Prag: Freiheit für Mads!
Freiheit für Mads!
Mads Trærup, geboren am 10.3.1982, ist Schüler am Gymnasium in Sønderborg.
Gemeinsam mit einigen Freunden der "Samlede Venstre", der Versammelten Linken
in Sønderborg ist er im September nach Prag gefahren, um an den Demonstrationen
gegen den Internationalen Währungsfond und der Weltbank teilzunehmen. Mads
ist kein kommunistischer Funktionär. Es sei das erste mal überhaupt gewesen,
daß sein Sohn zu einer politischen Demonstration gereist sei, teilte sein
Vater mit. Trotzdem hat er jetzt eine Gemeinsamkeit mit dem antifaschistischen
Widerstandskämpfer und ZK-Mitglied der KPC, Julius Fucik. Er ist aufgrund
seines politischen Widerstandes gegen das herrschende System im Prager Gefängnis
Pankrác eingesperrt und gefoltert worden. Zwar ist sein Leben nicht unmittelbar
bedroht. Aber solche Typen, wie sie von Fucik als "SMETONZ" beschrieben
worden sind, sind heute wieder in der Prager Polizei beschäftigt: Mads wurde
brutal zusammengeschlagen. Damit nicht genug: im Gefängnis mußte er sich
nackt ausziehen, an die Wand gestellt, und er wurde mit einem Feuerwehrschlauch
mit kaltem Wasser unter hohen Druck abgespritzt, auf die Haematome, die
Wunden, was besonders schmerzhaft ist. Anschließend wurde er erneut geprügelt.
Fast nackt mußte er die Nacht in einer zugigen kalten Zelle zubringen, der
Schlaf wurde verhindert. Die ersten zwei Wochen seiner Haft im Pankrác hatte
er keine Möglichkeit, mit jemandem zu reden, erst nach 14 Tagen wurde er
mit anderen dänischen und deutschen Gefangenen in eine Zelle gesperrt. Während
zwei andere in Prag inhaftierte dänische Jugendliche im Alter von 16 und
19 Jahren inzwischen nach Hause geschickt wurden, will ihn die Staatsanwältin
Zdenka Galkova zwischen drei und zehn Jahren in Haft behalten. Man wirft
Mads vor, mit einer Eisenstange nach tschechischen Polizisten geschlagen
zu haben. Nach Aussagen seiner Begleiter hatte Mads aber niemals eine Eisenstange
gehabt. Jedoch hatte Mads selbst bemerkt, daß die tschechischen Polizisten
seinen Rucksack geöffnet haben als er bereits zusammengeschlagen am Boden
lag. Ein Polizist hatte ein oder zwei Steine in den Rucksack von Mads gesteckt.
Es sollte wohl der Anschein erweckt werden, es handele sich um einen Gewalttäter,
der Steine mit sich führt, um diese als Waffen zu verwenden. Als Mads dies
bemerkte, schrie er "Don't!" und "Stop!", weil ihm die tschechischen Worte
fehlten. Ob tschechische Polizisten Fremdsprachen verstehen? Mads sitzt
seit sechs Wochen im Pankrác ohne Gerichtsurteil. Er hat sich an den Gefängnisalltag
angepaßt. Mit seinen Zellenkameraden spielt er Schach, als einziger Däne
hat er nämlich niemanden, mit dem er sich in seiner Muttersprache unterhalten
kann. Ein ordentliches Gerichtsverfahren ist von den tschechischen Behörden
nicht durchgeführt worden. Es wird jetzt darum verhandelt, ob Mads vielleicht
mit 200000 dänischen Kronen Kaution freigekauft werden kann, die seine Eltern
und Freunde aufbringen wollen, weil sie kein Vertrauen auf ein faires Gerichtsverfahren
haben. Wir bitten darum, daß Mads Solidaritätspost ins Gefängnis geschickt
bekommt: außer seiner dänischen Muttersprache kann er auch englisch und
deutsch lesen. Seine Adresse:
vazebni veznice Praha Pankrác
Mads Traerup
P.O. Box 5
14097 Praha $
Czech Republik
Die erbärmlichste Rolle in diesem Trauerspiel hat der Präsident der tschechischen
Republik, Vaclav Havel. Obwohl die Eltern und Freunde von Mads ihn persönlich
angeschrieben und um Hilfe gebeten haben, hat er überhaupt nichts getan,
daß Mads frei kommt oder seine Situation erleichtert wird. Er hat offensichtlich
