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Uelzen/ Lüneburg: Rückgrat läßt sich nicht brechen

Rückgrat läßt sich nicht brechen
Weg mit der Beugehaftandrohung gegen Uelzener Antifa

Am 30. Juni 2000 trafen sich etwa 15 Antifas in Rosche, einem Ort im Landkreis Uelzen, der zu dieser Zeit wegen vermehrter rassistischer
Übergriffe von sich Reden machte. So versuchten etwa 20 Neonazis und
rechtsorientierte Jugendliche am 17.Juni 2000 das örtliche
Flüchtlingsheim zu überfallen. Die beteiligten AkteurInnen der lokalen
rechten Szene „zogen vor das Haus, riefen rassistische Parolen und
bedrohten die AnwohnerInnen. Als sie den Versuch unternahmen, in das
Haus einzudringen, stellten sich ihnen einige Menschen entgegen.“ Durch
den, für sie unerwarteten Widerstand ließen die Nazis von ihrem Angriff
ab und zogen sich zurück. Aufgrund dieser Vorfälle versuchte die
Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen mittels täglicher Präsenz, den
Faschisten den öffentlichen Raum streitig zu machen- ein Unterfangen,
das mit einem versuchten Mord beantwortet wurde!
An oben genanntem Tag gegen 22 Uhr lauerten einige Neonazis den
AntifaschistInnen mit zwei PKWs auf. Nachdem eines der Autos zweimal
teilweise sehr dicht und mit hoher Geschwindigkeit die GenossInnen
passierte, schien das unterbelichtete Nazi- Ego von dessen Fahrer
beachtlich zu wachsen. Er fühlte sich offenbar dazu berufen Olaf zu
überfahren, der zu diesem Zeitpunkt die Straße überquerte. Der
Antifaschist konnte sich nur durch einen Sprung zur Seite vor dem
herannahenden Fahrzeug retten.

Der Staat- dein Freund und Helfer

Diese Vorfälle wurden von der lokalen Antifa öffentlich gemacht, worauf
die Uelzener Polizei den telefonischen Kontakt mit dem Betroffenen
suchte, um ihn zu einer Anzeige gegen den Fahrer des PKW zu bewegen.
Olaf kam der „Bitte“ der Verfolgungsbehörden nach, was sich aus heutiger
Sicht als verhängnisvoller Fehler darstellt.
Nach Aufnahme der Anzeige und Weiterleitung der Unterlagen an die
zuständige Staatsanwaltschaft wurde Olaf am 23. Oktober 2000 zur ersten
Vernehmung geladen. Die in diesem Fall vorsitzende Jugendrichterin
Neßelhut forderte ihn in selbiger auf neben einer Darstellung der
Geschehnisse auch die Namen von ZeugInnen, sprich die Identität der
anderen am Tattag in Rosche befindlichen Antifas zu Protokoll zu geben.
Das lehnte Olaf ab, da er befürchtete, daß die Offenlegung ihrer
Personalien faschistische Übergriffe nach sich ziehen würden. Zudem
wollte er verhindern, daß den Staatsschutzbehörden die Strukturen
freiwillig serviert werden, die in antifaschistische Aktionen in der
Region Lüneburg/ Uelzen involviert sind.
Diese partielle Aussageverweigerung quittierte Richterin Nesselhut mit
einem Ordnungsgeld in Höhe von 200 DM, deren Verhängung sie mit einer
erneuten Forderung nach Preisgabe der Namen koppelte. Sie unterstrich
ihre Entschlossenheit mit der Androhung von Beugehaft. Olaf konnte
jedoch auch das nicht beeindrucken- er blieb bei seiner Weigerung! Nach
einem dritten vergeblichen Versuch entließ das Gerichts den Zeugen unter
der Ankündigung, daß eine weitere Befragung folgen werde. Sollte Olaf
auch bei dieser Vernehmung (sie ist Ende Februar zu erwarten) keine
Namen nennen wird Beugehaft verhängt, das hat sowohl das Gericht als
auch die Staatsanwaltschaft bereits angekündigt! Als Extra- Bonbon soll
die Erzwingungshaft noch durch ein Ordnungsgeld von täglich 50 DM
aufgestockt werden. Olaf wird dennoch sein Maul halten!

