nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

France: RAUS ABER NICHT FREI

This is a multi-part message in MIME format.

RAUS ABER NICHT FREI

Am 22.12.2000 um 17.15h erreichte ein Fax des Untersuchungsrichters
Bruguiäre das Frauengefängnis Fleury-Merogis (Paris), in dem die
sofortige Entlassung von Christel Fröhlich angeordnet wurde. Um 19.00h
stand Christel Fröhlich mit ihrer gesamten Habe vor dem Knast!


Was ist passiert?

Dokumentiert sich in Christels Entlassung eine demokratische Tradition
der Menschenrechte Frankreichs?

Mitnichten!

Die Entlassung von Christel erfolgte auf Grund eines neuen
französischen Gesetzes über die Unschuldsvermutung, welches u.a. die
Untersuchungshaft - erstmals in Frankreich - auf maximal 4 Jahre
beschränkt und das am 1.1.2001 in Kraft getreten ist.

Aber schon die Entlassung von Christel vor Inkrafttreten des neuen
Gesetzes ist kein Ausdruck von Menschlichkeit, es ist der Versuch der
politischen Sonderjustiz Frankreichs in Person von Bruguiäre sich die
Verfügungsgewalt über Christel Fröhlich zu sichern. Ab dem
1.1.2001 wäre ein Haftrichter für die Art und Dauer der Haft, wie
für eventuelle Auflagen bei Haftentlassung zuständig gewesen. Mit
der "vorzeitigen" Entlassung hält dagegen Monsieur Bruguäre
weiterhin die Fäden in der Hand.

Das schlägt sich in den Auflagen nieder:

Christel darf Paris nicht verlassen, sie muss sich täglich zwischen
9-12 h bei der "Brigade criminelle" im Justizpalast melden und sie ist
diversen Kontaktverboten unterworfen. Eine "Verletzung" dieser Auflagen
zieht eine weitere viermonatige Haft nach sich.

Nach 18 Jahren Ermittlungen und 5 Jahren Haft dokumentieren diese
Auflagen einerseits die Schwäche der juristischen Konstruktion in der
Strafverfolgung und stellen andererseits einen weiteren Versuch dar,
Christel Fröhlich für unbestimmte Zeit ihrer Freiheit zu berauben.

Christels Anwälte bezeichnen diese Auflagen als einmalig für
Frankreich und fordern deren Aufhebung, da sie dem Gesetz über die
Unschuldsvermutung diametral entgegen stehen.

Christel Fröhlich saß seit November 1996 in Untersuchungshaft. Ein
Jahr zuvor - am 28.10.1995 - war sie auf offener Straße in Rom mit
internationalem Haftbefehl aus Frankreich verhaftet worden. Im November
wurde sie nach Paris ausgeliefert. Vorgeworfen wird ihr die Beteiligung
an einem Anschlag auf eine arabische Zeitung in der Rue Marbeuf im April
1982 in Paris.

Um die Untersuchungshaft und deren Dauer zu rechtfertigen, verweist der
Untersuchungsrichter Bruguiäre immer wieder auf Unterlagen
"osteuropäischer Geheimdienste". Nun ist es so, dass die bisherigen
Ermittlungen Bruguiäres eine Untersuchungshaft nicht rechtfertigen. Es
gibt, außer mehr als dubiosen Geheimdienstunterlagen, keine Beweise
für die Tatbeteiligung Christel Fröhlichs.

Das haben selbst deutsche Ermittlungsbehörden gemerkt und ihre
Untersuchungen eingestellt.

Doch damit nicht genug:

Um auch die "halbe Freiheit" zu beenden, hat die französische
Sonderjustiz bei den italienischen Behörden eine Erweiterung des
Auslieferungsbescheides um einen weiteren Anschlag - auf den Schnellzug
"Le Capitole" im März 1982 - beantragt. Wurden die Italiener diesem
Antrag zustimmen, könnte dies eine weitere vierjährige
Untersuchungshaft für Christel bedeuten.

Christel Fröhlich hat jede persönliche und politische Verantwortung
für die ihr vorgeworfenen Taten zurückgewiesen. Ansonsten hat sie
bei allen Verhören geschwiegen - nicht gerade üblich in Frankreich
und in der heutigen Zeit erst recht nicht.

Hätten wir es hier mit einem "normalen" juristischen Verfahren zu tun,
dann müsste der Untersuchungsrichter Bruguiüre zumindest
feststellen, dass er mit seinen Ermittlungen nicht weiterkommt.

Dass er sich anders verhält, hat Gründe:

Seit Jahren versucht die französische Sonderjustiz - bisher ebenfalls
erfolglos - Carlos zahlreiche Anschläge der 80er Jahre in Frankreich
anzulasten. Da Christel eine Zusammenarbeit mit Carlos, der in Paris im
Gefängnis sitzt, vorgeworfen wird und sie nicht bereit ist auszusagen,
drängt sich der Eindruck auf, dass es nicht um den Vorwurf der
Attentate geht, sondern um die Erpressung von Ausssagen.

Doch Christel wird sich in keinem Fall als Kronzeugin missbrauchen
lassen.

Wir fordern die sofortige Aufhebung aller Auflagen und ihre
bedingungslose Freiheit!

Solidaritätsgruppe "Christel Fröhlich"

C/o annabee Buchladen

Gerberstr. 6

30169 Hannover

Fax: +49 511 1610538 =
Hannover im Januar 2001


 

15.01.2001
Solidaritätsgruppe "Christel Fröhlich"   [Aktuelles zum Thema: Repression]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht