Camp00: Tolerandenburg
Im März 1997 gründete die Landesregierung Brandenburgs das ”Aktionsbündnis
gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit”. Das Bündnis
ist ein Instrument zur Koordinierung relevanter gesellschaftlicher Organisationen
wie Gewerkschaften, Landeselternrat, Industrie- und Handelskammer etc... Die
öffentlichen Aktivitäten des Aktionsbündnisses blieben zunächst
weitgehend auf Sonntagsreden beschränkt.
Im Juni 1998 stellte die Landesregierung dann das Handlungskonzept der Öffentlichkeit
vor. Im Wesentlichen besteht es aus der staatlichen Förderung von 34 Einzelprojekten
staatlicher und nichtstaatlicher Träger. Einige der wichtigsten sind:
- das "Mobile Beratungsteam – Bürgerverantwortung für
Weltoffenheit (MBT)", das Kommunen und Institutionen im Umgang mit Rechtsradikalismus
beraten soll
- ein Beratungssystem für Schulen
- die "Mobile Einsatzeinheit gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit
(MEGA)", eine Spezialeinheit der Polizei zur Verunsicherung der rechten
Szene
- die "Kommunale Kriminalitäts-Verhütung (KKV)", eine
Art runder Tisch mit der Polizei, um das subjektive Sicherheitsgefühl
der BürgerInnen zu verbessern
- die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Schwerpunkt ist
die interkulturelle Zusammenarbeit.
Auch Opferperspektive und Aktion Noteingang wurden eine Zeit lang gefördert,
die Mittel wurden allerdings gestrichen. Beide Initiativen üben Kritik
am institutionellen Rassismus und leisten konkrete Zusammenarbeit sowie Unterstützung
mit/ von Flüchtlingen und Opfern rassistischer Übergriffe...
Der erste Zwischenbericht des Handlungskonzeptes schmückte sich mit einer
langen Liste: Werbeplakate für Toleranz, interkulturelle Fußballspiele,
Gründung von Bündnissen für Toleranz... Die Auswahl der geförderten
Projekte scheint nach deren Öffentlichkeitswirksamkeit zu erfolgen. Trotzdem
gibt es in keinem anderen Bundesland ein Konzept, das sich dergestalt mit Rechtsradikalismus
und Rassismus auseinandersetzt.
Es ist durchaus ein Fortschritt, wenn im Handlungskonzept ein Zusammenhang
zwischen rechter Gewalt und Rassismus gesehen wird und nicht nur von einem Problem
orientierungsloser Jugendlicher gesprochen wird. Nach Beginn 1998 gab es tatsächlich
in einigen Kommunen eine Positionierung gegen Rechtsextremismus und Rassismus.
Manch ein E KommunalpolitikerIn hatte nicht mehr den Mut, sich öffentlich
rassistisch zu äußern.
Das große Manko ist jedoch, dass
völlig außen vor gelassen wird, wie staatliche Institutionen mit
dem Rassismus der Zivilgesellschaft verstrickt sind. Die im Handlungskonzept
propagierten Verfassungswerte ”Demokratie” und ”Menschenrechte”
werden mit dem gegebenen Zustand des Staates gleichgesetzt und so aller kritischen
Substanz beraubt. Das Konzept wird zur PR-Veranstaltung gegen "Demokratieverdrossenheit"
für Staatsloyalität. Ein Beispiel ist das staatsnahe Aktionsbündnis,
das Argumentationshilfen gegen rechtsextreme Parolen herausgegeben hat. Darin
findet sich folgendes: "Vielfach wird auch der Eindruck erweckt, Asylsuchende
könnten jemandem in Deutschland einen Arbeitsplatz wegnehmen. Das ist nicht
der Fall: Asylbewerber dürfen nicht arbeiten!". Rassistische BürgerInnen
können beruhigt sein, die staatliche Praxis ist restriktiv genug.
Seit der tödlichen Hetzjagd von Guben zeichnet sich deutlich ab, wie
wenig die Bemühungen taugen. Durch Farid’s Tod wurde das Konzept widerlegt.
Auch die Kritik von konservativer Seite wird stärker. In der SPD/CDU-Koalition
wird das Handlungskonzept v.a. von seiten des CDU-Klientels in Frage gestellt,
das kein Interesse an der Thematisierung des eigenen Rassismus hat. Schönbohm‘s
CDU ist Sprachrohr und Verstärker einer Stimmung, die rechte Gewalttaten
als Normalität hinnimmt. Eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft gegen
Rassismus liegt nicht im Interesse der CDU. Bislang sieht die Strategie der
CDU so aus: imaginäre Linksextremisten dienen als Vorwand, um das Konzept
zu neutralisieren. Beispiel: In Guben setzte die CDU durch, dass in die Kooperationsvereinbarung
"weltoffenes Guben" auch eine Ausrichtung gegen Linksextremismus aufgenommen
wurde. Die MEGA begreift ihren Auftrag als Verunsicherung aller "extremistischen"
Szenen.
Zwar wird die SPD aus Angst vor Imageverlusten
dafür sorgen, dass das Handlungskonzept nicht gekippt wird. Aber es stört
kaum jemanden, wenn der Spremberger Bürgermeister öffentlich äußert,
dass Farid Guendoul selbst Schuld an seinem Tod sei - ein Asylbewerber habe
um diese Uhrzeit nichts mehr auf der Straße verloren. Die Tabuisierung
rassistischer Äußerungen greift nicht mehr. Unter dem Druck der CDU
könnte Rechtsextremismus wieder zu einem Kriminalitätsproblem runtergebeamt
werden. Lehrreich wieder Sprembergs Bürgermeister. Er unterbreitete den
Vorschlag, aus Gründen der Gewaltprävention die Bewegungsfreiheit
potentieller Opfer einzuschränken...
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