praktiziert: Bei Nachfragen nach der Menschenrechtssituation in afrikanischen,
in lateinamerikanischen Staaten oder in der Türkei erhielten Journalisten stets
die Auskunft, über Verstöße gegen die Menschenrechte gebe es keine
gesicherten Erkenntnisse. Auch das Schily-Ministerium hält sich an diese
altbewährte Praxis, mit katastrophalen Folgen für die Betroffenen: Aus
Deutschland abgeschobene Asylbewerber werden unter tätiger Beihilfe des
Bundesamtes für die Anerkennung von Flüchtlingen wieder in ihr Heimatland
abgeschoben und dort schwer gefoltert - oder sie verschwinden spurlos, ein
klarer Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen.
9. September 1999: Eine Delegation des "Medienbüro für Menschenrechte (mfm)"
reist nach Guinea, um das Schicksal von 13 dorthin abgeschobenen
Asylbewerbernn aufzuklären. Die Recherchengestalten sich äußerst langwierig,
denn die Angehörigen der Familie stehen offenbar unter dem Einfluß der
Drohungen von Sicherheitskräften. Mit drei der abgeschobenen Asylbewerber
kann die Delegation Kontakt aufnehmen, auch sie machen einen
eingeschüchterten Eindruck und verweigern konkrete Aussagen. Betretenes
Schweigen auf die Frage, ob sie direkt aus dem Gefängnis entlassen wurden, um
der Delegation vorgeführt werden zu können. Einer der Abgeschobenen, Ousmane
Sow, ist zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Er starb eine halbe Stunde nach
seiner Einlieferung in das Krankenhaus "Ignace Deen" (Foto) angeblich an
akuter Lebervergiftung.
Der guineische Sicherheitsminister Koureichy Condé und der deutsche
Botschafter in Guinea, Pius A. Fischer, beide höchst freundschaftlich
miteinander verbunden, bestritten gegenüber der mfm-Delegation hartnäckig,
daß die Flüchtlinge nach ihrer Abschiebung inhaftiert worden seien. Die
jungen Guineer seien allesamt gesundheitlich wohlauf und auf freiem Fuß. Nun
hat ein guineischer Asylbewerber (Name ist der Redaktion bekannt) gegenüber
dem Dortmunder Rechtsanwalt Eberhard Vogt erstmals beeidet, daß er zwei am
30. Juni 1999 aus Deutschland abgeschobene Flüchtlinge in einem Gefängnis in
Conakry kennengelernt habe.
Kurze Zeit später sei ihm von Gefängniswärtern mitgeteilt worden, daß die
beiden aus Deutschland stammenden Asylbewerber tot seien.
Es handelt sich um die Flüchtlinge Diallo und Barry, die beide angaben, aus
Deutschland abgeschoben worden zu sein. Zitat aus der eidesstattlichen
Versicherung: "Wir waren über einen Monat in einer großen Zelle zusammen
(...) wir unterhielten uns jeden Tag auf Fullah über das Thema Deutschland.

Diallo sagte mir, daß sie ihm ins Gesicht geschlagen haben. Barry sagte mir,
daß er einen Faustschlag in den Bauch erhalten habe, in der großen Zelle
durch die Wärter. (...) Nach einiger Zeit hörte ich, daß Bedienstete zwei
Leichen weggeschafft hätten und ein Wärter vom Stamme der Fullah kam in die
Zelle, in der ich mit drei Personen vom Stamme der Malinke, die wegen
Propaganda für die Partei Alpha Condés inhaftiert waren, befand. Die Wärter
informierten mich in der Fullahsprache über den Tod von zwei
Deutschlandrückkehrern namens Diallo und Barry". Auch den im Krankenhaus
"Ignace Deen" in Conakry verstorbenen Ousmane Sow hat Mamadou D. B.
kennengelernt. Zitat aus der eidesstattlichen Versicherung:
"Ich kannte ihn aus Deutschland, er wohnte um 1995 in Dortmund. (...) Später
habe ich erfahren, daß man ihn freigelassen hat. Dann habe ich noch erfahren,
daß er im Krankenhaus gestorben ist. Die Leute sagten später, der Doktor habe
gesagt, daß man ihn vergiftet habe".Im November 1999, unmittelbar nach einer
weiteren Abschiebung von Guineern aus Deutschland, mußte das Auswärtige Amt
erstmals einräumen: "Wir wissen nicht, wo sich die Flüchtlinge zur Zeit
befinden".
Zur Erklärung: Nach heftigen Auseinandersetzungen um das Begleitpersonal bei
Abschiebungen nach Guinea - u.a. Übergriffe einzelner Beamter auf die
Afrikaner - wurden Abschiebungen nach Guinea über Ghana organisiert. Von dort
aus sollten die "Schüblinge" mit Bussen oder per Flugzeug nach Conakry
weitertransportiert werden. Doch die vier im November abgeschobenen Guineer
kamen nie in ihrer Heimat an.
An der Abschiebepraxis hat sich seither nichts geändert. In der Antwort auf
eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke heißt es lediglich:
"...die Bundesregierung verfügt über keine Erkenntnisse über den
Gesundheitszustand der am 30.06.1999 rückgeführten Personen".
Die Abschiebung von afrikanischen Staatsbürgern erreichte am 4. Februar 2000
einen neuen Höhepunkt: Wie die "Depeschen" aus zuverlässiger Quelle erfahren
haben, sollten 22 Afrikaner über die "Accra-Route" (Hauptstadt von Ghana)
abgeschoben werden, 6 Personen leisteten Widerstand und wurden wieder in Haft
genommen. Die Abschiebung fand ohne Begleitung deutscher Grenzschutzbeamter
statt, die Fluggesellschaft Ghana Airways stellt generell eigenes Personal
zur Verfügung. Unter den 16 abgeschobenen Afrikanern befanden sich auch 2
guineische Staatsbürger, unter ihnen der letzte Zeuge der gescheiterten und
spektakulären Abschiebung vom 17. März 1999, die am 30. Juni 1999 teilweise
widerholt wurde. Damaliger Vorwurf: Angebliche Übergriffe von BGS-Beamten.
Zufall oder Absicht...?

Denn dieser Zeuge steht nun für weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
nicht mehr zur Verfügung.
Der Afrikaner war seit der mißglückten Abschiebung in der JVA Wuppertal
inhaftiert (10 Monate!).

 

20.05.2000
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