Es gibt keine Folter nur Beugehaft

Der Begriff „Beugehaft“ umschreibt eine staatliche Zwangsmaßnahme, die
mittels Gefängnis Angaben von ZeugInnen erpressen will, die juristisch
kein Recht zur Verweigerung der Aussage besitzen. Lediglich ein
verwandtschaftliches Verhältnis, der Verheirateten-, Verlobtensatus zu
einem Beschuldigten bzw. eine mögliche Selbstbelastung (§ 55
Strafprozeßordnung (StPO)) können ein solches Recht begründen. In allen
übrigen Fällen ist mensch zu Aussagen verpflichtet! Wer dazu dennoch
nicht bereit ist, soll durch Knast eines besseren belehrt werden. Die in
§ 72 StPO festgeschriebenen Maßnahmen dürfen in ihrer Anwendung die
Dauer von sechs Monaten allerdings nicht überschreiten.
In der Vergangenheit erwies sich die Beugehaft als ein gern genutztes
Repressionsinstrument gegen politisch motivierte Aussageverweigerung,
die in der linksradikalen Bewegung seit Jahrzehnten propagiert wird. Vor
allem in Verfahren nach den §§ 129/129a (Bildung oder Unterstützung
einer kriminellen/terroristischen Vereinigung) wurde sie massenhaft
verhängt. Trotz der politischen Intention, die das beschriebene
Verfahren in Lüneburg/ Uelzen trägt, sowie die Schwere des Tatvorwurfs
unterscheidet sich dieser Prozeß in einem ganz entscheidenden Punkt von
den bisher gemachten Erfahrungen der radikalen Linken mit Beugehaft:
Olaf ist nicht als Zeuge in einem Strafverfahren gegen GenossInnen,
sondern als Geschädigter eines faschistischen Übergriffs durch den
Angeklagten vor Gericht geladen! Es entspricht schon einer verrückten
Logik, daß er anstatt des Täters als eigentlich Betroffener eine massive
Kriminalisierung über sich ergehen lassen muß.

Bulle- Buhhhh

Die in diesem Fall beschriebenen Ereignisse indizieren einmal mehr die
Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung um den Umgang mit dem
staatlichen Repressionsapparat. Dabei zeichnet sich unseres Erachtens
nach innerhalb der „Szene“ ein ambivalentes Verhältnis zu den
Verfolgungsbehörden ab. Während sie einerseits wegen der Verfolgung von
MitstreiterInnen abgelehnt und verachtet werden, ist andererseits eine
teilweise sehr unreflektierte Nutzbarmachung der Justiz zu verzeichnen,
wenn es beispielsweise darum geht, eine Verurteilung von Neonazis zu
erwirken. Diese „Instrumentalisierung des Systems“ zeugt von einer zu
engen Betrachtungsweise, die den Hintergrund völlig außer acht läßt
unter dem juristische Abläufe von statten gehen. Auch aus unserem
Blickwinkel ist es verständlich „Gerechtigkeit“ zu suchen. Bedient sich
mensch zu diesem Zweck aber der Mühlen herrschender Gerichte, brechen
unweigerlich Widersprüche zum eigenen linksradikalen Selbstverständnis
auf, weil die Berufung auf geltende Gesetze die bestehenden Verhältnisse
anerkennt, bestätigt und verfestigt- und das will ja wohl niemand von
uns!

Die Suppe gehört ausgelöffelt

Den Angriff gegen Olaf werten wir als kläglichen Versuch der
Ermittlungsbehörden antifaschistischem Engagement beizukommen, das sich
nicht im zivilgesellschaftlichen Aufstands der „besseren Deutschen“
erschöpft. Nachdem es gelang, die in der Vergangenheit mehrfach
getätigten Repressionsbemühungen gegen die linke Szene in
Lüneburg/Uelzen abzuwehren, sollten wir nun gemeinsam versuchen, der
nahezu unumgänglich erscheinenden Verhängung der Beugehaft solidarisch
und entschlossen zu begegnen!

Gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands!
Solidarität mit Olaf! Kein Knast für nichts!

Rote Hilfe Leipzig

Solikonto für Olaf:

Rote Hilfe e.V./ Harburg Land; Kreissparkasse Harburg- Buxtehude; Konto-
Nr.: 6072169; BLZ: 20750000; Verwendungszweck: “Beugehaft”

Kontakt und Infos über:

Antifaschistische Aktion Lüneburg/ Uelzen, Postfach 1217, 29544 Bad
Bevensen, Tel.: 0172/ 4152311

Rote Hilfe Leipzig, c/o VL, Postfach 54, 04277 Leipzig,

e-mail: leipzig@rote-hilfe.de

Tel. 0179-4115589

 

20.02.2001
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