Thüringen: Normalzustand - Ausnahmezustand
Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Pressemitteilung vom 19.01.01
AFRIKANISCHE ASYLBEWERBER WOLLEN ARNSTADT VERLASSEN
Mit der Bitte um Unterstützung, aus Arnstadt in eine andere Stadt ziehen zu können, wandten sich mehrere afrikanische Asylbewerber an den
Thüringer Flüchtlingsrat.
In der Nacht vom 6. zum 7. Januar wurden drei afrikanische Asylbewerber und
zwei deutsche Freundinnen erneut in der Gaststätte Lindeneck in Arnstadt aus
offenbar rassistischen Motiven angegriffen. Laut detaillierter Aussagen der
Betroffenen hätten einige Jugendliche zunächst den Zugang zum Tisch abgesperrt, an dem die afrikanischen Männer mit den deutschen Frauen
saßen. Danach habe einer der deutschen Jugendlichen begonnen, einen der
Afrikaner anzurempeln und zu bedrohen. Ein Afrikaner habe darauf hin die
Security gesucht, die jedoch zunächst nicht rea-giert habe. Schließlich habe die
Security eingegriffen, jedoch gegen die afrikani-schen Asylbewerber.
Mitglieder des Sicherheitspersonals hätten die Afikaner grob
angegangen und in den Schwitzkasten genommen. Als einer der deutschen Jugendlichen ein
Glas zerschlug und damit einem der drei Afrikaner Verletzungen im Gesicht
und am Ohr zufügte, habe die Security tatenlos zugesehen. Zwei der drei
Betroffenen mußten später notärztlich versorgt werden. Durch den behandelnden Arzt wurden Prellungen, Platzwunden im Gesicht und am
Ohr sowie leichte Verletzungen im Halsbereich festgestellt.
Die auf Initiative einer deutschen Frau herbeigerufene Polizei trennte
zunächst Angreifer und Opfer. Sofort hätten sich Security und der
Gaststättenbesitzer zum Hergang des Geschehens durch Anschuldigung
der
Afrikaner geäußert. Der Gaststättenbesitzer verhängte ein Hausverbot
gegen
sie. Die Polizei entfernte die Afrikaner aus der Diskothek. Voller Genugtuung berichteten einige Tage später Jugendliche, daß der
Discjockey den Song "It's time to say good bye" aufgelegt habe, als die
Afrikaner die Disko verlassen mußten.
Der Flüchtlingsrat wandte sich an den Besitzer des "Lindeneck" mit der
Aufforderung, das Hausverbot gegen die Afrikaner aufzuheben sowie das
Fehlverhalten der Security zu korrigieren.
Bereits am 22. Oktober 2000 war es zu einem Übergriff auf
Asylbewerber nach einem Besuch im "Lindeneck" gekommen. Ein umfangreicher Fragenkatalog des
Flüchtlingsrates an das Thüringer Innenministerium und die AG Gewaltprävention beim Thüringer Innenministerium zum Polizeieinsatz in
dieser Nacht wurde noch nicht beantwortet. Die von den Asylbewerbern gerufene Polizei hatte die Asylbewerber festgenommen - mit Hilfe der
deutschen Jugendlichen, die nach Aussage der Asyl-bewerber die Angreifer waren.
Aufgrund der vermehrten Angriffe gegen ausländische Menschen in der
Stadt hat die Polizeidirektion Gotha bereits ein Sicherheitskonzept für die
Asylbewerber eingeführt. Dazu gehören insbesondere eine "erhöhte
Präsenz im Bereich der Wohnanlage, aber auch im Stadtgebiet von Arnstadt".
Hierzu der Flüchtlingsrat: "Der Wunsch der Asylbewerber, Arnstadt zu verlassen, ist alarmierend. Ein polizeiliches Sicherheitskonzept ist nicht´ausreichend für das Wohlergehen der Flüchtlinge. Das in Teilen der
Bevölkerung gegen die Asylbewerber ge-richtete Klima muß korrigiert
werden. Von besonderer Bedeutung ist der freie Zugang zu sozialen und kulturellen
Angeboten. Dafür müssen jeder Bürger und jede Bürgerin, vor allem aber
Verantwortliche in öffentlichen Einrichtungen, Behörden, Gaststätten
eine besondere Verantwortung tragen."
Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Rudolfstr. 47 / E2, 99092 Erfurt
Telefon: 0361-21727-20
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