Berlin: Welcome to Telecity Forst
In guter Tradition wird nach Rothenburg / Görlitz 1998 und Zittau 1999
dieses Jahr vom 29.7.-6.8. das dritte antirassistische Grenzcamp im Rahmen der
Kampagne kein mensch ist illegal stattfinden. Dieses Mal werden
die Zelte im brandenburgischen Forst a.d. Neiße aufgeschlagen.
Als MitorganisatorInnen sind wir zuversichtlich, im Verlauf der Woche bis zu
1500 TeilnehmerInnen und AktivistInnen aus ganz Europa zu treffen. Wir freuen
uns, dass aufgrund der Zusammenarbeit mit der Flüchtlingsselbsthilfeorganisation
The Voice aus Jena erheblich mehr Flüchtlinge am Camp teilnehmen
werden.
Derzeit läuft die bundesweite Orgamaschine auf Hochtouren und noch nicht
alles ist spruchreif. Dennoch können wir schon jetzt verraten, dass sich
unsere Diskussionen und Aktivitäten unter dem Motto: "Die Freiheit,
sich frei zu bewegen, ist ein Glück, welches es zu teilen gilt" entlang
dreier Leitlinien entwickeln werden:
- Soziale Ausgrenzung und Abschiebung
- Innere und äußere Grenzen
- Gesellschaftlicher und institutioneller Rassismus
Die politische Zuspitzung wird dieses Jahr an einer Reihe von Punkten erfolgen:
Flüchtlinge haben angekündigt, mit ihrer Teilnahme am Camp demonstrativ
gegen die Residenzpflicht zu verstoßen. Zum Strafprozeß gegen die
Gubener Nazis, die im vergangenen Jahr den Flüchtling Farid Guendoul in
den Tod gehetzt haben, werden Aktionen stattfinden. Antisemitismus werden wir
in Bezug auf den jüngsten Angriff auf den jüdischen Friedhof von Guben
thematisieren. Außerdem wird es Aktionen gegen die Diskriminierung von
Flüchtlingen durch staatliche Behörden (z.B. Gutscheinsystem) und
gegen die ZAST in Eisenhüttenstadt geben.
Mit dem Camp wollen wir verschiedene Interessen realisieren: Manche von uns
begreifen es - neben der Politik - als ein sozial-politisches Experimentierfeld.
Mit vielen Leuten an einem Ort soll ein Stück Selbstorganisation und Gegenmacht
im Alltag erlebbar gemacht werden. Auf der anderen Seite soll das Camp dafür
genutzt werden, die ortsansässige Bevölkerung in einem offenen Geist
über unsere Anliegen aufzuklären. Wer uns in diesem Sinne in der Region
begegnet, ist auch ganz herzlich dazu einzgeladen, uns im Camp zu besuchen und
sich an den Diskussionen zu beteiligen.
Diese Einladung gilt natürlich nicht für Nazis und Rassisten. Sie
haben weder dort noch sonstwo etwas zu suchen. Zwar rechnen wir nach den Erfahrungen
der Vergangenheit nicht mit einem "Campbesuch" von Nazis. Falls sich
aber doch einige bei uns "sehen lassen", werden wir selbstverständlich
nicht zögern, direkt auf sie zuzugehen.
Trotz zäher Verhandlungen für einen Zeltplatz verfügen wir noch
nicht über einen Mietvertrag. Leider zeigte sich die Stadt Forst in den
Verhandlungen überraschend abweisend und schob eine Reihe von fadenscheinigen
Gründen gegen das Camp vor. Die Tatsache, dass wir beim letzten Camp in
Zittau nur "50 Strafanzeigen" bekommen haben, wird nun gegen uns verwendet.
Schlimm!
Offenbar wollen der Bürgermeister und der Ordnungsamtschef von Forst daran
glauben, dass wir uns durch derartige Mätzchen abschütteln ließen.
Ihnen scheint völlig entgangen zu sein, in welch geduldiger und öffentlicher
Weise die CampteilnehmerInnen in den vorangegangenen Jahren Zeltplätze
erstritten haben. Man möge bitte nicht unsere Beharrlichkeit unterschätzen.
Es ist aber nicht völlig auszuschliessen, dass die Platzfrage bis zum Schluß
ungeklärt ist. Deshalb rufen wir auch dazu auf, schon zum Freitag abend
(28. Juli) anzureisen. Prägt euch also schon mal die unten stehende Infohandy-Nummer
ein. Eventuell müssen wir dann alle gemeinsam noch Unstimmigkeiten mit
den Behörden ausräumen. Testen wir dann einfach die Weltläufigkeit
und Internationalität der Telecity Forst!
Generell ist es also wichtig, immer auf dem neuesten Stand der Informationen
zu sein. Infos bekommt Ihr in der Campvorwoche täglich unter der Nummer
des Koordinationsbüros. Unter Umständen wird noch eine Info-VV einberufen.
Allerdings sollten diese Nebensächlichkeiten nicht von der Hauptsache
ablenken: In einem politischen Sinne sind wir in Theorie und Praxis des Kampfes
für offene Grenzen und ein glückliches Leben auf die Unterstützung
von noch viel mehr Menschen sowohl aus Forst und anderswo angewiesen. Nachfolgend
findet Ihr Hintergrundmaterial für einige der geplanten Camp-Aktivitäten.
See ya!
ZELTPLATZKOMITEE, Berlin, den 29.6.2000
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