Arnstadt: Polizei und Nazis - Hand in Hand
Stop Press!
Rassistischem Überfall in Arnstadt am 22.10.00
Polizei und Nazis - Hand in Hand
Neonazi-Überfall auf Asylbewerber in Arnstadt - Polizei ergriff Partei für
die Nazis
Gegen Naziterror, Polizeigewalt und die diskriminierenden Ausländergesetze
demonstrierten knapp 400 Menschen am vergangenen Samstag im thüringischen
Arnstadt. Anlaß der Aktion antirassistischer und antifaschistischer Gruppen
aus der Region war ein Nazi-Überfall auf Flüchtlinge, der sich bereits am
22.10. ereignet hatte.
An diesem Tag waren drei afrikanische Asylbewerber und zwei deutsche Frauen
nach dem Besuch der Disco „Lindeneck" von 15 Nazis angegriffen wurden.
Direkt vor dem Denkmal für die Opfer des Buchenwalder Todesmarsches wurde
von den mit Baseballschlägern, Knüppeln und einem Messer bewaffneten Nazis
der kamerunische Flüchtling Patterson Kenwou niedergeschlagen und schon am
Boden liegend weiter traktiert. Beim Versuch, ihm zu helfen, wurden auch
sein Freund George Fopa geschlagen und verletzt. In Todesangst zog Patterson
schließlich eine Spielzeugpistole aus der Tasche, woraufhin die Bande
panisch flüchtete und sogar eines ihrer Autos zurückließ.
Als jedoch die von den Angegriffenen alarmierte Polizei eintraf, weigerte
sie sich, die Aussagen der Opfer anzuhören und ihnen Schutz zu gewähren.
Vielmehr ermutigte sie den rassistischen Mob, der nach ihrem Eintreffen zum
Tatort zurückkehrte, zu weiteren Attacken. Unter den Augen der Polizei
wurden die Flüchtlinge immer wieder geschlagen, einer von ihnen von den
Nazis „durchsucht", und später wurden den dreien auf brutale Weise von den
Beamten Handschellen angelegt. Dem protestierenden George Fopa wurde
angedroht, ihn schutzlos dem Mob zu überlassen. Noch auf der Polizeistation
wurden sie von den ebenfalls dorthin gekommenen Nazis mißhandelt; auch
Polizeibeamte beteiligten sich durch Beleidigungen wie „Tier" und „Nigger".
Bis zu 10 Stunden wurden die Flüchtlinge auf der Wache festgehalten, ohne
Essen und Trinken zu erhalten.
Vollends die Tatsachen verdrehte der Pressesprecher der Gothaer Polizei,
Herr Fugmann, in seinem sonntäglichen Bericht, der von einem Angriff der
Afrikaner auf „eine Gruppe von Deutschen" spricht. Auch fehlte nicht das
Stereotyp vom „als ersten angetroffenen Ausländer, welcher gerade einer
deutschen Frau hinterherrannte". Die Verhaftung der drei wegen angeblichen
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie versuchter Gefangenenbefreiung
hätte „erst mit Hilfe der anwesenden Deutschen" erfolgen können.
Dieser Bericht erschien fast wörtlich in der Montagsausgabe des Lokalteils
der „Thüringer Allgemeine" (TA) und heizte die aggressive rassistische
Stimmung in der Stadt weiter an. Für die in der Stadt lebenden Ausländer
verschlechterte sich die Situation weiter, Beschimpfungen in aller
Öffentlichkeit geschehen täglich, niemand vertraut mehr der Polizei. Wie auf
Bestellung sammelten sich am folgenden Samstag, den 28.10., ca. 200 Nazis am
Arnstädter Bahnhof. Möglicherweise planten sie einen Angriff auf das Heim,
wie sie ihn zuvor angedroht hatten, doch infolge erhöhter Polizeipräsenz
eskalierte die Lage nicht.
Zunehmend widersprechen sich mittlerweile die Sprecher der Polizei bei dem
Versuch, die von der Menschenrechtsorganisation The Voice, der Gewerkschaft
hbv und dem Thüringer Flüchtlingsrat gegen sie erhobenen Vorwürfe
abzuwehren. In der TA vom 09.11. spricht der Gothaer Polizeiführer Egon
Luthardt von einer Auseinandersetzung aufgrund „persönlicher Rivalitäten
wegen Frauen", während er andererseits die Freundinnen der Afrikaner als
nicht neutral bezeichnet; den dankt er für ihre „Zivilcourage". So sollen
schon im Vorfeld weiterer Ermittlungen der politische Hintergrund der Tat
geleugnet und den beiden deutschen Frauen die Glaubwürdigkeit abgesprochen
werden. Auf Anfrage der Südthüringer Zeitung „Freies Wort" (FW) erklärte am
23.10. der für den erwähnten Polizeibericht vom Vortag verantwortliche Herr
Fugmann, die Täter-Opfer-Situation sei unklar. Außerdem räumte er ein, einer
der Deutschen sei eine „Glatze" gewesen. Von der Kriminalpolizei Gotha, an d
ie der FW-Journalist verwiesen wurde, war noch am 08.11. keine Auskunft zu
dem Vorfall zu erhalten. Einen Tag später jedoch weiß Polizeichef Luthardt
der TA (s.o.) zu berichten: „Die Beamten haben verhältnismäßig und umsichtig
gehandelt." Ebenso widersprüchlich nennt die TA im selben Artikel nicht mehr
Kenia und Sierra Leone als Herkunftsländer der Flüchtlinge wie noch am
23.10., sondern übernimmt die korrekte Zuordnung (Kamerun und Sierra Leone)
aus der angeblich gegenstandslosen Darstellung des Flüchtlingsrates.
Einen Aspekt solcher Kumpanei zwischen den Nazibanden und der Polizei
konnten auch die Demoteilnehmer am vergangenen Samstag erleben. Ungehindert
von der Polizei konnten Arnstädter Nazis bis unmittelbar an die Demo
herankommen und mit dem Kühnen-Gruß provozieren. Diesem Treiben mußte
schließlich durch die Demonstranten ein Ende gesetzt werden. Während seiner
Ansprache wies Eben Mancho, der Vertreter von the Voice, auf den evidenten
Zusammenhang zwischen Staatsrassismus und Nazigewalt hin: „Die rassistischen
Ausländergesetze, wie z.B. das „Residenzpflichtgesetz", welches das
Grundrecht auf Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge auf einen Landkreis
begrenzt, sind eine wichtige Grundlage, für die Anschauung der Nazis, daß
Ausländer Menschen zweiter Klasse seien, die sie als Freiwild behandeln
können." Alle Redner der Demonstration wiesen auf die Notwendigkeit weiterer
Interventionen hin, um eine wahrscheinliche Verschleppung bzw. Einstellung
der Ermittlungen gegen Nazis und Polizisten zu verhindern.
bei Robert Faßler
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