Hamburg: Opfer der "Residenzpflicht"
Weiterleitung (Fax-Abschrift):
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African Refugees Association
/ l'Association des Réfugié(e)s Africain(e)s
c/o ESG im Diakonischen Werk
Königstr. 54
22767 Hamburg
Hamburg, 09. Oktober 2000
Presse-Erklärung
In zwei Zeitungsartikeln der Hamburger Morgenpost sowie von Bild-Hamburg
vom 9. Oktober 2000 wird über den Unglücksfall von zwei Flüchtlingen aus
Togo berichtet. In den Artikeln werden die Flüchtlinge als "Illegale
bezeichnet und die Hintergründe des Unglücksfalles werden nur
oberflächlich und verfälschend dargestellt. Daher möchten wir als
African Refugees Association folgendermaßen zu den Ereignissen Stellung
beziehen:
Zwei Vorstandsmitglieder der African Refugees Association sind Opfer der
rassistischen und menschenunwürdigen Flüchtlingspolitik in Deutschland
geworden. Aus Angst wegen eines Verstoßes gegen die sogenannte
Residenzpflicht sprangen am Abend des 7. Oktobers 2000 zwei
Vorstandsmitglieder der African Refugees Association aus dem 4. Stock
eines privaten Wohnhauses in Hamburg (Stadtteil Dulsberg) Grund für den
Sprung aus dem 4. Stock war die Angst vor der Polizei, die vermeintlich
an der Wohnungstür geklingelt hatte und in die Wohnung eindringen
wollte.
Die zwei Frauen waren alleine in dieser Wohnung. Sie besaßen gültige
Aufenthaltspapiere für die Bundesrepublik Deutschland als Asylsuchende
Flüchtlinge aus Togo, allerdings sind sie in einem anderen Bundesland
als Flüchtlinge registriert. Teil der menschenverachtenden
Flüchtlingspolitik in Deutschland ist die Auflage, dass Flüchtlinge sich
nur in dem Landkreis aufhalten dürfen, in dem sie ihren Asylantrag
gestellt haben. Aber selbstverständlich gibt es viele Gründe, weshalb es
für afrikanische Flüchtlinge notwendig sein kann, sich kurzfristig auch
in Hamburg aufzuhalten. Ein Grund ist die Tatsache, dass beide ihre
Rechtsanwältin in Hamburg haben. Hinzu kommt, dass in Hamburg der Sitz
der African Refugees Association ist, dessen Vorstandsmitglieder die
beiden Frauen sind.
Aus Angst vor einer möglichen Personenkontrolle und den damit
verbundenen Schikanierungen durch die Polizei und ausländerrechtlichen
Konsequenzen, aufgrund der menschenverachtenden Residenzpflicht für
Flüchtlinge haben sich beide Frauen kurzfristig dazu entschlossen,
einfach aus dem Fenster zu springen.
Eine der Frauen hat mehrere Wirbelbrüche erlitten, allerdings wurde das
Rückenmark nicht beschädigt, sodass wir auf eine baldige Genesung hoffen
dürfen. Die zweite Frau hat eine Fraktur der Wirbelsäule davongetragen
und muss davon ausgehen, ihr Leben im Rollstuhl zu verbringen.
Dies ist nicht der erste und einzige derartige Vorfall. Vor einigen
Monaten stürzte sich ein Kongolese aus dem Kreis Pinneberg aus dem 4.
Stock, als nachts um 4.00 Uhr die Polizei klingelte. Und im Juni 1996
ertrank der Sierra Leoner Jude A., als er aus Angst vor der Polizei, die
an die Tür klopfte, von einem Schiff in Harburg (welches als
Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde) in die Elbe sprang. Auch diese
beiden Flüchtlinge hatten nur gegen die Residenzpflicht verstoßen.
Wir sind mit unseren Gedanken bei den zwei Frauen, die im Vorstand der
African Refugees Association wichtige Positionen bekleiden
(verantwortlich für die Bereiche: Menschenrechte bzw. Arbeit/Ausbildung)
und im Kampf für die Rechte von Flüchtlingen aktiv sind.
Wir hoffen auf eine schnelle Genesung nach den schwerwiegenden
Verletzungen aufgrund des Sturzes aus dem Wohnhaus und verlangen eine
umfassende medizinische Versorgung und Rehabilitationsmaßnahmen.
Wir bitten um eine menschenwürdige Berichterstattung in den Medien zu
diesem Unglücksfall und werden alle Formen der Beleidigung und
Verunglimpfung unserer Schwestern mit Nachdruck bekämpfen.
Wir fordern die sofortige Aussetzung von ausländerrechtlichen Maßnahmen,
die gegen die beiden schwerverletzten Frauen eingeleitet werden könnten.
Wir fordern eine Abschaffung sämtlicher menschenverachtender und
rassistischer Gesetze und eine Beendigung der alltäglichen
Polizeikontrollen.
Hamburg, den 11. Oktober 2000,
African Refugees Association
UnterstützerInnen:
- Komitee zur Verteidigung der Rechte von Flüchtlingen
- SOS Struggle of Students e.V.
- Black Students Organisation e.V.
- Flüchtlingsrat Hamburg
- SOKONI e.V.
- Cameroon Student Parliament in Exil
--
Hamburger Morgenpost Online vom 09.10.2000
Hamburg - Telegramm
Illegale sprangen aus 4. Stock
Dulsberg - Weil sich ihr Bekannter als Mitarbeiter der Ausländerpolizei
ausgegeben hatte, sprangen zwei Afrikanerinnen (35 und 36) aus dem
vierten Stock eines Hauses. Beide wurden schwer verletzt, kamen ins
Krankenhaus. Sie sollen sich illegal in Deutschland aufhalten.
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