nichts aus seiner Geschichte gelernt. Erinnern wir uns: Vierzig Jahre nach
Julius Fuciks Ermordung befürchteten wir erneute akute Kriegsgefahr in Folge
der Stationierung von NATO-Erstschlagswaffen. Deshalb gab es in Prag 1983
eine Weltkonferenz für Frieden und Leben - gegen den nuklearen Krieg. Als
deutscher Delegierter und Teilnehmer an dieser Konferenz habe ich die Diskussionen
noch gut in Erinnerung. Wir waren einig in unserem gewaltfreien Kampf für
eine Welt ohne Waffen, aber es gab auch andere Themen: Tschechische Oppositionelle
gegen die damalige kommunistische Regierung, die Anhänger der "Charta 77"
an der ja auch Vaclav Havel beteiligt war, haben bei dieser Konferenz unsere
internationale Solidarität eingefordet: daß niemand wegen seiner politischen
Überzeugung verfolgt, eingesperrt oder von der Polizei schikaniert werden
darf. Eigentlich hätten wir schon 1983 merken können, wie es um die Friedensliebe
dieser Leute bestellt war: sie waren sich nicht zu schade, sich mit rechten
bourgeoisen westlichen Journalisten zusammenzutun, die die Opposition gegen
die kommunistische Regierung dazu nutzten, in den NATO-Staaten Feindbildhetze
gegen die Regierungen der Warschauer-Vertrags-Staaten zu begründen und genau
dadurch die Atomraketen zu legitimieren. So war es für uns auch keine allzugroße
Enttäuschung, daß der "Pazifist" und Friedenspreisträger Vaclav Havel an
die Macht gekommen sein Land in das größte und verbrecherischste alle Militärbündnisse,
in die NATO hineinholt, das den Angriffskrieg gegen Jugoslawien führte,
und dafür sorgte, daß Tschechien als Rüstungsexportnation im Ausland einen
besonders üblen Ruf bekam, daß tschechische Kleinwaffen in Kriegen in aller
Welt tödliche Verwendung finden. Die Bundesrepublik hat zwar ihre Rüstungsexporte
ebenfalls gesteigert, die war aber auch immer stramm kapitalistisch gewesen.
So ist es auch nur folgerichtig, daß Vaclav Havel für den Internationalen
Währungsfond und die Weltbank den guten Gastgeber macht: Tschechien will
dabei sein und mitmachen, wenn es gilt, andere Länder auszubeuten. Die zu
sozialistischen Zeiten Lenins Imperialismustheorie an Schulen und Universitäten
gelernt haben, wenden diese nun andersherum an: sie versuchen, an der stärksten
imperialistischen Macht teilzuhaben und sich wenigstens einen Teil des Profites
anzueignen. Wenn ich Vaclav Havel als "Pazifisten" und Friedensfreund für
unglaubwürdig hielt, so hatte ich doch erwartet, daß er seinen Einsatz für
Menschenrechte wenigstens so ernst nimmt, zumindest auf dem bescheidenen
Niveau, wie es in anderen entwickelten kapitalistischen Ländern üblich ist:
daß niemand wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt, eingesperrt oder
von der Polizei schikaniert werden darf, geschweige denn geschlagen oder
gefoltert. So muß ich nun erleben, daß der "Menschenrechtler" Vaclav Havel
seine "SMETONZ" losschickt, um politisch andersdenkende mit Gewalt zu unterdrücken.
Im Falle des Jugendlichen Mads Trærup schreckt er vor erfundenen Anklagen,
Folter und Lösegelderpressung nicht zurück. Vor der tschechischen Botschaft
in Kopenhagen fanden schon mehrere Demonstrationen dänischer Menschen statt
- wann demonstrieren tschechische Menschen vor dem Präsidentenpalast für
die Freilassung von Mads Trærup und seinen Mitgefangenen?" weitere Informationen
zum Fall Mads Trærup in dänischer und englischer Sprache auf der homepage:
www.slipmadsfri.dk
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Cüppers
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Text verbreitet von Anarchist Black Cross Innsbruck:
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